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Einführung
ОглавлениеDenn sie wissen nicht, was sie tun.
Sie wissen nicht, was sie lesen.
Sie können sich nicht konzentrieren.
Sie können nichts behalten.
Sie halten nicht durch.
Sie wissen kaum etwas.
Sie hören nicht zu.
Das sind Aussagen, die wir immer wieder hören, wenn von den Jugendlichen die Rede ist, die ins Berufsleben integriert werden sollen.
Und – was wir auch hören, von denjenigen, die den Versuch wagen, Jugendliche auszubilden: Die jungen Menschen sind motiviert, lernwillig und hilfsbereit.
Oder: Die Lernenden brauchen viel Unterstützung, denn sie haben wenig Selbstvertrauen und fühlen sich oft alleingelassen.
Die Liste der immerhin einigermassen wohlwollenden Aussagen (andere sind zur Genüge bekannt und brauchen hier nicht wiederholt zu werden) ist beliebig zu verlängern; alle sind sie begründet und mit Erfahrungen hinterlegt. Und wenn wir genau hinschauen, treffen vielleicht sogar alle diese – zum Teil widersprüchlichen – Aussagen auf den gleichen jungen Menschen zu.
Wer sind sie denn, diese Jugendlichen, die es einfach nicht schaffen, auf Anhieb und ohne Umweg den Sprung ins Berufsleben zu bewältigen und ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis zu erreichen? Die entweder gar keine Chance haben, in einer drei- oder vierjährigen Grundbildung unterzukommen, oder dann diese Möglichkeit nicht packen können und wieder von der (Berufs-)Bildfläche verschwinden, aussteigen, aufgeben? Diesen Jugendlichen gehört der erste Teil dieses Handbuchs. Ihnen und all jenen, die diesen grossen Schritt von der Schule in den Beruf aus irgendeinem Grund nicht schaffen, die aber, mit individueller Begleitung und persönlicher Unterstützung, die Chance haben, eine zweijährige Grundbildung zu bewältigen.
Die Möglichkeiten und Grenzen der individuellen Begleitung werden uns im Beitrag von Gianni Zarotti aufgezeigt (hier). Wer Jugendliche begleitet, muss auch wissen, wann und warum es angezeigt ist, professionelle Hilfe zu holen.
Gesetzliche Grundlagen und Rahmenbedingungen
Für die Jugendlichen, die nicht oder noch nicht fähig sind, eine dreijährige oder vierjährige Grundbildung zu absolvieren oder die eine einfachere, vorwiegend praktische Berufstätigkeit suchen, gibt es mit dem neuen Berufsbildungsgesetz die Möglichkeit, in zwei Jahren eine Grundbildung zu erlangen und diese mit einem eidgenössischen Berufsattest abzuschliessen.
Nach der zweijährigen Grundbildung sind Anschlussmöglichkeiten vorhanden: Es kann eine verkürzte Grundbildung angefügt und mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis abgeschlossen werden. Es ist eine Errungenschaft des neuen Berufsbildungsgesetzes, dass die frühere Anlehre aufgewertet wurde, indem sie durch eine Grundbildung mit standardisiertem Qualifikationsverfahren ersetzt worden ist. Unabdingbar für den Erfolg der neuen zweijährigen Grundbildung ist aber das, was im Berufbildungsgesetz und in der Verordnung erwähnt wird: Bei Bedarf haben die Jugendlichen Anrecht auf eine fachkundige individuelle Unterstützung.
Der Anspruch der Lernenden auf individuelle Begleitmassnahmen ist im neuen Berufsbildungsgesetz definiert. Im eidgenössischen Berufsbildungsgesetz vom 13. Dezember 2002 findet man folgenden Artikel zu fachkundiger individueller Begleitung:
Art. 18 Berücksichtigung individueller Bedürfnisse
2. Der Bundesrat erlässt besondere Bestimmungen über die fachkundige individuelle Begleitung von Personen mit Lernschwierigkeiten in zweijährigen beruflichen Grundbildungen.
In der eidgenössischen Berufsbildungsverordnung vom 19. November 2003 wird erläutert:
Art. 10 Besondere Anforderungen an die zweijährige Grundbildung
4. Ist der Bildungserfolg gefährdet, so entscheidet die kantonale Behörde nach Anhörung der lernenden Person und der Anbieter der Bildung über eine fachkundige individuelle Begleitung.
5. Die fachkundige individuelle Begleitung umfasst nicht nur schulische, sondern sämtliche bildungsrelevanten Aspekte im Umfeld der lernenden Person.
Die fachkundige individuelle Begleitung FiB
Was diese fachkundige individuelle Unterstützung beinhalten könnte, dazu haben Urs Zürcher (hier), Rolf Hanselmann (hier), Andreas Grassi (hier) und Joseph Eigenmann (hier) ihre Vorstellungen in Teil II des Buches skizziert.
In der Schweiz wird mit verschiedenen Modellen versucht, die fachkundige individuelle Begleitung umzusetzen. Allen Modellen ist gemeinsam, dass sie die Jugendlichen so gut als immer möglich unterstützen wollen, damit sie es schaffen, die zweijährige Grundbildung erfolgreich mit einem eidgenössischen Berufsattest (EBA) abzuschliessen. Die gemeinsamen Erfahrungen und Ansätze werden in Stichworten zusammengefasst. Wie diese Unterstützung genau aussieht und wie sie umgesetzt werden kann, das wird anhand des Modells beider Basel etwas detaillierter dargestellt.
