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1. Aus dem Leben eines Pomponianischen Humanisten

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Tommaso InghiramiInghirami, Tommaso wurde 1470 in Volterra in einer den Medici treuen Familie geboren. Nach der Ermordung seines Vaters im Jahre 1472 wurde er unter dem Schutz von Lorenzo de’ MediciMedici, Lorenzo de’ nach Florenz gebracht. Dieser wurde sich der besonderen Qualitäten des jungen InghiramiInghirami, Tommaso bewusst und beschloss, ihn 1483 nach Rom zu seinem Onkel Antonio, Sekretär und Cubicularius von Sixtus IV.Sixtus IV. (Papst), zu schicken. Hier nahm InghiramiInghirami, Tommaso an der Aktivität der römischen Akademie von LetoLeto, Pomponio teil, die unter dem Pontifikat von Sixtus IV.Sixtus IV. (Papst) wiedergeboren wurde, nachdem sie unter Paul II.Paul II. (Papst) wegen Verdachts auf eine Verschwörung unterdrückt worden war.1 Die Nachrichten über die Aktivitäten der Akademie sind in der Tat bis 1483, dem Jahr der Ankunft von InghiramiInghirami, Tommaso in Rom, eher selten. In diesem Jahr zeugt eine Passage aus dem Tagebuch von Jacopo GherardiGherardi, Jacopo, eines Volterranischen Humanisten und Mentors des jungen InghiramiInghirami, Tommaso, von der Erneuerung der jährlichen Feier zum Geburtstag Roms in Übereinstimmung mit den antiken Parilia:2

in Exquiliis prope Pomponii domum, die dominico qui sequutus est, a sodalitate litteraria, celebratum est Romanae Urbis Natale. Sacra sollemniter acta, Demetrio Lucensi, bibliotecae pontificiae prefecto operante, Paulus Marsus orationem habuit. pransum est apud Salvatoris sacellum, ubi sodalitas litteratis viris et studiorum studiosis elegans convivium paraverat […] et a diversis iuvenibus eruditis versus quamplures etiam memoriter recitati

Die Feier bestand also aus einer lateinischen Rede, gefolgt von einem prächtigen Bankett, an dem junge edle Literaten teilnahmen, die am Ende auswendig gelernte Verse rezitierten.

In seiner Pomponii VitaSabellico, MarcantonioPomponii Vita bezeugt Marcantonio SabellicoSabellico, Marcantonio, dass private Rezitationen im Hause Letos erneut anlässlich des Geburtstags Roms stattfanden und sie in Verbindung mit den offentlichen Pomponianischen Aufführungen des Plautus, TerenzTerenz und anderen neueren Komödien setzt.3 Die Rezitation von Reden, von auswendig gelernten poetischen Passagen und schließlich von ganzen Komödien legt nahe, dass die Bildung der Pomponianer, die sich hauptsächlich auf Redekunst konzentrierte, eine starke Fokussierung auf die Performance, auf actio beinhaltete. Für die jungen Schüler von PomponioLeto, Pomponio war die Schauspielerei eine notwendige Vorbereitung für zukünftige rhetorische Performance. Die Rezitation ermöglichte den angehenden Rednern, das Gedächtnis zu trainieren, eine gute Aussprache zu erlernen, alle non-verbalen Mittel, insbesondere Gebärden und Stimme, zu üben und ihre Wirkung auf das Publikum zu testen.4 Daher führt Paolo GiovioGiovio, Paolo 1527 in einer nostalgischen Retrospektive über die glänzenden Jahre der Accademia Pomponiana den Niedergang der Beredsamkeit auf das Verschwinden jener iucundissima [] studia Theatralium recitationum zurück, die damals schon von den unvermeidlich überwiegenden Vorstellungen in Vulgärsprache verdrängt wurden:5

Sed cur hodie doctorum ora aut conticescant aut satis inepte veterum vocem, gestum, ac totam huius subtiliores artificii rationem aemulentur, ut diligenter explices postulamus». Ad haec: «Ego, inquam, ut coniectura facile adsequimur, id duabus de causis arbitror evenisse. Primo quoniam iucundissima illa Theatralium recitationum veterumque praesertim comoediarum, quae per ingenuos et patritios adulescentes nuper agebantur apud Romanam iuventutem penitus fuerint intermissa, irrumpentibus in Scoenam vernaculis histrionibus in gratiam, ut putamus, foeminarum ac indoctae multitudinis

