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Alles fließt

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Wasser ist das zentrale Element unseres Planeten. Es prägt sein Antlitz und das Leben seiner Bewohner. Und das beinahe vom Anbeginn der Zeit. Auch wir sind Wasserwesen, deren Körper und Kultur ohne Wasser undenkbar wären. Eine Betrachtung über Dihydrogenmonoxid.

Aus dem graublauen Meer schiebt sich eine Welle auf den Strand. Sie bäumt sich, um schließlich zu brechen. Mit einem Geräusch, so schwer zu beschreiben und doch so vertraut. Das Meeresrauschen verzaubert seit Alters her die Menschen. Trotz Seekrankheit und Kälte und Todesgefahr. Das Meer, ja das Wasser schlechthin zieht uns an. Ist ein Versprechen und eine Garantie, dass das Leben weitergeht.

Unser Planet wird von Wasser geprägt. Aus dem Weltall sieht er aus wie eine wunderbare, blaue Murmel. Mehr als 70 Prozent seiner Oberfläche sind von Wasser bedeckt. Die Menge ist beachtlich: 1.385.984.600.000.000.000.000 Liter, also rund 1,4 Milliarden Kubikkilometer. Der kleinste Teil davon ist trinkbar, aber Wasser bestimmt in jeder Form unser Leben.

Das war bei der Geburt der Erde noch nicht absehbar. Als die Erde vor rund 4,6 Milliarden Jahren entstand, gab es zwar eine Protoatmosphäre. Sie hatte aber keinerlei Ähnlichkeit mit der freundlichen Lufthülle von heute. Der ganze Planet war eher Hölle als Himmel, eine Welt aus Feuer, auf die zahllose herumvagabundierende Himmelskörper aus dem noch jungen Sonnensystem eindroschen. 180 Grad war es an der Oberfläche heiß und umgeben war das irdische Inferno von einer Mischung aus Wasserstoff, Helium, Ammoniak, Methan und einigen Edelgasen. Ein Mensch hätte nicht einmal lange genug überlebt, um zu husten.

Zur Frage, wie das Wasser auf die Erde gekommen ist, gibt es zwei Hypothesen. Die einen glauben, das Wasser war schon beim ersten Zusammenklumpen der Ur-Erde da. Die anderen halten ein späteres Hinzufügen des Wassers für schlüssiger.

Gegen die Idee der Grundausstattung mit Wasser spricht, dass es in dem Bereich, in dem die Ur-Erde sich formte, sehr warm war. Die Sonne kochte eventuell vorhandenes Wasser aus allem, der Sonnenwind blies es davon. Deswegen hat momentan die andere Theorie die Nase vorn. Danach kam das Wasser vom Himmel in Form eines Bombardements mit Kometen und Asteroiden. Diese Himmelskörper bestehen mitunter zu großen Teilen aus Eis und schleppen ihre nasse Fracht aus den kalten Tiefen des Sonnensystems Richtung Zentrum. Man glaubt, dass viele Einschläge im Laufe der Äonen die Menge Wasser zusammengebracht haben, bezogen auf die gesamte Masse der Erde rund zwei Prozent. Jedenfalls scheint klar zu sein, dass das Wasser in kosmischen Zeithorizonten bald auf der Erde war. Denn es findet sich sogar im Mondgestein und der wurde ja bekanntlich vor 4,5 Milliarden Jahren von einem marsgroßen Himmelskörper aus der Erde geschlagen.


Lebendiges Formenspiel: Struktur einer Eisschicht

Auf der jungen Erde kehrte fast so etwas wie Ruhe ein. Mit der Zeit wurden die Einschläge aus dem Weltall weniger, die Erde kühlte sich langsam ab. Doch das Lebensfeindliche regierte noch die Welt, denn immer wieder brachen Vulkane aus und die innere Gestalt der Erde wandelte sich. Dadurch gewannen in der Atmosphäre andere Gase und Verbindungen die Oberhand. Vor vier Milliarden Jahren bestand unsere Lufthülle dann zu gut 80 Prozent aus Wasserdampf. Nur die Hitze verhinderte, dass der Wasserdampf nicht kondensierte und herunterfiel.

Noch ein anderer Mitspieler hatte seine erste wichtige Rolle: Kohlendioxid. Das Gas entstand bei den Vulkanausbrüchen, machte bald zehn Prozent der Lufthülle aus. Der Rest verteilte sich auf Schwefelwasserstoff, Stickstoff, Wasserstoff. Gekratzt hat das niemanden, denn es gab nicht einmal den Urahn einer Amöbe, der das hätte registrieren können.

Irgendwann war die Erde kühl genug, dass die Atmosphäre einen wichtigen Schritt tun konnte. Der Wasserdampf bildete Wolken, Gewitter ungeheuren Ausmaßes entluden sich und die Sintflut brach herein. Schätzungsweise 40.000 Jahre lang regnete es ununterbrochen. Die Meere füllten sich kilometerhoch und ließen Urkontinente zu Inseln werden. Als am Ende die Sonne wieder am Horizont auftauchte, spiegelten die neuen Ozeane ihr Licht. Der Regen hatte außerdem Unmengen CO2 in die Meere gespült und so deren pH-Wert verändert. Vereinfacht gesagt wurde aus den Meeren Sprudelwasser mit Kohlensäure. Die Meere rauschten und immer noch bekam es niemand mit.

