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Vorwort

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Nach drei Jahren Bürgerkrieg mit mehr als 130.000 Toten, etwa 2,3 Millionen Flüchtlingen und mehr als 9,3 Millionen Menschen, die zum Jahreswechsel 2013/14 humanitäre Hilfe benötigten, und den wenig hoffnungsvollen „Friedensgesprächen“ (zuletzt in Montreux ab 22. Januar 2014 – ohne Iran!) ist die Öffentlichkeit entsetzt über die Ohnmacht und Hilflosigkeit der Politik Europas und der USA. Das syrische Volk schreit um Hilfe und nach Unterstützung für den Sturz des Baschar-al-Assad-Regimes. Gleich einem Flächenbrand greift der Hunger nach Selbstbestimmung und Freiheit in der arabischen Welt um sich. Kaum einer versteht noch die Zusammenhänge, weder die Europäer noch die Araber und Iraner (die keine arabische Ethnie sind!). Ängste vor unseren islamischen Mitbürgern werden gezielt gesteuert – teilweise entsteht sogar ein Feindbild. Dabei haben Islam und Christentum in Geschichte, Kultur und Religion viele Gemeinsamkeiten, stehen sich europäische und arabische Länder näher als gemeinhin angenommen wird. Gefordert ist eine „Schutzverantwortung“, die Bundespräsident Joachim Gauck auf der 50. Münchner Sicherheitskonferenz forderte: „Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird – der Einsatz der Bundeswehr –, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip ‚nein‘ noch reflexhaft ‚ja‘ sagen.“ Angesichts der Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung und Folter, der systematischen sexuellen Gewalt gegen Frauen und dem dramatischen Flüchtlingselend in Syrien und all den anderen Regionen, wo sich der Orient im Umbruch befindet, ist höchste verantwortliche Diplomatie gefordert, ein Nichteinmischen ist unmoralisch! Hilfstransporte für die hungernde Bevölkerung werden gehindert, ihr Ziel zu erreichen. Der Hunger wird als Waffe von den Konfliktparteien eingesetzt. Gleichermaßen werden Frauen in Tunesien, Libyen und Ägypten geschändet, durch Jungfrauentests demoralisiert und immer stärker aus der Öffentlichkeit ausgegrenzt. Die Politik muss handeln! Zu spät ist es, einzugreifen, wenn es schon brennt … Friedensbemühungen im Vorfeld sind erforderlich, um der Bevölkerung Hilfe zur Selbstbestimmung zu ermöglichen. Aber: Waffen sind kein Garant für Frieden oder Demokratie! Wenn aber eine Regierung die „responsibility to protect“ („Schutzverantwortung“) für die eigene Bevölkerung nicht mehr garantieren kann oder will, sie bewusst das eigene Volk mit Terror, Mord und Hunger überzieht, dann sind politische Maßnahmen der Weltpolitik gefordert.

„Militärische Zurückhaltung“ darf jedoch nicht missverstanden werden, wie dies Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im SZ-Interview vom 31. Januar 2014 ausführt: „So richtig eine Politik militärischer Zurückhaltung ist, so darf sie nicht missverstanden werden als eine Philosophie des Heraushaltens. Deutschland ist zu groß, um Weltpolitik nur zu kommentieren. Es geht um tätige Außenpolitik: Es wird zu Recht von uns erwartet, dass wir uns einmischen und mit unseren Möglichkeiten die Bearbeitung von Konflikten so frühzeitig wie möglich angehen … Es ist das moderne Dilemma der Außenpolitik, dass sie dem medial diktierten Rhythmus nicht folgen kann. Zur Entschärfung des Iran-Konflikts wurde zehn Jahre lang verhandelt. Und Politik muss erklären, warum. Sie muss sagen, wenn wir trotz öffentlicher Empörung und Erwartung nicht helfen können. Auch diese Selbstaufklärung gehört zu erwachsener Außenpolitik … Außenpolitik kann und muss mit Widersprüchen leben. Der Umgang mit der Assad-Frage ist so ein Widerspruch. Einerseits bleibt das Ziel eine Übergangsregierung ohne Assad. Auf der anderen Seite müssen wir mit seinen Leuten reden, um für die Menschen in Homs und anderswo humanitäre Erleichterungen zu erreichen. Es geht um viel: Wenn uns nicht eine Beruhigung der Situation gelingt, dann könnte jegliche staatliche Ordnung von Syrien über den Irak bis zum Libanon erodieren. Drei zerfallende Staaten und eine endlose Folge von ethnischen und religiösen Bürgerkriegen wären eine Katastrohe, deren Auswirkungen sich nicht auf den Mittleren und Nahe Osten beschränken würden.“

Diese Schriftensammlung von Expertinnen und Experten verschiedener Länder Nordafrikas, des Mittleren und Vorderen Orients möchte den Lesern eine fundierte sachliche Analyse vorstellen, so dass sie die vielschichtigen politischen Entwicklungen in der arabischen Welt und in Iran einigermaßen nachvollziehen und verstehen können. Wie kam es zu dem „Arabischen Frühling“? Welche Auswirkungen hat er auf die Politik der Länder Nordafrikas und des Mittleren und Vorderen Orients, auf Russland, Europa und die USA? Wird es in diesen Ländern eine Demokratisierung geben, oder wird sich im Iran zum Beispiel eine ganz neue Staatsform entwickeln? Wie können Schiiten und Sunniten, Salafisten und Muwahhidun aus Saudi-Arabien zu einer Versöhnung finden? Oder werden die Muwahhidun in Saudi-Arabien dem Wandel des politischen Umfelds Rechnung tragen müssen? Begreift Saudi-Arabien, der Clan der Monarchen-Familie Saud, dass die alte Politik des Scheckbuchs nicht mehr lange greifen wird, um ihren Machterhalt zu sichern? Wie lange noch muss Palästina auf sein angestammtes Recht eines international anerkannten Staates warten?

All diese Fragen können in diesem Buch nicht beantwortet werden. Die Beiträge in diesem Buch zielen jedoch darauf ab, die Leser mit den Fakten dieses weltweiten Konfliktes zu konfrontieren. Sie sollen sie sensibilisieren, damit sie den Mut als Bürger aufbringen, nicht wegzuschauen, und sie sollen verstehen, dass Deutschland in der Weltpolitik eine moralische Verantwortung hat, die zum Handeln verpflichtet … Eine Option wäre (nachdem alle diplomatischen Schritte ergebnislos geblieben sind!), dass das Eingreifen in die „inneren Angelegenheiten“ eines Staates unter ganz bestimmten Voraussetzungen zur Rettung des jeweiligen Volkes durch eine UN-Resolution international bindende Wirkung erhält und legitimiert wird.

Weimar im Februar 2014

Klaus Gallas

Orient im Umbruch

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