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V.

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Benno Arden hatte Hans Walsberg überredet, die Einladung seines Vaters anzunehmen, obgleich Hans nicht in der Stimmung war, eine Gesellschaft mitzumachen.

„Es ist Dir gerade gut, Dich herauszureißen, nicht immerfort über Warozin zu grübeln“, sagte er, „ich habe schon mit Onkel Egon wegen des Urlaubs gesprochen:“

Egon von Arden war der Bruder des Präsidenten und Kommandeur des 220. Regiments, in dem die beiden Freunde standen.

Am selben Tage, an dem dieser die Urlaubsgesuche zur Geburtstagsfeier seines Bruders genehmigt hatte, stand die Notiz über den Polenverkauf in der „Ostdeutschen Nationalzeitung“. Sie wirkte in der kleinen Garnison wie eine einschlagende Bombe. Es hatte sich ja inzwischen herumgesprochen, dass Warozin verkauft werden sollte und dass der Oberlandesgerichtsrat von Mielosenski darum handelte. Aber niemand hatte bisher darin eine politische Aktion gesehen. Nun war der Verkauf als solche gestempelt worden.

„Aber ein preußischer Beamter, das ist doch kein Nationalpole“, sagte einer der Kameraden, als die Sache im Kasino verhandelt wurde.

„Der ist ja nur vorgeschoben, der eigentliche Käufer ist ein Stockpole“, erklärte ein anderer, „und mit dem durfte Walsberg sich natürlich nicht einlassen.“

„Er ist ja noch gar nicht majorenn, die Mutter führt die Verhandlungen!“

„Aber er muss doch, wie die Zeitung sehr richtig sagt, Einfluss darauf haben.“

In den Streit der Meinungen hinein trat Hans ahnungslos, denn er hatte die Zeitung noch nicht gelesen.

Er merkte sofort die veränderte Stimmung um sich her. Auf seine Frage wurde ihm das Zeitungsblatt gereicht.

Er las, dann ließ er das Blatt sinken und sah die Kameraden an.

„Ihr verurteilt mich, wie es scheint, ebenso wie dieser Zeitungsschreiber, der mich nicht kennt und nichts Näheres von der Sache weiß“, sagte er mit vor Erregung heiserer Stimme.

Einer der älteren Kameraden trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Ich weiß nicht, wie die Verhältnisse liegen, lieber Walsberg, und ob es für Sie möglich ist, in der Sache noch etwas zu tun. Aber ich glaube im Namen aller Kameraden zu sprechen, wenn ich sage: versuchen Sie es wenigstens, diesen Verkauf zu hintertreiben.“

Hans biss die Lippen zusammen. Sollt er hier im großen Kreise davon sprechen, wie tief er unter dem Verkauf litt, sollte er erzählen, was er selbst vor kurzem erfahren hatte, dass Herr von Wolffen das Gut der Ansiedelungskommission vergeblich angeboten, dass er erst zu dem polnischen Käufer zurückgekehrt war, als alle deutschen Quellen, an die er sich wandte, versagten? Hätte das nicht ausgesehen wie eine Entschuldigung einer Sache wegen, an der er sich unschuldig wusste? Nein – nein!

Er verbeugte sie.

„Ich danke Ihnen, Herr Oberleutnant“, sagte er in dienstlicher Haltung. Dann verließ er das Kasino und ging nach Hause.

Schon das Abendblatt brachte Notiz von der Initiative des Regierungspräsidenten.

Hans hatte am Nachmittag keinen Dienst gehabt. Auch nicht einer der Kameraden hatte ihn aufgesucht. Jetzt trat Benno Arden, das Abendblatt in der Hand haltend, in Hansens Stube.

„Das ist hübsch von meinem Alten“, sagte er, „nun wird noch alles gut!“

Hans zuckte die Achseln. Er war sich nicht so minderwertig, so bei Seite erschienen wie jetzt, wo fremde Menschen bestimmten und zu Rate saßen über das, was ihm das Liebste und Heiligste war: seine Heimat.

Benno nahm keine Notiz von seinem Schweigen.

