Читать книгу Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care - Группа авторов - Страница 6

Оглавление

Vorwort

Die schwerstkranke, palliative und sterbende Person hat besondere Bedarfe, vor allem wenn es darum geht, die Lebensqualität der »Ressource Alltagsbewältigung« bei langen palliativen Phasen, die sie immer wieder in der eigenen Häuslichkeit verbringen möchte, wieder zu erreichen oder zu erhalten. Die Aktivierend-therapeutische Pflege bildet dafür die Grundlage und hat auch im palliativen Setting ihre Daseinsberechtigung zur Vermeidung oder Reduzierung einer zu frühen Pflegebedürftigkeit zum Ziel. ATP findet von der Geburt bis zum Tod inkl. der Sterbephase Anwendung und kann deshalb sowohl in den Akutkrankenhäusern als auch in allen Rehakliniken, Einrichtungen der Altenhilfe, der Häuslichkeit und in allen Belangen der palliativen Versorgung nicht nur notwendig, sondern auch sehr indiziert sein.

Definition Aktivierend-therapeutische Pflege

»Aktivierend-therapeutische Pflege (ATP) ist ein sektorenübergreifendes, altersunabhängiges, pflegerisches Angebot von dazu qualifizierten Pflegenden. ATP fördert ressourcenorientiert die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Teilhabe einer Person und ist an deren Lebenssituation und Lebensumfeld angepasst.« DGATP e. V. (Schumann 2018)

Auch die tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen, wie z. B. die Aufhebung der Großfamilie, kann zu Versorgungsproblemen und zur Vereinsamung sterbenskranker Personen führen. Dadurch, dass Generationen auseinanderdriften, bedarf es auch im palliativen Setting besonderes Verständnis, weil die verschiedenen Lebenserfahrungen und Wertevorstellungen aufeinandertreffen. Dies führt oftmals zu Kommunikationsmissverständnissen zwischen sterbenskranken, palliativen Personen und Menschen, die sich in diese Situation nicht oder nur schwer hineinversetzen können. Palliative Personen befinden sich in extremen Lebenssituationen. Dabei hat auch die ältere »Personenklientel« – im Alter sterben die meisten Personen – sehr genaue Vorstellungen, Wünsche und Erwartungen an den Umgang mit ihnen (Bartels 2011/12).

Insgesamt stellt uns die Palliative Care durch die gesellschaftlichen Veränderungen und Erwartungen an die selbstbestimmte Teilhabe und Selbstbestimmung, wie sie im § 1 SGB IX beschrieben sind, vor neue oder veränderte Herausforderungen der Bedürfnisse. Dies stellt uns nicht nur in Hinsicht auf Finanzierung der Sozialversicherungssysteme, sondern auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches und »produktives palliatives Leben und Sterben« – egal in welcher Umgebung – vor gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen.

Hinzu kommen die zukünftigen knappen Reserven der qualifizierten Pflegenden: »Laut der Analyse würden im Jahr 2035 rund 270.000 Arbeitskräfte fehlen, berichtete das BIBB …«1. Leider sind viele Pflegende der Palliativpflege nicht in der ATP-P qualifiziert, obwohl dieses Konzept sowohl palliative Personen als auch Pflegende schont und schützt ( Kap. 20).

Die schwerstkranken, palliativen und/oder sterbenden Personen haben besondere Bedarfe. Die oft in ihrer Funktion eingeschränkte und gefährdete Selbstversorgung, -bestimmung und demnach Selbstständigkeit im palliativen Setting bedingt eine helfende Unterstützung bis zur medizinischen Behandlung. Unter Beachtung der individuellen noch vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der palliativen Person sowie aktueller gesundheitlicher Einschränkungen stehen insbesondere das (Wieder-)Erlangen und Erhalten von Alltagskompetenz (Lebensqualität) im Mittelpunkt. Das Zitat von Cicely Saunders gilt immer für alle Personen in diesem Kontext: »Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.«2

Um den besonderen Bedarfen gerecht zu werden, wurden auch für die Palliativversorgung in einem Krankenhaus sog. Komplexbehandlungen mit Mindestmerkmalen eingeführt ( Kap. 1). Dort stand bislang in beiden Versionen (OPS 8-982 und 8-98e) ein Hinweis auf eine aktivierende und/oder therapeutische Pflege. Ab 2020 fehlen diese Mindestmerkmale beim OPS 8-982. Das kann verheerende Folgen haben.

Die Aktivierend-therapeutische Pflege bildet laut der Definition der DGATP die Grundlage für die Lebensqualität bis zum Tod. Pflege mit dem therapeutischen Pflegeziel, eine palliative Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu reduzieren, kann nur im Interesse aller Beteiligten liegen. Dabei sind und bleiben die wichtigsten Ressourcen für die palliativen Personen die Pflegenden. Einerseits ist nicht davon auszugehen, dass die Pflege in den Palliativbereichen (stationär und ambulant) vom Pflegenotstand verschont bleibt. Andererseits führt eine notwendige Vielfalt/Anzahl an Pflegekräften besonders in den sich immer weiterverbreitenden palliativen Disziplinen zu hohen Personalkosten. Damit die palliative Pflegequalität auf hohem Niveau und die palliativen Pflegetätigkeiten bezahlbar bleiben, sind diese strukturiert beschriebenen ATP-P-Artikel ein wichtiger Impuls für eine veränderte Pflegesicht und deren Aufgabenverteilung. So ist es uns ein Anliegen, die oft praxisbezogenen Inhalte von teilweise Altbewährtem mit neuem Wissen und vorrangig aktivierend-therapeutisch-palliativen Ansätzen zu kombinieren.

Unser Dank gilt den Autor*innen3, die mit viel Engagement die Artikel geschrieben haben, um sie zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Auch bekamen wir von vielen Bekannten, Freund*innen und (ehemaligen) Kollegen*innen Unterstützung und guten Rat. Auch ihnen ein herzliches Dankeschön!

In diesem Sinne hoffen wir, dass Sie, liebe Leser*innen, etwas von dem Wissen, dem Know-how und den Erfahrungen aus diesem Buch in Ihre alltägliche Arbeit einfließen lassen können!

Friedhilde BartelsSarah Eschmannim September 2021

Literatur

Bartels, F. (2011/2012) Nicht dem Leben im Krankenhaus mehr Tage – sondern den Tagen im Krankenhaus mehr Leben geben, in: Janßen, U., Blum, K. (Hrsg.), DKI- Barometer Krankenhaus 2011/2012

Schumann, S. (2018) Was ist Aktivierend-therapeutische Pflege?, Deutsche Fachgesellschaft Aktivierend-therapeutische Pflege e. V. (Hrsg.) https://www.dgatp.org/definition-atp, Zugriff 3.7.2019

o. A.: Bundesinstitut prognostiziert »große Herausforderungen« für Pflege

www.bibliomed-pflege.de/news/30903-bundesinstitut-prognostiziert-grosse-herausforderungen-fuer-pflege, erschienen und Zugriff 13.2.2017

https://gutezitate.com/zitat, Zugriff 14.2.2021

1 www.bibliomed-pflege.de/news/30903-bundesinstitut-prognostiziert-grosse-herausforderungen-fuer-pflege, erschienen 13.2.2017

2 https://gutezitate.com/zitat/234984, Zugriff 13.2.2021

3 In diesem Herausgeberband wird hinsichtlich der Pluralformen der »Gender-Stern« oder die neutrale Form genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care

Подняться наверх