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Eine religionspädagogisch interessante Situation

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Der Schlüssel zum Verständnis der neuen religiösen Mitte ist meines Erachtens die Situation religiöser Pluralität und der von ihr ausgehende Relativierungsdruck. Die Bedingungen religiöser Pluralität haben das Bewusstsein einer letztlich unüberholbaren Kontingenz religiöser Optionen deutlich vor Augen geführt. Unter diesen schwierigen Umständen tendiert die Mehrheit zu intermediären Religiositätsformaten wie denen des „religionsfreundlichen Kulturchristentums“ oder der „persönlichen Selbstvergewisserungsreligion“. Die intermediären Religiositätsformate insgesamt sind, was den Bestand ihrer Überzeugungen anbelangt, hochgradig unbestimmt und, was den Stil ihrer religiösen Praxis angeht, sehr fluide. (vgl. auch Lüddeckens/Walthert 2010) Ich würde ihnen sogar jene Ausprägungen einer zugegebenermaßen „schwachen“ Religiosität noch zurechnen, deren Vertreterinnen und Vertreter sich mit der vagen Vermutung begnügen: „Da ist etwas“ oder, noch vager, „irgendetwas wird es schon geben“. (vgl. Nassehi 2009, 175) Auch hier zeigt sich ja noch eine gewisse Sensibilität für das, was Theologinnen und Theologen die „religiöse Dimension der Wirklichkeit“ oder das „unsagbare Geheimnis unseres Lebens“ (Karl Rahner) nennen. Diese Sensibilität verbindet sich jedoch offenbar bei immer mehr Menschen mit der Skepsis gegenüber der Möglichkeit, dieses Geheimnis, in welchen Formen auch immer, deutlicher zu artikulieren und zu ihm, wie es die Religionen versuchen, in eine wie auch immer „geregelte Beziehung“ zu treten. (vgl. Englert 2010)

Ein Mann mittleren Alters sagt: Ich „glaube […] noch immer an einen Gott. Nicht dauernd. Manchmal ist das Gefühl für Monate weg, aber dann ist es auf einmal wieder da. Meistens denke ich an ihn, wenn es mir besonders gut geht – oder wenn ich mich sorge. Dann, rede ich ein bisschen mit ihm, vorm Einschlafen meistens, sage: Lass den oder den bitte wieder gesund werden. Ich sage übrigens nie: ‚Wie kannst du zulassen, dass […]‘ Wahrscheinlich bin ich ihm nicht nahe genug, um mich mit ihm zu streiten. Wobei ich auch nicht erwarte, dass sich Gott ins Leben einmischt. Ich glaube, dass er sich raushält. Am ehesten glaube ich noch: Er weiß, was passieren wird“ (Stolz 2009, 16).

Ich denke, so oder ähnlich würden das viele Menschen heute sagen. Sie sind sozusagen offen in viele Richtungen. Sie bilden die in sich vielgestaltige religiöse Mitte. Für die Religionspädagogik schafft dies interessante, aber auch schwierige Bedingungen. Norbert Mette, der die religiöse Gegenwartssituation seit den 1970-er Jahren immer wieder luzide kommentiert hat, meint: Die Vielgestaltigkeit neuer, untereinander nur schwer kommunizierbarer Religiositätsformate, die sich noch dazu von den traditionellen Religionen teilweise ausdrücklich absetzen, stellt für „eine an einer traditionellen Religion orientierte Religionspädagogik […] eine enorme Herausforderung dar“ (Mette 2009, 10). Man werde sorgfältig zu bedenken haben: Bringt die neue Situation „eher Chancen mit sich oder hindert sie eher daran, die überkommenen und zentralen christlichen Glaubensinhalte in die religiöse Erziehung und Bildung einzubringen und geltend zu machen?“ (Mette 2009, 10). Aus Mettes Sicht entscheidet sich, wie es hier weitergeht, vor allem am Umgang mit der Gottesfrage!

Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft

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