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Wie gut, dass es diesen Thomas gibt

BISCHOF DR. FRANZ-JOSEF BODE

19 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! 20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. 21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! 23 Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

EINE WEITERE ERSCHEINUNG JESU UND DER GLAUBE DES THOMAS

24 Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25 Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. 26 Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! 27 Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.Joh 20,19–29

Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

Bei verschlossenen Türen kam Jesus in ihre Mitte. Für den Auferstandenen gibt es keine räumlichen Grenzen. Gott sei Dank, denn so ist er auch in diesen Zeiten jederzeit in unserer Mitte und in unseren Herzen zu entdecken.

Seine erste Botschaft ist der Friede. Ein Friede, der nicht nur ein konfliktfrei-nettes Gefühl ist, sondern ein Friede, der aus Wunden und aus der Annahme von Kreuzwegen kommt. Er zeigt ihnen seine Wunden, und daran erkennen sie ihn. Sie freuen sich, dass sie ihn sehen.

Hier spricht einer auch uns Frieden zu, der Wunden und Schmerz, Leid und Tod kennt, der kein Phantast ist und kein Illusionär. Und gerade weil es so ist, wiederholt er: „Der Friede sei mit euch!“ Er weiß, wie schwer wir uns mit dem Frieden tun, vor allem dann, wenn die zusammenschweißende Angst, der Burgfrieden, wieder vorbei ist. – Alles wie im richtigen Leben.

Und dann geschieht etwas, das ich bei Firmungen oft das kleine Pfingsten nenne – ohne Sturm, Getöse, Sensation und wunderliche Verständigung. Hier geschieht Sendung des Geistes durch Nähe, durch Hauch, durch Auftrag zur Vergebung.

Geist-Sendung – viel alltäglicher als durch Sturm und Feuer, und doch nicht weniger Zusage an die kleine, verängstigte Schar, und doch nicht weniger Herausforderung zum Handeln und zur konkreten Vergebung: Wo ihr vergebt, da geschieht sie, wo ihr sie verweigert, da geschieht sie nicht – und es heilt nichts, möchte ich ergänzen.

Ostern und Pfingsten an einem Abend. Neues Leben ist neue Sendung. Auch heute in diesen Zeiten.

Lesen wir weiter das Evangelium:

Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.

Wie immer im richtigen Leben: Einer hat mal wieder das Entscheidende verpasst. Thomas, der Nach-frager, der Nach-denkliche, der Skeptiker. „Wir haben den Herrn gesehen“ kann heißen: Wir haben ihn gesehen, und du warst nicht dabei. Das wäre die etwas arrogante, besserwisserische Variante: „Ja, wir! Aber du?“ Vorwurf und Geringschätzung stecken darin. Eine große Versuchung für alle, die sich ihrer Beziehung zu Jesus allzu sicher sind und die Skeptiker geringachten.

Es kann aber auch heißen: „Wir haben den Herrn gesehen und freuen uns. Er lebt! Freu dich mich uns! Er lebt!“ Nichts von Vorwurf und Moral, sondern alles Zeugnis und Freude. So wünschen wir uns Kirche: „Wir haben den Herrn gesehen!“, und nicht: „Wo warst du letzten Sonntag?“

Thomas aber will nicht nur hören, er will selbst sehen und berühren, ganz in der Linie, wie er auch sonst nachfragt und hinterfragt, „ein tastender Zweifler und ein bisschen wie ein Nachsitzer“1. Gut, dass es sie gibt, diese Leute wie Thomas, die sich nicht zu schnell zufrieden geben mit den Beteuerungen, ja vielleicht nur Behauptungen anderer, sondern die Glaubwürdigkeit der Zeugen auch noch einmal überprüfen. Wie sehr brauchen wir diesen Nachsitzer, diesen Skeptiker auch in unseren derzeitigen Krisen, die uns herausfordern, nicht zu schnell den Namen Gottes auf den Lippen zu führen, sondern die Fragen, das Suchen, die Zweifel der Menschen zuzulassen und sich ihnen wirklich zu stellen.

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

„Thomas, streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite.“ Tausendfach ist diese innige Begegnung von Jesus und Thomas, diese berührende Beziehung in der Kunst dargestellt. Der gleiche Vorgang wie acht Tage vorher. Jesus kommt noch einmal. – „Noch einmal“ ist ein sehr österliches Wort. Jesus kommt immer noch einmal, weil die Apostel und wir alle so schwer begreifen.

Jetzt kommt er sozusagen extra für Thomas, den Nachsitzer. Und er lässt die Berührung zu, er lässt die Suche nach dem ‚Be-greifen‘ zu, er lässt sich berühren und anfassen, da er weiß, wie sehr die Menschen auf die Wahrnehmung mit allen Sinnen angewiesen sind. Wie sehr vermissen wir alle zur Zeit dieses spürbare Tasten, Berühren, Anfassen und Umarmen?!

Freilich bleibt er nicht dabei, denn Glaube ist mehr als Begreifen und Anfassen. Glaube ist mehr als Berühren mit den Händen. Er ist Berühren mit dem Herzen. Glaube ist mehr als Sehen mit den Augen des Leibes. Er ist Sehen mit den Augen des Herzens: eben Wahrnehmen in der Tiefe des Begriffes.

„Sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Selig die nicht sehen und doch glauben.“ Was das bedeutet, lehrt uns diese Krisenzeit ganz besonders, in der uns das Berühren und Anfassen weithin genommen ist und in der das Vertrauen, die geistige und geistliche Dimension der Beziehung so not-wendig ist: ganz konkret in dem Nichtempfang der sakramentalen Kommunion, in der Verhinderung physischer Nähe und Gemeinschaft, aber auch in dem Nichtdurchblicken der gegenwärtigen Situation, die wir noch längst nicht begriffen haben, in der wir nicht überblicken, was das für uns alle bedeutet, welchen Sinn das alles hat. Und erst recht ist in der Tiefe nicht klar, was Gott uns darin zeigen will. Denn jede Wirklichkeit ist ein Anlass, neu nach dem Willen Gottes zu fragen. „Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit“, sagen heutige geistliche Meister.

„Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ Dieser Satz ist der Schlusssatz des ursprünglichen Johannesevangeliums. Jedenfalls spricht vieles dafür. Am Anfang des Johannesevangeliums stand die Einladung an die Jünger: „Kommt und seht.“ Die ersten Jünger sollten sehen und erfahren, wo Jesus wohnt, wie er lebt und wirkt. Am Ende steht die Vertiefung dieser Einladung. Denn auch wenn wir nicht sehen und durchblicken, wenn wir nicht alles klären und erklären, begreifen, deuten und definieren können, bleiben die innere Gewissheit des Glaubens, die begründete Hoffnung und die Wahrheit und Macht der Liebe.

Es bleibt eine Annäherung an die Wirklichkeit im Glauben. „Nicht durchschauen, einfach nur anschauen“2, so beschreibt es der geistliche Dichter Andreas Knapp – und ich möchte ergänzen: nicht nur bitten, einfach nur anbeten wie Thomas: Mein Herr und mein Gott! – „So werden wir wirklich wir.“

Gut, dass es diesen Thomas gibt!

DR. FRANZ-JOSEF BODE

BISCHOF VON OSNABRÜCK

Dein Herz lebe auf!

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