Читать книгу Hans der Pole - Gräfin Bethusy-Huc - Страница 9
VII.
ОглавлениеHans hatte sich mit seinem Vormund beraten. Aber er sowohl wie Herr von Wolffen fanden verschlossenen Türen bei den Husaren wie bei den Dragonern. Überall wies man Hans ab und gab verblümt oder deutlicher zu verstehen, dass in der Armee kein Platz mehr für ihn sei. Er hatte seien Mutter erst wiedersehen wollen, wenn er bestimmt wissen würde, wo er seine Zelte aufschlagen könnte. Nun sah er sich genötigt, den Abschied aus dem Militärdienste zu nehmen, denn es widerstrebte ihm, an noch mehr Regimenter heranzutreten und sich weiter abweisen zu lassen. Aber was nun? Noch einmal anfangen zu lernen, ein Studium ergreifen? Er war gern Soldat gewesen, wenn er es auch immer nur mit dem Rückgedanken war, dass er in ein paar Jahren Warozin übernehmen würde. Das Studium hatte keinen Reiz für ihn, und ein Talent, dessen Ausbildung er sich hätte widmen können, besaß er nicht. Blieb die Landwirtschaft – irgendwo als Volontär einspringen, später vielleicht ein kleines Gut kaufen oder eine Pacht übernehmen. Dabei schrieb seine Mutter, sie müsse sich jetzt entscheiden, ob sie zu ihm ziehen oder bei Stasch bleiben solle. So half es eben nichts – er musste noch einmal nach Warozin und mit ihr Rücksprache nehmen.
Er graute sich davor, seine Heimat unter so veränderten Verhältnissen wieder zu sehen; aber als er hinkam, fand er dort alles ganz unverändert. Seine Mutter bewohnte die Zimmer, die sie stets inne gehabt, und in Hof und Haus begrüßten ihn die alten bekannten Leute.
„Wo ist Herr von Mielosenski?“ fragte er seine Mutter.
„Der Oberlandesgerichtsrat ist mit Stasch nach Pogrzebin gefahren, um Vieh zu kaufen“, sagte sie, „der andere holt seine Frau irgendwo ab, er will sie dann herbringen. Es sind aber wirklich sehr nette Leute, die Mielosenskis, so liebenswürdig und aufmerksam! Sie sagen, ich soll hier bleiben, ich tue ihnen einen Gefallen damit, weil doch sonst eine fremde Frau ins Haus kommen müsste.“
„Aber Frau von Mielosenski“ – warf Hans ein.
„Mielosenska, muss Du sagen“, verbesserte die Mutter. Dann lachte sie.
„das wird ein Hauptspaß. Der Mann hat mir gesagt, sie kommt nicht, er geht bloß zu ihr, um den Oberlandesgerichtsrat zufrieden zu stellen.“
„Was sind denn das für wunderliche Verhältnisse“, sagte Hans nun doch unwillkürlich aufmerksam werdend, obgleich er mit seinen eigenen Angelegenheiten, von denen seine Mutter noch wenig wusste, so beschäftigt war, dass er wenig Sinn für anderes hatte. Umso eifriger schien Frau von Walsberg sich mit den Polen zu schaffen zu machen.
„O das sind Geschichten!“ sagte sie lebhaft. „Der Oberlandesgerichtsrat ist unverheiratet und hat sich in den Kopf gesetzt, dem Bruder zu helfen. Der gibt mehr Geld aus, als er hat, und da hat ihm der Bruder Warozin gekauft, um ihn sesshaft zu machen. Er war, glaube ich, ganz fertig mit seinem Vermögen und hat dem Bruder versprechen müssen, herzuziehen. Aber die Frau hat nichts versprochen, und die will nicht. Und nun soll der Stasch hier eine Musterwirtschaft machen, und der andere soll bloß Staate hier sein. Und da soll ich dem Stasch helfen.“ Hans senkte den Kopf.
„Ja, Mutter, wenn es Dir nicht widerstrebt, unter so veränderten Verhältnissen hier zu bleiben“, – begann er.
Sie fiel ihm ins Wort.
„Aber die Verhältnisse sind ja viel angenehmer als früher, Hanuschko, es geht mir bloß um Dich, dass ich doch gern bei Dir wäre – “
„Wenn ich nur erst selbst wüsste, wo ich sein werde“, rief Hans mit ausbrechender Bitterkeit, „sie wollen mich ja nirgends!“ Und er erzählte ihr seine Erfahrungen, während die ihm mit aufblitzenden Augen zuhörte und das Blut ihr in die Wangen stieg.
