Читать книгу Weihnachtsgeschichten - Группа авторов - Страница 4
Sabine Ludwigs
ОглавлениеWeihnachtsregen
Es waren nur noch wenige Tage bis zum Heiligen Abend. Berit hockte schlecht gelaunt in ihrem Zimmer. Draußen wurde es langsam dunkel und es regnete, regnete und regnete. Die ganze Woche ging das schon so.
„Blöder Regen!“, meckerte Berit vor sich hin. „Nie schneit’s an Weihnachten!“
In diesem Augenblick klopfte es an der Fensterscheibe. Zuerst dachte sie an Regentropfen, doch dann sah sie, dass es ein Junge war. Seine Haare sahen aus wie dunkle Regenwolken, die Augen glitzerten wie Pfützen und er trug einen roten und einen gelben Gummistiefel. Um die Hüften hatte der Junge eine Trommel geschnallt, in den Händen hielt er die Stöcke dazu. Aber das Allerseltsamste war, dass er nicht nass wurde. Kein bisschen!
„Das ist ja wie im Märchen“, dachte sie, „haargenau wie in einem Märchen!“
Ein Leuchten und Flimmern lag in der Luft und die Weihnachtslichter in den Fenstern, die geschmückten Tannen in den Vorgärten, die Straßenlaternen – alles spiegelte sich auf den nassen Wegen. Regentropfen fielen wie silberne Sterne zur Erde, während der kleine Trommler sein Ta-da-daa-dammm spielte.
„Was tust du da?“, schrie Berit, damit er sie hören konnte.
„Ich trommele!“, rief er, ohne mit der Trommelei aufzuhören. „Hast du Lust mitzumachen?“
„Ich spiele keine Trommel“, antwortete Berit und setzte sich auf die Fensterbank. „Und auch kein anderes Musikinstrument.“
Er lachte: „Aber du kannst bestimmt singen, oder nicht?“
Immerhin, das konnte Berit. Doch leider, leider stellte sich bald heraus, dass sie immer nur den Anfang eines Liedes kannte.
Das hörte sich ungefähr so an: „Stihiille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, laaa la laaa.“
Oder: „Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all, mhmh mhm mm, mhmh mhm mm.“
„So geht das aber nicht!“, maulte der kleine Trommler und hörte auf zu trommeln. „Du musst noch sehr viel üben! Vielleicht klappt es beim nächsten Weihnachtsregen ja besser!“
Er drehte sich um und stapfte durch die spiegelblanken Pfützen davon. Und mit ihm verschwanden die Silbersterne, das Leuchten und auch der schimmernde Weihnachtsregen. Alles wurde düster und still.
Oh, wie war Berit da seltsam zumute! Genau so, als hätte sie ihr Lieblingsspielzeug verloren. Traurig schloss sie das Fenster. Später, im Bett, konnte sie nicht einschlafen, denn sie musste immer an den kleinen Trommler denken.
Am nächsten Tag hingen graue Wolken am Himmel, aber es regnete nicht und am Tag darauf auch nicht. Und als es kälter wurde, machte Berit sich sogar Sorgen, dass es anfangen könnte zu schneien.
Die ganze Zeit übte sie Weihnachtslieder. Morgens unter der Dusche und auf ihrem Schulweg, sogar beim Essen und während sie ihre Hausaufgaben machte, sang sie vor sich hin.
Doch der kleine Trommler kam nicht zurück und es regnete nicht einen einzigen Tropfen, nur einmal taumelten ein paar winzige Schneeflocken durch die kalte Luft.
Dann, am Abend vor Weihnachten, hörte Berit endlich das ersehnte Prasseln. Regentropfen schlugen auf Dächer, pochten gegen Fensterscheiben und klatschten auf Autos und Bürgersteige.
Berit presste ihre Nase gegen das Fensterglas. Draußen sah alles verschwommen aus. „Von wegen kleiner Trommler“, dachte sie enttäuscht. „Nur dämlicher Regen!“
Aber dann riss sie die Augen auf, denn einer der Regentropfen erstrahlte und leuchtete, als wäre er aus Mondlicht. Noch einer! Immer mehr und mehr fielen aus den Wolken.
Auf einmal hörte Berit etwas Phantastisches, Großartiges, Tolles, das sie ganz und gar kribbelig machte: die Schläge einer Trommel.
Ta-da-daa-dammm!
Schnell zog sie ihre Regenjacke an und rannte vor die Haustür.
Das Ta-da-daa-damm klang jetzt ganz nah. Und da stand der kleine Trommler mit den Regenwolkenhaaren, den Wasserpfützenaugen, einem roten und einem gelben Gummistiefel. Er war kein bisschen nass und lächelte Berit zu.
Der weihnachtliche Lichterschmuck in den Fenstern strahlte heller, die herausgeputzten Tannen in den Gärten, die Laternen – alles spiegelte sich in den Pfützen wie in einem Zauberspiegel und die Regentropfen fielen als winzige Sterne zur Erde. Es sah aus, als hätte jemand eine riesengroße Wunderkerze angezündet.
Mitten in dem Sternenschauer spielte der kleine Trommler „Ihr Kinderlein kommet“ und Berit sang dazu. Strophe um Strophe, Zeile für Zeile, ohne dass auch nur ein Wort fehlte. Bis in die Nacht sang sie zu dem Ta-da-daa-damm des kleinen Trommlers, egal, welches Lied er auch spielte.
Dabei war Berit eigenartig zumute, so als müsste sie gleichzeitig laut lachen und vor Freude weinen.
„Hoffentlich“, dachte sie, „hoffentlich fängt es nicht an zu schneien!“
Denn sie fand, dass Schnee zwar etwas Wunderbares war, aber nichts, wirklich gar nichts auf der Welt, war vergleichbar mit diesem wundersamen Weihnachtsregen.
Ta-da-daa-damm!