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Strukturierte Verhaltensbeobachtung anhand von kommunikationsauslösenden Situationen:

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• Interaktionsspiel mit einem Gymnastikball: wechselseitiges Zurollen, Unterbrechen der Interaktion, abwechselndes Aufpumpen des Balles

• Guck-guck-Spiel

• Seifenblasen: Lenken der Aufmerksamkeit des Kindes auf eine Seifenblasen-Dose (verbal, mit Blickkontakt und mit der Zeigegeste), interaktives Seifenblasen-Pusten

• Imbiss mit Süßigkeiten und Getränken: Wahlmöglichkeit zwischen zwei Alternativen und Anbieten der gewählten Alternative in einer schwer zu öffnenden Dose

• Präsentation eines Aufziehautos auf dem Tisch, das plötzlich vom Tisch fällt

• Freies Spiel mit verschiedenen Spielobjekten (Effektspielzeug, Duplo-Steine, Autos, Rollenspielmaterial, Bilderbuch) und Versuche, dabei weitere Interaktionen und Kommunikationsanlässe zu schaffen

• verschiedene verbale Aufforderungen

Neben dem ELFRA-1 hat die Mutter bereits zuhause den Komm!-Bogen ausgefüllt.

Schritt 3: Quantitativ-vergleichende (normorientierte) Auswertung

Tabelle 4 zeigt die quantitativen Ergebnisse der Diagnostik. Es lässt sich erkennen, dass Luis produktive verbale Kompetenzen (SETK-2 und ELFRA-1) ungefähr mit dem Entwicklungsstand einjähriger typisch entwickelter Kinder vergleichbar sind. Auf der Subskala »Produktion von Lauten und Sprache« (ELFRA-1) kreuzt die Mutter sogar noch weniger Items an als Mütter von typisch entwickelten einjährigen Kindern. Luis Fähigkeiten im Bereich der (non-verbalen) intentionalen Kommunikation (Komm!-Bogen) sind in etwa mit dem Entwicklungsstand typisch entwickelter Kinder im Alter von 1 bis 1½ Jahren vergleichbar. Luis Sprachverständnis (SETK-2 und ELFRA-1) ist besser entwickelt und entspricht einem Entwicklungsalter von 1½ bis 2 Jahren.

Tab. 4: Quantitative Ergebnisse der (vor)sprachlich-kommunikativen Entwicklungsdiagnostik bei Luis (5;2 Jahre)



Untersuchungsergebnisse für LuisVergleichswerte typisch entwickelter Kinder im Alter von 1 bis 2 Jahren

Schritt 4: Qualitativ-theoriegeleitete Auswertung

Die standardisierte Untersuchungssituation mit dem SETK-2 wird auch als Beobachtungssituation genutzt und qualitativ ausgewertet: Luis bemüht sich beim Subtest »Produktion I: Wörter« intensiv, die Objekte und Bildkarten mit (Proto-)Wörtern zu benennen (»auf da« für Schlüssel, »Ba« für Ball etc.). Bei der Bildkarte »Schwein« versucht er, das Grunzen eines Schweines zu produzieren. Es wird deutlich, dass sein Lautrepertoire sehr begrenzt ist. Dieser Eindruck wird durch die Angaben der Mutter im ELFRA-1 zur Produktion von Lauten gestützt: Demnach würde Luis weder Sprachmelodien oder Wörter nachahmen noch wortlose Sätze produzieren. Ferner lässt sich beobachten, dass Luis wiederholt repräsentationale Gesten verwendet, wenn er ein Bild nicht verbal benennen kann (z. B. eine Schneidebewegung für »Messer«, ein angedeutetes Dach über dem Kopf für »Haus«, eine Essensgeste für »Apfel«, Streichen über den Kopf für »Bürste«, Zeigen auf das Handgelenk für »Uhr«).

Während der strukturierten Verhaltensbeobachtung zeigt sich, dass Luis großes Interesse am Kontakt hat, die ungeteilte Aufmerksamkeit der Psychologin sichtlich genießt und sich gerne mitteilt. Hierfür nutzt er ein breites Repertoire an non-verbalen kommunikativen Mitteln. So verdeutlicht er der Psychologin z. B., dass sie die Luftpumpe wieder aus dem Schrank holen soll, indem er auf den Schrank zeigt, Blickkontakt sucht und die Pumpbewegung mit den Händen demonstriert. Er teilt nicht nur den Wunsch nach Hilfe mit, sondern nutzt seine Mittel auch, um soziale Bedürfnisse (z. B. gemeinsame Betrachtung eines Wimmelbildes oder Teilen von Überraschung, als er einen interessanten Effekt bemerkt) zu äußern. Trotz dieser vergleichsweise guten kommunikativen Fähigkeiten sind bei Luis noch Schwächen im sozialen Bereich zu erkennen, wenn es darum geht, sich an wechselseitigen Interaktionen (z. B. Zuspielen des Balles, abwechselndes Handeln, kooperatives Spiel mit Autos) zu beteiligen (turn-taking-Verhalten).

