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6.2.3 Morphometrische Neuroanatomie
ОглавлениеMorphometrische Bildgebungsstudien kommen zu dem Ergebnis, dass während des frühen Kindesalters bei Probanden mit ASS das Gehirnvolumen eine deutliche Vergrößerung aufweist. Im Verlauf der Kindheit und Adoleszenz verringern sich die Volumenunterschiede jedoch wieder geringfügig.
Querschnittsstudien, die altersbezogene Veränderungen des cerebralen Wachstums untersucht haben, fanden komplexe Abweichungen im Wachstum des Cerebellums, des Cerebrums, in der Amygdala und auch Unterschiede im Hippocampus (Redcay u. Courchesne 2005). Bei der Geburt ist der durchschnittliche Kopfumfang von Patienten mit ASS annähernd normal (Courchesne u. Pierce 2005a). Bei 3–4-Jährigen mit ASS liegt die Größe des Gehirns bis zu 10% über der Durchschnittsgröße ihrer neurotypisch entwickelten Altersgenossen (Courchesne et al. 2001; Redcay u. Courchesne 2005; Sparks et al. 2002; Maier et al. 2015).
Bei den 6–7-Jährigen Patienten mit ASS zeigt sich nur noch ein geringer Anstieg der Gehirngröße, der ca. 5% über dem Durchschnitt liegt. Die Studienlage ist jedoch heterogen. Während bei Adoleszenten und jungen Erwachsenen mit höherem IQ tatsächlich ein Rückgang der Volumina festzustellen ist, bleiben bei Jugendlichen mit niedrigem IQ Gehirnvolumen, graue und weiße Substanz erhöht (Freitag et al. 2009). Ein möglicher Grund für die erhöhten Volumina bei Kindern ist die nicht oder nicht ausreichend erfolgte Reduktion von Neuronen (Pruning), die bei neurotypisch Entwickelten im ersten und zweiten Lebensjahr erfolgt. Auch diese Daten sprechen dafür, dass es bezogen auf das Hirnwachstum einen ASS-Phänotyp gibt (DiCicco-Bloom et al. 2006).
Aus histologischer Sicht lässt sich die Vergrößerung des Hirnvolumens auf einen Anstieg grauer und auch weißer Substanz zurückführen (Courchesne et al. 2001), die sowohl cerebral als auch cerebellär festzustellen ist. Dagegen findet sich im cerebellären Vermis, der überwiegend aus grauer Substanz besteht, eine verringertes Volumen (Courchesne et al. 2001; Hashimoto et al. 1995; Kaufmann et al. 2003).
In einer MRT-Studie zeigte sich, dass das Volumen des Cerebellums von Personen mit ASS in inverser Beziehung zum Volumen des Frontallappens steht, also ein größeres Volumen im Frontallappen mit einem kleineren Volumen des Cerebellums vergesellschaftet war. Im Besonderen fand man eine geringere Anzahl von Purkinje-Zellen in Bereichen des Vermis, die auditive und visuelle Informationen aus dem Kortex erhalten.
Die Ursache für die inverse Beziehung zwischen Kleinhirn und Frontallappen wird in einem genetischen Defekt vermutet, der zu einer konkurrierenden Dysfunktion sowohl in den Frontallappen als auch im Cerebellum führt. Pränatale Veränderungen im Cerebellum führen dann zu sekundären Veränderungen im Frontallappen.
Mit der Technik der Magnetresonanzspektroskopie (MRS) ist es möglich, regionenspezifische Konzentrationen neuronaler Moleküle wie N-Acetyl-Aspartat (NAA), Kreatin und Myo-Inositol zu ermitteln. Eine MRS-Studie fand bei Kindern mit ASS geringere Konzentrationen von N-Acetyl-Aspartat (NAA). NAA ist ein für die Lipid- und Myelin-Synthese wichtiges neuronales Substrat, dessen verringerte Konzentration mit defizitärer neuronaler Funktion und insbesondere Einschränkungen der Funktion des Cerebellums einhergeht (Chugani et al. 1999). Jüngste Untersuchungen der Freiburger Forschergruppen konnten im anterioren Cingulum indirekte neurochemische Hinweise auf eine neuronale Instabilität nachweisen. Dies wurde als Unterstützung der Exzitation-Inhibition-Dysbalance-Hypothese zum Autimus gewertet. Diese geht davon aus, dass eine entwicklungsbedingte Instabilität der neuronalen Netzwerke eine strukturell-konnektivistische Neuorganisation des Gehirns induziert, die dann Grundlage bzw. Korrelat des autistischen kognitiven Stils ist (Tebartz van Elst et al. 2014 a/b).
Auch das Corpus Callosum (Balken), das die beiden Hemisphären des Gehirns miteinander verbindet, also für die Konnektivität zwischen verschiedenen Hirnregionen und für die Synchronisation neuronaler Aktivität zuständig ist, weist bei Personen mit ASS eine Reduktion des Volumens auf. In einer post-mortem Studie wurde die neokortikale Zytoarchitektur von 2-15-jährigen Kindern mit und ohne Autismus unter Zuhilfenahme hoch-selektiver molekularer Marker untersucht. Die Ergebnisse machen deutlich, dass in den Gehirnen der Autismus-Gruppe abgegrenzte Bereiche des präfrontalen und temporalen Kortex eine abweichende und desorganisierte Struktur der Zellschichten aufweisen, die auf eine abweichende Genexpression zurückzuführen ist (Stoner et al. 2014).
Bei Personen mit hochfunktionalen ASS zeigten sich in einer Studie zur Messung der kortikalen Dicke des Frontal-, Parietal- und Temporallappens im inferioren frontalen Gyrus, im medial parietalen Kortex und im superioren temporalen Sulcus Unterschiede zu neurotypischen Probanden. Diese Regionen zeigten eine geringere kortikale Dicke, die mit dem Schweregrad der autistischen Symptome korrelierte. Es wurde vermutet, dass diese anatomischen Abweichungen mit den sozialen und emotionalen Defiziten bei ASS in Zusammenhang stehen, da diese Regionen auch als Teil des Spiegelneuronensystems betrachtet werden, das wiederum mit sozialer Kognition in Verbindung gebracht wird (Hadjikhani et al. 2006).