„Was haben sie Dir getan, Hanuschko, Dir, mein Lämmchen, der Du gar nichts dafür kannst! Und wen geht denn das überhaupt an, an wen wir Warozin verkauft haben, und wer hat denn hier irgendein Unrecht begangen? O, ich möchte ihnen die Wahrheit sagen, wenn ich sie nur hier hätte, Deine Kommandeure und Deine Freunde. – Hanuschko, mein lieber, lieber Sohn, warum bist Du denn nicht gleich zu mir gekommen, hast Dich erst herumstoßen lassen von unverständigen, ungerechten Menschen!“
Dir vibrierte vor Erregung und küsste und streichelte ihn wie ein kleines Kind, und Hans fühlt sich so wund und elend von allem, was er in letzter Zeit erlebt hatte, dass ihr Zorn und ihre Zärtlichkeit ihm wohl taten.
Ja, man war ungerecht gegen ihn gewesen, nicht einer hatte sich seiner angenommen, nicht einer hatte ihm Freundschaft erwiesen – es tat doch wohl siech geliebt zu fühlen, es war doch gut, noch eine Mutter zu haben. Hans gab sich widerstandslos diesem Gefühl hin, es schien ihm sogar, als habe er der Mutter gegenüber manchen unfreundlichen Gedanken wieder gut zu machen. Wie durfte er ihr nur jemals aus ihrer mangelhaften Bildung einen Vorwurf machen? War das nicht eben so ungerecht, als wenn sie ihm vorwarfen, dass er Warozin verkauft habe? So war er besonders liebevoll und zärtlich, und sie war glücklich und spann Pläne für ihn.
„Wenn Du Landwirtschaft lernen willst, da musst Du zum Generaldirektor Blei gehen“, sagte sie. „Das heißt, er selbst ist ja zu groß, er nimmt keine Eleven – aber seine Inspektoren, die haben alle welche. Ich werde gleich an den Wolffen deswegen schreiben, oder tue Du es, für mich ist ein Brief so eine große Arbeit.“
Hans ging in sein Zimmer, um zu schreiben, und sie setzt sich ihm gegenüber und sah ihm liebevoll zu, während ihre Lippen unhörbar flüsterten:
„Mein Liebling, mein einziger, mein Hanuschko.“ –
Inzwischen fuhr der Wagen vor, der den Oberlandesgerichtsrat und Stasch zurückbrachte.
Beide begaben sich sofort in die Ställe, um den Platz für das Vieh, das morgen kommen sollte, festzustellen. Dabei hörten sie vom Staller, dass der „Pan (Herr polnisch Pan) Leutnant“ angekommen sei.
Stasch – er hieß mit vollem Namen Stanislaus Dzimbek schnitt eine Grimasse. Da sagte der Rat von Mielosenski zu ihm:
„Wenn der junge Baron etwa die Mutter hier fort haben will, so sagen Sie recht eindringlich, dass sie hier gar nicht ohne sie fertig werden könnten, denn mir liegt viel daran, sie hier zu behalten.“
„Meine Schwester ist eine gut Frau, ich will sie gern hier haben“, sagte Dzimbek, „aber wenn der Herr Oberlandesgerichtsrat mir sagen möchten, warum Sie es besonders wünschen, so wäre ich orientiert, und das ist immer besser.“
„sie sind ein verständiger Mensch, Dzimbek, ich stehe auch nicht an, Ihnen zu sagen, dass mir nach dem Zeitungslärm, den dieser Guts kauf veranlasst hat, viel daran liegt, dass man die Notiz lancieren kann: „Die Witwe des Vorbesitzers von Warozin, die Baronin Walsberg, bleibt auf dem Gute wohnen, da der Käufer viel auf Reisen ist. Sein Vertreter ist der preußische Oberlandesgerichtsrat von M . . ., die bei dieser Gelegenheit entwickelte Polenhetze ist also wieder einmal recht ein Schlag ins Wasser gewesen.“
„Sehr gut, sehr gut“, rief Stasch Dzimbek lachend, „diese Deutschen sind zu dumm, man muss ihnen immer etwas vormachen.“
„Sagen sie das hier nicht laut, Dzimbek, überhaupt spielen sie sich nicht als Pole auf. Sie sprechen je glücklicher Wese beide Sprachen, hier sind Sie der Bruder der Frau Baronin, als Deutscher.“
„Nu, warum denn nicht!“ erwiderte Dzimbek, „aber die paar deutschen Elemente auf dem Hofe hier, die werde ich schon wegärgern, dass wie bloß sichere Stimmen zu nächsten Wahl kriegen.“
„Recht so, und wenn von mir die Rede ist, so betonen Sie nur immer den preußischen Beamten, der ich doch bin, dass wir hier Ruhe kriegen vor dem Geschrei über „polnische Umtriebe“.“
Ein feines Lächeln flog dabei über sein blasses Gesicht. Er hatte längst für sich die Formel gefunden, dass er „preußisch. Deutsch“ war, solange es sich um juristische Amtssachen handelte, Pole, aber in allem, was sein Gefühl betraf. So hatte es auch nicht sein Gewissen beschwert, dass er einer der Führer der großpolnischen Partei wurde, wenn das auch nur wenige Eingeweihte wussten. Das hatte ja doch mit dem „Nebenamte“ nach seiner Ansicht gar nicht zu tun. Bei Tische trafen er und Stasch mit Frau von Walsberg und ihrem Sohne zusammen, und die Baronin erzählte sofort in ihrer lebhaften Art, wie Hans unter der Verkaufsangelegenheit zu leiden habe.
