Читать книгу Star Trek - Legacies 1: Von einem Captain zum anderen - Greg Cox - Страница 13
FÜNF
ОглавлениеLogbuch des Captains, 2. Oktober 2249 Sogar nach vier Jahren Erforschung dieser unendlichen Weiten findet das Universum immer noch Wege, uns zu überraschen. Während einer routinemäßigen Untersuchung des entlegenen Libros-Systems sehen wir uns einem höchst verblüffenden Geheimnis und möglicherweise einem beunruhigenden moralischen Dilemma gegenüber …
»Da hol mich doch …«, sagte Captain Robert April. »Das kommt unerwartet.«
Der erste Captain des Raumschiffs Enterprise brütete über den neuesten Sensormessungen des Planeten unter ihnen, die auf der Datentafel in seiner Hand angezeigt wurden. Eine graue Strickjacke, die er über seinem goldenen Rollkragenpullover trug, verlieh dem etwa Vierzigjährigen eine wohlwollende, onkelhafte Ausstrahlung, zu der auch seine sanften Gesichtszüge, das wellige braune Haar und die funkelnden braunen Augen beitrugen. Ein deutlich hörbarer Akzent aus Coventry verriet seine Wurzeln auf der Erde.
»Das können Sie laut sagen«, antwortete der Erste Offizier Lorna Simon von der Wissenschaftsstation an Steuerbord. Sie stand kurz vor der Pensionierung und war eine kleine, rundliche Frau, deren silbergraues Haar und kluge Augen von großer Lebenserfahrung zeugten. Ihre resolute, nüchterne Art hatte der Enterprise durch eine Menge Herausforderungen geholfen. Ihr blaues Oberteil und die schwarze Hose saßen bequem. »Vorläufige Sensorscans deuten auf einen großen künstlichen Komplex auf der Oberfläche des Planeten hin, der sich vor zehn Jahren noch nicht dort befunden hat … und jetzt auch nicht dort sein sollte.«
Wahrscheinlich nicht, dachte April. Frühere unbemannte Sonden, die das System vor zehn Jahren untersucht hatten, hatten auf dem Planeten eine primitive, vorindustrielle Kultur aufgezeichnet, aber jetzt schien dort eine technologisch fortschrittliche Festung aus dem Nichts entstanden zu sein.
»Eroberung, Kolonisation«, zählte Simon die Möglichkeiten auf. »Das ist die einzig sinnvolle Erklärung. Die Energiewerte, die ich von der Zitadelle erhalte, weisen auf Technologie hin, die das letzte gemeldete Entwicklungsstadium der Einheimischen in geradezu absurdem Maß übersteigt.«
»Sie haben höchstwahrscheinlich recht«, stimmte April zu. »Aber können wir sicher sein, dass eine Einmischung von außen die einzige Erklärung ist? Punktuelle Entwicklungen, bei denen eine intelligente Spezies plötzlich nach Jahrhunderten oder sogar nach Jahrtausenden des kulturellen und wissenschaftlichen Stillstands gewaltige Sprünge nach vorne macht, sind in dieser Galaxis durchaus schon vorgekommen. Sehen Sie sich an, wie die H’Ramo in kaum mehr als einer Generation von einer feudalen Zivilisation, die aus kriegsführenden Lehen bestand, zu einer demokratischen Weltregierung wurde … oder auch die rasanten wissenschaftlichen Fortschritte auf der Erde seit dem, sagen wir, 20. Jahrhundert. Oder die Zeit des Erwachens der Vulkanier, wo wir schon dabei sind.«
Simon schüttelte ihren Kopf.
»Das überzeugt mich nicht. Diesen alten Analysen zufolge lebten die Einwohner von Libros III fast noch in der Steinzeit. Selbst wenn sie die größte Renaissance aller Zeiten durchlaufen hätten, gäbe es keine Möglichkeit, dass sie diese Zitadelle in weniger als zehn Jahren aus dem Boden gestampft hätten – es sei denn, sie hatten Hilfe.«
»Wenn dieser Komplex überhaupt die Einheimischen beherbergt«, sagte April. »Nach allem, was wir wissen, könnte es sich um einen außerplanetarischen Außenposten handeln … oder eine Militärbasis.«
Lorna warf ihm einen Blick zu. »Klingonen?«
»Ich hoffe nicht«, entgegnete April. »Unseren neuesten Informationen zufolge hat sich das Reich noch nicht bis in diesen Sektor ausgebreitet, aber man kennt ja die Klingonen. Sie drängen immer weiter nach außen, auch wenn sie nicht willkommen sind.«
Fast ein Jahrhundert war seit dem Vorfall in Broken Bow vergangen und die Beziehungen zwischen der Föderation und dem klingonischen Reich hatten sich seit diesem turbulenten ersten Kontakt kaum verbessert. Die Föderation setzte auf Erweiterung durch Diplomatie und Erforschung, das Reich erweiterte seine Grenzen aggressiv durch unverhohlene Eroberungen und Täuschungen. Deshalb schienen die beiden galaktischen Supermächte sich permanent auf einem Kollisionskurs zu befinden und gelegentliche Grenzscharmützel fanden immer häufiger statt. April selbst hatte schon mehrere Zusammenstöße mit den Klingonen gehabt, manchmal mit schrecklichen Folgen. Sogar in der Sternenflotte gab es diejenigen, die einen Krieg für unausweichlich hielten, aber April wollte das nicht glauben. In seinem Herzen war er Optimist und wollte glauben, dass das Universum genug Platz für alle bot.
