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ОглавлениеDie Struktur-Analogie zwischen göttlicher und menschlicher Caritas
Zur philosophischen Grundlegung der Caritastheologie Heinrich Pompeÿs in seiner strukturanalogen Verhältnisbestimmung zwischen Schöpfungs- und Erlösungsordnung
Markus Enders
1. Einleitung
Der Jubilar Heinrich Pompeÿ hat sich von mir einen Beitrag aus der Perspektive meines Fachs zu einem Thema gewünscht, das eine Grundlegungsfunktion für die von dem Jubilar ausgearbeitete Theologie der Caritas besitzt, und zwar zum Thema einer sogenannten „strukturanalogen Verhältnisbestimmung zwischen Schöpfungsund Erlösungsordnung“. Diese später näher zu erläuternde Verhältnisbestimmung zwischen der christlich geglaubten Schöpfungs- und der christlich geglaubten Erlösungsordnung besitzt für die von Heinrich Pompeÿ in zahlreichen wegweisenden Publikationen entwickelte Theologie der Caritas einen geradezu programmatischen Charakter. Denn Heinrich Pompeÿs eigener caritastheologischer Ansatz geht von einem grundlegend strukturanalogen, korrelativen und kompatiblen Verhältnis zwischen den beiden genannten Ordnungen als einer notwendigen Bedingung dafür aus, dass nicht nur das christliche Lebenswissen bzw. die christliche Lebensweisheit, sondern auch und vor allem die ihr entsprechende caritative Praxis des christlichen Glaubens eine echte, heilvolle Lebenshilfe für die Menschen sein kann. Heinrich Pompeÿs caritastheologischer Ansatz geht also von einem elementaren Zueinander von Natur und Gnade bzw., in christlicher Terminologie, von Schöpfungsund Erlösungsordnung aus. Damit bewegt er sich durchaus in den Bahnen traditioneller theologischer und lehramtlicher Festlegungen, die nicht nur von einer inhaltlichen Widerspruchsfreiheit, sondern darüber hinaus sogar von einer Komplementarität, d.h. einer wechselseitigen Ergänzung, beider Ordnungen in ihrem Verhältnis zueinander sprechen. Und dennoch möchte Heinrich Pompeÿ diese Analogie zwischen Schöpfung und Erlösung abgegrenzt und unterschieden wissen von der traditionell theologischen und kirchlichen Verhältnisbestimmung zwischen der geschaffenen Wirklichkeit und ihrem göttlichen Schöpfer, die ganz überwiegend, etwa bei Thomas von Aquin, seinsanalog gedeutet wird.1 Ihr zufolge verhält sich das Sein der geschaffenen, endlichen individuellen Wesenheiten bzw. Substanzen zu dem durch sich subsistierenden Sein ihres Schöpfers sowohl attributions- als auch und mehr noch proportionalitätsanalog. Das aber bedeutet, dass das geschöpfliche Sein im Hinblick auf seine Aktualität und seine Eigenschaften sowohl partiell identisch als auch zugleich partiell verschieden ist vom ungeschaffenen Sein Gottes; und zwar insofern als die Aktualität des geschaffenen Seins bedingt ist und seine Eigenschaften nur eingeschränkt gut sind, während die Seinsaktualität Gottes unbedingt und damit uneingeschränkt ist und seine Eigenschaften vollkommen sind. Doch, wie gesagt, von dieser primär proportionalitätsanalogen Verhältnisbestimmung zwischen endlichem und unendlichem Sein möchte Heinrich Pompeÿ seine Verhältnisbestimmung zwischen Schöpfungs- und Erlösungsordnung, zwischen Natur und Offenbarung, unterschieden wissen, insofern es sich bei beiden Größen um geschichtliche Ereignisse handele; für das Verhältnis zwischen geschichtlichen Ereignissen zueinander aber müsse eine andere Analogik gelten als die der seinsontologischen Analogie, weil geschichtliche Ereignisse nicht substantiell bestimmt seien, sondern geschehen bzw. sich ereignen.2 Eine analogische Verhältnisbestimmung zwischen Geschehnissen bzw. Ereignissen zueinander aber hat Heinrich Pompeÿ bei seinem philosophischen Lehrer und ehemaligen Würzburger Kollegen Heinrich Rombach gefunden, und zwar in dessen Theorem einer strukturanalogen Verhältnisbestimmung.
Was ist damit gemeint? Einer Antwort auf diese Frage möchte ich mich in drei Schritten nähern, indem ich zuerst auf dieses Theorem einer funktions- bzw. strukturontologischen Analogie in der funktionalistischen Ontologie Heinrich Rombachs eingehe und dann in einem zweiten Schritt dessen Anwendung auf das allgemeine Verhältnis zwischen Schöpfungs- und Erlösungsordnung und in einem dritten Schritt dessen Anwendung auf das Verhältnis zwischen der gleichsam natürlichen und der christlichen Hilfebeziehung caritativer Praxis im Denken Heinrich Pompeÿs aufzuzeigen versuche. Dabei soll zugleich nach der Reichweite und den Grenzen des Erklärungswerts einer solchen strukturanalogen Verhältnisbestimmung zwischen Schöpfungs- und Erlösungsordnung gefragt werden. Deshalb sollen in diesem Zusammenhang auch die von Heinrich Pompeÿ für das Verhältnis zwischen Schöpfungs- und Erlösungsordnung gebrauchten Bestimmungen der Korrelation und der Kompatibilität in unsere Überlegungen einbezogen werden. Abschließend sollen die Grundzüge einer beziehungstheologischen Hermeneutik menschlichen Lebens, Leidens und Helfens sowie strukturanalog auch des Heilshandelns Gottes, die Heinrich Pompeÿ entwickelt hat, in der gebotenen Kürze vorgestellt und kommentiert werden.