Stasch lacht und sagte, daraus müsse er sich nichts machen, das Reckrutenexerzieren sei doch gewiss nicht eine so interessante Lebensaufgabe. Auf Wunsch seiner Schwester nannte er Hans „Du“, und dieser sollte ihn „Onkel“ anreden. Da das beiden schwer wurde, vermieden sie möglichst ein Gespräch mit einander.
Umso teilnehmender äußerte sich der Oberlandesgerichtsrat, der in liebenswürdigster Weise alle Möglichkeiten eines künftigen Berufes mit Hans erwog und zum Studium riet, das einem jungen Manne doch, wie er meinte, die meisten Chancen eröffnete. Während sie noch bei Tische saßen, ertönte plötzlich das Fauchen und Rasseln eines Automobils vor dem Hause.
„Jesus Maria, was ist denn das?“ rief Frau von Walsberg, ungeniert aufstehen und ans Fenster laufend. „So etwas ist ja hier noch gar nicht dagewesen, und denken Sie nur, Herr Oberlandesgerichtsrat, in dem Unding sitzen Ihr Bruder und eine Dame!“
Ein freudiges Lächeln glitt über Herrn von Mielosenskis Gesicht.
„Ah – meine Schwägerin – “
„Aber er hat doch gesagt, die würde nicht kommen!“
Der Ausruf blieb ungehört, denn die drei Herren eilten den Ankommenden entgegen.
Frau von Walsberg sah, wie die in einen großen Mantel und dichten Schleier gehüllte Dame dem Automobil entstieg, mit ein paar schnellen Bewegungen die dichten Fahrhüllen abwarf und in einem hellen, sehr eleganten Frühjahrskostüm die herantretenden Herren begrüßte.
„Aber Piotr, welche Idee!“ rief der Rat, seinen Bruder umarmend.
„Die Idee gehört Maria, sie hat das Auto vom Professor von Schulen entliehen, dem ich es überhaupt verdanke, dass sie sich zu der Fahrt entschlossen hat“, erklärte der jüngere Mielosenski.
Frau Maria lachte.
„Ja, man muss sein Freunde mit Vorsicht wählen“, sagte sie. „Herr von Schulen verfügt nicht nur über das beste Auto, sondern auch über die glänzendste Beredsamkeit, die ich kenne. Et – me voilà infolge das Autos und der Beredsamkeit!“
Hans wurde ihr vorgestellt.
Sie reichte ihm mit einem reizenden Lächeln die Hand.
„Ah – Monsieur le baron – ich freue mich sehr, Sie hier gleich zu finden, es scheint, ich habe mich unnötig vor der Einsamkeit auf dem Lande gefürchtet.“
Sie sprach französisch, doch als sie bemerkte, dass Hans ihr darin nicht recht folgen konnte, begann sie ein etwas mangelhaftes Deutsch zu redebrechen.
„Sie ist hübsch und lustig“, dacht Frau von Walsberg und ging nun ihrerseits den Fremden entgegen.
Frau Maria küsste sie nach polnischer Sitte auf beide Wangen, womit sie vollends Frau von Walsberg Herz gewann.
„O, ich habe immer gewunschen einer deutschen Hausfrau kenne zu lernen“, behauptete Frau Maria, „aber ich habe keiner gehabt in Paris.“
„Ich bin ja viel zu ungeschickt für Sie, aber ich werde versuchen, Ihnen hier zu helfen, so viel ich kann“, sagte Frau von Walsberg in polnischer Sprache.
