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Vorwort

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Der vorliegende Band »Frühe Kindheit« eröffnet die Reihe »Diversity, Migration und Bildung«.1 Unter einer diversitätssensiblen und diskriminierungskritischen Perspektive präsentiert die Reihe, die sich in der Abfolge der Bände an einer gedachten Bildungsbiographie über die verschiedenen Lebensphasen hinweg orientiert, aktuelle Forschungsergebnisse und Konzepte der Bildung im Kontext von Diversity und Migration. Mit Diversity, Migration und Bildung werden dabei nicht drei voneinander unabhängige Analysekategorien, Dimensionen und Felder in den Blick genommen, sondern uns interessiert gerade die Interdependenz dieser drei Beobachtungsschwerpunkte. Sie bildet den verbindenden theoretischen Bezugsrahmen der in den einzelnen Bänden versammelten Aufsätze. Die Autor*innen mit ihren unterschiedlichen Forschungs- und Praxisperspektiven leuchten diese Interdependenz jeweils spezifisch, am Beispiel unterschiedlicher Gegenstände (in diesem Band etwa bezogen auf die Zusammenarbeit mit Eltern, sprachliche Bildung, religiöse Pluralität oder Kindermedien), aus. Auf diese Weise wird den Leser*innen ein Einblick in vielfältige aktuelle Diskurse über theoretische und empirische Zugänge, Methoden und Konzepte von und zu Bildung im Kontext von Diversity und Migration geboten. Gleichwohl kann und will nicht der Anspruch erhoben werden, das gesamte mögliche Spektrum an Aspekten, die bezogen auf Bildung im Kontext von Diversity und Migration in den jeweiligen Lebensphasen denkbar wären, abzudecken.

Bildung wird von uns dabei im umfassendsten Sinne der Bedeutung dieses Wortes als pädagogisches Konzept verstanden, das Zielvorstellungen, Prozesse und Ergebnisse von Sozialisation, Erziehung, Lernen und (in Band 1 bezogen auf Kita und Grundschule) auch Unterricht umfasst. Bildung in diesem Sinne zielt auf die Entwicklung von Handlungs- und Urteilsfähigkeit ab und vermittelt zentrale Grundlagen für eine aktive und selbstbestimmte Partizipation an einer von Pluralismus geprägten, demokratisch verfassten Gesellschaft (vgl. Horlacher 2010, S. 61; Reichenbach 2010, S. 87).

Diversity steht als Analysekategorie zum einen für die Mannigfaltigkeit der gesellschaftlich wirksamen Differenzlinien und die Heterogenität individueller und kollektiver Identitäten bzw. ihrer historischen und aktuellen gesellschaftlichen Konstruktionen, etwa bezogen auf soziale Herkunft, Ethnizität, Religion, Sprache, sexuelle Orientierung, Behinderung, Alter, Geschlecht etc. Mit der Verwendung des Diversity-Begriffs (anstelle von Diversität) richten wir den analytischen Blick jedoch nicht verkürzt auf Diversität als einfache Beschreibung von Vielfalt, als fraglos gegeben in ihren verschiedenen Ausprägungen, sondern auf die Komplexität und Interdependenz im Sinne von intersektionaler Wirksamkeit von Diversitätsdimensionen für Identitätskonstruktionen, Zugehörigkeitsordnungen, Selbst- und Fremdzuschreibung. Dabei interessieren wir uns nicht zuletzt für historisch bedingte und gesellschaftlich verankerte hierarchische Kategorisierungen entlang von Diversitätsmerkmalen. Damit schließt unser Verständnis von Diversity an macht- und herrschaftskritische Ansätze an, mit denen eine besondere Aufmerksamkeit der Frage gewidmet wird, weshalb bestimmte soziale, kulturelle, sprachliche oder religiöse Orientierungen und Zugehörigkeiten von Individuen z. B. im Bildungssystem mit Benachteiligung, Diskriminierung und Exklusionen einher gehen, während andere Zugehörigkeiten privilegiert werden.