2. Zum Theorem einer funktions- bzw. strukturontologischen Analogie in der funktionalistischen Ontologie Heinrich Rombachs
Heinrich Rombach hat in mehreren Schriften die Grundzüge einer Ontologie der Funktion und der Struktur in Abhebung von der klassisch-antiken und hochmittelalterlichen Substanz-Ontologie philosophiegeschichtlich identifiziert und systematisch profiliert bzw. konturiert, auf die hier leider nicht mit der eigentlich erforderlichen Genauigkeit und Ausführlichkeit, sondern nur im Hinblick auf unsere spezifische Fragestellung nach der Bedeutung einer strukturontologischen Analogie zwischen zwei Ereignissen bzw. Geschehnissen eingegangen werden kann.3 Soviel aber sei hierzu zumindest andeutend gesagt: Rombach sah die Entstehung einer funktionalen Ontologie philosophiegeschichtlich im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit und hier vor allem bei dem spätmittelalterlichen Nominalismus insbesondere eines Nikolaus von Autrecourt sowie bei den frühneuzeitlichen Geistesgrößen Cusanus, Descartes, teilweise auch Spinoza, Pascal und Leibniz. Dabei verbindet Rombach mit der Idee der Funktion grundsätzlich die der Idee der Substanz entgegengesetzten Bestimmungen der Unselbständigkeit, der Angelegtheit auf anderes und des Seins im anderen:
„Gemäß der Funktion ist etwas das, was es zu bewirken imstande ist. Es bewirkt, zu was es aus anderem erwirkt wird. Funktion ist immer Durchlaß, nie Selbstand. Sie ist nicht ‚abtrennbar‘. Sie ergibt sich aus anderem, aus dem Ganzen des anderen. Weder ist zunächst die Funktion da, und dann bewirkt sie anderes, noch ist zunächst das andere da, und dann erwirkt es die Funktion. Schließlich ist auch nicht zunächst das Ganze da, und dann ergibt sich einzelnes in seinem Funktionieren. Das Ganze ‚ist‘ nur in der Artikulation des Einzelnen, das Einzelne hat seine Wirklichkeit im artikulierten Ganzen. Beides ist in seiner Realität nicht zu trennen, auch nicht in seinem Begriffe; es sei denn, die Unterscheidung wird nachträglich negiert“4.
In mechanistischer Engführung des Funktions-Begriffs könnte man daher die Funktion als die Eigenschaft von Teilen im Hinblick auf ein Ganzes definieren.5 Unter Voraussetzung dieses Funktionsbegriffs bestimmt Rombach eine „Struktur“ als ein System bzw. als eine Ordnung von Funktionen,6 die den Charakter einer Ganzheit besitzt. Diese Ganzheit „gliedert einzelnes in sich aus, bleibt aber beherrschend über allem als das eigentliche Seiende bestehen.“7 Die Ganzheitsverfassung einer Struktur ergibt sich daher nicht aus der Summe ihrer Teile, sondern sie ist gleichsam das Organisationsprinzip ihrer Teile, das diese in eine wechselseitige funktionale Abhängigkeit voneinander versetzt. Insofern ist sie gleichsam „vor“ ihren Teilen als jene Macht, welche ihre einzelnen Momente gleichsam entelechial zueinander in Beziehung setzt. Man kann daher die Struktur als „die funktionelle Wechselbezogenheit einzelner Elemente unter dem Einfluß eines übergeordneten Prinzips“8 definieren, „wobei dieses Prinzip die essentielle und existenzielle Priorität gegenüber den Elementen besitzt. Das Prinzip (oder die Ganzheit) bleibt bestehen, auch wenn die Elemente in Veränderungen hineingezogen werden. Ihre Beziehungen können sich unbeschränkt wandeln, die Ganzheit bleibt darin doch bestehen. Die Teile sind sich wechselseitig Bedingung, aber sie sind nicht Bedingung des Ganzen.“9 – Auf diese Ausführungen soll die gleichwohl inhaltsreichere Definition des Strukturbegriffs bei Heinrich Rombach in diesem Zusammenhang beschränkt bleiben.
Einen solchen Struktur-Begriff hat nun der Sache nach bereits Wilhelm Dilthey auf den Ordnungs-Zusammenhang psychischer Phänomene und sogar auf den geschichtlichen Lebenslauf eines Menschen als ganzen bezogen, wie Heinrich Rombach zeigt:
„Der ganze Lebenslauf ist ein Strukturzusammenhang zeitlich beliebig weit abstehender Erlebnisse, von innen gegliedert und zur Einheit verbunden.“10
Damit hat Dilthey den Struktur-Begriff auch auf den Ereignis- bzw. Geschehenszusammenhang geschichtlicher Wirklichkeit angewendet. An genau diese funktionsontologische Verwendung des Struktur-Begriffs knüpft nun Heinrich Pompeÿ an, um aus ihr sein Verständnis einer strukturontologischen oder einfacher strukturellen Analogie ableiten zu können.
3. Zu Heinrich Pompeÿs Verständnis einer strukturontologischen Analogie zwischen der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des/der christlichen Helfers/Helferin zu seinen/ihren Klienten
Heinrich Pompeÿ übernimmt den erläuterten Struktur-Begriff der funktionalistischen Ontologie Heinrich Rombachs, wonach „Struktur“ die elementare Wesensform geschichtlicher Ereignisse darstellt, die eine Ganzheit und zugleich das Organisationsprinzip von Einzelmomenten darstellt, das diese in eine wechselseitige funktionale Abhängigkeit voneinander bringt und auf ein übergeordnetes Ziel hin gleichsam entelechial ausrichtet:
„Die Funktionslogik einer Struktur ist einer anderen Struktur-logik ähnlich, sie entsprechen sich. In der Art und Weise ihres Geschehens gibt es eine funktionsontologische bzw. struktur-analogische Ähnlichkeit, so dass eine Analogie zwischen den beiden Geschehensstrukturen besteht. Dabei ereignet sich das Funktionieren nicht mechanistisch wie in einem maschinellen System – ohne Freiheit –, sondern organismisch, d.h. spontan, geschichtlich, dynamisch.“11
Demnach besagt ein strukturanaloges Verhältnis zwischen zwei Geschehnissen oder Ereignissen nichts anderes als eine funktionsontologische Ähnlichkeit zwischen ihren Geschehensstrukturen. Dabei ist zu beachten, dass sich das Funktionieren „nicht mechanistisch wie in einem maschinellen System – ohne Freiheit –, sondern organismisch, d.h. spontan, geschichtlich, dynamisch“12 vollzieht.