Nun wurde sie erst recht umarmt, und: „Ich werde Ihnen auch helfen im Verzeihen von Ihrem lieben Sohn“, versicherte Frau Maria, währen ihre dunklen Augen halb schelmisch, halb schwärmerisch Hans anblickten.
Die Mielosenskis waren durch Erbschaft in den Besitz eines Gutes in Polen und eines ansehnlichen Barvermögens gekommen. Das polnische Gut war verpachtet, und der Oberlandesgerichtrat, der seines Bruders Fertigkeit im Geldausbeben zur Genüge kannte, hatte darauf bestanden, dass Herr Piotr einen Teil des auf ihn gefallenen Geldes in deutschem Grundbesitz anlegte. Da er seinen Bruder erst unlängst aus einer großen Verlegenheit befreit hatte und Herrn Piotr noch genug übrig blieb, um sein Pariser Leben fortführen zu können, so hatte er sich zu dieser Kapitalanlage bereitfinden lassen. Das polnische Gut gehörte beiden Brüdern gemeinsam, sie hatte es zusammen besichtigt, und Herr Piotr hatte sich auf dem Rückwege von Polen nach Paris in der Provinzialhauptstadt aufgehalten, wo sein Bruder in Amt und Würden war. Von hier aus war der Gutskauf betreiben worden, währen Frau Maria noch bei polnischen Freunden geblieben war. Ihre Bekanntschaft mit Professor von Schulen datierte von einem gemeinsamen Aufenthalt in Baden-Baden her, wo Schulen der Tägliche Begleiter des Mielosenskischen Ehepaares gewesen war. Dass dieses jetzt aber in dem Auto des Professors angekommen und dessen Freundschaft weiter kultiviert hatte, war gar nicht nach dem Geschmack des Oberlandesgerichtsrats.
„Weißt Du übrigens“ fragte er seinen Bruder, „dass Professor von Schulen aus seiner Polenfeindlichkeit geradezu ein Metier macht?“
Piotr Mielosenski wirbelte seinen dunklen Bart auf und lächelte, wobei ein paar glänzende schneeweiße und etwas vorstehende Zähne unter seiner Oberlippe sichtbar wurden.
„Ich kenne ihn nur von der liebenswürdigsten Seite“, sagte er.
„Hast Du denn nicht die abscheulichen Artikel über unseren Gutskauf gelesen?“
„Du weißt doch, dass ich keine deutschen Zeitungen lese! Herr von Schulen hat uns ein Dejeuner à trois in seiner Garconniere gegeben, das wir in Paris nicht besser hätten haben können.“
„Aufrichtig gesagt, ich würde es kompromittierend finden, ein Dejeuner bei einem Manne anzunehmen, dessen politische Parteistellung eine derartige ist.“
„Du nimmst das Leben eben schwerer als ich – “ Maria neigte sich zu Hans, der neben ihr saß.
„Die beiden streiten immer“, sagte sie, „wissen Sie, was der Schwager hat gegen den Professor von Schulen?“
„Leider nur zu gut, denn die Zeitungsartikel, von dem der Oberlandesgerichtsrat spricht, hat meine Karriere zerstört.“
„Oh, das müssen Sie mir erzählen, mir ganz allein, denn ich kann nicht die Deutsch verstehen, wenn sie sprechen alle zusammen.“
Und während die Mielosenskis stritten und Stasch und frau von Walsberg ihre Aufmerksamkeit dem Essen zuwandten, erzählte Hans der schönen Polin seine letzten schlechten Erfahrungen.
„Hab‘ ich immer gesagt, die Deutsche sind grausam“, rief sie lebhaft. „Aber hat man Sie schlecht behandelt wegen uns, müssen Sie zu uns kommen, werden Sie sehen, wird viel schöner Leben sein für Sie.“
Hans hatte sich in heißen Ärger hineingeredet währen seiner Erzählung. Jetzt musste er doch über den Eifer der schönen Frau lächeln.
„Man wechselt seine Nationalität nicht wie seine Handschuhe, gnädige Frau!“
„O, ist Ihre Mutter doch auch Polin – nicht wahr, Frau von Walsberg?“ fügte sie in polnischer Sprache zu dieser gewendet hinzu, und Hans hörte seine Mutter lachend antworten:
„Ich bin heute Deutsche und morgen Polin – es kommt mir nicht so genau darauf an.“
Sie sah den erstaunten Blick ihres Sohnes auf sich gerichtet und fuhr fort:
„Das ist ja ganz egal, Hanuschko, wir leben doch hier an der Grenze.“
Ein unbehagliches Erschrecken wurde in Hans wach, sein Blick überflog die Tafelrunde – nein, er konnte hier keine Nationalitätendebatte heraufbeschwören. Und schon wandte Frau Maria sich ihm wieder zu.
