Читать книгу Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter - Группа авторов - Страница 67
6.2.4 Funktionelle Neuroanatomie
ОглавлениеMithilfe von Verfahren der funktionellen Bildgebung wie zum Beispiel der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) können physiologische Aktivitäten des Gehirns ermittelt und dargestellt werden. Für die ASS von besonderer Bedeutung sind hier das Cerebellum, der Frontalkortex und der Temporallappen.
Das Cerebellum dient der Regulation und Abstimmung aufeinanderfolgender Bewegungen, es ist involviert in Prozesse des prozeduralen Lernens, der Emotionen, des Denkens sowie der Aufmerksamkeit und der Aufmerksamkeitsverschiebung. Das Cerebellum empfängt Projektionen vom Kortex und den meisten sensorischen Systemen, es integriert diese Informationen und projiziert diese an alle wichtigen motorischen Systeme, an den Thalamus und in einige sensorische Bereiche des Kortex. Cerebelläre Dysfunktionen bei ASS zeigen sich in beeinträchtigten motorischen Funktionen, in der Sprache und in der kognitiven Funktionsfähigkeit. Defizite in diesen Funktionen stehen möglicherweise im Zusammenhang mit repetitiven und restriktiven Verhaltensweisen und mit Schwierigkeiten bei der Aufmerksamkeitsverlagerung, die wiederum zu Schwierigkeiten bei der gemeinsam geteilten Aufmerksamkeit (joint attention) und zu Defiziten in der Entwicklung der Theory of Mind führen.
Die Funktion des frontalen Kortex liegt – aufgrund seiner hohen bidirektionalen Verschaltung mit den meisten anderen Hirnregionen – vor allem in der Integration von motivationalen und emotionalen Aspekten sowie sensorischen Informationen über die Umwelt. Des Weiteren reguliert der Präfrontalkortex die sogenannten exekutiven Funktionen. Dazu gehören das Arbeitsgedächtnis, die Inhibition, Planungsleistungen, Set-Shifting, kognitive Flexibilität, Orientierung und Aufmerksamkeitsverschiebung – Funktionen, die alle bei ASS beeinträchtigt sind (Hughes et al. 1994; Ozonoff et al. 1991). Fombonne (2005) geht davon aus, dass die Ursache für die Einschränkungen der exekutiven Funktionen, die bei 40–70% der Personen mit ASS feststellbar sind, im Bereich des Frontallappens verortet werden kann.
Der Frontallappen ist auch eine der neuronalen Regionen, die im Zusammenhang mit Sprache stehen. Insbesondere der inferiore Präfrontallappen mit dem Sprachproduktion modulierenden Broca Areal ist involviert in die – bei vielen Menschen mit ASS auftretenden – Kommunikationsprobleme. Diese erstrecken sich von einem völligen Fehlen von Sprache bis hin zu Schwierigkeiten mit pragmatischen Aspekten der Sprache.
Der Orbitofrontalkortex scheint bei typisch Entwickelten eine Rolle für die soziale Kognition und im speziellen für die Theory of Mind zu spielen (Anderson et al. 1999). Personen mit ASS haben häufig Schwierigkeiten in diesen Bereichen.
Weiterhin wird der inferiore Frontalgyrus als Teil des Spiegelneuronensystems gesehen. Diese Region ist während Imitationen (Iacoboni et al. 1999), der Betrachtung von Bewegung (Johnson-Frey et al. 2003) und dem Verstehen von Intentionen anderer aktiv (Iacoboni 2005). Auch hier zeigen Personen mit ASS Defizite in Aufgaben, die diese Bereiche betreffen.
So zeigten bei Untersuchungen des inferioren Gyrus frontalis Personen mit ASS im Vergleich zu Kontrollprobanden bei der Beobachtung und Imitation emotionalen Ausdrucks eine geringere Aktivität in der Pars opercularis. Außerdem stand die Aktivierung dieser Region umgekehrt proportional in Beziehung zu der Schwere der Autismus-Symptomatik (Dapretto et al. 2006).
Die Funktionen des Temporallappens betreffen die auditive Wahrnehmung, das Gedächtnis, Objektpermanenz und rezeptive Sprache. Der Temporallappen steht aber auch in direktem Zusammenhang mit Funktionen der sozialen Kognition. Hierzu gehören die gemeinsame Aufmerksamkeit (joint attention), die Beobachtung von Handlungen anderer und Empathie (Schultz 2005).
Die Region des superioren temporalen Sulcus (STS) spielt eine wichtige Rolle für die Wahrnehmung sozialer Interaktion: Er ist an der Repräsentation und Vorhersage der Handlungen und sozialen Intentionen anderer Menschen beteiligt. Dies geschieht mittels Analyse von Hinweisreizen biologischer Bewegung.
Eine diesbezüglich sehr relevante Information zur sozialen Kognition erfolgt aus der Verarbeitung von Gesichtern und deren emotionaler Expressivität, die ebenfalls mit dem STS, dem fusiformen Gyrus, der Amygdala und Teilen des Frontalkortex in Verbindung gebracht wird. Die bei ASS auftretende Dysfunktion des STS sowie die verminderte Konnektivität zwischen dieser Region und anderen für soziale Kognition relevanten Strukturen, wie Gyrus fusiformis und Amygdala gehen mit der Schwierigkeit einher, adäquat Gesichter und Emotionsausdruck zu verarbeiten und spielen eine wesentliche Rolle in der Pathophysiologie der Defizite sozialer Wahrnehmung bei ASS.