Das Modell beider Basel
Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft haben ein Modell entwickelt, das seit 2005 umgesetzt wird. Das Modell ist bestechend einfach, unbürokratisch und niederschwellig – und erfolgreich. Hier wird das Konzept vorgestellt, die erarbeiteten Instrumente werden zur Verfügung gestellt, und die Erfahrungen mit Einführung, Umsetzung und Implementierung werden weitergegeben. Das Projekt wurde von der Hochschule für Heilpädagogik Zürich evaluiert. Waltraud Sempert fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Evaluation zusammen (hier).
Ein besonderes Gewicht kommt in diesem Teil auch der Netzwerkarbeit zu.
Das Profil der FiB-Personen
Wie die individuelle Begleitung schliesslich ausgestaltet wird, wie die Beratungen, Vermittlungen, Coachings und Förderprogramme ankommen, das hängt, unabhängig vom praktizierten Modell, zu einem sehr starken Teil von den Persönlichkeiten ab, denen die FiB anvertraut wird. Darum ist der ganze Teil III des Buches dem Profil der FiB-Personen gewidmet. Mit ihnen steht und fällt die Unterstützung der Jugendlichen. Wenn es den FiB-Personen nicht gelingt, das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen, sie entsprechend zu motivieren, ihnen Zeit, Verständnis und Respekt und einiges mehr entgegenzubringen, dann funktioniert das beste Modell nicht. Im dritten Teil des Buches sind darum Kompetenzen ein Thema; es geht um Haltungen, um Grenzen, um gegenseitige Unterstützung unter FiB-Personen und darum, wie diese Kompetenzen erworben werden können.
Dagmar Bach und Georges Kübler stellen den modularen FiB-Lehrgang in Zürich vor (hier); Nanette Wälti präsentiert die Weiterbildungsangebote im Bereich pädagogische Fördermassnahmen und integrative Fördermassnahmen am EHB – Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung in Zollikofen (hier).
Geschichten
Durch das ganze Handbuch, liebe Leserinnen und Leser, werden Sie begleitet von Geschichten. Die Geschichten wurden aufgezeichnet von FiB-Personen aus den verschiedenen Berufsfachschulen in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft.
Sie zeigen auf, warum es die fachkundige individuelle Begleitung braucht und warum es sich lohnt, viel Zeit und Energie in diese Arbeit zu stecken. Sie zeigen zum Teil auch, wo die Grenzen sind, wo FiB zwar begleiten und helfen kann, wo dies aber nicht genügt.
Zielpublikum
Das Handbuch wurde einerseits für die FiB-Personen beider Basel geschrieben. Hier ist zusammengefasst, was an Instrumenten, Erfahrungen, Richtlinien und Konzepten erarbeitet wurde. Dies, so haben wir vereinbart, ist der Standard in unserer fachkundigen individuellen Begleitung. Andererseits ist das Handbuch aber so konzipiert, dass es auch den FiB-Personen anderer Kantone Unterstützung sein soll; wir hoffen sogar, dass sich alle Lehrpersonen, die an der zweijährigen Grundbildung unterrichten, angesprochen fühlen und dass die Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, die diese Jugendlichen ausbilden, durch dieses Handbuch unterstützt werden. Schliesslich sind auch Berufsinspektoren und Ausbildungsberaterinnen angesprochen und alle, die in Netzwerken (z.B. Case Management) mit der fachkundigen individuellen Begleitung verbunden sind.
Dank
Mein Dank geht an alle, die in der FiB-Arbeit, in den FiB-Netzwerken und bei der Begleitung der Lernenden engagiert sind, in hohem Mass auch an die Ausbildungsberater und Berufsinspektorinnen.
Meinen Mit-Autorinnen und Mit-Autoren danke ich für ihre Bereitschaft, einen Beitrag für dieses Handbuch zu schreiben.
Den Erziehungsdirektionen, den Amtsleitungen, der Lehraufsicht und den Direktionen der Berufsfachschulen beider Basel gebührt mein Dank für die finanzielle Unterstützung und die Förderung der Lernenden mit allen Konsequenzen.
Der Leiterin und dem Leiter des Projekts «Umsetzung neues Berufsbildungsgesetz beider Basel», Trudi Zurschmiede und Heinz Mohler, möchte ich ein ganz besonderes Kränzlein winden für ihren grossen Einsatz und ihre tatkräftige Unterstützung während des ganzen FiB-Projekts.
Schliesslich seien namentlich die FiB-Personen erwähnt, die mir ihre Geschichten geschickt haben. An sie alle geht ein herzlicher Dank für die Geschichten und auch für ihre tägliche Arbeit, die in den Geschichten spürbar wird.
Nun wünsche ich allen Leserinnen und Lesern, dass unsere Beiträge, Erfahrungen und Erkenntnisse fruchtbar werden. Gelegentliche Überschneidungen in den Beiträgen haben wir in Kauf genommen, da es einerseits sichtbar sein darf, wenn verschiedene Menschen von gleichen Ideen und Ansätzen ausgehen, und andererseits auch unsere Lernenden von Wiederholungen gelegentlich profitieren.
Ruth Wolfensberger
Frühling 2016
Ruth Wolfensberger, lic. phil., ehem. Stellvertretende Direktorin der Berufsfachschule Basel, Leiterin des FiB-Projekts beider Basel.Ausbildung als Primarlehrerin, Studium der Heilpädagogik, Unterricht in Kleinklassen. Später Studium der Ethnologie und Germanistik, Unterricht an der Berufsfachschule: Allgemeinbildung, Förderbereich, Berufsmaturität; Aufbau der Lernberatung in Basel.
tc