Die Angaben der Mutter zum Kommunikationsverhalten im familiären Alltag im Komm!-Bogen stimmen weitgehend mit den Befunden aus der Beobachtungssituation überein. Die Mutter gibt an, dass es im Alltag viele Kommunikationsanlässe gibt (11 von 12); lediglich an Interaktionsspielen habe Luis wenig Interesse. Nach Angaben der Mutter versuche Luis häufig, seine Bedürfnisse selbstständig umzusetzen. Ebenso häufig teile er seine Wünsche aber auch intentional mit. Hierfür nutze er überwiegend vorsymbolische Mittel, manchmal auch symbolische Gesten (offenbar aber weniger intensiv als in der Testsituation).

Schritt 5: Zusammenfassung der Ergebnisse und Einordnung des Entwicklungsstandes im Meilensteinmodell

In der Zusammenschau ergibt sich aus der quantitativ-normorientierten und der qualitativ-theoriegeleitete Auswertung folgendes Bild: Trotz (autismustypischer) Schwächen in der sozialen Interaktion hat Luis ausreichende basale sozial-kognitive Fähigkeiten aufgebaut, um seinen Bezugspersonen Wünsche und Bedürfnisse mitteilen zu können (intentionale Kommunikation). Er nutzt hierfür ein breites Repertoire an non-verbalen Kommunikationsmitteln, schwerpunktmäßig vorsymbolische Mittel. Luis ist jedoch auch schon in der Lage, spontan symbolische Kommunikationsmittel (repräsentationale Gesten und erste Protowörter) zu verwenden, wenn die Situation dies erfordert. Luis hat ein erstes Sprachverständnis entwickelt und versteht Wörter und einfache Sätze auch außerhalb eines situativen Kontextes (Testsituation). Seine rezeptiven Fähigkeiten sind im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern stark beeinträchtigt, aber deutlich besser entwickelt als seine produktiven kommunikativ-sprachlichen Fähigkeiten. Luis hat massive Probleme in der Lautbildung und verfügt nur über ein sehr kleines Lautinventar, das für die Bildung von Wörtern nicht ausreichend ist.

Schritt 6: Zuordnung der relevanten Entwicklungsaufgaben

Für Luis besteht eine zentrale Entwicklungsaufgabe darin, sein Lautrepertoire zu erweitern. Ferner ist der Ausbau der symbolischen Kommunikationsmöglichkeiten von zentraler Bedeutung, damit der Junge seine massiven verbalen Einschränkungen ausgleichen und sich zunehmend komplexer mitteilen kann. Obwohl diese beiden Entwicklungsaufgaben im Vordergrund stehen sollten, zeigt die Diagnostik außerdem, dass auch die sozialen Kompetenzen bei Luis noch gestärkt und das Sprachverständnis weiter aufgebaut werden sollten.

Ausblick auf die Intervention

Angesichts der massiven Probleme, die Luis in der Lautbildung zeigt, besteht der Verdacht, dass der Junge von einer verbalen Entwicklungsdyspraxie betroffen ist. Da vor diesem Hintergrund nicht mit schnellen Fortschritten zu rechnen ist, verständigen sich die Eltern, die Fachkräfte im Kindergarten und die Autismustherapeutin darauf, mit Luis primär am Ausbau symbolischer Kommunikationsmittel zu arbeiten. Hierfür werden zunächst weitere lautsprachbegleitende Gebärden und ein Kommunikationsbuch mit Symbolkarten eingeführt. Im weiteren Verlauf wird Luis ergänzend mit einer elektronischen Kommunikationshilfe (Talker) versorgt. In der spontanen Kommunikation greift er jedoch weiterhin lieber auf vorsymbolische Mittel und symbolische Gebärden zurück. Den Talker nutzt er vor allem bei Verständnisschwierigkeiten. In der Autismustherapie wird Luis darüber hinaus intensiv im sozialen Spiel und im Ausbau des Sprachverständnisses gefördert. Die Logopädin arbeitet weiter an der Anbahnung von Lauten und Lautverbindungen, unterstützt den Jungen jedoch auch intensiv darin, visuelle Kommunikationsmittel einzusetzen.

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