Gerade Formen migrationsbedingter Diversität, die einen thematischen Fokus dieser Reihe darstellt, können durch nach wie vor gängige und simple Unterscheidungen, etwa zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund, Mehrheitsgesellschaft und Minderheit, nicht angemessen erfasst werden. Um die gesellschaftliche Realität in einer hoch diversifizierten deutschen Migrationsgesellschaft zu beschreiben, bedarf es komplexerer Kategorien, wie sie etwa die Diversityforschung bereithält (vgl. Georgi 2018).

Migration, die unsere Gesellschaft und ihre Bildungsinstitutionen grundlegend prägt und maßgeblich zur Diversifizierung der Gesellschaft beiträgt, bildet den zentralen theoretischen und bildungspolitischen Verweisungszusammenhang der Reihe. Migration ist in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung allgegenwärtig in städtischen und ländlichen Regionen. Dies drückt sich aus etwa in Form der Zunahme von Mobilitätserfahrungen, von transnationalen Lebensentwürfen und damit verbunden in der alltäglichen Erfahrung religiöser, sprachlicher und kultureller Vielfalt. Alle heute in Deutschland lebenden und aufwachsenden Menschen sind je spezifisch von den Wirkungsweisen und Auswirkungen von Migration als die Gesellschaft transformierender Tatsache betroffen. Im Bildungserwerb über die Lebensspanne hinweg spielen unterschiedliche formale, informelle und non-formelle Bildungsinstitutionen und -instanzen eine spezifische Rolle, welche in der Reihe systematisch ausgelotet werden soll. Dabei geht es beispielsweise um die Erfahrung und Förderung von Selbstwirksamkeit und gesellschaftlicher Teilhabe, von Wissenserwerb und Sozialisation, um spezielle oder allgemeine Zugänge von Institutionen im Umgang mit Migration, um die Auseinandersetzung mit Identitätskonstruktionen und Fragen nach Selbstermächtigung und Vergemeinschaftung, um Erfahrungen von Zugehörigkeit und Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus im Kontext von Bildung und Bildungsinstitutionen (vgl. dazu auch Mecheril et al. 2016; Gogolin et al. 2018).

Migration als die Gesellschaft transformierendes Faktum wird noch immer als besondere Herausforderung für die Bildungsinstitutionen und -instanzen von der Kita bis zur Hochschule beschrieben. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass das weitgehend an nationalen Paradigmen orientierte Bildungssystem und die Regierungspolitik, die bis weit in die 2000er Jahre hinein die Entwicklung Deutschlands zu einer Einwanderungsgesellschaft negiert hat, lange versäumt haben, die notwendigen, mit Migration einhergehenden Veränderungen auch strukturell und inhaltlich in die Wege zu leiten (Karakaşoğlu 2014). Im Ergebnis formulieren auch heute noch die im Handlungsfeld Bildung tätigen pädagogischen Fachkräfte nicht selten Probleme damit, den Umgang mit Diversity in ihr professionelles Selbstverständnis zu integrieren und Migration als Normalfall zu betrachten (Doğmuş et al. 2016). Auch der Thematik der pädagogischen Professionalität und Professionalisierung in der Migrationsgesellschaft soll daher in der Reihe durchgehend Rechnung getragen werden. Jeder Band endet mit einem englischsprachigen Originalbeitrag, der exemplarisch für transnationale Perspektiven auf das Thema aktuelle empirische Forschungsergebnisse zu einem spezifischen nationalen Kontext präsentiert. Die Entscheidung, diesen Beitrag nicht ins Deutsche übersetzen zu lassen, beruht auf der Überlegung, dass jede Übersetzung eine Interpretation bedeutet und wir in die Autonomie nicht deutschsprachiger Autor*innen nicht eingreifen wollen.

Wie alle Bände dieser Reihe richtet sich auch dieser Band an vielfältige Zielgruppen. In diesem Fall sind dies Pädagogik-Studierende, in Einrichtungen der frühen Bildung sowie an Grundschulen tätige pädagogische Fachkräfte und Lehrer*innen, Mitarbeiter*innen in der Bildungsadministration und Bildungspolitik sowie alle am Thema Interessierte.

1 Unser besonderer Dank gilt Caroline Schäfer, die als studentische Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung an der Universität Bremen alle Phasen der Entstehung dieser Buchpublikation mit großem Engagement, klugen Ideen und themenbezogenem Sachverstand maßgeblich unterstützt hat.

Bildung in früher Kindheit

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