Читать книгу Auf ein Lächeln - Grit Boettcher - Страница 6
Erste Schritte
ОглавлениеEs klingelt.
»Ich mach auf«, rufe ich Mama in der Küche zu. »Das ist bestimmt Birgit. Sie leiht mir ihre Rollschuhe.«
Ich öffne die Tür zum Flur, der wie immer, egal zu welcher Tageszeit, ziemlich dunkel ist. »Schön, dass du …« Ich stocke. Das ist nicht Birgit. Vor mir steht ein Mann, ziemlich groß.
Ich erinnere mich an Mamas Worte: »Lasst niemals fremde Menschen in unsere Wohnung.« Aber bevor ich die Tür zuschlagen kann, halte ich jäh inne. Dieser Fremde hat etwas Vertrautes. Ich weiß nichts vom siebten Sinn und von magischen Momenten, aber ich bin mir ganz sicher, wer dieser Mann ist, der an einem Frühlingstag im Jahr 1947 vor unserer Tür steht.
»Papa!«, rufe ich und springe ihm entgegen.
»Ja, ich bin’s.« Im Näherkommen fängt er mich auf. »Meine Grit«, sagt er und drückt mich an sich.
»Peterle!« Plötzlich ist Mama da, ihre Stimme überschlägt sich. »Du!« Ein Juchzer. »Du bist es wirklich! Endlich!«
Behutsam setzt Papa mich ab und nimmt Mama in die Arme. Eine Weile sagen beide nichts, sie halten sich einfach fest. »Mausi kommt später«, sagt Mama irgendwann, »und Manni schläft noch.« Sie lacht und weint gleichzeitig. »Ach, Peterle!«
Eigentlich heißt Papa Gerhard Gottfried Fritz Karl Heinrich. Aber Mama nennt ihn seit ihrem ersten Rendezvous Peter oder Peterle, weil sie den Namen schöner findet. Drinnen in der Wohnung fällt mir auf, dass Papa anders aussieht als auf dem einzigen Foto, das ich von ihm habe. Da trägt er eine schmucke Uniform mit Goldbändern und eine schnittige Frisur. Jetzt ist er unrasiert, die Hose schlackert und der Rucksack, sein einziges Gepäck, ist ramponiert. Für mich ist er trotzdem der schönste Papa der Welt.
Als Mausi heimkommt, spüren wir, dass unsere Eltern allein sein wollen, und verschwinden ins Freie. »Unser Papa ist wieder da«, rufen wir im Duett, fassen uns an den Händen und tanzen über den Hof. Ein paar Fenster öffnen sich. Nachbarn winken uns zu, Kinder kommen angelaufen. Alle freuen sich mit uns. Ein etwas älteres Mädchen, das gerade erst hergezogen ist, schaut mich mit rot geweinten Augen an. »Wie schön für euch. Mein Vati ist leider im Krieg geblieben.«
Wir sind jetzt zu fünft in zwei Zimmern, haben wenig Platz. Am liebsten verziehe ich mich unter den großen Esstisch und verhänge ihn mit Handtüchern, um darunter zu malen oder zu lesen. Seit Papa wieder da ist, arbeitet Mama nicht mehr, zumindest die meiste Zeit. Als er anfangs nur Gelegenheitsarbeiten findet, springt sie hier und da noch als Stenotypistin ein.
Unser Vater ist kein Mann der großen Worte. Aber er kann gut Witze erzählen, bringt Mausi und mich zum Lachen. Angebrüllt werden wir Kinder ganz, ganz selten. Zwischen Papa und Mama kracht’s öfter mal. Besonders abends, wenn wir schon im Bett liegen und sie allein in der Küche sitzen. Durch unsere dünnen Wände können wir ihre Stimmen hören. Meist streiten sie sich ums Geld. Oder um Mamas Kleider. Sie hat nur wenige, aber die hegt und pflegt sie, sodass sie stets aussehen wie neu. Manchmal darf ich sie in ihren Lieblingsladen in unserer Nähe begleiten. Der ist kaum größer als ein Kleiderschrank und bietet Gebrauchtes neu aufgehübscht. Ab und zu bringt Mama von dort ein kleines Tüchlein mit oder einen Rock. Sie möchte schick sein für Papa. Aber das begreift er wohl nicht. Ihm geht’s nur um das Geld, das sie ausgibt. Dabei hat sie es doch selbst verdient, denke ich, und finde Papa etwas ungerecht.
