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1.1Geschichtliches und Geschichten

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Wortherkunft

Das Wort hospitum bedeutet im Lateinischen so viel wie „Herberge, Bewirtung“ – häufig in Anlehnung an Klöster für Reisende und Pilger gedacht1. Sowohl das Wort „Hospiz“ als auch der Begriff HOSPITAL standen im Mittelalter sinngemäß sowohl für das Krankenhauswesen als auch für die Beherbergung. Ein Grund mag dabei sein, dass die damalige Medizin den fließenden Wortgebrauch zuließ. In der Schweiz bezeichnet das Wort Hospital heute noch Krankenhäuser und Altenheime. Darüber hinaus leitet es sich etymologisch aus dem Begriff für „Armenhaus“ ab, meint aber gleichzeitig auch die Gastfreundlichkeit2. Diese Ableitung macht verständlich, was der römische Dichter Plautus um 250 v. Chr. festgestellt haben soll: „Nach drei Tagen beginnen Gäste wie Fisch zu stinken“. Nach dem angelsächsischen Recht war ein Fremder drei Tage lang Gast. Danach erhielt er den Status eines Knechtes, und die Beziehung zwischen Gast und Gastgeber änderte sich. Erst mit der Verbreitung des Christentums wurden diese Regeln nach altruistischen Gesichtspunkten umgewandelt und das Hospiz zur Herberge, sprich Bewirtung, erklärt. Damit wird erkennbar, was dem Hospizgedanken ursprünglich zugrunde liegt – eine HERBERGE FÜR WANDERER.

Herberge für Wanderer

Stellt man sich die Wege vor, die in der damaligen Zeit von Menschen zurückgelegt wurden, so liegt die Errichtung solcher Herbergen nicht fern. Eine Raststätte also mit der Möglichkeit auszuruhen, zu essen und zu übernachten, um neue Kräfte zu sammeln für die weiteren Stationen der Reise. Aufgenommen wurden alle Besucher, aber in zunehmendem Maße – der Zeit entsprechend – immer häufiger Pilger auf der Durchreise zum „Heiligen Land“. So verwundert es nicht, dass infolge der strapaziösen Reisen im Mittelalter auch Kranke und Sterbende im Hospiz Zuflucht fanden.

Meistens waren diese Herbergen angegliedert an die damaligen Klöster. Dazu ein Auszug aus einer damaligen Hausordnung einer Herberge: „Wie unsere Herren, die Kranken, empfangen und bedient werden sollen: Wenn ein Kranker kommt…, möge er zu Bett getragen werden und dort…, bevor die Brüder zum Essen gehen, täglich aus Wohltätigkeit mit Speise und Trank, entsprechend den Möglichkeiten des Hauses, versorgt werden. Diese Betten der Kranken sollen so lang und so breit bemessen sein, wie es eine angenehme Ruhe erfordert und jedes Bett soll mit einer eigenen Zudecke versehen sein…, für die Säuglinge, welche von Pilgerinnen in dem Haus zur Welt gebracht werden, sollen kleine Wiegen gebaut werden…, die Leiter des Hauses sollen den Kranken mit frohem Herzen dienen und sie sollen ihre Pflicht ihnen gegenüber erfüllen und ihnen ohne Murren oder Klagen zu Diensten sein…, damit sie Tag und Nacht geschützt und bewacht seien, sollen ihnen überdies neun Diener zur Verfügung gestellt werden, welche sanft ihre Füße waschen und ihr Bettzeug wechseln sollen…“3

So sah das Christentum in der Hospiz- und Hospitalform die Verwirklichung des „Dienst am Nächsten“, und in fast alle damaligen Ordensregeln wurde die „Sorge für Gesunde und Kranke“4 mit aufgenommen.

Allerdings gerieten bisherige Weltanschauungen über den Tod ins Schwanken. Glaubte man bis ins Mittelalter an ein ruhiges Hinübergleiten in eine andere Welt, wurde infolge der zunehmenden Christianisierung die Angst vor dem Jüngsten Gericht propagiert.

