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Lachen ist ein guter Anfang: Komik als dramaturgisches Mittel
ОглавлениеDie Aufmerksamkeit, die eine Pointe erzeugt, nutzt also auch Ihren Redeinhalten. Der Einsatz von Humor empfiehlt sich deshalb schon beim Einstieg in eine Rede: Wenn Sie witzig anfangen, schauen Sie plötzlich in hellwache, erwartungsvolle Gesichter. Das macht die Arbeit nicht zuletzt auch für Sie deutlich angenehmer – oder reden Sie gern gegen das Schnarchen aus den hinteren Reihen an? Komik zum Einstieg schafft eine positive Grundstimmung, und Ihre Botschaft fällt auf fruchtbaren Boden.
Der britische Bildungsexperte Sir Ken Robinson ist ein Meister der humorvollen Rede. Er beginnt grundsätzlich mit einer Pointe. Ein Beispiel aus seiner Rede über die Notwendigkeit einer Bildungsreform auf der TED-Convention 2006 zeigt, dass er genau weiß, warum er das tut:
»Ich möchte heute über Bildung sprechen. Und über Kreativität. Meine Behauptung ist: Alle Kinder haben gewaltige Talente, und wir vergeuden sie rücksichtslos. […] Ich sage: Kreativität ist in der Bildung genauso wichtig wie Literatur. Und entsprechend sollten wir sie auch behandeln! [Publikum applaudiert] So, das war’s. Vielen Dank! [Publikum lacht] Noch 15 Minuten übrig … Gut, ich wurde geboren … [Publikum lacht] Ich habe neulich eine großartige Geschichte gehört: Es geht um ein Mädchen in einer Kunststunde. Sie ist sechs Jahre, kann sich im Unterricht schlecht konzentrieren – außer in dieser Kunststunde. Der Lehrer bemerkt das und fragt: »Was malst du da?« Das Mädchen sagt: »Ich male ein Bild von Gott!« Und der Lehrer sagt: »Aber niemand weiß doch, wie Gott aussieht.« Und das Mädchen sagt: »In einer Minute schon!«
Was macht diesen Einstieg so reizvoll? Ken Robinson trägt zunächst seine These, die er im Verlauf des Vortrags noch zu begründen hat, klar formuliert vor – wie jeder gute Redner es tun würde. Dass er sie danach mit einer lustigen Geschichte abrundet, verschafft ihm drei Vorteile:
1. Die Gegner der These sehen sich nun in einem Konflikt, sofern sie gelacht haben. Sie werden seinen Worten deswegen weiterhin aufmerksam folgen und nicht einfach abschalten können. Mit anderen Worten: Er hat sie nicht verloren. Die Komik erzeugt also eine Verbindung zwischen Redner und Publikum.
2. Die Zuhörer, die noch keine Meinung zu Robinsons These haben, werden – ob sie wollen oder nicht – ihre persönliche Emotion dem Redner gegenüber in die Bewertung seiner These mit einfließen lassen. Jemand, der andere zum Lachen bringt, wird als sympathisch empfunden. Die Komik hilft also, Menschen zu überzeugen.
3. Robinson spricht über Kreativität – indem er sie selbst in seiner Rede einsetzt, erhöht er seine Glaubwürdigkeit. Die Komik unterstützt also die Wirkung des Redners.
Noch während der unterhaltsamsten Rede stellt sich irgendwann ein Ermüdungseffekt ein. Deshalb nutze ich Komik in meinen Reden gern als Muntermacher. Bin ich zum Beispiel mit zwei Dritteln meines Vortrags fertig und stelle eine leichte Erschöpfung meiner Zuhörer fest, schreie ich nicht: »Achtung, Achtung, alle bitte noch mal konzentrieren!« Vor einer Gruppe von Drittklässlern könnte ich damit vielleicht kurzfristig Aufmerksamkeit erregen, aber ein Businesspublikum würde mir eins husten. Also sage ich eher etwas wie: »Einigen von Ihnen dürfte die nächste Folie bekannt vorkommen. Sie ist vom Anfang.« Damit ist mein Ziel, Aufmerksamkeit zu wecken, erreicht, noch bevor das Publikum bemerkt, dass ich es implizit zur Ordnung rufe – es lacht und ist wieder konzentriert.
Es stimmt tatsächlich: Lachen ist gesund. Immerhin zeigt es mir als Redner an, dass mein Auditorium noch lebt.
Humor hat jedoch nicht nur am Beginn und am Ende, sondern in allen Teilen einer Rede ihren Platz. Setzen Sie Komik als dramaturgisches Mittel ein. Platzieren Sie eine Pointe immer vor den Aussagen, die Ihnen besonders wichtig sind. Denn nachdem das Publikum gelacht hat, hat es Freude daran, Ihnen weiter zuzuhören; der Aufmerksamkeitspegel ist dann besonders hoch. Nutzen Sie Komik überall dort, wo sie Ihrem Publikum den Zugang zu Ihrem Anliegen und dessen Akzeptanz erleichtert. Stellen Sie sie in einen Zusammenhang mit Ihrer fachlichen Kompetenz.
Bei allem rhetorischen Wert der Komik sollte sie jedoch nicht zum Selbstzweck werden. Geben Sie nicht den Clown, sondern den Experten, der Humor hat. Denn nicht der Redner soll komisch wirken – sondern das, was er sagt!