Dennoch bin ich, wenn er und Mama sich in die Haare kriegen, meistens auf seiner Seite. Als Mausi das mitkriegt, nennt sie mich »Papa-Kind«.
»Ich habe Mama genauso lieb«, kontere ich. »Aber irgendwie tut mir Papa leid. Ich glaube, er hat ein schlechtes Gewissen, weil er Mama und uns so lange alleingelassen hat. Und weil er nicht genug verdient.«
»Das wird schon noch«, erwidert meine 19 Monate ältere Schwester. »Gestern habe ich zufällig gesehen, wie sie sich geküsst haben. Das tun nicht alle Eltern.« Sie legt den Finger auf den Mund. »Eigentlich darf ich’s nicht weitererzählen, aber du bist ja meine Schwester. Die Eltern einer Freundin von mir hauen sich, seit der Mann wieder daheim ist.«
Untereinander sprechen wir Mietshauskinder so gut wie nie über unsere Eltern. Aber natürlich kriegen wir gegenseitig einiges mit.
Ein 14- oder 15-jähriger, eher stiller Junge zwei Häuser weiter hat öfter mal ein blaues Auge. Ein anderes Mal humpelt er. »Der wird regelmäßig von seinem Vater verprügelt«, höre ich beim Einkaufen zwei Frauen tuscheln. Sofort habe ich Mitleid mit ihm. Dabei kenne ich ihn nur vom Sehen. Ich weiß lediglich, dass er Erich heißt.
Als wir eines Nachmittags den gleichen Heimweg haben, überlege ich nicht lange und spreche ihn an. »Stimmt es, dass dein Vater dich schlägt?«
Er bleibt stehen, mustert mich irritiert. »Wer sagt denn so was?«
»Die Leute im Viertel.« Ich zögere. »Tut mir leid, dass ich dich angequatscht habe. Aber wenn das stimmt … Das geht doch nicht. Was sagt denn deine Mutter dazu?«
»Sie schlägt er auch.« Er schluckt. »Gestern schon wieder. Ich habe mich eingemischt und wollte ihr helfen …« Er beißt sich auf die Unterlippe. »Und dann«, sagt er leise, »habe ich die doppelte Portion bekommen.«
»Aber warum?«, frage ich genauso leise.
»Es liegt am Krieg, sagt meine Mutter. Der hat ihn böse gemacht. Sie möchte, dass ich Geduld mit ihm habe. Aber ich … ich halte das nicht mehr lange aus.«
Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und läuft weg. Tage später sehe ich ihn von Weitem mit einem Verband am Arm. Danach nie wieder. Angeblich ist er bei Verwandten in Österreich untergekommen. Seine Eltern ziehen bald darauf weg.
Bei uns daheim reden wir auch nach Papas Rückkehr nicht über den Krieg. Nur einmal, als ich allein mit ihm bin, frage ich ihn, warum seine Hand wie eine Kralle aussieht. »Da hat jemand auf mich geschossen«, sagt er. »Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig.«
Neugierig schaue ich ihn an. »Was ist jetzt wichtig?«
»Dass sich unser Leben normalisiert.« Er legt mir den Finger auf den Mund. »Keine weiteren Fragen mehr, Fräulein Neugier. Jetzt bauen wir ein Gehege vorm Haus. Wir kriegen Zuwachs: Hühner!«
Ich sage nichts.