Damit bekam der Tod eine direkte Beziehung zum gelebten Leben, und die Sorge vor den Höllenqualen erstickte einen angstfreien Umgang mit dem Tod. Damit wurde die Saat zur Tabuisierung dieses Themas bis in die achtziger Jahre gelegt.


Großer Krankensaal des Hotel-Dieu in Bealine; Zeichnung nach einer Fotografie

Die neuzeitliche Hospizbewegung

Im Spätmittelalter wurde der Krankenhausbedarf nicht mehr durch die Klöster getragen, da der Staat begann, Kranke in eigenen Einrichtungen unterzubringen. So kam die große Zeit der Pest und die zusätzliche Hexenverfolgung durchaus gelegen, um die Klöster aufzulösen. Die Pilger wurden zu Vagabunden degradiert und die unheilbar Kranken wurden von den Hospitälern abgewiesen.

Natürlich gab es gelegentlich immer noch hospizähnliche Institutionen, wie z. B. die Schwesternschaften von Vincent von Paul zeigen. Aber die eigentliche Hochblüte zur Zeit der Kreuzzüge war vorüber, und so gab es in diesem Bereich keine nennenswerte Weiterentwicklung.

Die moderne Leistungsgesellschaft, die mit dem bekannten Werbespruch „Jung – dynamisch – erfolgreich“ die ewige Jugend propagiert und mit ihren medizinischen Fortschritten gleichzeitig ein langes Leben verspricht, führte zu einem anderen Umgang mit Sterbenden. Nun wurden Krankenhäuser zu einem Ort für nicht mehr funktionale Teile dieser Gesellschaft. Es verwundert nicht, dass Sterbende sich an solchen Orten nicht wohlfühlen, denn „der Sinn der Krankenhäuser in der Industriegesellschaft liegt entweder darin, die Maschine Mensch zu reparieren oder bestimmte Gruppen wie Irre und ansteckende Kranke, die später vielleicht wieder nützlich werden könnten, separat einzusperren“5.

Ein neuer Hospizgedanke entsteht

Dieser Hintergrund trug dazu bei, einen neuen Hospizgedanken wachsen zu lassen, und so entstand um Ende des 19. Jahrhunderts ein Hospiz in Irland für unheilbar Kranke. Ob dabei die Definition von Frankreich übernommen wurde, wo es um diese Zeit noch Waisenhäuser und andere Zufluchtsorte gab, oder ob der Begriff direkt auf die mittelalterliche Institution zurückgeht, ist ungeklärt6.

„Das stationäre Hospiz soll keine von der Umwelt isolierte Festung, sondern einen Ort des Lebens darstellen, an dem Sterben als natürlicher Teil unserer menschlichen Pilgerfahrt betrachtet wird und der Tod die ihm aufgrund dieser Einstellung gebührende Würdigung erfährt“7.


Cicely Saunders, Gründerin der modernen Hospizbewegung

Die neuzeitliche Entwicklung der Hospize ist im europäischen Raum auf die Dame Cicely Saunders (1918 – 2005) zurückzuführen. Als Ärztin, Sozialarbeiterin und Krankenschwester gründete sie 1967 das St.-Christopher’s-Hospice. Ihr fachlicher Hintergrund spiegelt sich in einer Idee wider, die zum einen die körperlichen Aspekte berücksichtigt (palliative Medizin und palliative Pflege), wie auch die spirituelle und psychosoziale Begleitung, wie es sich im folgenden Zitat von Cicely Saunders ausdrückt:

„Es macht schutzbedürftige Menschen so verletzlich, dass sie glauben, sie wären eine Last für die anderen. Die Antwort ist eine bessere Betreuung der Sterbenden, um sie zu überzeugen, dass sie immer noch ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind.“

