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Lebensform zwischen Stuhl und Bank
ОглавлениеDie Googlesuche zu den Singles gibt die gegenwärtige Sicht auf die Allein-Stehenden wider. Sie sind alle auf der Suche nach einem Partner. Das Bild, das sich unbewusst für die jüngere und mittlere Generation der Allein-Stehenden daraus formt, ist eines von Unfertigkeit. Sie leben provisorisch. Singles können deshalb des Egoismus bezichtigt oder aber mit Mitleid bedacht werden, denn glücklich kann man ja so nicht leben. Ein Themenheft der Neuen Zürcher Zeitung von 1999 kam zum Schluss, dass das Singlesein ein periodisch wiederkehrender Zustand im Nirgendwo zwischen zwei Beziehungen sei. Der Single könne nicht als Kind der Freiheit, sondern als Abkömmling moderner Beziehungsstrukturen beurteilt werden. So ähnlich dürfte sich das Lebensgefühl vieler Allein-Stehender auch tatsächlich äußern: zwischen Stuhl und Bank; noch nicht angekommen; im Übergang. Sie fragen sich: Was stimmt nicht mit mir? Es kann sich eine Art Sisyphus der Beziehungsfrage einstellen: Ich suche ewig und finde nicht! Manche wird das Gefühl des Scheiterns, des Ungenügens oder persönlicher Unzulänglichkeit, ja sogar der Scham begleiten. Vielleicht ist es das Erleben eines Defizits, das sie ständig begleitet; und aus einem Defizit heraus zu leben, lässt einen schwer zur Ruhe kommen.
Andererseits stellen sich viele Dienstleistungsbetriebe auf die Singles ein. Diese haben in der Regel mehr Geld zur Verfügung und geben es leichter aus. Das portionierte Fast Food wird entwickelt und im Bereich des Wohnens wird an die Singlehaushalte gedacht.
Gesellschaftlich gesehen gibt es die Ledigen. Viele Formulare halten diese Variante der Lebensform bereit. In der Statistik wird von den »alleinlebend Partnerlosen« gesprochen. Deren Zahl ist in den letzten Jahren gestiegen. Das Singleleben wird zu den nichtkonventionellen Lebensformen gezählt, weil es neuartig ist und sich historisch nicht durchgesetzt hat. Verschiedene Studien zur Bevölkerungsentwicklung gehen davon aus, dass sich die Zahl der Singles wieder verringern wird, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Unabhängig davon, wie sich die Anzahl der Allein-Stehenden entwickeln wird und wie diese gesellschaftlich gesehen werden, geht es darum, diesen Menschen Aufmerksamkeit zu schenken und zu überlegen, wie sie ihr Leben bejahen, ausrichten und gestalten können.
Es gibt aber kaum Bestrebungen, über das Allein-Stehen als echte Lebensform nachzudenken. Es ist auch gar nicht einfach, die Allein-Stehenden als Gruppe zu definieren. Am ehesten könnte auf sie zutreffen, dass sie ohne (konstante) sexuelle Beziehung, aber nicht beziehungslos leben. Sie sind keine feste Bindung zu einem Menschen, einer Gemeinschaft oder Orden eingegangen.
Der Blick auf die katholische Kirche zeigt, dass sie die Unverheirateten ins Auge fasst. Mit Blick auf das Leben Jesu hat sie die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen institutionalisiert. Das Mönchstum und die Orden sind daraus entstanden. Die Kirche hat mit dem Priestertum einen Lebensstand für allein-stehende Männer geschaffen. Für Frauen gibt es die Möglichkeit der geweihten Jungfrau. Diese kann als Ausdruck ihrer Nachfolge Jesu vom Diözesanbischof eine feierliche Weihe empfangen. Damit stellt sie sich dem Bischof für Dienste in der Kirche zur Verfügung. Der Bischof verspricht ihr im Gegenzug geeignete Einsatzmöglichkeiten in seiner Diözese. Diese Form ist in der jüngeren Vergangenheit in den Hintergrund getreten und genießt keinen guten Ruf. Das Bild von asexuellen alten Jungfern hat sich in den Hinterköpfen eingenistet. Es gibt aber wieder Bestrebungen, diese Lebensform aufzuwerten und positiv zu sehen. In jüngster Zeit kommt eine Gruppe von Frauen, die sich aus unterschiedlichen Motiven zusammenschließen, wieder in den Blick. Sie orientieren sich am mittelalterlichen Beginentum. Sie gehen keinerlei Verpflichtung oder Bindung ein, aber stärken einander, indem sie mit oder in der Nähe von Gleichgesinnten wohnen.
Übung:
Welche Gedanken steigen in mir auf, wenn ich an meine Lebensform denke?
Stehe ich meiner Lebensform im Voraus abwertend gegenüber?
Sehe ich Möglichkeiten, sie zu würdigen?