Aber vielleicht war er auch nur naiv.
»Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass die Zitadelle klingonischen Ursprungs ist?«, fragte er.
»Nein«, gab Simon zu. »Ganz ehrlich, die Energiesignaturen passen zu keiner Technologie einer mir bekannten interstellaren Zivilisation.«
Und das heißt schon etwas, dachte April angesichts der Lebenserfahrung seines Ersten Offiziers. »Also sehen wir uns vielleicht Neuankömmlingen gegenüber, die uns und Libros III fremd sind und offenbar bereits eine Stellung auf dem Planeten aufgebaut haben.«
Er betrachtete nachdenklich die üppig grüne Welt auf dem Hauptschirm. Wattige weiße Wolken zogen über weite Meere und Kontinente hinweg und erzeugten eine angenehme Ähnlichkeit mit der Erde. Libros war ein Klasse-M-Planet, der überaus einladend wirkte. Allein die Tatsache, dass er bereits von intelligenten Lebensformen bewohnt wurde, hatte ihn nicht zum Ziel der Kolonisation werden lassen. Die Oberste Direktive war sehr eindeutig, wenn es darum ging, seine Zelte auf einem Planeten mit einheimischer Bevölkerung aufzuschlagen. Aber vielleicht kümmerten sich die Neuankömmlinge nicht um solche Feinheiten?
»Ich frage mich, woher aus der Galaxis unsere neuen Freunde kommen«, sagte er.
»Und wie sie hergekommen sind«, fügte Lieutenant Una von der Navigationsstation hinzu. Die dunkelhaarige, junge Illyrianerin sah von den Messungen ihrer Konsole auf. »Die taktischen Sensoren entdecken keine weiteren Schiffe in diesem System, geschweige denn im Orbit oder auf der Oberfläche des Planeten. Die Enterprise ist das einzige Raumschiff im Umkreis von Lichtjahren.«
April vertraute ihrer Einschätzung. In den letzten Jahren hatte Una ihrem Ruf als Wunderkind alle Ehre gemacht und eine natürliche Eignung für jeden Posten gezeigt, den man ihr zugewiesen hatte. Una hatte als Klassenbeste die Akademie abgeschlossen und das obendrein ein Jahr zu früh. Trotz ihrer Jugend schätzte April sich glücklich, sie für seine Mannschaft ergattert zu haben, und hatte sie vor Kurzem zum Lieutenant befördert. Sie würde es noch weit bringen, so viel war sicher.