Dieses abstrakte Modell einer Strukturanalogie überträgt nun Heinrich Pompeÿ auf das Verhältnis zwischen der Hilfebeziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des christlichen Helfers zu seinem Klientel:
„Die erlösende Inkarnation Jesu (mit Ausnahme der Sünde) und die Empathie des Therapeuten und Helfers (mit Ausnahme der Identifizierung) besitzen eine StrukturAnalogik, aber keine substanzontologische Entsprechung. Jesus inkarnierte in die menschliche Leidens- und Lebens-Existenz, um die Menschen zu erlösen und zu befreien. Analog [scil. im Sinne von strukturanalog, M.E.] versucht der Therapeut oder Sozialarbeiter seinen Klienten von innen her zu verstehen, d.h. empathisch zu sein. Er kann dem Leidenden nicht helfen, wenn er sich voll mit ihm identifiziert, z.B. mit einem Depressiven depressiv wird und Nähe und Distanz nicht wahrt. Struktur-analog hätte Jesus die Menschen nicht erlösen und befreien können, wenn er in der Wurzel von Leid und Krankheit, d.h. in der Sünde, mit den Menschen identisch geworden wäre. So wurde er Mensch und Erlöser mit Ausnahme der Sünde. Radikale Solidarität ja, aber volle Identifikation nein – so lautet theologisch wie psychologisch ana-log die Antwort. Wendet sich ein haupt- oder ehrenamtlicher Mitarbeiter der Seelsorge, der Caritas oder Diakonie als praktisch und reflektiert glaubender Christ einem leidenden und suchenden Menschen zu, wird er diese fundamentale Struktur-Analogik einer helfenden Beziehung entdecken können.“13
Die rein menschliche Hilfe-Beziehung zum Hilfsbedürftigen soll im Falle christlich motivierter Helferinnen und Helfer demnach strukturanalog sein zur gottmenschlichen Hilfe-Beziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen. Diese strukturelle Analogie erscheint mir insofern plausibel und überzeugend, als dass die christlich motivierten Helferinnen und Helfer ihre Hilfe-Arbeit der Hilfebeziehung Jesu qualitativ ähnlich gestalten sollen, indem sie die hilfsbedürftigen Menschen von ihren Leiden zu befreien, dadurch zufriedener und glücklicher und vor allem gottempfänglicher zu machen versuchen (sollen).
Aber ist auch die Verneinung der substanzontologischen Entsprechung zwischen den beiden Seiten beider Hilfebeziehungen überzeugend? Der menschliche Therapeut soll sich nicht voll und ganz und deshalb auch nicht substanziell mit seinem Klienten identifizieren – das ist zweifellos richtig und vernünftig. Allerdings müsste man hier wohl präzisieren, dass eine Identifizierung im Hinblick auf die individuelle Substanz beider, des Helfers und seines Klienten, nicht nur nicht wünschenswert, sondern seinsmäßig auch gar nicht möglich ist. Gleichwohl gibt es und bleibt notwendigerweise auch eine substanzontologische Entsprechung, ja Identität, zwischen beiden, dem menschlichen Helfer und seinem ebenfalls menschlichen Klienten, bestehen, und zwar im Hinblick auf ihre allgemein menschliche Substantialität, d.h. ihre gemeinsame Teilhabe an der allgemein menschlichen Natur. Die Hilfebeziehung ist hier also nur zwischen zwei Seiten möglich, zwischen denen auch ein Verhältnis seinsmäßiger bzw. substanzieller Analogie besteht. Diesem eigentlich selbstverständlichen Sachverhalt würde Heinrich Pompeÿ sicher nicht widersprechen.
Wie steht es nun mit dem substanzontologischen Entsprechungsverhältnis in der gottmenschlichen Hilfebeziehung zwischen Jesus Christus und seinen „Klienten“? Auch hier ist es eindeutig, dass zwischen Jesus und seinen „Klienten“ gemäß christlichem Glauben auch ein substanzontologisches Entsprechungsverhältnis, wenn auch keine Identität, besteht, sofern nämlich die gott-menschliche Natur Jesu Christi zu der rein menschlichen Natur seiner Klienten in einem ontologischen Verhältnis seinsmäßiger Analogie steht. Davon bleibt natürlich die strukturontologische Analogie zwischen beiden genannten Hilfe-Beziehungen unberührt. Man darf diese nur nicht gegen das seinsanaloge Verhältnis zwischen den Beziehungsgliedern als solchen ausspielen. Diese beiden Analogien – die Struktur-Analogie der HilfeBeziehung und die Seinsanalogie der Helfer-Klienten-Beziehung – liegen ontologisch gesehen auf zwei verschiedenen Ebenen, wobei allerdings die Strukturanalogie der Hilfe-Beziehung die Seinsanalogie der Helfer-Klienten-Beziehung als eine ontologisch notwendige Bedingung ihrer Möglichkeit voraussetzt, nicht aber umgekehrt. Diesem ebenso sehr selbstverständlichen Sachverhalt dürfte Heinrich Pompeÿ sicher ebenfalls zustimmen.
Für Heinrich Pompeÿs strukturanaloges Verständnis der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des/der christlichen Helfers/Helferin zu seinen/ihren Klienten erscheinen mir noch zwei ergänzende Vorschläge sachlich geboten, die ich im Folgenden kurz erläutern will.
3.1 Erster Ergänzungsvorschlag zu Heinrich Pompeÿs Verständnis des strukturanalogen Verhältnisses zwischen der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des/der christlichen Helfers/Helferin zu seinen/ihren Klienten: Die Unterscheidung zwischen einem Haupt- und einem Nebenanalogat in der strukturontologischen Analogie zwischen beiden Hilfebeziehungen
Über die mir bekannten Überlegungen Heinrich Pompeÿs zum strukturanalogen Verhältnis zwischen den beiden genannten Hilfe-Beziehungen hinaus könnte und sollte man auch noch ein sog. Hauptanalogat von einem Nebenanalogat der strukturontologischen Analogie zwischen beiden Hilfe-Beziehungen voneinander unterscheiden. Denn wie das analoge Prädikat in einem der beiden Glieder einer Analogie, nämlich im sogenannten Hauptanalogat, vollumfänglich verwirklicht ist, während es im Nebenanalogat nur eingeschränkt und teilweise verwirklicht ist, so stellt im vorliegenden Fall eines strukturanalogen Verhältnisses zwischen den beiden Hilfe-Beziehungen die Hilfebeziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen gleichsam das Hauptanalogat dar, in dem der ideale Sinngehalt einer helfenden und heilenden Beziehung vollkommen verwirklicht ist, während jede zwischenmenschliche Hilfebeziehung diesen Sinngehalt stets nur approximativ und nie ganz zu verwirklichen vermag und damit gleichsam nur das Nebenanalogat einer helfenden Beziehung sein kann. Dieses, das Nebenanalogat, aber verwirklicht den Sinngehalt des analogen Prädikats, d.h. in unserem Fall der helfenden, heilenden Beziehung, durch Teilhabe an dem Hauptanalogat, d.h. hier der Hilfebeziehung Jesu Christi. Diese Unterscheidung zwischen einem Haupt- und einem Nebenanalogat in einem analogen Verhältnis ist daher auch auf ein strukturanaloges Verhältnis wie dasjenige zwischen den beiden genannten Hilfebeziehungen anwendbar.
