Читать книгу DIE RESIDENZ IN DEN HIGHLANDS - Группа авторов - Страница 3

Lady Banshee de Lily
Ouvertüre

Оглавление

Eigentlich sollte ich Sie bitten, das Buch zuzuschlagen, es auf die Seite zu legen und nie wieder einen Blick hineinzuwerfen, aber da Sie nun schon einmal Geld dafür ausgegeben haben, wird meine Bitte aller Wahrscheinlichkeit nach ungehört verklingen. Dabei habe ich mich nicht umsonst an diesem Ort zur Ruhe gesetzt. Die Gegend in den schottischen Highlands, wo die Menschen so rau sind wie die Natur, ist weitestgehend verlassen und das kommt mir sehr entgegen. Ich darf nicht auffallen, denn sonst werden sie mich töten, ohne zu wissen, dass dieser Tod bei mir nur wenige Sekunden dauert. Sie werden mich, wie schon so oft, davonjagen, mir Schmähungen hinterherschreien und sich bekreuzigen, als wenn ich das Böse in Person wäre. Von den Bewohnern meiner Residenz droht keine Gefahr; niemand von ihnen hat den Aufenthalt je überlebt. Kaum einer aus der Dorfbevölkerung hat nachgefragt, wie es sein kann, dass die Lady hier schon so lange, mittlerweile weit über dreihundert Jahre, residieren kann. Nicht, dass wir uns falsch verstehen; selbstredend tue ich alles, was in meiner Macht steht, um zu verschleiern, dass es immer noch dieselbe Eigentümerin ist, aber es hätte jemandem auffallen können, wenn es ihn interessiert hätte. Bislang scheint das noch nicht der Fall gewesen zu sein, und mir ist sehr daran gelegen, dass es auch so bleibt.

Was? Sie finden, dreihundert Jahre sei eine sehr lange Zeitspanne für einen Menschen? Da mögen Sie recht haben, aber es ist nichts im Vergleich zu meinem wahren Alter. Vor langer Zeit war ich die Gattin eines Herbergsbetreibers in Nazareth und wir nahmen nicht jeden auf. Zu oft hatte man uns geprellt, bestohlen und betrogen. Ich hatte also keinerlei Gewissensbisse, als wir die Schwangere und ihren Mann, die so armselig auf einem Esel daherkamen, abwiesen, denn wir ließen sie ja im Stall nächtigen.

Hätte ich geahnt, wie mir dieses Entgegenkommen gelohnt werden würde, ich hätte mein eigenes Bett für sie hergegeben, aber wie heißt es so schön? Nachher ist man immer schlauer.

Eines Nachts erschien mir ein Engel und erklärte: »Du hast diesen Menschen in Not nicht geholfen …«

Ich wusste sofort, wen er meinte, und unterbrach ihn: »Ich habe sie beim Vieh übernachten lassen!«

»Du hast sie abgewiesen, obwohl ihr freie Zimmer hattet, du magst die armen Leute nicht, die nicht für ein Dach über dem Kopf zahlen können, ohne je darüber nachgedacht zu haben, was diese Menschen in diese Situation gebracht hat.« Er bemerkte, dass ich erneut versucht war, Einspruch zu erheben und wischte meinen Einwand mit einer Armbewegung fort. »Sag nichts, ich kenne deine Gedanken, mir kannst du nichts vormachen. Ich gebe dir nun Gelegenheit, deine Vorurteile abzubauen. Liebe jeden Menschen, jedes Wesen so, wie Gott es schuf, und wir werden uns wiedersehen.«

Ich habe meine Lektion wahrlich gelernt, lasse Menschen aller Hautfarben hier wohnen, nehme Wesen aus anderen Dimensionen auf, mache vor Schreckfiguren keinen Halt und biete sogar Fabelwesen Unterschlupf, aber diesen Engel habe ich nie wieder gesehen.

Als sich eines Tages ein Doktor Lazarus hier bewarb, sah ich das als Omen und stellte ihn selbstverständlich ein. Wir verstehen uns gut und treffen uns ab und an zu einem feinen Dinner, aber der Engel kehrte nicht zurück.

Inzwischen weiß ich, dass auch Doktor Lazarus länger lebt, als es der gemeine Mensch sonst zu tun pflegt, und so werden wir sicherlich noch eine Weile Weggenossen bleiben, aber ich bin mir sicher, dass auch er eines Tages von mir gehen wird. Wie jeder, den ich in meinem langen Leben kennengelernt habe.

Der dumme Mensch sehnt sich nach dem ewigen Leben, ohne auch nur eine annähernde Vorstellung davon zu haben, was es bedeutet. Es heißt nämlich endlose Müdigkeit und Verlust. Immer wieder Abschied nehmen. Ich habe versucht, meine Gefühle einzukerkern, damit das Scheiden nicht jedes Mal aufs Neue so schmerzt, aber in diesen Zeiten gesellte sich zur Müdigkeit und dem Schmerz noch eine tiefe innere Kälte, die mich zwang dieses Verhalten aufzugeben.

Ob es mir jemals gelingen wird, den Engel wiederzusehen weiß ich nicht, denn gestern erst habe ich eine Stechmücke erschlagen. Auch eine Schnake ist ein Geschöpf Gottes, das ich hätte ins Herz schließen sollen, aber wer von uns schafft es schon, eine Mücke zu lieben, die einen beißt und beißt?

Nun, da Sie schon einmal hier sind, schauen Sie sich um und fragen Sie sich, ob meine Toleranz und Hilfsbereitschaft gegenüber den merkwürdigsten Wesen mir nicht endlich Erlösung schenken sollte.


DIE RESIDENZ IN DEN HIGHLANDS

Подняться наверх