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I. Kirchenautonomie und staatliche Rechtsordnung
ОглавлениеEs ist das Recht jeder Gruppe von Menschen, sich zu organisieren und für die Bewältigung ihrer internen Konflikte Wege vorzusehen, die sie für richtig halten. Sie können und werden sich dabei im Zweifel an den ideellen Prinzipien und Zielen orientieren, auf denen ihre Zusammengehörigkeit gründet. Diese Autonomie steht jedem Einzelnen, jeder Gruppe von Einzelnen, aber auch fester organisierten Einheiten zu, die sich aufgrund der Willensübereinkunft ihrer Mitglieder gebildet und am Leben erhalten haben. Im Rechtsraum ruht dieses Recht für das Individuum auf Art. 2 und Art. 9 und für die Organisation vielfach auch auf Art. 9 Abs. 1 und/oder Abs. 3 GG. Wegen der Verbindung organisatorischer Entscheidungen mit den die Organisation und ihre Mitglieder einenden Grundüberzeugungen wird vielfach auch die grundgesetzlich garantierte unverletzliche Freiheit des Glaubens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 GG) betroffen sein. Für die Kirchen tritt mit Art. 140 GG und dem dort inkorporierten Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) eine verfassungsrechtliche Absicherung der korporativen Dimension der Religionsfreiheit1 hinzu. Sie hebt die Religionsgesellschaften gegenüber den sonstigen Vereinigungen hervor und ist Grundlage für ein eigenständiges Recht der religiösen Vereinigungen.2
Für den dem staatlichen Recht verpflichteten Juristen eröffnet sich ein Arbeitsfeld, wenn die Gruppe oder Organisation für bestimmte Teilbereiche ihren allein durch die Binnenautonomie geprägten Raum verlässt und in den staatlichen Rechtskreis eintritt.3 An Autonomie gewohnte Personen oder Organisationen haben dabei typischerweise das sehr engagiert verfochtene Ziel, auch bei Kontakten nach außen ihre Autonomie und das autonom Geschaffene so weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Das schafft Probleme. Ein zweiter Aufgabenbereich wird eröffnet, wenn Gruppe oder Organisation in eine – nicht notwendig freiwillige – Berührung mit Trägern konkurrierender Rechte kommen. Kommt es dann zu Konflikten, bedarf es zunächst der Gewichtung der Rechtspositionen. Bei Gleichgewichtigkeit müssen die einander gegenüberstehenden Rechtspositionen miteinander abgeglichen werden. Ziel dieser Gedankenoperation muss es sein, die jeweils verfassungsrechtlich garantierten Rechte beiderseits möglichst weitgehend wirksam zu erhalten.4