3.2 Zweiter Ergänzungsvorschlag zu Heinrich Pompeÿs Verständnis eines strukturanalogen Verhältnisses zwischen der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung des/der christlichen Helfers/Helferin zu seinen/ihren Klienten: Die Beachtung der größeren Unähnlichkeit (im Vergleich zur Ähnlichkeit) zwischen beiden Hilfebeziehungen14
Gemäß der von dem IV. Laterankonzil (1215) formulierten Analogieregel ist die Unähnlichkeit bei affirmativen analogen Aussagen über Gott und sein Handeln größer als die Ähnlichkeit zwischen den beiden Gliedern dieses analogen AussageVerhältnisses, d.h. zwischen der geschöpflichen Wirklichkeit, die analog von Gott ausgesagt wird, und Gott selbst. Diese Regel findet ihre angemessene Begründung in der Transzendenz und Erhabenheit des vollkommenen, unübertrefflichen Gottes gegenüber seiner Schöpfung. Sie ist aber auch auf das strukturanaloge Verhältnis zwischen der Hilfebeziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung christlich motivierter menschlicher Helferinnen und Helfer zu ihren Klienten deshalb anwendbar, weil nach christlichem Glauben in der Hilfebeziehung Jesu Christi zu den Hilfsbedürftigen Gottes eigenes, Heil und Erlösung stiftendes Handeln am Werk ist. Deshalb ist es nicht nur legitim, sondern auch geboten, die Regel der größeren Unähnlichkeit gegenüber der Ähnlichkeit im Vergleich beider Hilfebeziehungen miteinander zur Geltung kommen zu lassen. Mit anderen Worten: Gottes Heilshandeln in Jesus Christus an den Menschen ist der Hilfebeziehung der christlichen Helferinnen und Helfer zu ihren Klienten unähnlicher als sie ihnen ähnlich ist. Denn die Hilfe Jesu kann den Hilfsbedürftigen zu ihrem umfassenden und endgültigen Heil gereichen, wenn sie sich ihm öffnen, während dies bei zwischenmenschlichen Hilfebeziehungen nicht und niemals der Fall sein kann. Auch christlich motivierte Hilfebeziehungen können daher die Hilfebeziehung Jesu zu den Menschen nicht ersetzen; sie sollen diese vielmehr im Idealfall gleichsam zum Vorschein und zum Ausdruck bringen, indem sie die Hilfsbedürftigen durch ihre Zuwendung zumindest indirekt auf diese völlig einzigartige und für das Heil jedes Menschen unersetzliche Hilfebeziehung verweisen und aufmerksam machen. Denn umfassendes und zureichendes Heil schenken kann kein Mensch, sondern nur der Mensch gewordene Gott den hilfsbedürftigen Menschen. Menschliche Helferinnen und Helfer aber können und sollen aus christlicher Sicht auch zum Mittler/in dieser einzigartigen Hilfebeziehung werden.
3.3. Zu Heinrich Pompeÿs Verständnis eines korrelativen und kompatiblen Verhältnisses zwischen der Hilfebeziehung Jesu zu den Hilfsbedürftigen und der Hilfebeziehung der christlichen Helferinnen und Helfer zu ihren/seinen Klienten
Die beiden miteinander verglichenen Hilfe-Beziehungen werden von Heinrich Pompeÿ auch als korrelative und als miteinander kompatible Beziehungen bestimmt. Was versteht Heinrich Pompeÿ jeweils unter diesen Bezeichnungen?
Im Unterschied zum logisch-philosophischen Gebrauch des Korrelationsbegriffs zur Bezeichnung eines wechselseitigen Bedingungsverhältnisses schließt sich Heinrich Pompeÿ der Verwendung dieses Begriffs in den empirischen Humanwissenschaften an, nach denen eine Korrelation das gleichzeitige empirische Auftreten zweier voneinander verschiedener Merkmale oder Strukturen bezeichnet, zwischen denen ein kausaler Zusammenhang nicht nachweisbar ist.15
Ist nun das empirisch-humanwissenschaftliche Verständnis von Korrelation anwendbar auf die beiden genannten Hilfe-Beziehungen, sodass sich diese in einem nicht als kausal nachweisbaren Sinn korrelativ zueinander verhalten würden? Das wäre nur dann der Fall, wenn ihr strukturanaloges Verhältnis zueinander im philosophischen Sinn dieses Wortes kontingent, d.h. nicht notwendig wäre. Das kann es aber nicht sein, weil der christlich motivierte Helfer bzw. die Helferin durch die Hilfebeziehung Jesu Christi dazu bewegt und befähigt wird, selbst Helferin bzw. Helfer im Geiste Christi zu werden, weil also die Hilfebeziehung Jesu Christi kausal für die christliche Qualität der Hilfe-Beziehung des christlich motivierten Helfers bzw. der christlich motivierten Helferin ist. In diesem humanwissenschaftlichempirischen Sinne des Wortes „Korrelation“ können daher die beiden Hilfebeziehungen vernünftigerweise nicht als korrelativ zueinander verstanden werden.
Anders verhält es sich jedoch mit dem Merkmal der Kompatibilität beider HilfeBeziehungen zueinander. Miteinander kompatibel, d.h. auch nach der Sprachregelung Heinrich Pompeÿs, widerspruchsfrei und gegensatzlos miteinander vereinbar, sind beide Hilfebeziehungen uneingeschränkt, sodass die eine – diejenige Jesu Christi – durchaus begründend im Sinne von ermöglichend und nicht nur motivierend werden kann für die andere, rein zwischenmenschliche Hilfebeziehung. Damit ist das formale Kriterium der Widerspruchsfreiheit zwischen beiden Hilfebeziehungen festgehalten, das eine notwendige formale Bedingung für ihr strukturanaloges Verhältnis zueinander darstellt.
