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UNSERE GESCHICHTEN BESTIMMEN UNSER LEBEN
ОглавлениеWir wertschätzen die Geschichten, die wir erschaffen, sehr. Als Individuen teilen wir anderen oft voller Stolz die Geschichte unserer Familie und die Leistungen unserer Vorfahren mit. Als Nationen feiern wir die sportlichen Erfolge unserer Mannschaften bei den Olympischen Spielen, betonen gerne die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, die unsere Astronauten zum Mond fliegen ließen, und schwenken die Fahnen unserer Länder. Manchmal ertappen wir uns aber auch dabei, dass wir Geschichten, mit denen wir aufgewachsen sind, verteidigen, obwohl neue Entdeckungen beweisen, dass diese Geschichten falsch sind.
Eben diese Neigung, an einer vertrauten Geschichte festzuhalten, auch wenn sie durch neue Beweise eigentlich längst widerlegt ist, kann das größte Hindernis sein, wenn es darum geht, eine gesunde Einstellung zu unserer Welt der Extreme zu entwickeln.
Leitsatz 5Die Geschichten, die wir uns über uns erzählen – und glauben –, bestimmen unser Leben.
Ein häufig behaupteter Grundsatz besagt, dass wir etwas als Tatsache zu akzeptieren beginnen, wenn wir es nur oft genug hören, gleichgültig, ob es wahr ist oder nicht. Die geschönte Geschichte des Tabakrauchens, die bis in die frühen 1960er Jahre allgemein akzeptiert war, ist ein perfektes Beispiel. Bis zu einem Bericht über die gefährlichen Folgen des Zigarettenrauchens aus dem Jahr 1964 engagierte sich die amerikanische Tabakindustrie in einer gewaltigen Medienkampagne, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das Rauchen eine ungefährliche oder sogar gesunde Gewohnheit sei. Griffige Slogans waren in der Werbung in Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen üblich, darunter solche wie »Wenn du zur Völlerei neigst, greife lieber zu einer Lucky«, »Ich schütze meine Stimme mit Luckys« oder »Als Ihr Zahnarzt würde ich Viceroys empfehlen«.9
Ein besonders beunruhigendes Werbeplakat für Camel-Zigaretten aus den 1940er Jahren behauptete, dass, laut einer landesweiten Umfrage, »mehr Ärzte Camel rauchen als jede andere Zigarette«.10 Eine nähere Überprüfung der Befragung enthüllte den Rest der Geschichte. Die Fragen waren Ärzten gestellt worden, die bei Tagungen und Konferenzen kostenlose Päckchen Camel-Zigaretten bekommen hatten, bevor sie an der Umfrage teilnahmen. Nachdem sie die kostenfreien Proben erhalten hatten, wurden sie gefragt, welche Marken sie am liebsten mögen oder in ihren Taschen haben. Die Proben verzerrten die Antwort sehr wirksam zugunsten der Camels. Die amerikanischen Konsumenten vertrauten und glaubten solchen und anderen Werbeanzeigen. Wenn eine Zigarette für Ärzte ungefährlich ist, dann muss sie doch schließlich auch für jeden anderen unschädlich sein, nicht wahr?
Die Wahrnehmung solcher Botschaften und der Tabakkonsum selbst änderten sich allerdings für immer durch eine bahnbrechende Untersuchung des US Surgeon Generals, des Sanitätsinspekteurs der Vereinigten Staaten. Zum ersten Mal belegte diese Studie wissenschaftlich, was viele Menschen bereits intuitiv geahnt hatten. Sie beschrieb einen direkten Zusammenhang zwischen Tabakkonsum, chronischer Bronchitis und Lungenkrebs. Die Studie stellte fest: »Das Komitee urteilt, dass das Rauchen von Zigaretten wesentlich zur Sterblichkeit bei bestimmten Krankheiten sowie der allgemeinen Todesrate beiträgt.«11 Bis 1965 hatte man dann die Tabakindustrie verpflichtet, die mittlerweile altbekannten Warnungen auf jedem verkauften Tabakprodukt zu platzieren.
Zweck dieses Beispiels ist es zu zeigen, dass sich eine von den Mainstreammedien und der breiten Öffentlichkeit geteilte Überzeugung – dass Rauchen harmlos sei – mit der Zeit wandelte. Sie musste sich wandeln, weil die Belege für schwere Krankheiten, an denen so viele Raucher litten, ganz einfach nicht zu der verbreiteten Story von Unbedenklichkeit und Gesundheit passte. Es stimmte eben nicht mit dem überein, was die Leute tatsächlich erlebten.