„Müssen Sie nicht glauben, dass ist Herr von Schulen schuld an die schlechte Artikel, Herr von Schulen ist eine viel zu große Mensch, um zu sein kleinlich deutsch!“
Hansens Stirn rötete sich, aber ehe er noch seinem deutschen Empfinden Ausdruck geben konnte, legte Frau Maria ihre feinen, von Juwelen blitzenden Finger auf seine Hand und sagte:
„Ich kann gar nicht sehen, wenn eine so schöne Junge ist traurig – wenn ich kann etwas tun zu helfen, müssen Sie mir sagen. Wissen Sie, ist überhaupt Ihre Name sehr bekannt zu mir, habe ich viele Briefe an eine Herren, der hat geheißen wie Sie, – sind aber nicht an mich, sind altes Briefe aus Schreibtisch von meine Mutter. Ist gewesen ein Herr von Walsberg großes Freund zu meine Mutter:“
Hans wollte näheres wissen, was für ein Walsberg das sei, aber sie hatte vergessen, wo die Briefe hergekommen und wie der Vorname gewesen war.
„Habe ich ja vieles altes Briefe in die Schreibtisch von meine Mutter“, sagte sie, „muss man verbrennen altes Briefe, ehe stirb – hab‘ ich immer gedacht, ist unrecht zu lesen – aber – que voulez vouz? Hab‘ ich doch gelesen! Piotr“, rief sie plötzlich ihrem Manne zu, „wollen wir nicht die junge Baron mitnehmen nach Paris, dass er sehen soll, wie schön ist Leben!“
Nun empörte sich doch Hansens junge Männlichkeit gegen diese Art, ihn wie ein Kind zu behandeln, und noch ehe Piotr Stellung zu der Frage hatte nehmen können, sagte er:
„Sie sind zu gütig, gnädige Frau, aber ich muss jetzt Zeit und Kräfte zusammennehmen, um mir einen anderen Beruf zu eröffnen, ich habe gar keine Muße zum Amüsieren.“
Während er das sagte, fühlte er, dass er den Polen pedantisch erscheinen musste, und fast kam er sich selbst so vor.
Piotr nahm auch diese Erklärung zur Sache mit seinem zähne blitzenden Lächeln auf.
„Warum müssen Sie haben einen Beruf, Herr Baron?“ fragte er.
„Ja – man kann doch nicht „nichts“ sein“, erwiderte Hans im Tone der Überzeugung, wie er sie aus dem Kadettenkorps mitgebracht hatte.
„Aber ich bitte – Sie sind doch zuerst ein Mensch, den jungen Herren aus der ersten Gesellschaft in Paris, in Warschau und in Petersburg ist das genug – “
„Immerhin ist es ein anerkennenswertes Streben, seine Kräfte einem Beruf, der der Allgemeinheit zugutekommt, dienstbar zu machen“, mischte sich der Rat ein, aber Piotr widersprach.
„Lieber Bruder, wenn wir wären reich gewesen, als Du jung warst, hättest Du auch nicht auf eine Karriere hin studiert, und ich hätte nicht versucht, Geistlicher zu werden.“
Maria Mielosenska lacht laut auf.
„O ja, denken Sie, Piotr hat wollen geistlich werden, die ersten Weihen hat er schon gehabt – Piotr, zeig‘ Deinen Kopf her – ein bisschen kann man noch sehen von – wie sagt man doch – “
„Lass die Torheiten, Maria“, sagte Piotr, „ich erkannte zur rechten Zeit, dass das geistliche Kleid nicht für mich passte. Und sehen Sie, Herr Baron, ich habe mich sehr wohl gefühlt ohne Beruf:“
„Und mit einer Frau, das muss Du nicht vergessen“, rief Maria . . . „aber jetzt wollen wir Zigaretten rauchen, gib Dein Etui, Piotr, ich habe meins verloren!“
Hans sprang auf, um seine Zigaretten zu holen. Dabei streifte sein Blick Stasch Dzimbek, der sich schweigen verhalten hatte, und der lauernde Ausdruck seiner Augen fiel ihm auf. Ein unangenehmer Mensch! Und es fiel Hans schwer aufs Herz, dass er der Bruder seiner Mutter war.