Bei der Betrachtung eines Hospizes spiegelt sich der Leiden lindernde Aspekt gleichberechtigt in allen vier Dimensionen der Hospizidee wider. Im Gegensatz zu der Idee von Cicely Saunders wurde die hospizliche Arbeit in Deutschland zweigeteilt, d. h. wir finden Hospize und Palliativstationen. Palliativstationen sind eingebettet in die Krankenhausstruktur. Als Beispiel sei hier die Palliativstation der Kölner Universitätsklinik genannt, die bis 1991 als Modellstation von der Deutschen Krebshilfe finanziell unterstützt wurde. Pater Zielinsky, der Jahre zuvor im St. Christopher’s Hospice gearbeitet hatte und in seiner Dissertation „Sterbebegleitung unter medizinisch-ethischer Sicht“ bearbeitete, war Wegbereiter dieser 5-Betten-Station und baute sie nach dem englischen Muster auf, um so die Diskussion um eine aktive Sterbehilfe aus der Welt zu schaffen. Denn „ein Mensch gibt ohne Grund sein Leben nicht auf. Die Aufgabe der Mitmenschen ist es, diesen Grund herauszufinden und zu versuchen, ihn zu beseitigen. Wenn ein Tumorpatient die Gewissheit hat, dass er nicht abgeschoben und alleine gelassen wird, möchte er diese letzte Phase seines Lebens noch bewusst erleben“8.

Dieser Hintergrundgedanke von Zielinsky prägte die Palliativstation und gab der Schmerztherapie vor dem psychosozialen und spirituellen Aspekt den Vorrang. 1990 betrug die durchschnittliche Verweildauer auf Palliativstationen 27 Tage (2010: 7 Tage). Die Abrechnung erfolgt wie in jeder Klinik über die Krankenkasse. Zu diesem Punkt äußerte sich Zielinsky während eines Interviews am 26.1.1990 wie folgt: „Hospize führen gesundheitspolitisch dazu, dass sie ebenso wie die Altenheime nicht im gesetzlichen Krankenkassenbereich angesiedelt werden.“ Deshalb plädiert er für die Perspektive der palliativen Station.

Die Anfänge in Deutschland

Die ersten deutschen Hospize entstanden 1986 in Aachen (Haus Hörn) und in Recklinghausen. Exemplarisch stellen wir den Werdegang und die Verwirklichung des Hospizes Haus Hörn in Aachen vor. Seit 1967 existiert in Aachen das Alten- und Pflegeheim Haus Hörn unter der Trägerschaft der Oratorianer des Philipp Neri. Die Oratorianer sind ein Zusammenschluss von Weltpriestern, die sich neben der Seelsorge auch dem pädagogischen Auftrag widmen. Hospitäler und Armenhäuser wurden so zum Arbeitsgebiet des Ordens. Die heute rund 60 Häuser sind in verschiedenen Ländern anzutreffen. Ohne feste Regeln wird nach dem Grundsatz gearbeitet, dass das Arbeitsfeld den jeweiligen Bedürfnissen vor Ort angepasst sein muss. Unter dieser Voraussetzung entstand das Altenzentrum in Aachen. Nach Aussagen des Gründers Dr. Türks geschah es jedoch immer häufiger, dass auch nach Unterbringungsmöglichkeiten jüngerer Schwerkranker gesucht wurde. Nachdem Dr. Türks 1978 während seiner krankenseelsorgerischen Ausbildung in Washington auf einer onkologischen Station mit der Hospizidee konfrontiert wurde, brachte er den ideellen Gedanken mit nach Aachen. Unter der sachkundigen Beratung durch das St. Christopher’s Hospice in London entwickelte sich das Hospiz Haus Hörn. Zunächst schien es jedoch unüberwindliche Hürden zu geben. Zum einen, da es für ein Hospiz keine finanziellen Mittel gab und ebenso wenig eine gesetzliche Grundlage (siehe hierzu Aussage Pater Zielinsky zu Palliativstation). Des Weiteren lehnten die Aachener Bürger ein „Sterbeheim“ ab und demonstrierten gegen den „häufigen Anblick von Leichenwagen“ (Aussage nach einem Interview mit der Heimleitung Frau Louven 1989). Dr. Türks begegnete dem Punkt der Finanzierung mit der vorläufigen Namensänderung „Langzeitpflegeheim“, die am Tag der Eröffnung in „Hospiz“ umgewandelt wurde. Die Oratorianer gaben 3 Mio. DM zur Finanzierung, und über Landesmittel, Sonderfonds und Spielbankenfonds flossen 7 Mio. DM in das Projekt. Bauliche Konsequenzen ergaben sich aus den Besuchen im St. Christopher’s Hospice. Das Haus verfügte damals über 53 Betten und war 1986 bezugsfertig. Ende der neunziger Jahre hat man entsprechend der Rahmenvereinbarung für stationäre Hospize (1997) die Größe auf 16 Betten reduziert. Die Fortbildung für die Mitarbeiter wurde in vier Schritten konzipiert:

