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Editorial

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Die Arbeit an Band 84 (2020) der Tiroler Heimat stand im Zeichen einschneidender Ereignisse: Zum einen ist heuer der 100. Jahrestag der Gründung der Tiroler Heimat, deren erster Band 1921 erschien. Noch während der Arbeit am heurigen Band begann also bereits die intensive Vorbereitungsphase für einen Jubiläumsband im nächsten Jahr, begleitet von Initiativen, die uns mit anderen Zeitschriften in der Region verbinden, welche ebenso ihr hundertjähriges Bestehen feiern, ganz besonders mit den Kolleg*innen der Studi Trentini di Scienze Storiche. Es ist zudem ein schöner Zufall, dass zugleich Josef Riedmann, der langjährige Herausgeber der Tiroler Heimat, in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert. Im Forum gratulieren wir ihm dazu herzlich und stellen zudem ein Projekt vor, das der Aufarbeitung der Geschichtsforschung der letzten hundert Jahre in der Publizistik der Europaregion Trentino-Südtirol-Tirol gewidmet ist.

2020 hat uns zum anderen mehr als bisher vor Augen geführt, wie schnell Staatsgrenzen und selbst Grenzen zwischen Bundesländern wieder schließen können. Niemand hätte zu Jahresbeginn gedacht, dass es nicht selbstverständlich möglich sein könnte, über den Brenner zu fahren. Covid-19 hat Staatsmacht und zugleich Ohnmacht gegenüber Naturkatastrophen, wie diese Pandemie letztlich eine ist, schmerzlich sichtbar gemacht. Trotz der für die Forschung schwierigen Begleitumstände wie geschlossener Bibliotheken und Archive konnten alle Autor*innen ihre Beiträge für den diesjährigen Band pünktlich liefern. Ihnen und auch allen Gutachter*innen gilt unser besonderer Dank. Dies umso mehr, als im vorliegenden Band eine ganze Reihe von Nachwuchswissenschafter*innen Ergebnisse ihrer Master- und Diplomarbeiten präsentieren, vielfach sind dies somit die ersten wissenschaftlichen Aufsätze. Aktive Nachwuchsförderung ist ein besonderes Anliegen der Tiroler Heimat. Gemeinsam mit den Gutachter*innen konnten wir die jungen Kolleg*innen konstruktiv unterstützen und freuen uns, auf den folgenden Seiten viel junge Forschung und neue Forschungsansätze präsentieren zu können.

Dem Thema obrigkeitlicher Macht in der Form des Anstaltswesens ist der Themenschwerpunkt dieses Bandes gewidmet, in dem ULRICH LEITNER drei Beiträge zu diesem belasteten Kapitel der Geschichte von Kindheit und Jugend in der Region des historischen Tirol zusammengestellt hat. Die Unterbringung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in verschiedenen Formen von außerfamiliären Anstalten wird hier aus drei Perspektiven in den Blick genommen. DANIELA STEINBERGER betrachtet die Entstehung der ersten Kindergärten in Tirol am Fallbeispiel Telfs und beleuchtet die Unterschiede zwischen Kindergärten und Kinderbewahranstalten, die verschiedenen politischen Lagern zugeordnet und dadurch auch im Tiroler Kulturkampf zum Thema wurden. ELISABETH MARIA GRUBER wendet sich dem dunklen Kapitel der Sammeldeportation von 67 Menschen mit Behinderungen aus dem St.-Josef-Institut in Mils im Dezember 1940 in die Euthanasieanstalt Hartheim zu und versucht Licht in die noch immer nicht völlig aufgearbeiteten Schicksale und Umstände zu bringen. ULRICH LEITNER untersucht schließlich das Wiedererzählen als eine besondere Form der Erinnerungspraktik am Beispiel von Interviews, die in Projekten zur Aufarbeitung der Heimgeschichte in Tirol stattgefunden haben. In seinem einleitenden Beitrag hält Leitner zudem fest, dass es gelte, die vielfältigen Formen der Anstaltsgeschichte auch als Gesamtkomplex intensiv zu erforschen, um damit den besonderen Kindheiten und Jugenderfahrungen nachzugehen, die Menschen außerhalb der Familie erlebten.

Weitere Themenschwerpunkte dieses Bandes gelten dem Reisen sowie den Beziehungen zum italienischen Raum. JOSEF RIEDMANN stellt einen Reisebericht aus dem Jahr 1428 vor, als eine Delegation aus Pordenone über Friaul, Kärnten, Steiermark, Salzburg und Tirol nach Innsbruck zu Friedrich IV. reiste. Zugleich weist er nach, dass diese Quelle nicht, wie fälschlich postuliert, der erste Beleg für das Gauderfest in Zell am Ziller ist. ELENA TADDEI betrachtet die Hofkarrieren der Castelletti, Herren von Nomi, in habsburgischen Diensten als Beispiele für Eliten am fürstlichen Hof im 16. und 17. Jahrhundert. HANSJÖRG RABANSER widmet sich wie schon in den Bänden 80 und 81 der Tiroler Heimat den Reiseaufzeichnungen des Tiroler Gelehrten Andreas Alois Dipauli und dokumentiert im dritten Teil seiner Reisetrilogie dessen Heimreise von Pavia nach Tirol im Jahr 1785.

Friedrich IV. von Tirol bündelt weitere Forschungen dieses Bandes. BARBARA DENICOLÒ bietet anhand ihrer umfassenden Aufarbeitung der Rechnungsbücher detaillierte Einblicke in die Versorgung des landesfürstlichen Hofs in Innsbruck unter diesem habsburgischen Landesherrn. TOBIAS PAMER erschließt über den noch kaum bearbeiteten Spaurer Rotulus die kriegerische Auseinandersetzung und politische Kommunikation im Zuge der Spaurer Fehde zwischen Friedrich IV. und Peter von Spaur.

In ein dunkles Kapitel der Tiroler Geschichte führt FLORIAN MESSNER, der sich über das Objekt des Richtschwerts aus archäologischer Perspektive mit der Geschichte des Tiroler Strafvollzugs in der Neuzeit befasst. ISABELLA BRANDSTÄTTER wendet sich schließlich der Konstruktion von Frauenrollen und des Bildes von Frauen im städtischen und ländlichen Bereich Tirols zwischen 1916 und 1925 durch Printmedien zu. Dabei interessiert sie besonders die Frage, wie und ob Frauen über die Zeitschriften kommunizierten und wie sich Geschlechterrollen nach den Kriegserfahrungen in den Nachkriegsjahren wieder schnell normalisieren konnten.

CHRISTINA ANTENHOFER / RICHARD SCHOBER

Tiroler Heimat 84 (2020)

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