Читать книгу Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft - Группа авторов - Страница 11

IV. Notwendiges

Оглавление

Im Kontext bisheriger Diskussionen über das kirchliche Arbeitsrecht wird oftmals der sogenannte Verkündigungsauftrag in den Mittelpunkt gestellt. Einmal davon abgesehen, dass dabei nicht oder so gut wie nicht erläutert wird, was dieser Auftrag denn genau sein soll, dient die Verwendung des Begriffs Verkündigungsauftrag dazu, jenen Visionsrahmen abzustecken, innerhalb dessen kirchliche Arbeitnehmer ihre Arbeit verorten können und sollen. Auch wenn dies jetzt hier nicht näher ausgeführt werden kann, so entsteht nicht selten der Eindruck, dass der Verkündigungsauftrag in eins gesetzt wird mit katechetischen Bemühungen, die auf eine Erschließung des Wortes Gottes abzielen. Die Folge eines solchen wortlastigen Verständnisses des Verkündigungsauftrags führt dann dazu, dass viele kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jener Vision verlustig gehen, die sie für die sinnhafte Kontextualisierung ihrer Arbeit bräuchten, denn viele von ihnen, wie z. B. jene in den Bereichen Caritas, Finanzen, Technik, Soziales, haben ihren Arbeitsschwerpunkt eben nicht im strengen Sinn auf dem Feld der Katechese. Die Folge davon ist, dass eine wesentliche Grundlage für das kirchliche Arbeitsrecht in diesen Bereichen entfallen würde, obwohl die dort arbeitenden Menschen für den Dienst der Kirche in der Welt nicht unbedeutend sind und daher auch zur so oft beschworenen Dienstgemeinschaft gehören sollten. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich nicht falsch die These zu vertreten, dass die Rede vom Verkündigungsauftrag zur Markierung der Vision, in deren Rahmung sich kirchliche Arbeitsverhältnisse verorten ließen, ungeeignet bzw. nicht zutreffend ist. Ein weit geeigneterer Begriff wäre der des Sendungsauftrags. Er bezeichnet jenes Handeln in der Welt, das zur Errichtung des Reiches Gottes als Reich des Friedens, der Gerechtigkeit, der Hoffnung, der Freude und der Liebe beiträgt und das sich in unterschiedlichster Weise realisiert. Dieses Handeln lässt mehr Variationsbreite und Intensitätsgrade zu, als die mehr oder weniger alleinige Konzentration auf den ausdrücklichen Wortcharakter des Verkündigungsauftrags. Der Einsatz für eine gerechte, friedvolle Welt z. B., kennt auch die Ökumene der Anders- und Nichtglaubenden, die sich in Bezug auf das Wort Gottes und damit zusammenhängende Lehrgebäude als wesentlich schwieriger erweist. So kann es z. B. kirchliche Mitarbeitende geben, die zwar nicht die christlichen Glaubensinhalte teilen können, sich jedoch mit voller Überzeugung und ganzem Engagement die Ziele der Veränderung der Welt im Sinne des Reiches Gottes zu eigen machen und damit für die Kirche z. B. im Bereich der Krankenpflege und Sozialarbeit größte Bedeutung haben können.

Dass die Beteiligung am Sendungsauftrag der Kirche nicht konsequenzlos bleiben kann, ergibt sich aus der Einsicht, dass der Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden, Hoffnung auf Glaubwürdigkeit angewiesen ist. Andernfalls wäre er in sich widersprüchlich und damit unwirksam. Gerechtigkeit und Frieden beispielsweise bauen auf Grundhaltungen der dabei interagierenden Menschen auf, die sich nicht auf bestimmte Dienstzeiten beschränken lassen, sondern sich gerade durch ihre Verlässlichkeit und Beständigkeit definieren. „Part-Time“-Gerechtigkeit gibt es nicht, sie wäre allenfalls Kalkül um in bestimmten gesellschaftlich-sozialen Konstellationen gut anzukommen. Um die schon erwähnte Glaubwürdigkeit zu sichern und die Eigenart des Einsatzes für das Reich Gottes im Sendungsauftrag zu markieren, bedarf es jener Loyalitätsverpflichtungen, die das berufliche Handeln aber auch darüber hinausgehende Lebensvollzüge betreffen, eben weil es das, um was es beim Reich Gottes geht, nicht in Teilzeit geben kann. Der Arzt des kirchlichen Krankenhauses kann eben nicht nebenher in Eigenregie als Nebentätigkeit eine professionelle, gewinnorientierte Sterbehilfeklinik betreiben; genauso wenig wie der kirchliche Religionslehrer in seiner Freizeit als Hauptagitator gegen die kirchliche Glaubenslehre in einem Atheisten- oder Agnostikerverband auftreten kann. An diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass sich die Loyalitätsverpflichtungen als Sicherungsmaßnahmen für Glaubwürdigkeit aus der konkreten Tätigkeit bzw. dem entsprechenden Berufsfeld und der Berufsgruppe ergeben. Glaubwürdigkeit und deren Sicherung durch Loyalitätsobliegenheiten können jeweils nur oder zumindest wesentlich konkret erschlossen bzw. abgeleitet und nicht abstrakt generell vorgegeben werden. In diesem Sinne gilt es dann auch sogleich festzustellen, dass ein Konzept von mehr tätigkeits- und einrichtungsspezifischen Loyalitätsobliegenheiten zur Sicherung der Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns jenem entgegensteht, das Loyalitätsobliegenheiten als katechetische Instrumente missversteht, um über arbeitsvertragliche Elemente ein bestimmtes „Glaubenslevel“ bei kirchlichen Mitarbeitenden abzusichern. Das vorgeschlagene Verständnis von Loyalitätsobliegenheiten als Instrument zur Sicherung von Glaubwürdigkeit steht darüber hinaus ebenfalls jenem entgegen, welches Loyalität mit Totalidentifikation verwechselt. Loyalität meint die Übereinstimmung in den wesentlichen handlungsleitenden Zielen, auch wenn es in anderen Punkten eine bestimmte Identifikationsvarianz gibt. Damit werden Handlungsspielräume eröffnet, die nicht Willkür bedeuten, weil sie durch die Loyalitätsobliegenheiten gefasst werden. Jene Fassung selbst kann aber auch vernünftig nachvollzogen werden, sie baut nicht auf absolut autoritärer Vorgabe auf, sondern sie erfährt eine plausible auf der beruflichen Tätigkeit und eben institutioneller Fassung beruhende Herleitung.