»Das ist leicht zu erklären, Una«, sagte er und sprach sie mit der für ihn typischen Zwanglosigkeit an. »Das Schiff – oder die Schiffe –, die sie hierhergebracht haben, waren vielleicht hier und sind schon wieder weg. Die Föderation hat weiß Gott reichlich abgeschiedene Kolonien und Wissenschaftsstationen, die höchstens alle paar Jahre ein Raumschiff zu Besuch haben. Möglicherweise wurden unsere Neuankömmlinge vor einiger Zeit abgesetzt und sich selbst überlassen.« Er stützte das Kinn auf die Faust. »Was immer noch die Frage aufwirft, wer sie sind und was genau sie auf Libros III machen.«
»Und was sie mit den ursprünglichen Einwohnern des Planeten anstellen«, fügte Lorna Simon grimmig hinzu. »Orbitalscans haben Beweise für umfangreiche Landwirtschaftsprojekte, Waldrodungen und vielleicht sogar einen gewissen Grad biologischen Terraformings ergeben. Ganze Wälder und Dschungel wurden abgeholzt. Flüsse wurden eingedämmt und umgeleitet. Berge wurden im Tagebau ausgebeutet.« Ein Stirnrunzeln vertiefte die wohlverdienten Falten ihres Gesichts. »Man muss sich fragen, wo unsere Neuankömmlinge die Arbeitskräfte für diese ehrgeizigen Unterfangen finden – und ob die einheimischen Librosianer das freiwillig mitmachen.«
April verstand, was sie sagen wollte. »Sie befürchten, dass die Kolonisten die Einheimischen ausbeuten?«
»Das wäre nicht das erste Mal in der Geschichte«, antwortete sie. »So traurig das ist.«
»Und wohl auch nicht das letzte Mal«, gab er zu. April war Optimist, aber gleichzeitig auch Realist. Wenn eine technologisch fortschrittliche Kultur in ein Gebiet Einzug hielt, das von weniger entwickelten Völkern bewohnt war, war der Ausgang für Letztere oft tragisch. »Insbesondere wenn es in dem Gebiet Ressourcen gibt, von denen man profitieren kann.«
»Genau so sehe ich das«, sagte Simon. »Wenn ich mir ansehe, wie rücksichtslos die Neuankömmlinge mit der Umwelt des Planeten umspringen, könnte es sein, dass wir über eine groß angelegte Besetzung des Planeten gestolpert sind, die schon seit zehn Jahren andauert.« Finster betrachtete sie ihre Messergebnisse. »Ich schätze, die Leute in der Zitadelle haben keine eigene Version der Obersten Direktive.«
»Aber wir haben eine«, mahnte April. »Was uns in eine heikle Lage bringt.«
»Sir?« Una warf ihm einen besorgten Blick zu. »Wir können doch sicher nicht einfach dabei zuschauen, wie eine primitive Spezies von außerweltlichen Eindringlingen unterdrückt und vielleicht sogar versklavt wird. Die Librosianer verdienen das Recht zur Selbstbestimmung über ihre eigene Zukunft ohne äußere Einmischung. Genau darum geht es doch in der Obersten Direktive.«
April erinnerte sich, dass die Illyrianer vielleicht noch mehr als andere Kulturen größten Wert auf Freiheit und Selbstbestimmung legten. Als Volk waren sie dafür bekannt, den Tod der Knechtschaft vorzuziehen. Tatsächlich hatte Una einst Suliban-Terroristen damit gedroht, eine komplette Raumstation voller Geiseln in die Luft zu jagen, einschließlich sich selbst.
Oder war das ein Bluff gewesen?
»Ich fürchte, es ist komplizierter als das«, sagte er. »Die Oberste Direktive ist unsere Vorschrift. Sie anderen aufzuzwingen, wie zum Beispiel den mysteriösen Neuankömmlingen dort unten, könnte für sich genommen schon als Verletzung der Obersten Direktive angesehen werden.«
Una musterte ihn skeptisch. »Ist das nicht Haarspalterei, Sir?«
»Ganz und gar nicht«, betonte er. »Nehmen wir an, dass Eroberung oder Kolonisation wesentlicher Bestandteil der Kultur oder Biologie der Neuankömmlinge ist. Zwingen wir ihnen also unsere Überzeugungen auf, wenn wir uns in ihre Bestrebungen auf Libros III einmischen?«
Simon schnaubte. »Eroberung liegt in der Natur der Klingonen. Das heißt nicht, dass wir für sie den roten Teppich ausrollen müssen.«
»Wenn sie sich in unser Gebiet vorwagen und unsere Völker bedrohen, mit Sicherheit nicht«, stimmte April zu. »Aber wir befinden uns momentan weit jenseits der Grenzen der Föderation. Wir haben keine Hoheitsrechte auf Libros III, und nach allem, was wir wissen, könnten die Neuankömmlinge durchaus davon ausgehen, dass sie gemäß ihrer eigenen Regeln und Gebräuche berechtigten Anspruch auf den Planeten haben.«
Die Neuankömmlinge hatten quasi ihre Flagge gehisst. Vielleicht genügte das, soweit es sie betraf?