Schritt 1: „Bewusstwerdung des Berufes“ Das heißt hier Besinnung auf die Krankenpflege im wörtlichen Sinne
Schritt 2: „Begegnung mit dem Tod“ Konfrontation mit dem Abschied nehmen in Form des „Loslassen-Könnens“
Schritt 3: „Das Hier und Jetzt sehen“ Begleitung des Patienten im gegenwärtigen Zustand auch im Sinne des bewussten Lebens
Schritt 4: „Direkte Umsetzung beim Patienten“ In der Form des aktiven Zuhörens und der Verbalisierung der emotionalen Erlebnisinhalte als Interpretation seiner gefühlsmäßigen Äußerungen

Unter Berücksichtigung dieser Schritte versorgte dem Ganzheitsaspekt folgend eine Pflegekraft ein Patientenzimmer.

Wenn wir die heutige Situation noch einmal im Rückblick betrachten, so können Ehrenamtliche und Hauptamtliche aufzeigen, wie viel sich an Hospizkultur und Palliativversorgung in Deutschland getan hat.

Entwicklung in Deutschland

Untersuchungsergebnisse des Diplom-Psychologen W. George von 1988, veröffentlicht in Psychomed, Sonderdruck Heft 10 / 89, S. 749, geben Zeugnis der damaligen Situation. Über 50 % der Mitarbeiter im Krankenhaus hielten die räumliche Situation für völlig unzureichend. 65 % klagten über mangelnde Berufsausbildung in Bezug auf die Sterbebegleitung; vermisst wurde hier im Besonderen eine praxisnahe Übung im situativen Umgang mit Sterbenskranken. In dieser Studie sprechen sich 75 % der Mitarbeitenden im Krankenhaus für mehr Offenheit gegenüber dem Patienten aus. Gar 72 % hielten das Sterben im Krankenhaus für menschenunwürdig und 28 % glaubten, bei mehr Zuwendung dem Patienten gegenüber weniger Anerkennung bei den eigenen Kollegen zu erhalten. Diese Zahlen sprechen für sich und zeigen in einem die Entwicklung, die die Bürgerbewegung Hospiz in über 20 Jahren genommen hat. Waren es ca. 10 000 ehrenamtliche befähigte Hospizhelfer 1999, so sind es 2010 ca. 100 000 Ehrenamtliche; einen ähnlichen Aufschwung erlebte die Entwicklung von Palliativstationen und Hospizen.

Entwicklung der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste einschließlich der spezialisierten Dienste für Kinder


Entwicklung der stationären Hospize und Palliativstationen einschließlich der spezialisierten Einrichtungen für Kinder


Stand: 05/2008 Quelle: Wegweiser Hospiz und Palliativmedizin und DHPV Datenbank

Grundelemente der Hospizidee

Die Grundelemente der Hospizidee möchten wir an dieser Stelle noch einmal aufgreifen und darstellen.

Die psychosoziale Begleitung

die psychosoziale Begleitung

Die psychosoziale Begleitung umfasst die emotionale Unterstützung des sterbenden Menschen und seiner Angehörigen. Sie begleitet durch befähigte HospizhelferInnen. Diese Ehrenamtlichen der Hospizdienste werden entsprechend den vier Säulen der Hospizidee in über 100 Stunden fortgebildet und absolvieren zusätzlich ein Praktikum, entweder im Pflegeheim, Krankenhaus oder Hospiz. In der Regel sind die Ehrenamtlichen weiblich und suchen z. B. nach Abschluss der Familienphase ein soziales Betätigungsfeld, entweder aus Dankbarkeit dem Leben gegenüber oder aber aus einer Selbsterfahrung in Sterbeprozessen. Diese befähigten Ehrenamtlichen unterstützen die Betroffenen und die Nahestehenden nicht nur durch Gespräche, sondern auch durch die Begleitung unerledigter Dinge.

