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Ein Milchregen für die Schatten des Umbrers

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Friedrich Taubmanns Epigramm auf Plautus

Thorsten Burkard (Kiel)

Taubmann, FriedrichDer Fleiß, den dieser Gelehrte daran gewendet hat, ist ungemein zu rühmen. Er hat aus den Anmerkungen der vornehmsten Gelehrten einen nützlichen Auszug gemacht, und auch das, was er von dem seinen darzu gesetzt hat, ist allezeit gelehrt und sinnreich. Es ist kein Wunder, daß ein Mann, der selbst so anmutig gescherzt, die Scherze des Plautus am besten verstanden hat.1

Der Dichtergelehrte, der dieses Lob vor 270 Jahren gespendet hat, ist den Gebildeten der heutigen Zeit noch wohlbekannt, sowohl als Dichter als auch als Gelehrter, der poeta philologus, dem dieses Lob galt, ist hingegen vergessen. Dieser kleine Panegyricus stammt von Gotthold Ephraim LessingLessing, Gotthold Ephraim, der in seiner Abhandlung über Plautus die Editionen, Kommentare und Studien zu diesem Autor Revue passieren lässt, der als Poet und Wissenschaftler Gerühmte ist der Wittenberger Professor Friedrich TaubmannTaubmann, Friedrich, der nur noch einigen deutschen Frühneuzeitforschern und Plautusexperten ein Begriff sein dürfte. Letztere kennen ihn vor allem eben wegen jener Ausgabe, auf die sich LessingLessing, Gotthold Ephraim bezieht und die zum ersten Mal 1605, ein zweites Mal in einer deutlich verbesserten Fassung 1612 erschien und schließlich zur Grundlage von Janus GrutersGruter, Jan Edition von 1621 wurde.2 Aber Plautus war für Friedrich TaubmannTaubmann, Friedrich nicht nur „ein philologisches Lebensthema“,3 sondern auch durch sein ganzes poetisches Schaffen hindurch ein dichterisches Vorbild, einmal bezeichnet er ihn sogar als meum Poëticum cor.4 TaubmannTaubmann, Friedrich, 1565 in Wonsees in der Nähe von Bayreuth geboren, seit 1595 Professor für Poesie an der Universität Wittenberg, war (worauf LessingLessing, Gotthold Ephraim anspielt) nicht nur Philologe, sondern auch ein gefeierter Dichter, parallel zu seinem universitären ‚Hauptberuf‘ sogar eine Art Hofpoet beim sächsischen Kurfürsten ChristianChristian II. (Kurfürst von Sachsen) II.5 TaubmannTaubmann, Friedrich war ein origineller Autor, der durch seine experimentelle Poesie Dichter wie seinen Schüler Caspar von BarthBarth, Caspar von (1587–1658) und Paul FlemingFleming, Paul (1609–1640) stark beeinflusste. Als er 1613 starb, verfasste kein Geringerer als Daniel HeinsiusHeinsius, Daniel (1580–1655) eine Elegie auf seinen Tod.6

TaubmannTaubmann, Friedrich bekundete seine Verehrung des Plautus zum ersten Mal 1592 im Nachwort zu den Epen MartinaliaTaubmann, FriedrichMartinalia und BacchanaliaTaubmann, FriedrichBacchanalia (s.u.).7 Dort bekennt er sich in einem Exkurs zur Verwendung plautinischen Vokabulars und verteidigt Plautus als classicus testis zum einen mit dem berühmten VarroVarro-Zitat (s.u. S. 93), zum anderen mit dem Hinweis auf antike und neuzeitliche Gelehrte, die Plautus überaus geschätzt hätten8 – beiden Argumentationsstrategien werden wir auch in dem unten behandelten Gedicht begegnen. In zahlreichen Gedichten kommt TaubmannTaubmann, Friedrich immer wieder auf Plautus zu sprechen, am ausführlichsten in einer 60 Verse langen Satire, in denen er den gegen ihn (TaubmannTaubmann, Friedrich) erhobenen Vorwurf des maßlosen Archaismus zurückweist.9 Hier soll aber ein kürzeres Gedicht vorgestellt werden, das sich ausschließlich mit Plautus beschäftigt und in gewisser Weise auf recht kleinem Raum den Kern von TaubmannsTaubmann, Friedrich Sicht auf diesen Dichter präsentiert.