4. Zu Heinrich Pompeÿs Verständnis einer strukturontologischen Analogie zwischen der menschlichen Schöpfungsordnung und der Erlösungsordnung
An diesem Punkt unserer Überlegungen über die beiden Hilfebeziehungen müssen wir allerdings noch einmal auf das zurückkommen, wofür diese beiden Beziehungsarten nach Auskunft Heinrich Pompeÿs exemplarisch stehen: Die Hilfebeziehung Jesu Christi soll für die Erlösungsordnung, die rein zwischenmenschliche Hilfebeziehung soll für die Schöpfungsordnung stehen. Handelt es sich nämlich bei der Hilfebeziehung Jesu Christi um eine zumindest auch übernatürliche Relation, sofern an ihr die göttliche Natur des Gottessohnes beteiligt ist, so handelt es sich bei der zwischenmenschlichen Hilfebeziehung um ein gleichsam natürliches Verhältnis zwischen zwei oder mehr menschlichen Personen. Die beiden Hilfebeziehungen werden von Heinrich Pompeÿ ontologisch als zwei Ereignisse bzw. Geschehnisse verstanden. Denn nur dann ist das Verhältnis einer strukturontologischen Analogie zwischen geschichtlichen Ereignissen auf sie anwendbar.
Hier aber ergeben sich m.E. die folgenden Anfragen an das Konzept Heinrich Pompeÿs:
Wie kann es möglich sein, dass eine Hilfebeziehung zur Schöpfungsordnung, eine andere Hilfebeziehung aber zur Erlösungsordnung gehören soll? Nun könnte man auf diese Frage antworten, dass jene Hilfebeziehung, die durch Jesus Christus konstituiert wird, den völlig einmaligen Ausnahmefall einer gottmenschlichen, d.h. einer zumindest auch übernatürlichen, Hilfebeziehung darstellt und deshalb zur Erlösungsordnung und nicht zur natürlichen Schöpfungsordnung gehört. Aber beide Hilfebeziehungen sollen und müssen doch geschichtliche Ereignisse bzw. Geschehnisse gemäß ihrem strukturanalogen Verhältnis zueinander sein. Dann aber hätten wir das geschichtliche Ereignis der Hilfebeziehung Jesu, das der Erlösungsordnung angehört, und das ebenfalls geschichtliche Ereignis einer rein zwischenmenschlichen Hilfebeziehung, das der Schöpfungsordnung bzw. der Natur angehören soll. Diese Zugehörigkeit der zwischenmenschlichen Hilfebeziehung zur Schöpfungsordnung verträgt sich allerdings prima facie nicht mit seinem geschichtlichen Charakter, weil geschichtliche Ereignisse zumindest im Hinblick auf ihre freie Verursachung nicht zur unverfügbar vorgegebenen Natur qua Schöpfungsordnung gehören; es sei denn, dass auch die Freiheit des Menschen und seine geschichtlichen Handlungen als zu dieser Schöpfungsordnung gehörig betrachtet werden.
Genau dieses weite, umfassende Verständnis von Schöpfungsordnung scheint daher auch der Ansatz Heinrich Pompeÿs zu vertreten. Dadurch wird es ihm allererst möglich, eine Strukturanalogie zwischen Natur bzw. Schöpfung und Erlösung anzunehmen, z. B. im Verständnis erfüllter menschlicher Gemeinschaft und göttlicher Trinität, sowie allgemein von Bio-, Sozio- und Psycho-Logik einerseits und von Theo-, Christo- und Soterio-Logik andererseits. Dabei besteht allerdings die grundsätzliche Schwierigkeit, sowohl die biologischen, psychologischen und soziologischen Daten des Menschen als auch die theologischen, christologischen und soteriologischen Daten des christlichen Glaubens allesamt als geschichtliche Ereignisse auffassen zu müssen, um zwischen ihnen eine strukturontologische Analogie behaupten zu können. Dies aber dürfte sowohl in Bezug auf die biologischen (Grund-) Daten des menschlichen Lebens als auch in Bezug auf die göttliche Natur des Gottmenschen sowie seines göttlichen Vaters und seines göttlichen Geistes, d.h. in Bezug auf die göttliche Trinität im Ganzen, nicht möglich sein. Daran aber können wir die Grenzen der Anwendbarkeit des strukturontologischen Analogiemodells feststellen, welches zwar für eine analoge Verhältnisbestimmung zwischen geschichtlichen Ereignissen passend und geeignet, für eine analoge Verhältnisbestimmung zwischen ungeschichtlichen Größen aber unangemessen und ungeeignet ist. Deshalb umfasst seine Reichweite auch nicht das ganze Feld der Natur bzw. der Schöpfungsordnung und auch nicht den übernatürlichen und übergeschichtlichen Bereich der Erlösungsordnung, sondern beide Ordnungen nur insofern und insoweit sie in den Bereich der menschlichen Geschichte hineinragen.
Wir können zweitens auch erkennen, dass eine strukturanaloge Verhältnisbestimmung zwischen Natur und Gnade, zwischen Schöpfungs- und Erlösungsordnung grundsätzlich ergänzungsbedürftig ist durch eine seinsanaloge Verhältnisbestimmung zwischen diesen beiden Wirklichkeitsbereichen, die ihrerseits sogar grundlegend ist für die Möglichkeit einer strukturanalogen Verhältnisbestimmung zwischen ihnen. Gleichwohl ist die Strukturontologie für den Vergleich zwischen den beiden genannten Hilfebeziehungen als Formen geschichtlicher Ereignisse grundsätzlich anwendbar und geeignet, sollte aber nicht übersehen, dass es sich dabei um strukturelle Beziehungen zwischen Akteuren handelt, zwischen denen auch eine seinsmäßige Analogie besteht, die ihrerseits eine ontologische Begründungsfunktion für die Möglichkeit struktureller Analogien zwischen Personbeziehungen mit- und zueinander besitzt.