„Das wird auch Onkel Egon freuen“, sagte er, „der wird keinen schlechten Schrecken heute früh bekommen haben!“

Hans saß in sich gekehrt da. Plötzlich stand er auf. „Ich muss nach Hause“, sagte er, „ich werde für morgen um Urlaub bitten.“

Benno pflichtet ihm bei, und Hans griff nach Degen und Helm, um sofort zum Obersten zu gehen.

Oberst von Arden war in seinem Gerten und schnitt an den Rosen herum, als Hans sich melden ließ. Seine drei Töchter saßen in der Laube neben den Rosen und waren damit beschäftigt, Spargel zu schälen. Der Oberst warf ihnen die Gartenschürze zu, die er über der Litewka getragen hatte, und schritt Hans entgegen.

„Hören Sie, hören Sie, lieber Walsberg, das sind ja schreckliche Geschichten mit ihrem Warozin!“ rief er ihm entgegen.

Hans brachte sein Bitte um Urlaub vor.

„Na ja, ich begreife, dass Sie hin wollen“, sagte der Oberst, „passen tut’s ja sehr schlecht, jetzt gerade vor den Besichtigungen, aber – wissen Sie was? Sie können den Zug um 12 Uhr mittags benutzen, vorher noch Ihren Dienst tun, dann direkt vom Exerzierplatz aus abreisen. Sie sehen zu Hause nach dem Rechten und kommen übermorgen nachmittags zurück – nicht wahr?“

„Befehlen, Herr Oberst.“

„Und wenn Sie wollen – die Mädel haben da ‘ne Waldmeisterbowle aufgestellt – ist mehr Selterswasser drin als sonst was – aber wenn Sie wollen – –“

„Herr Oberst sind sehr gütig, aber– –“

„Ach machen Sie keine Umstände, kann mir denken, dass Ihnen der Kopf brummt, da ist es Ihnen besser, wenn Sie unter Menschen sind, als wenn Sie allein zu Hause sitzen. Wir haben übrigens auch noch ’nen Gast, die Adelka Blei – na Mädel, kommt mal ran, der Baron Walsberg wird mit Euch Eure Bowle kosten.“

Ein Kichern ertönte aus der Laube. Dann rief eine frische Stimme:

„Wir haben schmutzige Finger vom Spargelschälen.“

Der Oberst drohte nach der Laube hin.

„Das ist der Wildfang, die Anna, wenn die die Adelka bei sich hat, weiß sie sich nicht zu lassen von Übermut.“

Lucie, die älteste der Oberstentöchter, die nach dem Tode der Mutter den Haushalt führte, trat jetzt auf den Kiesweg hinaus und begrüßte den Gast. Dann folgten die anderen, als letzte Adelka Blei, ein hübscher Backfisch mit dickem, blondem Zopf.

Der Oberst stellte Hans vor. Der Backfisch knixte und sah ihn mit erstaunt prüfenden Blauaugen an. Dann, während die anderen mit Hans allerlei Garnisonklatsch besprachen, saß Adelka still da, und so oft Hans aufsah, begegnete er ihrem fragenden Kinderblick.

Die Kameraden nannten die Gertenlaube des Obersten die „Mausefalle“, weil der töchterreiche Vater die kleinen Schwächen hatte, Herren, die in einer dienstlichen Angelegenheit kamen, wenn irgend tunlich, bei den jungen Mädchen festzuhalten. Hans fühlte sich heut besonders „eingefangen“ und so empfahl er sich sobald es anging.

Als er den Garten verlassen hatte, stieß Anna ihre Freundin Adelka an.

„Du, hast Du Dein Herz an ihn verloren?“

Adelka wurde rot bis hinter die Ohren.

„Unsinn – aber er tut mir so schrecklich leid!“

„Warum denn?“

„Weil doch heute erst alle diese Sachen über ihn in der Zeitung gestanden haben, und er so traurig darüber ist, und Ihr alle gar nicht mit ihm davon gesprochen habt!“

„Das wäre ja taktlos gewesen, davon anzufangen“, belehrte Lucie. „Er konnte das allenfalls, wir durften es nicht!“

„Und woher weißt Du denn, dass er traurig war?“ fragte Marie, die zweite Oberstenrochter, „er hat doch ganz heiter mit uns gesprochen.“

„Aber mit solchen Augen“, geharrte Adelka, „solche Augen hat doch nur einer, der sehr traurig ist.“

Hans der Pole

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