Das im elegischen Distichon verfasste Epigramm mit dem Titel In Plautum wurde zum ersten Mal 1592 im Anhang der Lusus duo juveniles veröffentlicht. In dieser Sammlung vereinigte TaubmannTaubmann, Friedrich zwei im Jahr 1587 entstandene humoristische Kleinepen, die MartinaliaTaubmann, FriedrichMartinalia und die BacchanaliaTaubmann, FriedrichBacchanalia.10 Die zweite Ausgabe von 1593 verwendet dieselben Druckplatten wie ihre Vorgängerin, ist also identisch mit der ersten Auflage.11 Das Epigramm In PlautumTaubmann, FriedrichIn Plautum steht im Anhang nach zwei auf die BacchanaliaTaubmann, FriedrichBacchanalia folgenden Prosatexten, dem Nachwort und der Anrede an den Drucker, unter anderen zumeist kleineren Gedichten, die fast alle an einzelne Personen gerichtet sind.12 Das Gedicht ist also spätestens 1592 entstanden und damit zu einer Zeit, als TaubmannTaubmann, Friedrich die lutherische Fürstenschule in Heilsbronn besuchte (1582–1592).13 Der Entstehungskontext des Epigramms ist also der Schulbetrieb, was sich auch an der Anrede puer in v. 15 zeigt. In Plautum Taubmann, FriedrichIn Plautumwar ursprünglich dem Diakon Georg SpecknerSpeckner, Georg aus Creußen bei Bayreuth gewidmet.14 Diese Zueignung fehlt in der ersten Sammelausgabe von Taubmanns Taubmann, FriedrichGedichten, den Columbae PoeticaeTaubmann, FriedrichColumbae Poeticae von 1594, und sollte – seltsam genug – nie wieder restituiert werden.15 Doppelt so umfangreich wie die Columbae war die zweite Gesamtausgabe der TaubmannTaubmann, Friedrich’schen Carmina Neolatina, die 1597 erstmals erschienenen MelodaesiaTaubmann, FriedrichMelodaesia, die danach mehrfach wieder aufgelegt wurden. Dort steht das Plautus-Gedicht im vierten und damit letzten Epigrammbuch.16 Wir präsentieren das Gedicht hier in der ersten Textfassung der Lusus juveniles von 1592 bzw. 1593, da es sich hierbei um die umfangreichste Version handelt: Hier finden sich noch der Name des Adressaten und das ab 1597 fehlende Distichon v. 11–12.17

In Plautum.18

Ad

GEORG(IVM) SPECNERVMSpeckner, Georg, Creusen(atem)19

ET Venere et Charisin20 et Musis natus iniquis,21

Cui genius Plauti non sapit ad genium.

Ipsae adeò Musae Plauti sermone loquuntur.

O Umbri umbellam sit mihi posse sequi!22

Hic Veneres habet omneis.23 miscet hic utile dulci: 5

Ausit et huic punctum quisque negare suum?

Plautus Musarum decima: et flos Atticus: idem

Sermonis Latii regula certa sui.

Hunc penitis24 sollers adytis Sapientia clausum

Distinet, atque animas huc vetat ire rudes. 10

Scaligeris, LipsIs, Douzaeis25 atque Melißis

Ad gustum hic aliquid pinsere Pistor habet.26

Sat nobis hujus pulvisculus27 esse farinae

Creditur et Latiae mica pusilla molae.

O studiis damnate puer, ne scena TerentI 15

Vilescat mundi simplicitate sui!

Nî prius hic animum coluit; me judice, nusquam

In Plauti orchestrâ jure sedere potes.

