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ОглавлениеMit dem Schutz von Person und Eigentum sichert der Staat dem einzelnen eine Sphäre der Freiheit, die ihm bei der Verfolgung seiner besonderen Anliegen Grenzen setzt. Die Betätigung des freien Willens ist abhängig vom freien Willen anderer; sie wird daher rechtlich geregelt, der Staat schreibt den Bürgern die Form vor, in der sie miteinander zu verkehren haben. Die Realisierung ihrer privaten Interessen ist ihr Recht, d.h. unter der Bedingung gestattet, dass sie dem Gesetz nicht widerspricht. Der Staat setzt sein Gewaltmonopol dafür ein, dass die Kollisionen zwischen den Interessen in der Gesellschaft ohne Gewalt ausgetragen werden: die Unterwerfung aller Handlungen unter das Gesetz ist die Grundlage für die bürgerliche Definition der Gewalt als unrechtmäßiger Handlung, die manch staatstreuem Zeitgenossen die kapitalistische Gesellschaft als Idylle erscheinen lässt. Vor lauter Freude über das Gewaltmonopol des Staates vergisst der bourgeoise Verstand leicht, dass in der Geltung des Gesetzes die Abwicklung aller Geschäfte die Unterwerfung unter die Staatsgewalt einschließt, das Interesse an Freiheit auch eines an Gewalt ist.
1 Im Zivilrecht bestimmt der Staat die Beziehungen der voneinander abhängigen Privatpersonen aufeinander. Er setzt Normen für die Handlungen fest, die aus der Betätigung der Freiheit der Person und der Nutzung des Eigentums erwachsen. Er bestimmt – die Bedingungen, unter welchen jemand als Rechtssubjekt gilt und als solches Rechtsgeschäfte abschließen kann, d.h. wann und wieweit der Wille eines Menschen von anderen respektiert werden muss, was also in der bürgerlichen Gesellschaft nicht zu den Selbstverständlichkeiten zählt: Personenrecht;die Abwicklung von Rechtsgeschäften, ihre verschiedenen Arten, den Modus ihrer Durchführung sowie ihre Konsequenzen: weil die Privatsubjekte bei ihren Geschäften mit anderen nur ihren Nutzen im Auge haben, muss der Staat ihnen die Grundform rechtlichen Verkehrs, den Vertrag aufherrschen, und zwar durch penibelste Vorschriften bezüglich aller zum Vertrag gehörigen Momente. Das Gesetz definiert, was als Willensäußerung gilt, wann eine Willensäußerung gültig ist, was diese Gültigkeit impliziert (Schuldleistung) und wie das Leistungsversprechen einzulösen ist – und weil jeder Kontrahent dem anderen nur Mittel für den eigenen Vorteil ist, muss der Staat auch dafür sorgen, dass seine Bürger nicht über Gegenstände und Leistungen kontrahieren, die sich ihrer Verfügung entziehen. Gewaltsam bringt er ihnen den ausschließenden Charakter des von allen begehrten und geschätzten, deshalb stets missachteten Privateigentums bei: Schuld und Sachenrecht;die Verhältnisse von Person und Eigentum, die sich aus ihrer Infragestellung in der Beziehung der Geschlechter und zum Kind ergeben. Diese Beziehung bedarf gesonderter Regelungen, weil sich Mann, Frau und Kind vor lauter Liebe ihrem Dasein als Rechtspersonen entgegenstellen. Der Staat zwingt sie zu einer Teilung und Gemeinschaftlichkeit von Rechten und Pflichten auch in dem Bereich, indem sie die wechselseitige Ausschließung aufgrund individueller Zuneigung aufgeben. Damit erklärt er die Sphäre häuslichen Glücks zu einem geregelten Nützlichkeitsverhältnis, weswegen der Bruch des Sakraments auch seine weltlichen Seiten hat. Vor dem Höchsten kommen niedere Instanzen! : Familienrecht;die Verhältnisse von Person und Eigentum, die sich aus dem Tod von Eigentümern ergeben. Er garantiert den Fortbestand des Nutzens, den das Eigentum innerhalb der Familie erfüllt, und beschränkt daher die freie Verfügung über das Privateigentum durch Testamente, was bereits zu Lebzeiten in diversen Verboten antizipiert wird: Erbrecht.