»Freust du dich denn nicht?«, wundert er sich. »Das Hühnerfleisch wird dir bestimmt schmecken.«
»Mir tun die Hühner leid«, antworte ich. »Erst neulich habe ich gesehen, wie ein Mann mit einem Messer in der Hand seinem Hahn über die Straße nachgerannt ist.«
Papa lächelt leicht. »Mach dir keinen Kopf, Grit. Ich erledige das ganz behutsam.«
Ein paar Tage später ziehen vier Hühner in unser Gehege. Damit sie in der Nacht nicht gestohlen werden, trägt Papa sie abends rauf auf unseren Balkon und deckt sie mit einer Plane zu. Sie gackern meist fröhlich, scheinen das Hin und Her zu mögen.
Im Monat darauf hat Mama Geburtstag. Papa schenkt ihr Ohrclips. Auf jedem sitzt eine glitzernde Perle. »Wie schön die sind«, freut sich Mama und steckt sie gleich an ihre Ohren. Danach hilft sie, das Federvieh wieder nach unten zu tragen. Ich schaue von oben zu, wie eine Henne auf Mamas Schulter hüpft und den Ohrring anknabbert. Bevor Mama reagieren kann, ist die Perle weg und die andere gleich danach auch.
Sie nimmt’s mit Humor: »Die Perlen dürften der Diebin schwer im Magen liegen. Vielleicht kommen sie später wieder raus.«
Aber das tun sie auch nach zwei Tagen nicht. »Das sind keine echten Perlen gewesen«, beichtet Papa. »Ich habe zwei große Maiskörner mit Perlmutt umwickelt. Da konnte die Henne wohl nicht widerstehen.«
Mama lacht laut, fährt Papa durch die Haare. »Du hast Ideen, Peterle! Mal schauen, was dir als Nächstes einfällt.«
Ein paar Tage später bringt mich Mama in den Salon Görst in der Faltenhagener Straße zum Haareschneiden. Meist macht sie es selbst, aber ein-, zweimal im Jahr ist Friseur-Tag. Die Chefin schenkt mir ein Bonbon und sagt, ich sei besonders niedlich. Wieder zu Hause erfahre ich, dass sie mich in Zukunft bei Friseur-Meisterschaften dabeihaben möchte – als »Modelchen«. Mama hat nichts dagegen, Papa auch nicht.
Viel zu tun habe ich bei diesen Veranstaltungen nicht. Ich sitze auf einem Hochstuhl, werde als Modelchen angekündigt, und dann färbt mir eine junge Friseuse die Haare. Mal lila, das ist besonders gefragt, aber auch rosa oder tizianrot. Hinterher werden meine Haare ganz streng von einer Seite zur anderen gekämmt, die Spitzen nach außen geföhnt und der Pony wie ein Türmchen oben aufgebauscht. Dann kommt das Schwierigste: Ich muss ganz ruhig dasitzen, umgeben von vielen Spiegeln, und darauf warten, dass der Prüfer kommt. Der dreht meinen Kopf so lange hin und her, bis das Publikum mich in den Spiegeln von allen Seiten sehen kann.
»Du machst das prima, Grit«, lobt mich die Chefin. »Bist du gar nicht aufgeregt?«
Ich schüttle den Kopf. »Ich find’s toll, wenn mich alle angucken und klatschen«, antworte ich ehrlich.
Die Chefin tätschelt meinen Arm. »Vielleicht gehst du ja mal zum Theater.«
Als Modelchen kriege ich kein Geld, aber kleine Geschenke, wie eine Bürste oder ein Shampoo. Und Mama wird in dieser Zeit kostenlos bedient. Papa wird das auch angeboten, aber er schneidet sich die Haare lieber selbst. Er ist ein Ich-mache-alles-selbst-Mann. Und einer, der aus wenig viel macht. Ob aus ein paar Kartoffeln oder einem alten Brot, Milchpulver und Mehl – er zaubert tolle Gerichte auf den Tisch und noch tollere Kuchen. Bevor er Soldat geworden ist, hatte er eine Lehre als Konditor begonnen, erzählt er mal nebenbei. Und dass er als Lehrling einmal für eine Apfeltorte gelobt worden ist. Mehr sagt er nicht. Er schaut nicht zurück, nur nach vorn.