»Aber was ist mit den Librosianern, Sir?«, beharrte Una. »War das nicht bereits ihr Planet? Und hat man sich nicht bereits in ihre natürliche Entwicklung eingemischt?«
»Tja, genau da drückt der Schuh.« Aprils leutselige Art wurde ernster. »Denken Sie nicht, dass mir Ihre Bedenken gleichgültig sind, Una. Die Geschichte enthält viel zu viele Horrorgeschichten über Eingeborene und Kulturen, die von fremden Eindringlingen unterdrückt und sogar ausgelöscht wurden. Das Letzte, was diese arme Galaxis braucht, ist noch so eine Tragödie. Aber die Oberste Direktive existiert, um uns davon abzuhalten, uns dort, wo wir nicht hingehören, voreilig einzumischen und Gott zu spielen. Wir müssen hier vorsichtig vorgehen, zumindest bis alle Tatsachen bekannt sind.«
Das Problem mit der Obersten Direktive war, hielt er sich vor Augen, dass sie immer noch Auslegungssache war. Vielleicht gäbe es eines Tages, in einigen Generationen, ausreichend Präzedenzfälle, auf die zukünftige Captains der Sternenflotte sich stützen konnten, wenn sie ihre Entscheidungen trafen. Doch in der Gegenwart war die Tinte auf der Direktive kaum getrocknet, was bei der Begegnung mit neuen Welten und Zivilisationen beträchtlichen Spielraum in der Handlungsweise bot. Und vielleicht war das auch gut so. Seiner Erfahrung nach gab es selten ein allgemeingültiges Vorgehen, das auf jede Situation anwendbar war, und eine bestimmte Flexibilität war nicht immer etwas Schlechtes, auch wenn das manchmal harte Entscheidungen bedeutete.
»In dem Fall, Captain«, sagte Una, »werden vielleicht mehr Daten benötigt.«
April nickte. »Sie haben recht, Lieutenant. Eine diskrete Erkundungsmission ist unbedingt erforderlich.«
»Erbitte Erlaubnis, den Landetrupp anführen zu dürfen, Sir«, bat Una.
»Das ist die Entscheidung des Captains, Lieutenant«, tadelte Simon. »Drängeln Sie sich nicht vor.«
»Aber, aber, Lorna«, sagte April, dem Unas Bitte nichts ausmachte. Im Gegensatz zu einigen jüngeren, forscheren Captains fühlte er sich nicht dazu genötigt, jede Außenmission selbst anzuführen. »Wir wollen doch persönliche Initiative nicht abschrecken.« Er musterte den jungen Lieutenant nachdenklich. Una hatte bisher noch keinen Landetrupp angeführt, aber sie war wahrscheinlich für diese Verantwortung bereit. »Sie haben offensichtlich eine klare Meinung zu diesem Thema, Una. Aber seien Sie jetzt ehrlich: Werden Sie in der Lage sein, diese Gefühle unter Kontrolle zu halten?«
Sie hob ihr Kinn. »Ich bin Illyrianerin, Sir. Vulkanier beneiden uns um unsere Selbstkontrolle.«
Es mangelt ihr jedenfalls nicht an Selbstbewusstsein, dachte April und unterdrückte ein Schmunzeln. Andererseits, wenn man sich ihre ausgezeichnete Erfolgsbilanz vor Augen hält, warum sollte es auch?
»Seien Sie vorsichtig, Una,« sagte er sanft. »Es gibt ein menschliches Sprichwort: ›Hochmut kommt vor dem Fall.‹«
»Buch der Sprüche, 16:18«, zitierte sie. »Und ich glaube, das ursprüngliche Zitat lautet: ›Hoffart kommt vor dem Sturz und Hochmut kommt vor dem Fall.‹«
Eins zu null für sie, dachte April. »Also schön, Lieutenant. Stellen Sie einen Landetrupp zusammen und melden Sie sich im Transporterraum. Mein Rat wäre, Lieutenant Commander Martinez mitzunehmen. Er ist für solche Situationen ein guter Mann.«
Raul Martinez war ein intelligenter, fähiger Offizier, der bereits mehrfach erfolgreiche Missionen auf Planeten angeführt hatte. Er hatte bei vielen Gelegenheiten, von denen einige mehr als nur ein bisschen brenzlig gewesen waren, bewiesen, dass er einen klaren Kopf bewahren und sich, wenn nötig, auch bedeckt halten konnte. So wie zum Beispiel bei dieser schrecklichen Angelegenheit auf Sofya V. April hatte Vertrauen in Una, aber es konnte nicht schaden, bei ihrem ersten Kommando über einen Landetrupp einen erfahreneren Offizier zu ihrer Unterstützung mitzuschicken.
Falls Una sich in ihrem Ego durch Martinez bedroht fühlte, ließ sie sich nichts anmerken. Vielleicht war sie wirklich so selbstbewusst.
»Danke, Captain.« Sie sprang auf und übergab die Navigationsstation an Ensign Stevens, der Bereitschaft hatte. »Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
Zügig ging sie zum Turbolift, der sie von der Brücke wegbrachte.
Simon seufzte und sah dem eifrigen jungen Lieutenant hinterher. »Warum denke ich immer, dass sie es auf meinen Job abgesehen hat?«
»Geben Sie ihr Zeit«, sagte April. »Geben Sie ihr Zeit.«