Die spirituelle Begleitung

die spirituelle Begleitung

Der Begriff der Spiritualität meint hier mehr als nur den Kulturkreis der Religion. Er bezieht sich auch auf die geistige Erfahrbarkeit, die sich an der Seins-Frage orientiert. Das Ziel der hospizlichen Bemühung, ein Leben in Würde bis zuletzt zu ermöglichen, orientiert sich an der jeweiligen Persönlichkeit des Sterbenskranken. Sie ist geprägt von einer extrinsischen Spiritualität, deren Kennzeichen die jeweilige Religiosität und das familiäre Umfeld sind, und einer intrinsischen Spiritualität, deren Geisteshaltung von innen kommt, d. h. neben den ritualisierten extrinsischen Faktoren (wie Gebet oder Gottesdienst) gibt es geistige Empfindungen, die von einer großen Ergriffenheit getragen sind, die in Abhängigkeit zur jeweiligen Person steht (z. B. die Ergriffenheit des Naturliebhabers beim Anblick einer blühenden Blume). Die spirituelle Begleitung ist somit durch die Fürsorge gegenüber dem Sterbenskranken in der Suche nach sich selbst gekennzeichnet (Selbstwert, Selbstbewusstsein), in der Begegnung mit sich (Lebensbilanz und Lebensbiografie) und im Sich-Finden. Das Sich-Finden meint hier die Suche nach einem sinnlich nicht erfassbaren, transzendenten, „göttlichen“ Etwas, das eine Art spirituelles Pendant zum Aha-Erlebnis der Verstandesebene darstellt, also nicht analytisch beschrieben, sondern nur als evidente, d. h. unmittelbar einsichtige Erfahrung erlebt werden kann. Durch diese spirituelle Begleitung haben Sterbende die Möglichkeit, ihr Leben selbstbestimmt zu erfahren. Die Beantwortung der Sinnfrage ist dabei nicht der vordringlichste Aspekt. Zur Sterbebegleitung gehört ebenso die Begleitung der trauernden Angehörigen.

Palliative Medizin und palliative Pflege

palliative Medizin und palliative Pflege

Aus dem lebensbejahenden Grundsatz der Hospizkultur leitet sich die Aufgabe der palliativen Medizin und palliativen Pflege ab. Sie ist darauf ausgerichtet, Schmerzen und andere Symptome, die in der letzten Lebensphase auftreten können, zu behandeln und zu lindern, um die Lebensqualität sterbender Menschen zu verbessern. Den Wunsch zu erfüllen, den die meisten Menschen hegen, nämlich zuhause in der vertrauten Umgebung zu sterben, ist dabei vorrangiges Ziel. Daraus ergibt sich der Grundsatz „ambulant vor stationär“, so dass Institutionen wie Hospize oder hospizlich geleitete Pflegeheime ergänzende Bestandteile der palliativen Arbeit sind. Hausärzte und Pflegekräfte können sich in Palliative Care in 160 Kursstunden qualifizieren.

Diese Arbeit im multidisziplinären Netzwerk und die andauernde Konfrontation mit Leid(en) und Mitleid(en) beruht auf einer lebensbejahenden Haltung von Toleranz, Mut zur Begegnung und Nächstenliebe – den Sterbenden und deren Nahestehenden gegenüber. Ziel aller hospizlichen Bemühungen ist es, ein Leben in Würde bis zuletzt und dauerhaft eine neue Sterbekultur möglich zu machen.

Die Säulen den Hospizidee


Schild des Künstlers Bazon Brock an den Hackeschen Höfen in Berlin 2006


Heute, im Jahre 2010, ist der Tod nicht nur in den Medien präsent; wo die Hospizbewegung „in die Jahre gekommen“ ist, ist er auch längst enttabuisiert. Der Philosoph Thomas Macho spricht dabei von der „Sichtbarkeit des Todes“9, und so manche Persönlichkeiten beschreiben öffentlich ihre letzte Lebensphase auf der Grundlage des kommenden, herannahenden Sterbens. Wird dem Sterben und dem Tod möglicherweise damit auch die ureigenste Intimität genommen?