COME, Venus, Charites, Musae; date lacteus imber

Supra umbras Umbri depluat uvidulas!28 20

Auf Plautus. An Georg SpecknerSpeckner, Georg aus Creußen

Dem Menschen waren Venus, die Grazien und die Musen schon bei seiner Geburt feindselig gestimmt, dem der Geist des Plautus nicht nach seinem eigenen Geiste schmeckt. Die Musen selbst reden doch fürwahr29 plautinisch. O möge es mir doch gegeben sein, auch nur dem kleinen Schatten des Umbrers30 folgen zu können! (5) Er besitzt jeden nur erdenklichen Liebreiz, er verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen. Würde irgendjemand31 es wagen, ihm seine Wählerstimme zu verweigern? Plautus ist die zehnte Muse, die herrlichste Blüte des Attischen und die unumstößliche Norm seiner lateinischen Sprache. Fern vom gemeinen Volk hält die kluge Weisheit ihn (10) im Innersten ihres Heiligtums umschlossen und verbietet unerfahrenen Seelen, hierher zu kommen. Für den Geschmack der Scaligeri, der Dousae, von Männern wie LipsiusLipsius, Justus und wie Melissus hat dieser Müller etwas zum Mahlen.32 Man glaubt, dass schon ein Staubkörnchen von dessen Mehl und ein winziger Krümel seines lateinischen Schrots uns genügen. (15) O Knabe, der du zu den gelehrten Studien verdammt bist, verachte nicht die Dramen des TerenzTerenz wegen der Schlichtheit ihres Schmucks! Wenn er nicht zuvor deinen Geist gebildet hat, hast du nach meinem Urteil kein Anrecht auf einen Platz in den vornehmeren Sitzreihen von Plautus’ Zuschauerraum. Gewährt freundlich, Venus, ihr Grazien und ihr Musen, dass sich milchiger Regen (20) ergießt über die feuchten Schatten des Umbrers!

Das Gedicht ist im ersten Teil ein geschickt arrangiertes Zitatenpastiche aus lobenden Urteilen bedeutender Gelehrter über Plautus. Diese unmarkierte Testimonienparade für den Kenner ist gewissermaßen das Präludium zu TaubmannsTaubmann, Friedrich Plautusausgabe, in der er unmittelbar nach der Vorrede an den Leser positive Bewertungen aus der Antike und der Neuzeit zitieren wird.33

Das erste Distichon ist eine Anspielung auf Joseph Justus ScaligersScaliger, Joseph Justus Satz: quis adeo auersus a Musis, vt eorum [scil. Plauti et Laberii]34 lepore non tangatur? („wer stünde den Musen so fern, dass ihn der Zauber eines Plautus und eines Laberius nicht berühren könnte?“).35 Die Formulierung im zweiten Vers ist plautinisch: Sapis multum ad Genium sagt Saturio zu Toxilus im PersaPersa (v. 108).36 TaubmannTaubmann, Friedrich hat hier dem Ausdruck allerdings eine andere Wendung gegeben.37 Der dritte Vers spielt auf einen berühmten Ausspruch VarrosVarro an, der auf dessen Lehrer, den Philologen L. Aelius StiloStilo, L. Aelius, zurückzuführen ist: In comoedia maxime claudicamus. Licet VarroVarro Musas, Aeli Stilonis sententia, Plautino dicat sermone locuturas fuisse, si Latine loqui vellent („In der Komödie hinken wir den Griechen ganz besonders hinterher – mag auch Varro sagen, dass die Musen nach der Meinung des Aelius Stilo in plautinischem Stile reden würden, wenn sie Latein sprechen wollten“).38 Das (zugegebenermaßen naheliegende) Wortspiel in v. 4 mit Umberumbella ist wohl von Plautus inspiriert (vgl. auch v. 20): (Simo) Nec mihi umbra hic usquamst […] / (Tranio) Quid, Sarsinatis ecqua est? si Vmbram non habes – „Simo [über sein Haus]: Ich habe hier aber nirgends umbra (Schatten) […] Tranio: Wie? Hast du wenigstens eine Sarsinatin, wenn du schon keine Umbra (Umbrerin) hast?“ (MostellariaMostellaria 769–770). TaubmannsTaubmann, Friedrich Formulierung ist ein komisch-hyperbolischer Bescheidenheitstopos: Er fühlt sich so gering, dass er es noch nicht einmal wagt, Plautus’ Schatten zu folgen (geschweige denn Plautus selbst), sondern nur seinem kleinen Schatten.

