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Zimmer mit Mord 1.

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Sie sollen alle Selbstmord begangen haben.

Im zweiten Stock.

Erhängt.

Es gibt auch noch andere Geschichten, wie die vom Lehrer Görtz, der 1953 gestorben ist. Wer das ist? Niemand weiß das. Nur seinen Grabstein kennt man. Tauchte eines Tages einfach aus der tiefen Erde auf.

Es gibt Fotos davon.

Und da ist auch noch dieser junge Bursche, Edward, der wurde erhängt, weil er die Tochter des Gutsbesitzers geliebt haben soll. Also Mord, kein Selbstmord. Pole soll der gewesen sein, Zwangsarbeiter mitten im Krieg, und ich denke, ist Edward eigentlich ein polnischer Name? Egal. Die Geschichte ist einfach zu tragisch, um sie nicht weiterzuerzählen.

Als ich an der Neusser Landstraße, kurz vor Fühlingen, am Wegrand halte, frage ich mich, welche von den vielen Geschichten wirklich wahr ist. Die mit den Lichterscheinungen? Die mit den unheimlichen Stimmen? Die mit dem Poltergeist? Der soll einem Kölner erschienen sein, und als der Mann fragte, ob der Geist einen Moment auf ihn warten könne, damit er ihn auch seinem Kumpel zeigen könne, da hat er wohl gesagt: »Ja, klar, kein Thema, ich hab Zeit.« Grinsend schließe ich meinen Wagen mit einem Klick auf die Fernbedienung: Klar, Jung, keen Thema, isch hann Zick!

Alles Schauermärchen.

Vermutlich.

Der Makler ist jedenfalls schon da.

So ein freundlicher, kleiner, rundlicher Mann mit dichtem, grauen Schnauzer.

Drückt mir die Hand und sagt: »Schön, dass Sie da sind. Sie werden staunen! Kommen Sie!«

Wir haben nur ein paar Schritte bis zum Haupttor und tatsächlich: Ich staune. Zwei gewaltige Steinsäulen, dazwischen ein verrostetes, aber kunstvoll geschwungenes Tor aus Eisen.

Dahinter aber: das Haus!

Es erhebt sich gegen den dunkelgrauen Himmel; fünf Steinbögen zieren den Haupteingang, darüber eine Balustrade, darauf zwei weitere Stockwerke. Es ist eines von der Sorte, die man aus Gruselschockern kennt: verwunschen, marode, geheimnisvoll, und ich denke, vielleicht ist doch alles wahr, was man sich darüber erzählt: der Lehrer, der Zwangsarbeiter, der Poltergeist, die Selbstmörder, die Stimmen.

»Es muss einmal wunderschön gewesen sein«, sage ich.

»Ja, das war es. Das Schönste weit und breit. Ganz herrlich war das!«, bestätigt der Makler und schiebt das geschwungene Tor auf.

Es quietscht – natürlich. Und zwar so, dass es einem durch Mark und Bein geht.

Fasziniert sehe ich es an: Es gibt weder Fenster noch Türen, nur schwarze Löcher, die über einen hinwegstarren wie die Augen eines Totenschädels. Alles an diesem Gebäude war einmal herrschaftlich, bedeutend, reich. Jetzt aber ist es vollkommen verfallen.

Eine Schande, so etwas.

Wir treten auf den großen Vorplatz.

Der Makler schließt das Tor.

Wieder dieses dramatische Quietschen.

Dann dreht er sich um, lächelt und macht eine präsentierende Geste: »Darf ich vorstellen: das Bellevue

Erst jetzt sehe ich, dass sich vom Haupthaus Flachbauten wie Arme nach links und rechts strecken, die in zwei Gebäude münden, die wie Wehrtürme wirken. Bäume und Sträucher haben sich fast das gesamte Gebäude geholt. Vermutlich gibt es noch zwei Flügel auf der Rückseite, so dass das ganze Anwesen wie ein riesiges U aussieht.

»Stimmt es, was man sich über das Gebäude erzählt?«

Der Makler runzelt die Stirn, als wüsste er nicht, worauf ich anspiele, aber an seinen Augen sehe ich, dass er das ganz genau weiß.

»Was meinen Sie?«, fragt er vorsichtig.

»Dass es spukt!«

Einen Moment starrt er mich an, dann macht er eine wegwerfende Handbewegung: »Ach, das …«

Einen weiteren Kommentar scheint ihm das nicht wert zu sein, aber ich hake nach: »Und?«

»Die Leute erzählen viel. Gerade hier in Köln. Sie kommen nicht von hier, oder?«

Ich schüttele den Kopf: »Hamburg.«

»Ah, verstehe.«

»Was verstehen Sie?«

»Der Norddeutsche redet nicht viel. Der Kölsche schon.«

Ich seufze.

Alle glauben, dass die Norddeutschen nicht viel reden. Vor allem die Kölner. Wenn die sich mal mit etwas anderem befassen würden als mit sich selbst, wüssten sie, dass der Norddeutsche ohne Ende redet.

»Die Vorbesitzer sollen sich alle erhängt haben!«, beginne ich erneut. »Im zweiten Stock!«

Der Makler zuckt mit den Schultern: »Sehen Sie es sich doch an! Hier wohnt seit Jahrzehnten niemand mehr. Und die Vorbesitzer haben sich so lange um das Erbe gekloppt, bis sie darüber gestorben sind. Auf ganz natürliche Weise. Jetzt gehört es deren Kindern, und die denken ganz praktisch: verkaufen und den Gewinn unter sich aufteilen.«

»Dann ist an den Geschichten also nichts dran?«

»Das habe ich nicht gesagt«, beginnt der Makler geheimnisvoll. »Nur nicht so, wie Sie das vielleicht gehört haben.«

Ich blicke wieder auf das Haus.

Sieht es mich gerade an?

Schließlich reiße ich mich davon los und sage: »Sehen Sie, ich will das alles hier in Luxuswohnungen umwandeln. Und wenn mich potentielle Käufer fragen, möchte ich ihnen auch etwas über das Gebäude erzählen können. Aber wenn es geht – ohne Poltergeist, Grabstein und Selbstmörder.«

»Verstehe«, antwortet der Makler. »Geschichten gibt es viele. Das Bellevue war mal ein Hotel.«

»Tatsächlich?«

»Ja. Hat kurz vor dem Ersten Weltkrieg eröffnet. Und ein paar Geschichten, die sich darin zugtragen haben, sind vielleicht der Grund dafür, dass so viele andere im Umlauf sind.«

»Was denn für Geschichten?«

Der Makler reibt sich verlegen über den Nacken: »Na … so Geschichten halt.«

»Jetzt machen Sie es mal nicht so spannend.«

»Ich glaube, das hat alles mit dieser Kiste angefangen …«

»Was für eine Kiste?«

»Na, diese Kiste aus Ägypten. 1913 war das, glaube ich.«

Zimmer mit Mord

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