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ОглавлениеAuf Augenhöhe
Die Replik von Ulrich Feeser-Lichterfeld auf Thomas Schmitt
Wer kennt das nicht: Eine Idee schwirrt im Kopf, ein Projekt wird skizziert, das Vorhaben bei (vermeintlich) passender Gelegenheit präsentiert. Nicht immer, aber sehr oft hängt es dann von den Reaktionen der Gesprächspartner/innen ab, ob und wie es mit dem ursprünglichen Anliegen und Plan weitergeht.
Dass es so etwas wie eine „Pastoralgeographie“ bräuchte, war ursprünglich und ist im Grunde noch immer „nur“ eine Idee. Die Resonanzen von Seiten des einen oder der anderen Kollegen bzw. Kollegin haben dafür gesorgt, dass der ursprüngliche Gedanke – der in Pastoral und Pastoraltheologie auffällig häufige Gebrauch von Raummetaphern braucht eine kritische und dabei eben auch raumwissenschaftliche Vergewisserung – nicht verworfen, sondern weiterverfolgt wurde. Die Gelegenheit, sich darüber nun (zumindest indirekt und in Form des Hin und Her unserer jeweiligen Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt) mit einem Geographen kollegial austauschen zu können, ist nicht nur ein persönlicher Gewinn, sondern leitet aus meiner Sicht bereits eine neue Phase des pastoralgeographischen Projektes ein.
Dabei macht Thomas Schmitt es einem Pastoraltheologen mit der Idee im Kopf, Pastoral geographisch (neu) zu denken, nicht wirklich leicht, wenn er statt „Pastoral“ die „Religion“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellt und von daher „Grundzüge und Perspektiven geographischer Religionsforschung“ skizziert. Ähnlich wie vielleicht beim Verhältnis von Religions- und Pastoralpsychologie wird man auch hier Schnittmengen und Divergenzen identifizieren können bzw. konstatieren müssen.
Umso bedeutsamer erscheint die von Schmitt gleich zu Beginn seiner Ausführung angemahnte „Klärung des Verständnisses grundlegender Begriffe“. Er tut dies insbesondere im Blick auf „Religion“ sowie „Raum“ bzw. „Räumlichkeit“ – ich selbst habe versucht, mein Sprechen von „Kirche“ und „Welt“ sowie vor allem „Pastoral“ bzw. „pastoral“ nachvollziehbar zu machen und das eigene (vor Dilettantismus und Missverständnissen sicher nicht gefeite) Verständnis von „Geographie“ darzulegen. Wie in jedem interdisziplinären Miteinander wird es die Aufgabe der Beteiligten und aller weiteren am Thema Interessierten sein, die unterschiedlichen Sprachspiele darauf hin zu prüfen, ob sie miteinander hinreichend kompatibel sind.
Der markante Unterschied zwischen einer „Religionsgeographie“ bzw. „geographischer Religionsforschung“ hier und einer „Pastoralgeographie“ dort bleibt: Könnte erstere als Teildisziplin der Geographie verstanden werden, die sich mit dem allgemeinen Phänomenbereich der Religion bzw. der Religiosität in seiner Raumbezogenheit befasst, wäre die „Pastoralgeographie“ eine praktisch-theologische Disziplin, die als solche christlich-kirchliche Praxis und ihre „Raumfragen“ unter Berücksichtigung geographischer Theorien und Methoden daraufhin reflektiert, wie sie evangeliumsgemäße(r), situationsgerechte(r) und zukunftsweisende(r) sein kann.
So oder so: Wesentlich für die angestrebte Kooperation zwischen (Schmitt macht klar, dass hier vor allem zu denken ist an die Human-)Geographie und Theologie scheint mir zu sein, was Schmitt für das gegenwärtige Verhältnis von Humangeographie einerseits und Sozial- und Kulturwissenschaften andererseits beschreibt: dass sie sich „im Ringen um die auch raumbezogen adäquate Analyse sozialer Gegenstände“ – und hier wären nun auch pastorale Fragen in ihrer mal mehr, mal weniger ausgeprägten Raumbezogenheit zu thematisieren – „auf Augenhöhe“ treffen.
Die vielfältigen Beiträge, die eine ganze Reihe von Pastoraltheologinnen und Pastoraltheologen im Zuge des „spatial turn“ vorgelegt haben, schaffen hierfür in meinen Augen eine ausgesprochen günstige Ausgangslage. Exemplarisch sei an dieser Stelle nur die breite Debatte um „Heterotopien“ bzw. „Anders-Orte“ genannt; dass Schmitt in seinem Beitrag an dieser Stelle gerade die für viele Insider der Pastoral und Pastoraltheologie längst überholte Pfarrgemeinde als eine mögliche Heterotopie nennt, zeigt, welches Irritations- und damit Erkenntnispotenzial im interdisziplinären Gespräch steckt.
Ebenso anschlussfähig erscheint mir das, was Schmitt unter der richtungsweisenden Überschrift „Räume als Kontext, Medium und Ziel pastoralen Handelns“ zur Mikro- und Mesoebene pastoraler Praxis und seiner materiell-räumlichen Kontexte schreibt, wenn man beispielsweise an die Debatten und Projekte einer sozialraumorientierten Pastoral denkt.
Sicherlich ließen sich darüber hinaus auch Makrothemen wie Umwelt- und Klimaschutz, Migration und Integration oder der demographische Wandel und seine „relationalen Geographien“ kollegial bearbeiten. Die Pastoral im Schnittfeld von Evangelium und Existenz (und vielleicht ja auch die humangeographische Diskussion selbst) kann davon nur profitieren.