Der erste Satz in v. 5 ist von LipsiusLipsius, Justus inspiriert, der Plautus eine geradezu einzigartige Atticorum venus zugestand.39 Der zweite Teil von v. 5–6 ist wörtlich nach HorazHoraz gestaltet: Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci („Jede Stimme erhält, wer das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet“, Ars poeticaHorazars 343). Da die Komödien des Plautus damals wegen ihrer laxen Moral umstritten waren, wird TaubmannTaubmann, Friedrich das utile wohl nicht im Inhalt, sondern (wie auch im Falle des dulce) im Bereich des Sprachlichen sehen: Plautus nützt durch die großen Qualitäten seiner Sprache und empfiehlt sich dadurch als stilistisches Modell.

Das vierte Distichon vereinigt mehrere auctoritates: LipsiusLipsius, Justus hatte in einem Brief vom Oktober 1587 Plautus als zehnte Muse bezeichnet.40 TaubmannTaubmann, Friedrich führt diese Aussage des LipsiusLipsius, Justus häufiger an, so etwa auch in der Epistola dedicatoria der Dissertatio (1602, 8). Wenn Plautus hier als flos Atticus bezeichnet wird, so kombiniert TaubmannTaubmann, Friedrich wohl in dieser Formulierung zwei HieronymusHieronymus-Stellen miteinander:41 mira eloquentia et Attico flore variata und haec est Plautina eloquentia, hic lepos Atticus et Musarum, ut dicunt, eloquio comparandus!42 Mit dem „Attischen“ ist hier in übertragenem Sinn eine reine Sprache gemeint. Es scheint weniger um das Gegensatzpaar ‚Attizismus vs. Asianismus‘ zu gehen als vielmehr ganz generell um puritas und proprietas.43 Der Ausdruck Sermonis Latii regula certa sui geht wohl auf eine beiläufige Bemerkung ScaligersScaliger, Joseph Justus in De causis linguae Latinae zurück: Plautus, qui Romanae linguae lex quaedam fuit.44

Die neuzeitlichen Gelehrten, die TaubmannTaubmann, Friedrich bisher nur durch ihre Aussagen über Plautus im Text des Gedichtes evozierte, nennt er in v. 11–12 namentlich, er fügt sogar noch die Namen weiterer Plautusverehrer hinzu. Die Formulierung „für die Scaligeri usw. hat Plautus etwas nach ihrem Geschmack (ad gustum)“ weist zurück auf die Banausen, die im Eingangsdistichon beschrieben wurden (ad genium). Der Plural ist im Falle der Scaligeri und der Dousae ein echter Plural. Beide Scaligeri haben sich – wie auch LipsiusLipsius, Justus – positiv über Plautus geäußert, wie wir gesehen haben. Der Niederländer Janus DousaDousa d.J., Janus der Jüngere (1572–1596) hat 1587 den CenturionatusDousa d.Ä., JanusCenturionatus sive Plautinarum Explanationum libri iv seines gleichnamigen VatersDousa d.Ä., Janus (1545–1604) herausgegeben und arbeitete zum Zeitpunkt der Entstehung von TaubmannsTaubmann, Friedrich Gedicht an einer Plautusausgabe, die aber erst postum im Jahre 1598 erscheinen sollte. TaubmannTaubmann, Friedrich feierte Dousas Edition in seiner eigenen Ausgabe mit deutlichen Worten: Die nach CamerariusCamerarius d.Ä., Joachim erschienenen Editionen seien wertlos exceptâ unâ Douzicâ („mit der Ausnahme von Dousas Ausgabe“).45 Dousa d.Ä.Dousa d.Ä., Janus wird vielleicht auch deswegen erwähnt, weil er sich in seiner fünften Satire (aus dem Jahr 1572) mit Kritikern des Hadrianus JuniusJunius, Hadrianus auseinandergesetzt hat, die bei Junius ein unzulässiges Archaisieren witterten.46 Warum Paulus Melissus SchediusSchede, Paulus Melissus (1539–1602), der zu Lebzeiten als monarcha poetarum Germanorum galt, genannt wird, lässt sich nur vermuten – abgesehen von TaubmannsTaubmann, Friedrich enger Freundschaft zu dem ebenfalls aus Franken stammenden SchediusSchede, Paulus Melissus. Zum einen finden sich in Melissus’ Dichtung viele Plautinismen – was allerdings auch mit seinem beeindruckenden Wortschatz zusammenhängt, sodass diese Eigenschaft nicht Teil einer bewussten und spezifischen Plautusnachfolge sein muss. Zum anderen adaptiert SchediusSchede, Paulus Melissus in einem Epigramm VarrosVarro (bzw. StilosStilo, L. Aelius) oben zitiertes Urteil über Plautus: Non alio usuras dulces sermone Camenas / Loqui Latinê si velint, / Praeter Plautinum; VarroVarro inquit.47