Es bleibt also das uralte christliche soteriologische Axiom in beiden Fällen, d.h. sowohl für den ungeschichtlichen Anteil an der geschaffenen Natur als auch für die geschichtliche Wirklichkeit des Menschen, wahr, dass die göttliche Gnade die geschaffene Natur voraussetzt und diese vollendet. Die Welt menschlicher Geschichte einschließlich ihrer vielfältigen zwischenmenschlichen Hilfebeziehungen ist daher bzw. richtiger: sollte daher auch und nicht zuletzt ein strukturontologisches Analogat zum geschichtlichen Ereignis der göttlichen Offenbarung in Jesus Christus darstellen. In diesem wesentlichen und entscheidenden Punkt seiner philosophischen Grundlegung verdient der caritastheologische Ansatz Heinrich Pompeÿs meines Erachtens ungeteilte Zustimmung. Was die Welt menschlicher Geschichte aber nicht sein kann, ist ein strukturontologisches Analogon zur Welt Gottes – weil nämlich „die Welt“ Gottes nicht von geschichtlicher Natur ist.
5. Zu Heinrich Pompeÿs strukturanaloger Verhältnisbestimmung zwischen der natürlichen und der christlichen Hilfebeziehung caritativer Praxis
Die von Heinrich Pompeÿ vertretene Auffassung des christlichen Glaubens als ein kommunikatives Beziehungsgeschehen zwischen Mensch und Gott sowie zwischen den Menschen untereinander ermöglicht es ihm, diese christlich qualifizierte Beziehungswirklichkeit in struktureller Analogie zu den gleichsam natürlichen kommunikativen Beziehungen zwischen Menschen zu betrachten und zu bestimmen. Für letztere aber ist nach dem breit rezipierten kommunikationswissenschaftlichen Modell von Watzlawick16 sowohl ein Inhalts- als auch ein Beziehungsaspekt konstitutiv. Im Ausgang von dieser Grundverfassung menschlicher Kommunikation hat nun die vergleichende Psychotherapieforschung einige psychologische Grundbedingungen für den Erfolg helfender und therapeutischer Beziehungen formuliert, die sich strukturanalog zu den entsprechenden Verhaltenseinstellungen einer christlichen Lebenspraxis und Hilfebeziehung verhalten.17 Bei diesen sog. „common factors“ handelt es sich im Einzelnen erstens um die Bedingungsfreiheit der offenen, positiv wertschätzenden und akzeptierenden Zuwendung des Psychotherapeuten zu seinem Patienten. Zweitens handelt es sich um eine empathische, einfühlsame und verstehende Einstellung der Personbezogenheit des Therapeuten gegenüber seinem Patienten, die es diesem ermöglicht, sich ihm zu öffnen und ihm seine Probleme mitzuteilen. Die dritte Basisbedingung einer gelingenden therapeutischen Hilfebeziehung ist die der Realitätsbezogenheit bzw. Authentizität der Persönlichkeit und des Verhaltens des Helfers gegenüber seinem Patienten, die es ihm ermöglicht, zur eigenen Selbstehrlichkeit, Selbstbejahung und Annahme unabänderlicher Lebensgegebenheiten zu finden.18
Diese drei psychologischen Basisbedingungen einer gelingenden, vertrauensvollen und helfenden Kommunikation erweisen sich nun aber als strukturanalog zu den biblisch überlieferten Bedingungen einer gelingenden und helfenden interpersonalen Kommunikation, wie Heinrich Pompeÿ überzeugend ausführt.19 Denn der Bedingungslosigkeit einer positiv wertschätzenden Zuwendung des Psychotherapeuten zu seinem Patienten sowie seiner empathischen Personbezogenheit entspreche in der neutestamentlichen Paränese die Aufforderung zu einem liebevollen, barmherzigen Verhalten insbesondere zum leidenden Nächsten in der Nachahmung der Liebe, Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes in Jesus Christus zu allen Menschen, besonders aber zu den Armen und Leidenden.20
Die Realitätsbezogenheit bzw. Authentizität des Psychotherapeuten finde in der Selbstübereinstimmung Jesu Christi, seiner Wahrheit und Wahrhaftigkeit ihr gleichsam protypisches Vorbild. Denn es gehe strukturanalog in einer helfenden Beziehung darum, die „Wahrheit in Liebe zu tun“ (Eph 4,15). Dabei seien Liebe und Barmherzigkeit gleichsam die „Sehbedingungen“ der Wahrheit, wie die empirische Kognitionspsychologie zeige, die einen kausalen Zusammenhang zwischen der seelisch-emotionalen Befindlichkeit einer Person und ihrer Einsichtsfähigkeit in objektive Sachverhalte, d.h. der Wahrheitsfähigkeit ihres Erkennens, empirisch belege. Daher seien Wahrheit und Barmherzigkeit einander ergänzende Faktoren einer zielführenden, effektiven Diakonie.21
Auf diesem Hintergrund deutet Heinrich Pompeÿ die im paulinischen „Hohen Lied der Liebe“ in 1 Kor 12,31b – 13,13 formulierten Eigenschaften der vollkommenen Liebe als Hoch- oder Höchstanforderungen an eine christliche Hilfebeziehung, die eine strukturelle Analogie zu den sozial-psychologischen Erkenntnissen der Basisbedingungen einer gelingenden und hilfreichen Kommunikation besäßen, in der Praxis aber nur äußerst selten erreichbar seien. Dem können wir aus eigener Erfahrung nur zustimmen.22
6. Heinrich Pompeÿs beziehungstheologische Hermeneutik menschlichen Lebens, Leidens und Helfens sowie strukturanalog auch des Heilshandelns Gottes
Im Ausgang von seiner Grundauffassung des christlichen Glaubens als einer Beziehungswirklichkeit, die in der inneren, trinitarischen Selbstbeziehungshaftigkeit Gottes gründet, hat Heinrich Pompeÿ eine beziehungstheologische Hermeneutik von Leben und Leiden, d.h. eine theologische Deutung psychischer, sozialer und somatischer Gegebenheiten, entworfen, deren Grundzüge im Folgenden in der gebotenen Kürze genannt seien. Dabei geht Heinrich Pompeÿ von der Beobachtung aus, dass bereits das biologische Leben stets eine Beziehungswirklichkeit und als solche eine „Interaktion verschiedener Elemente“23 sei, „die selbst wieder aus Interaktionen verschiedener Elemente bestehen“24. Darüber hinaus besitze auch das psychosoziale Leben von Menschen miteinander einen interaktionalen, kommunikativen Charakter. Daher gelte: „Das grundlegende Faktum des Lebens ist also seine Beziehungs-,wirk‘-lichkeit.“25 Hier könnte man leicht das berühmte Credo des dialogischen Denkens Martin Bubers assoziieren, dass alles wirkliche Leben Begegnung sei, wobei Begegnung im Sinne Bubers aber bereits die Erfüllungsstufe interpersonaler Beziehung darstellt.26 Das Faktum der Beziehung aber ist nach Heinrich Pompeÿ zugleich „durchgehendes Thema christlicher Lebenswissensüberlieferung“27, sei es im Faktum des Bundes als der Gemeinschaft von Gott und Mensch, des Volkes Gottes, der Kirche, der Gemeinde etc. Diese Strukturanalogie zwischen dem Beziehungscharakter des natürlichen Lebens und demjenigen des christlich verstandenen Lebens hat Heinrich Pompeÿ zum Anlass genommen, ein hermeneutisches Paradigma theologischer Deutung der humanwissenschaftlichen Grundlagen menschlichen Lebens, Leidens und Helfens zu entwerfen, das strukturanalog auch als beziehungstheologische Hermeneutik des Heilshandelns Gottes verstanden werden kann. Die grundlegenden Inhalte dieser beziehungstheologischen Hermeneutik fasst Heinrich Pompeÿ in die folgenden Thesen zusammen:
6.1 „Die Beziehungs-‚wirk‘-lichkeit von Gut (Eu-Logik) und Böse (Dia-bolik)“28
Menschen seien stets mit der Erfahrung von Gutem und der entgegengesetzten Erfahrung von Bösem konfrontiert, wobei sich das letztlich göttliche Gute als stärker erweise als das diabolische Böse. Als Christ darf und muss man sogar dieser Prognose als einer eschatologischen Aussage zweifellos zustimmen; für die Lebensgeschichte des einzelnen wie für die Menschheitsgeschichte vor dem Eschaton muss dies aber keineswegs gelten, wie nicht nur der christliche Glaube, sondern auch die nüchterne Wahrnehmung individueller wie gesellschaftlicher und gegenwärtig tendenziell auch der globalen Realität uns lehrt.