Was er mindestens genauso gut kann wie backen, ist tanzen. Wenn sonntags im Radio flotte Musik gespielt wird, steht er oft auf, verbeugt sich vor Mama und tanzt schwungvoll mit ihr um den Tisch. Ich schaue gern zu. Sie wirken dann unbeschwert, viel jünger. Oft tanze ich auch mit – auf Papas Füßen. »Du lernst schnell«, fällt ihm auf, »bewegst dich genau im Rhythmus. Und du bist leicht wie eine Feder.« Besorgt schaut er zu mir runter. »Letzteres müssen wir ändern. Du bist zu leicht für dein Alter, du wiegst zu wenig.«
Das wird bald darauf auch bei einer Schuluntersuchung festgestellt. Auch Mausi ist zu dünn. Die Folge: Wir werden mit vielen anderen für eine »Kinderlandverschickung« registriert, kurz »KLV« genannt.
Ich komme nach Küsten im Landkreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen. Mausi ein Dorf weiter. Meine Bauernfamilie Kofahl wohnt in einem Klinker-Altbau mit Außentreppe. Ich bin das einzige Kind auf dem Hof. Die beiden Söhne der Kofahls sind erwachsen und arbeiten mit auf den Feldern. Mittags sitzen wir alle an dem großen Holztisch in der Küche. Geredet wird kaum. Nur als ich einmal erst Butter und dann noch Rübensaft auf meine Scheibe Brot schmiere, ermahnt mich die Bäuerin: »Beides geht nicht, Grit. Entweder Butter oder Rübensaft.«
Ich spüre, dass ich rot werde. »Das habe ich nicht gewusst.«
»Jetzt weißt du’s«, erwidert die Frau.
Schweigend wird weitergegessen.
Mausis Gastfamilie hat drei jüngere Kinder und ist gesprächiger. Einmal darf ich dort übernachten und lache an den anderthalb Tagen mehr als in einem Monat bei den Kofahls.
In meiner letzten Woche wird hoher Besuch angekündigt: Prinzessin Viktoria Luise, die einzige Tochter von Kaiser Wilhelm II. Sie ist die Schirmherrin unserer KLV. Neben mir dürfen noch vier andere Stadtmädchen die Prinzessin am Eingang begrüßen. Mausi ist leider nicht dabei.
»Benehmt euch ordentlich und redet nur, wenn ihr etwas gefragt werdet«, ermahnt uns Frau Kofahl tags zuvor. »Und überreicht ein kleines Geschenk. Was, müsst ihr euch selbst ausdenken.«
Ich male ein Blumenbild und schreibe dazu: »Liebe Prinzessin, vielen Dank, dass ich hier sein darf.«
Ich habe noch nie eine Prinzessin aus der Nähe gesehen. In den paar Märchen, die ich kenne, tragen sie kleine Krönchen und wallende Kleider und werden in einer Kutsche herumgefahren. In Küsten ist das anders. Ihre Hoheit Viktoria Luise kommt in einem ganz normalen Auto an, trägt einen Hut und ein beiges Kleid mit weißen Pünktchen. Mein Kleid hat eine ähnliche Farbe und ist ebenfalls gepunktet. Beim Aussteigen lächelt die Prinzessin mich an und winkt mich zu sich. Ich drücke ihr meinen kleinen Brief in die Hand. Sie steckt ihn ein, bedankt sich. Jemand schiebt ihr einen Stuhl hin. Als sie sich draufgesetzt hat, nimmt sie mich auf den Schoß. Ein Fotograf knipst uns, danach sagt sie ein paar Sätze und verabschiedet sich wieder. Das Foto wird uns später nach Hause geschickt. Papa rahmt es und hängt es auf.
»War sie hochnäsig, die Prinzessin?«, werde ich nach der KLV in der Schule gefragt.