Wenn Plautus in diesem Distichon als Pistor („Müller“) bezeichnet wird, so natürlich wegen der insbesondere bei GelliusGellius zu lesenden Geschichte, Plautus habe sich nach seinem Scheitern als Geschäftsmann seinen Lebensunterhalt bei einem Müller als Sklave verdient.48 In den BacchanaliaTaubmann, FriedrichBacchanalia von 1597 wird Plautus mit o Pistor angeredet (2018, 106). Damit ist auch erklärt, warum TaubmannTaubmann, Friedrich im folgenden Distichon Getreidemetaphern verwendet.

In den nächsten beiden Distichen (v. 15–18) wird das Verhältnis zwischen den beiden großen römischen Komödiendichtern reflektiert. TerenzTerenz wird schlichter (simplicitas) Schmuck (mundus) zugesprochen – diese Eigenheit seiner Sprache dürfe aber nicht zu dem Fehlschluss verführen, dass er ein unbedeutender Autor sei. Dass Terenz’ Latein über jeden Zweifel erhaben war, wusste man aus CiceroCicero: [scil. Terentii] fabellae propter elegantiam sermonis putabantur a C. Laelio scribi (Briefe an Atticus 7, 3, 10).49 Zudem war es auch damals offensichtlich, dass Terenz’ Wortschatz begrenzter war als der des Plautus und somit auch ‚klassischer‘, sozusagen ‚simplicior‘ und ‚purior‘ wirken konnte. Daher spricht Julius Caesar ScaligerScaliger, Joseph Justus von den Terentianae munditiae und zieht den Stil des Terenz ob linguae cultum dem des Plautus vor (was nach seiner Aussage auch das Urteil seines Zeitalters sei).50 Mit munditiae ist die Stilqualität der puritas gemeint, die Terenz angestrebt habe51 – ein aus der Antike übernommenes Urteil.52 Da nach TaubmannsTaubmann, Friedrich Aussage Terenz für die Lernenden (s. puer in v. 15) einfacher als Plautus ist, erscheint es nur folgerichtig, dass er in diesen Versen die Lektüre des Terenz als Grundlage und Hinführung zur Plautus-Lektüre empfiehlt. In dem zu derselben Zeit wie unser Gedicht entstandenen Nachwort zu den Bacchanalia Taubmann, FriedrichBacchanaliaweist er ebenfalls darauf hin, dass Plautus nicht für jedes Alter und jedes ingenium geeignet sei: Man benötige ein gefestigtes und reifes Urteil, bevor man sich an diesen Dichter wage, denn: Plautus certè situs est in literarum quasi penitrali („Plautus befindet sich gleichsam im Innersten des Heiligtums“).53 Diese Metapher geht auf LipsiusLipsius, Justus zurück: Plautus in litterarum quasi penetrali est, quò non nisi initiati accedant, et qui à se Spernat profanum vulgus et arceat.54 TaubmannTaubmann, Friedrich verwendet in v. 9–10 von In Plautum dasselbe Bild noch einmal, wobei er jetzt nicht vom literarum penitrale, sondern von den adyta der Sapientia spricht, zu dem die animae rudes noch keinen Zutritt haben dürften. Diese recht deutliche Positionierung zeigt, dass es TaubmannTaubmann, Friedrich um eine Plautusimitatio mit Augenmaß geht, für die er ein sicheres iudicium für unabdingbar hält. Das Ziel ist also gerade nicht eine wahllose Nachahmung des Wortschatzes, sondern eine nach den Maßgaben der lateinischen puritas getroffene, kluge Auswahl, eben elegantia.