6.2 „Die Beziehungs-‚wirk‘-lichkeit des Guten in Gott (Trinität)“29
Liebe wird von uns Menschen natürlicherweise als die beste Beziehungswirklichkeit erfahren, als das Lebenswerte schlechthin. Strukturanalog gesehen muss es daher auch in Gott eine liebende Beziehung geben, muss Gott in sich dreifaltig sein, muss er, wie wir ergänzen können, eine vollkommene Beziehungs-Einheit der wechselseitigen Selbsthingabe dreier Personen sein, die ein gemeinsames, einfaches, göttliches Wesen besitzen.
Damit ist zwar noch kein gültiger Vernunftbeweis der trinitarischen Binnenstruktur Gottes geführt, aber zumindest ein gemäß traditioneller Nomenklatur Konvenienzargument für die Trinität entwickelt, d.h. ein hier genauer strukturanaloges Argument für die rationale Angemessenheit bzw. Plausibilität eines trinitarischen Beziehungsgefüges in Gott.
6.3 „Die kreative Beziehungs-,wirk‘-lichkeit des Guten aus Gott (Schöpfung)“30
Weil, wie Heinrich Pompeÿ formuliert, echte Liebe neue Liebe ermöglichen will, d.h., in metaphysische Sprache übersetzt, weil das wesenhaft Gute sich selbst geben und mitteilen und damit auch anderes Sein hervorbringen will, dem es sich mitteilen kann, „bewirkt die trinitarische Liebe die Erschaffung des Menschen“31, und zwar als ein liebesfähiges und -bedürftiges „Beziehungswesen“32 nach seinem Ebenbild. Der Wahrheit und Schönheit dieser These ist nichts hinzuzufügen.
6.4 „Die Beziehungs-‚wirk‘-lichkeit des Bösen im Menschen (Sündenfall)“33
Hier betont Heinrich Pompeÿ zu Recht, dass die Störung der Beziehung des Menschen zu Gott durch die Sünde sich auswirkt auch auf alle anderen Beziehungen, in denen der Mensch steht, einschließlich seines Selbstverhältnisses.
6.5 Die erste Stufe des befreienden und helfenden Heils-Handelns Gottes (AT)
Die fünfte These Heinrich Pompeÿs hat die erste Stufe des befreienden und helfenden Heils-Handelns Gottes im Alten Testament zum Gegenstand; auf ihr erweise sich Gott als „ein Gott der treuen und liebenden Beziehung.“34, der mit den Menschen Bundesschlüsse eingehe, und zwar trotz ihrer Untreue und ihres Versagens.
6.6 Die zweite Stufe des befreienden und helfenden Heils-Handelns Gottes (NT)
Die zweite, vom Neuen Testament bezeugte Stufe des befreienden und helfenden Heilshandelns Gottes sei durch die beiden Unterstufen der Inkarnation und der Passion gekennzeichnet. Beide Akte der göttlichen Gnade dienen der Befreiung der Menschen von ihrer Beziehungsstörung zu Gott und zueinander und der Wiederherstellung der einheitlichen und geordneten Beziehungswirklichkeit des Menschen, die durch die Sünde zwar erheblich geschädigt, aber nicht restlos zerstört worden sei – wie es der katholischen Sichtweise im Unterschied zur protestantischen entspricht.
6.7 Die dritte Stufe des befreienden und helfenden Heils-Handelns Gottes (Geschichte der Kirche)
Die dritte Stufe des befreienden und helfenden Heils-Handelns Gottes ist nach dem hermeneutischen Paradigma Heinrich Pompeÿs die Geschichte der Kirche. Zu dieser gehöre die Befähigung der Gläubigen durch die Sendung des Heiligen Geistes zur Liebe, d.h. in eine helfende und heilende Beziehung zu treten, wobei der Hilfecharakter dieser Beziehung für das menschliche Gottesverhältnis allerdings eingeklammert werden müsste, es sei denn, dass wir gleichsam Gott dabei helfen sollen, den Hass der Menschen zu heilen. Die Vermittlung dieses göttlichen Geistes der Beziehungsfähigkeit und -willigkeit der Liebe in der und durch die Gemeinschaft der Gläubigen, d.h. die Kirche, stelle das zweite Moment dieser Stufe des HeilsHandelns Gottes dar, während die Anerkennung und Achtung der Freiheit des Menschen dessen drittes Moment darstelle.35 Dabei handelt es sich genau besehen (gesehen) um eine notwendige Bedingung für die Annahme des befreienden und helfenden Heilshandelns Gottes von Seiten des Menschen.