Die Differenzierung hinsichtlich der Loyalitätsobliegenheiten ermöglicht auch eine differenzierte Wahrnehmung der kirchlichen Arbeitnehmerschaft und somit des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb einer Einrichtung, sei es im Kindergarten, Schule, Sozialstation o.ä. Ein kirchlicher Arbeitnehmer/eine kirchliche Arbeitnehmerin muss nicht alle Loyalitätsobliegenheiten – wie vorausgehend dargestellt – erfüllen, die es innerhalb einer Einrichtung auf Grund der dortigen Tätigkeitsfelder und der Eigenart der Einrichtung gibt. Nicht der Einzelne/die Einzelne hat die ganze Last aller Loyalitätsobliegenheiten zu tragen, alleine für die Glaubwürdigkeit einer Einrichtung als Ganzes zu sorgen, quasi als „Einzelkämpfer“/„ Einzelkämpferin“ in rechter Weise für die Erfüllung jenes Teils des Sendungsauftrags zu sorgen, den eigentlich eine Einrichtung in ihrer Gesamtheit zu erfüllen hat. Insofern kann man folgerichtig auch von einem einrichtungs- bzw. institutionenorientierten Ansatz des kirchlichen Arbeitsrechts sprechen, der sich von einem personenzentrierten Ansatz in der Hinsicht unterscheidet, dass er das differenziert Gemeinsame im Blick auf Sendungsauftrag und Glaubwürdigkeit unterstreicht.

Soll dieses Gemeinsame durchgängig greifbar sein und auch einen Beitrag zur Hebung des Selbstwertgefühls kirchlicher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen leisten, wäre es vorteilhaft, wenn die Betroffenen selbst bei der Festlegung der von ihnen zu beachtenden Loyalitätsverpflichtungen beteiligt wären und es für sie Mitsprachemöglichkeiten gäbe. Damit würde sich nicht nur die Versteh- und Nachvollziehbarkeit dieser Obliegenheiten erhöhen, in deren Ausbuchstabieren würde auch noch einmal die gemeinsame Verantwortung für das gemeinsame Handeln unterstrichen.

Eine Stärkung des Gemeinsamen bzw. der Teilhabe an selbigem würde auch ein Überdenken des Terminus „Dienstgemeinschaft“ bedeuten. Es lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, dass der bisherigen Fassung dieses Begriffs ein gewisses Gefälle zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern inhärent ist, das seiner eigentlichen Zielrichtung zuwiderläuft. Während in dieser Dienstgemeinschaft die kirchlichen Arbeitnehmer Loyalitätsobliegenheiten zu beachten haben, ist dies bei den kirchlichen Arbeitgebern die Fürsorgepflicht gegenüber den kirchlichen Arbeitnehmern. Damit entsteht der Eindruck, als hätten die kirchlichen Arbeitgeber anders als die kirchlichen Arbeitnehmer keine Loyalitätspflichten gegenüber dem Sendungsauftrag zu erfüllen. Die Idee der Dienstgemeinschaft von kirchlichen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als gemeinsamem Dienst (wenn auch mit verschiedenen Rollen und Aufgabenstellungen) am Sendungsauftrag wird damit letztlich ad absurdum geführt. Es bedarf sicherlich noch mannigfacher Überlegungen zur genaueren Fassung von Loyalitätsobliegenheiten der kirchlichen Arbeitgeber gegenüber dem Sendungsauftrag der Kirche. Doch auch wenn dies noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, drängt nicht minder die Zeit, sich dieser Aufgabe zu stellen. Wie diese Aufgabe drängt, wird in unseren Tagen umso deutlicher, je mehr jene Verhaltensweisen von Vertretern der kirchlichen Arbeitgeberseite die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Handelns als Ganzes in Frage stellen und damit auch kirchliche Arbeitnehmer unverschuldet gesellschaftlich in schwere Bedrängnis bringen. Natürlich muss es dann bei einem solchen Klärungsprozess bezüglich der Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitgeber auch darum gehen, auszubuchstabieren was es bedeutet, wenn jene Arbeitgeber gegen die für sie relevanten Loyalitätsobliegenheiten verstoßen.

Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

Подняться наверх