Hieß es früher noch in den Todesanzeigen, der Tod sei „plötzlich und unerwartet“ eingetroffen, so gehen dem heute ein voraussehbarer längerer Sterbeprozess und Entscheidungen zu lebenserhaltenden oder lebensbegrenzenden Therapien voraus. Die hospiz zeitschrift beschrieb schon in ihrer ersten Ausgabe 1999 die Wirksamkeit der hospizlichen Grundhaltungen in konkreten Vernetzungen, verbunden mit der Vision der Hospizidee als Grundhaltung dem Anderen gegenüber. Die Wurzeln zum hospizbewegten Handeln waren schon früh verankert in Gesetzgebungen, die jedoch wenig Beachtung fanden. So beschrieb das Krankenhausgesetz von NRW in §3 Abs.1 schon in den 70er Jahren: „Die Patienten haben Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung, dies gilt in besonderem Maße für Sterbende.“ Erst die Ausführungen von Elisabeth Kübler-Ross zeigten der Gesellschaft auf, wo sich die Schwachstellen in Sterbesituationen befanden. Bis in die Anfänge der 90er Jahre fand in den Kliniken das Sterben noch immer hinter verschlossenen Türen statt, und die Sterbenden wurden in Pflegeheime abgeschoben.

Erfolgsmodell Hospiz?

„Dieses Erfolgsmodell Hospiz gilt es, auch durch den Bundesgesetzgeber, weiter zu optimieren und flächendeckend auszubauen“10.

Der DHPV

Ein Teilziel wurde im Jahr 2000 erreicht, als die damalige BAG Hospiz (jetzt DHPV) alle Bundesländer unter ihrem Dach vereinigte. Damit gelang es, die Basisarbeit der vielen Ehren- und Hauptamtlichen auf Landesebene politisch zu beeinflussen. Ein Symposium der Hospizarbeit in Lenin im Februar 2000 gibt Zeugnis darüber, wie die einzelnen Länder und Landesarbeitsgemeinschaften ihr Wissen und ihre Haltung der Sterbebegleitung gegenüber veränderten. Ministerien der Länder, Krankenkassenvertreter, Wohlfahrtsverbände, das Bundesgesundheitsministerium sowie das Familienministerium zeigten großes Interesse, und durch den regen Austausch entstanden partizipative Entwicklungen, bei denen Kreativität und die Sicherung der qualifizierten ambulanten Hospizarbeit im Vordergrund standen. Die Tagung bewirkte eine Initialzündung, so dass die Gesundheitskonferenz der Länder und einzelne Vorschläge aus verschiedenen Bundesländern eine Eingabe an den Bundesrat bewirkten, um eine finanzielle Sicherung der hospiziellen ambulanten Arbeit voran zu treiben. Diese Tagung fand unter dem Titel „Die ambulante Hospizbewegung zieht Bilanz und zeigt Perspektiven“ statt.

Diese erste Fachtagung führte dazu, dass neben der vielfältigen politischen Arbeit alljährlich eine Fachtagung des DHPV e. V. durchgeführt wurde und noch wird.

Der DHPV macht in seiner Arbeit deutlich, dass Hospizarbeit Sterbebegleitung durch befähigte ehrenamtliche Hospizhelfer und -helferinnen ist. Sie stehen gemeinsam mit Medizinern, Pflegekräften und Sozialarbeitern sterbenskranken Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt zur Seite. Das Ehrenamt gehört somit bis heute zum Kern der Hospizarbeit. Diese Bürgerbewegung ist heute Grundlage bei Ambulanter Pflege, in Pflegeheimen, Palliativstationen, Krankenhäusern, stationären Hospizen und in Weiterbildungsmaßnahmen von Medizin und Pflege. Es geht dabei um die inhaltliche und politische Weiterentwicklung und Verbreitung des Hospizgedankens. Die frühere BAG Hospiz – heute DHPV e. V. – nimmt die nationalen und internationalen Vertretungsaufgaben für ihre Mitglieder gegenüber Politik, Behörden und Verbänden wahr (s. Abb.)