6.8 Die Vollendung des befreienden und helfenden Heils-Handelns Gottes (Reich Gottes)
Dessen Vollendung durch die Heilung der gesamten Beziehungswirklichkeit des Menschen im Reich Gottes steht geschichtlich gesehen noch aus. Das ändert aber nichts daran, dass die Menschen aufgerufen sind, zu dieser Heilung nach Kräften beizutragen.
Diese hier nur andeutbaren Grundzüge einer beziehungstheologischen Hermeneutik hat Heinrich Pompeÿ im Blick auf die humanwissenschaftlichen Bedingtheiten einer gelingenden und helfenden Beziehung entworfen, zu denen sich diese Hermeneutik strukturanalog verhält. Sie beschreibe inhaltlich gleichsam das Credo des Helfens, Pflegens und Beratens caritativ-diakonischer Praxis der Kirche und damit den spezifisch christlichen Beziehungsaspekt dieser Praxis.36 Damit hat Heinrich Pompeÿ zweifelsohne einen wichtigen und höchst verdienstvollen Beitrag zur spezifischen Identität des christlichen Helfers bzw. der christlichen Helferin geleistet, der die Tätigkeit des gleichsam natürlichen Helfers voraussetzt und diese vollendet.
Bibliographie
Buber, Martin, Ich und Du. Nachwort von Bernhard Casper, Stuttgart 1995.
Dilthey, Wilhelm, Der logische Zusammenhang in den Geisteswissenschaften, in: Gesammelte Schriften VII.
Pompeÿ, Heinrich, Beziehungstheologie – das Zueinander theologischer und psychologischer „Wirk“-lichkeiten und die biblisch-theologische Kontextualisierung von Lebens- und Leidenserfahrungen, in: Pompeÿ, Heinrich (Hg.), Caritas – das menschliche Gesicht des Glaubens. Ökumenische und internationale Anstöße einer Diakonietheologie (Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral, Bd. 10), Würzburg 1997, 92-127.
Rombach, Heinrich, Substanz, System, Struktur I. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, Freiburg/München 1965.
Rombach, Heinrich, Substanz, System, Struktur II. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, Freiburg/München 1966.
Rombach, Heinrich, Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, Freiburg/München 1971.
Watzlawick, Paul et al., Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien, Bern 31972.
1 Vgl. Heinrich Pompeÿ, Beziehungstheologie – das Zueinander theologischer und psychologischer „Wirk“-lichkeiten und die biblisch-theologische Kontextualisierung von Lebens- und Leidenserfahrungen, in: Heinrich Pompeÿ (Hg.) Caritas – das menschliche Gesicht des Glaubens. Ökumenische und internationale Anstöße einer Diakonietheologie (Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral, Bd. 10), Würzburg 1997, 93f.
2 Pompeÿ 1997, 93f. „Der hier verwendete Begriff der Ana-logik greift nicht auf die philosophischtheologische Tradition dieser Begrifflichkeit zurück, sondern geht bewußt von der schlichten Wortbedeutung „ana-log“ aus. Sie besagt: entsprechend, gleichartig, übertragbar, sinngemäß anwendbar oder schlicht ähnlich. Zwei unterschiedliche „Wirk“-lichkeiten ereignen sich in analoger Weise, besitzen eine ähnliche Reaktions- und Ziellogik. Hervorzuheben ist dabei, daß sie nicht analog sind, sondern analog geschehen. Es handelt sich also nicht um substanz-ontologische Ana-logiken, sondern um strukturontologische Ana-logiken.“ Pompeÿ 1997, 94, Anm. 3: „Es soll die kontroverstheologische Frage „Analogia fidei“ bzw. „Analogia entis“ hier nicht aufgegriffen werden, weil hier nicht zwischen dem Endlichen und Unendlichen eine Ana-logie aufgezeigt wird, sondern zwischen den geschichtlichen Ereignissen der Schöpfung und dem geschichtlichen Ereignis der Erlösung.“
3 Hierzu vgl. Heinrich Rombach, Substanz, System, Struktur I. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, Freiburg/München 1965; Heinrich Rombach, Substanz, System, Struktur II. Die Ontologie des Funktionalismus und der philosophische Hintergrund der modernen Wissenschaft, Freiburg/München 1966; Heinrich Rombach, Strukturontologie. Eine Phänomenologie der Freiheit, Freiburg/München 1971.
4 Rombach 1965, 14.
5 Vgl. Rombach 1965, 23, Anm. 22.
6 Vgl. Rombach 1965, 21.
7 Rombach 1965, 17.
8 Rombach 1965, 17f.
9 Rombach 1965, 18.
10 Wilhelm Dilthey, Der logische Zusammenhang in den Geisteswissenschaften, in: Gesammelte Schriften VII, S. 324f. (zitiert nach Rombach 1965, 16, Anm. 8.
11 Pompeÿ 1997, 95.
12 Pompeÿ 1997, 95.
13 Pompeÿ 1997, 95.
14 Das sachliche Erfordernis einer stärkeren Berücksichtigung dieses Aspekts verdanke ich einem wertvollen Diskussionsbeitrag von Herrn Kollegen Prof. Dr. Richard Schenk OP, dem ich an dieser Stelle dafür ausdrücklich danke.
15 Vgl. Pompeÿ 1997, 96.
16 Vgl. Paul Watzlawick et al., Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien, Bern 31972; vgl. Pompeÿ 1997, 93. 106.
17 Vgl. Pompeÿ 1997, 106-109.
18 Pompeÿ 1997, 111f.
19 Vgl. Pompeÿ 1997, 112.
20 Vgl. Pompeÿ 1997, 112-119.
21 Pompeÿ 1997, 117f.
22 Vgl. Pompeÿ 1997, 118f.
23 Pompeÿ 1997, 121.
24 Pompeÿ 1997, 121.
25 Pompeÿ 1997, 121.
26 Vgl. Martin Buber, Ich und Du. Nachwort von Bernhard Casper, Stuttgart 1995, 12: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“
27 Pompeÿ 1997, 121.
28 Pompeÿ 1997, 123.
29 Pompeÿ 1997, 124.
30 Pompeÿ 1997, 124.
31 Pompeÿ 1997, 124.
32 Pompeÿ 1997, 124.
33 Pompeÿ 1997, 124.
34 Pompeÿ 1997, 125.
35 Vgl. Pompeÿ 1997, 126.
36 Vgl. Pompeÿ 1997, 127.