2 Im Strafrecht regelt der Staat die Wiederherstellung des verletzten Rechts. Im Unterschied zur Festlegung privater Ansprüche, die im Zivilrecht normiert ist und auf die Durchsetzung rechtmäßiger Verhältnisse zielt – es soll nichts Unerlaubtes geschehen –, geht es hier um die Reaktion des Staates auf Handlungen, die das Gesetz brechen. Indem diese Reaktion selbst als fester Bestandteil des Gesetzes erscheint, als Kodifizierung des Verbrechens (nullum crimen sine lege), verliert der Schutz des Gesetzes den Schein der Idylle, der ihm mit Hilfe des Vergleichs mit früheren Zuständen angedichtet wird. Wenn die Wiederherstellung des Rechts nichts mit der Macht der privaten Willkür, die auf Verletzungen reagiert, zu tun hat; wenn sie Rache, Fehde, Duell etc. selbst als Unrecht behandelt und der Standpunkt der Justiz nicht der des geschädigten Interesses, sondern der des im Staat objektiven freien Willen ist, dann erhält das Recht eine Gesellschaft, in der jeder einzelne einem Prinzip entsprechend handelt, dem der Zwang zum Unrecht immanent ist.Das Schuldprinzip verlangt die Feststellung nicht nur des Vorhandenseins eines freien Willens beim Täter (Zurechnungsfähigkeit), sondern vor allem den Nachweis, dass die inkriminierte Handlung eine desjenigen freien Willens war, der sich dem Recht unterworfen weiß, das er bricht: Vorsatz – Fahrlässigkeit. Verbrechen können nur von Leuten begangen werden, die dem Gesetz gehorchen.Entsprechend richtet sich die Strafe, die das Gesetz wiederherstellt, gegen ihn; sie ist Gewalt gegen Person und Eigentum, und darin dem Schuldigen (Geständnis) gemäß. Prävention und Resozialisierung sind vom Zweck der Strafe abgeleitete Zielsetzungen, die das Bewußtsein verraten, dass Strafen mit der Verhinderung des Unrechts nichts zu tun haben – was freilich die soziologischen Befürworter nützlicher Strafen nicht interessiert.Wenn bei der Bestimmung des Strafmaßes für verschiedene Vergehen scheinbar widersprüchliche Maßstäbe angelegt werden (z.B. Wirtschaftskriminalität – Raub), dann belegt dies nur das unterschiedliche Interesse des Staates an den Delikten. Und wenn bei der Beurteilung der Willentlichkeit einer Handlung Affekt zum mildernden Umstand wird, konzediert das Gesetz die traurige Realität der bürgerlichen Gesellschaft: es bedarf einiger Willenskraft, um die Beschränkungen durch andere zu ertragen, weswegen auch der berechnende Wille, ansonsten sehr gefragt, als niederes Motiv zählt, wenn er das Gesetz bricht.
3 Die Unterwerfung der Bürger unter das Gesetz, das der Staat selbst macht, entsprechend dem Gesetz zu regeln, ist Gegenstand des öffentlichen Rechts: es befasst sich daher mit der Verfassungsmäßigkeit von Form und Inhalt der Gesetzgebung und -anwendung und betrifft so verschiedene Bereiche wieparlamentarische ProzedurenGerichtswesen und PolizeiSteuernWissenschaft usw. usw.Insofern sich der Staat in all seinen Handlungen dem von ihm selbst gesetzten Recht unterwirft, sich als Rechtssubjekt beurteilt, wenn er seine Gesetze erlässt (Legislative), Recht spricht (Judikative) und ausführt (Exekutive), eröffnet sich die sinnreiche Frage nach dem gewaltigen Nutzen der wechselseitigen Kontrolle der Staatsgewalten: Ideologie der Gewaltenteilung. (MEW 7/498)