Die Ziele des DHPV e. V. liegen nicht nur auf politischer Ebene; sondern beinhalten ebenso die Themen:

¤Forschung in allen hospizrelevanten Bereichen

¤Aufbau des Netzwerks Hospiz durch Sicherstellung flächendeckender palliativmedizinischer, palliativpflegerischer und psychosozialer Maßnahmen

¤Verbesserung der Lebensqualität sterbender Menschen und der Haltung der Gesellschaft, die Sterbenskranke lebensbejahend integriert

¤Aus-, Weiter- und Fortbildung aller relevanten Berufsgruppen

¤Unterstützung von Angehörigen sterbender Menschen in allen Bereichen

¤Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Hospiz und Palliativversorgung

Anerkennung als Bürgerbewegung

Wie im unten beschriebenen Schaubild dargestellt, bildet die Bürgerbewegung auf der örtlichen Ebene das Fundament der jeweiligen Aktivitäten. Durch die Unterstützung der politischen Gremien auf örtlicher, Landes- und Bundesebene mündete das Tun in einen interfraktionellen Gesprächskreis, den Frau Prof. Däubler-Gmelin als Schirmherrin der damaligen BAG Hospiz 2002 begründete und bis heute unterstützt. Die Anerkennung der Bürgerbewegung Hospiz wurde 2003 markiert durch die Verleihung des Gustav- Heinemann-Bürgerpreises.



„Mit der Verleihung des Preises sollen Menschen ermutigt werden, die Forderung des Grundgesetzes nach Freiheit und Gerechtigkeit zu erfüllen und in ihrer Haltung und in ihren Handlungen mehr eigenverantwortliche Mitwirkung und Mitbestimmung mündiger Bürger in unserem Staat zu wagen.“ So ein Zitat aus der Satzung des Kuratoriums. Der Preis wird seit 1977 im Gedenken an Gustav W. Heinemann gestiftet und soll eine Ermutigung sein, bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Die Laudatio hielt Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, und die damalige Bundesministerin für Familie, Frauen und Jugend, Renate Schmidt, überreichte den Preis an die damalige BAG Hospiz.

Mit der Verleihung dieses Preises wurde im Besonderen die Bürgerbewegung Hospiz gewürdigt.

Die befähigten Ehrenamtlichen der Hospizbewegung in Deutschland legten den Grundstein für ein Wissen, welches im weiteren Verlauf von den unterschiedlichen Ebenen aufgegriffen wurde und, in wissenschaftlichen Projekten evaluiert, in neue Handlungs- und Tätigkeitsfelder hospizlicher Kultur einfließt (s. Grafik)

Siehe hierzu auch die Broschüre „Hospiz schafft Wissen“, aus der Schriftenreihe des DHPV e. V.

In Zukunft werden die Ehrenamtlichen als Bestandteil des multidisziplinären Teams dafür Sorge tragen müssen, dass der kulturelle Aspekt im Sinne von Hospizkultur auch in der Palliativen Versorgung nicht verloren geht.


Literatur

1Vgl. Meyers Taschenbuchlexikon. Mannheim 1988.

2Vgl. Knaurs Herkunftswörterbuch. Etymologie und Geschichte von 10 000 interessanten Wörtern. München 1982.

3Weiß, W.: Im Sterben nicht allein, Hospiz. Berlin 1999, S. 13 – 14.

4Vgl. Seidler, E.: Geschichte der Medizin und der Krankenpflege. Stuttgart 1996, S. 61.

5Stoddard, S.: Leben bis zuletzt. Die Hospizbewegung. München 1978, S. 57.

6A.a.O., S. 61.

7Vgl. Schlag u.a.: Mobile ambulante Nachbehandlung. Münchener Medizinische Wochenzeitschrift, 1988, S. 284.

8Vgl. Zielinsky, H.: Reha 69, Rehabilitationseinrichtungen stellen sich vor. Eine Beilage der Zeitschrift – Der Medizinische Sachverständige.

9Vgl. Macho,T. / Marek, K.: Die neue Sichtbarkeit des Todes. München 2007.

10Vgl.: Allert u. a.: Erfolgsfaktoren für Hospize, Schriftenreihe der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz e. V., Band VIII. Wuppertal 2005.

Hospiz ist Haltung

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