Gerade auf diese pädagogischen Zwecke bezieht sich eines der ersten Zeugnisse für eine öffentliche Aufführung von Mitgliedern der Akademie. Drei Jahre nach Inghiramis Ankunft in Rom, gegen Ende 1486 oder in den ersten Monaten 1487, veröffentlichte Giovanni SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli, eine der Schlüsselfiguren der Accademia, die editio princeps von VitruvsVitruv De Architectura. Die Veröffentlichung von Verolis Vitruv stellt einen entscheidenden Moment in der Geschichte der Renaissance-Architektur dar und ist auch für die Entwicklung des humanistischen Theaters nicht ganz unerheblich. Im Vorwort an Kardinal Raffaele Riario Riario, Raffaele (Kardinal)erinnert SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli an die Etappen der Wiederherstellung des klassischen Theaters in Rom:6

tu enim primus Tragoediae quam nos iuventutem exercitandi gratia et agere et cantare primi hoc aevo docuimus (nam eius actionem iam multis saeculis Roma non viderat) in medio foro pulpitum ad quinque pedum altitudinem erectum pulcherrime exornasti; eandemque postquam in Hadriani mole Divo Innocentio spectante est acta, rursus intra tuos penates, tamquam in media circi cavea, toto consessu umbraculis tecto, admisso populo et pluribus tui ordinis spectatoribus honorifice excepisti. Tu etiam primus picturatae scaenae faciem qua Pomponiani comoediam agerent nostro saeculo ostendisti

Nach der zeitnahen Rekonstruktion von SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli bestand die Hauptaufgabe dieser Aufführungspraxis darin, junge Menschen auszubilden, indem sie Verse oder sogar ganze Stücke rezitierten und sangen. Mit der Zeit entwickelte sich diese Praxis, auch dank der Unterstützung von Kardinal RiarioRiario, Raffaele (Kardinal), zu einem Projekt, das antike Theater nach so langer Abwesenheit von den Bühnen Roms wiederzubeleben. Veroli erwähnt in der Tat eine tragische Vorstellung, die auf einer von RiarioRiario, Raffaele (Kardinal) im Forum errichteten Bühne stattfand und dann im Castel Sant’Angelo in Gegenwart von Innozenz VIII. und auch natürlich im Hof des Adelspalastes von RiarioRiario, Raffaele (Kardinal) selbst, d.h. im heutigen Palazzo della Cancelleria, wiederholt wurde.

Um welche Vorstellungen handelt es sich? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, auf die frühen 80er Jahre des 15. Jahrhunderts einzugehen, eine besonders wichtige Periode in der Geschichte der Plautus-Rezeption in der Renaissance. Tatsächlich fand gleich am 25. Januar 1486 die erste urkundlich belegte Aufführung einer vulgärsprachlichen Komödie des Plautus statt. Im Hof des Palazzo Ducale in Ferrara wurden die Menechini, die Version der Menaechmi Menaechmiim Volgare, während der von Ercole I d’Este zu Ehren von Francesco Gonzaga organisierten Feierlichkeiten aufgeführt.7 Genau ein Jahr später, im Januar 1486, wurde wiederum in Ferrara eine von Pandolfo Collenuccio ins Volgare übertragene Amphitrione aufgeführt, um die Hochzeit von Lucrezia d’Este, Ercoles unehelicher Tochter, mit Annibale Bentivoglio zu feiern. Beide Ereignisse stellen den Höhepunkt eines Prozesses der vulgärsprachlichen Aktualisierung der Komödien dar, der auf Initiative des Herzogs Ercole d’Este entstanden war.8

Die römischen Vorstellungen der Pomponianer waren zweifellos weniger prunkvoll und gingen hauptsächlich von einer anderen Perspektive auf die Antike aus. Wie bereits gesagt, beschreibt SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli ein Projekt zur Wiederherstellung des klassischen Theaters in Originalsprache, das bereits mit der Vorstellung einer Tragödie und einer Komödie durchgeführt wurde. Erst 1486, im selben Jahr wie VitruvsVitruv editio princeps, wurde SenecasSeneca PhaedraSenecaPhaedr. in Rom unter dem Titel Hippolytus aufgeführt. Der Prolog ist in einer in der Bibliotheca Vallicelliana aufbewahrten Handschrift überliefert. Der Verfasser dieses Werkes ist erneut SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli, der seine Idealvorstellung noch stärker unterstreicht:9

postid novis auctoribus (d.h. tragoedia […] vos augeat) qui usu abditos

revocant theatrales iocos et fabulas

ad vos iuvandos

Nach einer berühmten Anekdote war es dieser Darstellung zu verdanken, dass InghiramiInghirami, Tommaso seinen Spitznamen für immer erhielt:10

fu tenuto Poeta insigne, grandissimo Oratore, perfettissimo Filosofo, et eruditissimo in tutte le scienze, e buon’arti, et ebbe così pronta la poesia latina che recitandosi in casa il Cardinale S. Giorgio la Tragedia di Seneca detta l’Ippolito, et essendo per caso rovinato il ponte dietro alla prospettiva, mentre ch’egli, che rappresentava il Fedra, era solo in scena, continuò tanto il parlare all’improvviso in versi latini, che fu rimediato al disordine