Ich schüttle den Kopf. »Ganz normal. Und sie hat gut gerochen.«
Ich bin froh, wieder daheim zu sein. Allerdings habe ich im Gegensatz zu Mausi kaum zugenommen. »Das wird jetzt anders«, sagt Papa. »Bald haben wir genug zu essen.« In unserer Abwesenheit hat er eine Laubenpieperei ergattert, eine Art Schrebergarten für Kartoffeln, Karotten, Kohl, Tomaten … Ich helfe gern mit. Aber noch lieber tanze ich auf dem schrägen Dach der Laube. Ich tue so, als sei ich eine Primaballerina, denke mir Schritte aus, mache Drehungen, verbeuge mich vor meinem nicht vorhandenen Publikum. Manchmal rutsche ich auch ab, falle runter und klettere wieder hoch.
»Wird dir das nicht langweilig?«, erkundigt sich Mausi.
»Nie«, sage ich voller Inbrunst.
Manni kommt jetzt in die zweite Klasse, ich bin zwölf und Mausi vierzehn. Sie guckt nun gern den Jungs nach und tuschelt mit ihren Freundinnen, hat kaum mehr Zeit für mich. Das finde ich doof und sage es ihr.
»Es ist, wie es ist, Grit«, sagt sie etwas von oben herab. »Du bist noch ein Kind, und ich bin bald eine junge Frau.«
Am liebsten hätte ich ihr die Zunge rausgestreckt. Aber ich beherrsche mich und räche mich zwei, drei Monate später. Da hat Mausi ihren ersten Freund. Jürgen wohnt gegenüber und schmiert sich ständig Pomade ins Haar. Zu uns nach Hause kommt er nie, aber sie ist oft bei ihm drüben. Da werfe ich dann von unserem Balkon aus kleine Papierflieger rüber. Auf die schreibe ich in Mausis Handschrift »Ich liebe dich« oder »Ich kann ohne dich nicht leben«. Mausi kommt mir natürlich auf die Schliche und beschwert sich bei Mama. Sie nennt mich kindisch und eifersüchtig. Mama sagt, wir sollen uns vertragen. Und so gehe ich einmal mit den beiden zum Baden. Ihr Jürgen hat wieder viel zu viel Pomade in seinem dunklen Haar und lockt damit Mücken an. Vergeblich versucht er, sie zu verscheuchen. Von allen Seiten schwärmen sie heran und werden immer mehr. Im Nu sieht sein Kopf wie eine übergroße Pelzmütze aus – und das zur Badehose. Ich kriege einen Lachanfall und verschwinde schnell. Soll Mausi doch mit dem Pelzkopf glücklich werden.
Mein Glück finde ich immer mal wieder ein paar Ecken weiter – bei einem Kino in der Nähe. Da ich kein Geld für eine Karte habe, lehne ich mich einfach an die geschlossene Eingangstür und presse mein Ohr ganz fest an die Scheibe, um die Stimmen der Schauspieler zu hören. Das tue ich auch an einem Freitag im Mai, nachdem ich beschwingt von einer Freundin komme. Wie der Film, der gerade gespielt wird, heißt, wer mitspielt oder worum es geht, interessiert mich wie immer nicht. Ich lasse mich von den Stimmen, der Musik und den Geräuschen mitreißen, tauche in meine eigene Kinowelt ein.
Auf dem Heimweg tänzle ich vor mich hin, sehe mich auf einer Bühne oder Leinwand – und komme nach 15 Minuten in der Realität an: Mausi hat Liebeskummer, eine Freundin tröstet sie. Manni klagt über Bauchweh, und unsere Eltern haben Besuch. Nichts Ungewöhnliches. Und doch fühle ich mich an diesem Abend wie ein Eindringling, als würde ich nicht dazugehören. Dass wir beengt wohnen, weiß ich natürlich. Aber so eng!
Am liebsten wäre ich umgekehrt. Zurück zu den Kinostimmen, den Bildern in meinem Kopf. »Du musst raus hier«, sagt eine Stimme tief in mir drin, als ich in meinem Bett liege. »Versuch’s. Du wirst es schaffen.«