Was ist schließlich mit dem letzten Distichon gemeint? TaubmannTaubmann, Friedrich bittet die bereits in v. 1 genannten Gottheiten darum, einen „Milchregen“ auf die umbrae Umbri regnen zu lassen. Ein Milchregen im eigentlichen Sinne galt in der Antike wie Stein- oder Blutregen oder andere Portenta als ein Unheil kündendes Vorzeichen.55 Diese Implikation ist aber von unserer Stelle mit Sicherheit fernzuhalten. Die von TaubmannTaubmann, Friedrich evozierte Vorstellung hat wohl zwei Ursprünge: zum einen das in der Bibel mehrfach vorkommende Motiv der Milch- und Honigströme (etwa Exodus 3, 8 und 3, 17). Zum anderen wird die Milchmetaphorik schon in der Antike für geistliche oder geistige Nahrung verwendet, die Anfängern verabreicht werden soll, so etwa für den Bereich der Rhetorik: Quin ipsis doctoribus hoc esse curae velim, ut teneras adhuc mentes more nutricum mollius alant et satiari velut quodam iucundioris disciplinae lacte patiantur.56 Die Formulierung lacteus imber findet sich auch bei HeinsiusHeinsius, Daniel: Vatem surripe Diva tuum, qua lacteus imber / spirat, ab vmbrosis Meonidum latebris.57 Hier versinnbildlicht der Milchregen die poetische Inspiration.

Die am Anfang des Gedichts evozierten und am Ende angerufenen Göttinnen sollen also Schönheit (Venus), Liebreiz und Charme (Grazien) sowie Poetizität (die Musen) verleihen, und zwar „den Schatten des Plautus“. Damit kann nicht Plautus selbst gemeint sein, der als Schatten der Unterwelt zu denken wäre, denn wie das erste Distichon des Epigramms zeigt, besitzt Plautus all diese Attribute bereits. Das Wort umbra ist hier i.S.v. „Nachahmer“ zu verstehen. Diese durchaus geläufige Bedeutung des Wortes („Begleiter, einer, der einem anderen folgt“) ist sogar bei Plautus selbst belegt: certum est mihi, / Quasi umbra, quoquo ibis tu, te persequi (CasinaCasina 91–92).58 TaubmannTaubmann, Friedrich bittet also die Göttinnen darum, den Nachahmern des Plautus (und damit auch ihm selbst) dieselben poetischen Gaben zu verleihen, die sie an dem Meister bewundern. Dass damit alle Imitatoren gemeint sind, sowohl die fortgeschrittenen Dichter und Literaten als auch ganz besonders die Anfänger in den Schulen und Universitäten, wird aus v. 15 deutlich, in dem dezidiert die pueri angesprochen werden. Das Gedicht ist ja entstanden, als TaubmannTaubmann, Friedrich Schüler der Heilsbronner Fürstenschule war (s.o. S. 89).

Wie ‚plautinisch‘ sind nun Sprache und Stil dieses Gedichts? In der Tat verwendet TaubmannTaubmann, Friedrich, wie gesehen, einige Plautinismen, aber sie bleiben unauffällig, es sind gerade keine gesuchten, ausgefallenen Ausdrucksweisen – wie überhaupt das ganze Gedicht schlicht, geradezu attizistisch wirkt. Die Sprache ist einfach, die von Plautus’ Müller- und Bühnentätigkeit angeregten Metaphern naheliegend und alles andere als dunkel. TaubmannTaubmann, Friedrich hat sich sichtlich darum bemüht, als Plautus’ umbra dessen umbella zu folgen und ein stilistisch ausgewogenes, luzides Epigramm zu schaffen – gewissermaßen eine Plautusnachahmung im Zeichen der puritas und elegantia, der reinen und sorgfältig gewählten Sprache, wie es dem Nachahmer eines classicus testis eben zukommt.59

Plautus in der Frühen Neuzeit

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