Die Nachricht stammt von Curzio Inghirami, dessen Reputation als Fälscher wohlbekannt ist;11 doch ein der Aufmerksamkeit der Forscher bisher entgangenes Element scheint mir die Wahrhaftigkeit der Anekdote zu bestätigen. Denn die Anekdote spielt sich ab «in casa il cardinale S. Giorgio», nämlich im Palast von Raffaele RiarioRiario, Raffaele (Kardinal), seit 1477 Kardinal von San Giorgio al Velabro. Deshalb bezieht Curzio InghiramiInghirami, Tommaso sich hier auf die Darstellung «intra […] penates», die auch Veroli in seinem Vorwort erwähnt. Also scheint es sicher, dass der damals 16-jährige InghiramiInghirami, Tommaso an den inzwischen zu echten theatralischen Aufführungen gewordenen rhetorischen Übungen teilgenommen hat, indem er, soweit wir wissen, in der Rolle von Phaedra debütierte und seine Zeitgenossen mit seinen außergewöhnlichen Improvisationsgaben in lateinischen Versen erstaunte.

Während sich die drei von Veroli erwähnten Darstellungen einer Tragödie sicherlich auf die PhaedraSenecaPhaedr. beziehen, ist die Erwähnung einer «picturatae scaenae facies», in der die Pomponianer eine Komödie inszenierten, rätselhafter. Zunächst einmal ist es schwer zu verstehen, worauf Sulpicio genau Bezug nimmt. Forscher haben an eine mit Stoff bemalte oder bedeckte Hintergrundmauer, eine Stadtperspektive oder an eine malerische Ausschmückung der architektonisch gestalteten «frons scaenae» gedacht, wie sie für das Kapitolinische Theater und die Feste von 1513 entworfen worden war.12 Was die Komödie betrifft, wissen wir dank eines Briefes von Alessandro Cortesi,13 dass die jungen Schüler von PomponioLeto, Pomponio 1486, kurz vor der Vorstellung der Tragödie von Seneca, den Epidicus Epidicusvon Plautus auf dem Kapitol inszenierten und damit die Reihe der Plautinischen Darstellungen begannen, die sich durch die letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts bis zum Höhepunkt der römischen Feste von 1513 fortsetzte. Im Gegensatz zu Ferrara zeigten die Pomponianer zunächst eine Vorliebe für die acht Komödien. Unter den Vorstellungen, denen der EpidicusEpidicus 1486 folgte, gibt es tatsächlich Nachrichten von einem AmphitruoAmphitruo und einem AululariaAulularia, die 1492 bzw. 1497 aufgeführt wurden. Die erste der aus dem Korpus der zwölf 1429 in Köln wiederentdeckten und um 1430 in Italien angekommenen Komödien ist die MostellariaMostellaria, die 1499 aufgeführt wurde.

Tommaso InghiramiInghirami, Tommaso, der damals als Phaedra bekannt war, hatte sich als bester Redner seiner Zeit einen Namen gemacht und im März von Maximilian I das Diplom des Pfalzgrafen und die Dichterkrone erhalten. Im Jahre 1498, ein Jahr vor der letzten bekannten Pomponianischen Aufführung, starb Pomponio Leto Leto, Pomponiound Inghirami Inghirami, Tommasoersetzte ihn am Lehrstuhl für Rhetorik am Studium Urbis. Eine eingehende Analyse der Pomponianischen Aufführungen wäre von großem Interesse für die Geschichte der Plautus-Rezeption in der Renaissance, aber sie geht über die Grenzen unseres Beitrags hinaus.14 Der neue Frühling des lateinischen Theaters und besonders des Plautus in Rom fällt genau mit den Karrierejahren Inghiramis zusammen. Daher werden wir im Folgenden versuchen, seine Plautinische Studien, die sicherlich von den Pomponianern beeinflusst wurden, mit seiner direkten Beteiligung an den Kapitolinischen Feiern von 1513 in Verbindung zu bringen.

Plautus in der Frühen Neuzeit

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