Doch das war der Cocktail, in dem Leben entstehen konnte. Klar ist: Ohne den Regen und das ausgewaschene CO2 hätte es keine Ursuppe gegeben. Ohne Wasser kein Leben.

Es ist schwer zu verstehen, wie in einer unbelebten Welt plötzlich Leben sein kann. Der Glaube an eine Urzeugung oder an eine wie auch immer geartete Schöpfung durch eine göttliche Entität ist ja etwas aus der Mode gekommen. Doch das ist entschuldbar. Denn uns Menschen ist eben nur ein eingeschränktes Verständnis für Zeit mitgegeben. Ein Gott oder ein fliegendes Spaghettimonster ist eine Krücke, das Unbegreifliche begreifbar zu machen.

Unser Horizont geht bis in die letzte, die vorletzte Generation. Aber alles jenseits der Ur-Ur-Väter versinkt im Diffusen, ist hinter dem Schleier der Vergangenheit kaum auszumachen. Für uns als Lebewesen, das nur den Staffelstab an die nächste Generation weitergeben muss, ist ein umfassendes Verständnis von Zeit im Prinzip auch gar nicht notwendig.


Eine Welle bricht sich im Pazifik am Riff vor der Insel Yap, Mikronesien

Und so sind tausend Jahre, 500.000 oder eine Millionen Jahre merkwürdig unfassbar für uns. Es sind lange, sehr lange Zeiträume. Da kann einiges passieren. Eine Milliarde Jahre bieten viele Gelegenheiten, in der chemische Elemente sich zusammenfügen, sich ausprobieren können. Mitunter fördern Kristalle und Minerale die Entstehung bestimmter Moleküle. Und das Wasser ist wie geschaffen, um zum Geburtshelfer des Lebens zu werden.

Lange Jahrmillionen passierte aber nicht viel in der Ursuppe. Während Elemente sich zu neuen Molekülen verbinden, bleibt uns genug Zeit, sich mit der besonderen Struktur des Wassers genauer zu beschäftigen. Wasser ist der erstaunlichste Stoff unserer Welt. Nur Wasser kommt in der Natur in drei Aggregatzuständen vor; es kann Dampf sein, fließen oder zu Eis erstarren. Sein Molekül aus zwei Atomen Wasserstoff und einem Atom Sauerstoff hat eine besondere, zweipolige Geometrie. Diese Bipolarität ermöglicht es, dass sich Stoffe gut in Wasser mischen lassen. Obendrein stehen Protonen, also positiv geladene Teilchen aus dem Wasser, für Reaktionen zur Verfügung.

Wasser ist zudem genau in dem Temperaturbereich flüssig, in dem organische Verbindungen – und seien sie noch so simpel – stabil sind. Es kann Wärme ableiten und Wärme halten; es gleicht Temperaturen aus.

Ganz klar ist bislang noch nicht, auf welchem Wege sich größere organische Moleküle gebildet haben. Unterm Strich läuft es aber darauf hinaus, dass kürzere Verbindungen sich zu längeren gekoppelt haben oder gekoppelt wurden. Solche Verbindungen haben schließlich kleine Kammern gebildet, die wiederum andere Moleküle aufnahmen oder abbauten. Von da an ist es zur Arbeitsteilung einer Zelle nicht mehr weit. Und alles das musste im Wasser geschehen.

Heute gilt Luca (Last Universal Common Ancestor) als letzter gemeinsamer Vorfahr aller Lebewesen. Damals, irgendwann im späten Hadaikum, ist demnach die Geburtsstunde des Lebens. Das war vor mindestens 3,5 Milliarden Jahren. Adam und Eva waren noch weit entfernt, aber immerhin – der erste Schritt war getan. Wieder gingen lange Jahre ins Land. Das Leben entwickelte sich im Urozean quälend langsam.


Ein Gewittersturm in Colorado sendet Blitze aus dem Himmel zur Erde

Erst kürzlich fanden Forscher in der Sahara, in einer 1,1 Milliarden Jahre alten Gesteinsschicht, rosa Sand, der auf Cyanobakterien hindeutet. Diese einfachen Bakterien kannten schon den Kniff, mit Hilfe von Sonnenlicht Energie zu gewinnen. Die rosa Pigmente sind Teil des Chlorophylls, also des Stoffs, dessen sich auch moderne Pflanzen bedienen.

Ausgerechnet diese einfachen Organismen haben zu einem Massenaussterben und zugleich zu einem Schub für die Evolution geführt: Als Abfallprodukt ihres Stoffwechsels entstand freier Sauerstoff, der sich in der Atmosphäre und im Wasser anreicherte und unglücklicherweise für viele Organismen des Zeitalters giftig war.

Vom ersten Funken des Lebens sollten aber noch einmal ein bis zwei Milliarden Jahre vergehen, bis die ersten Organismen auftauchten, die aus mehreren Zellen bestanden. Vor 600 Millionen Jahren war es dann so weit, die ersten Vielzeller tauchten auf. Dann ging es Schlag auf Schlag, das Leben nahm Fahrt auf. Aus einfachen Wasserwesen wurden komplexe, sie bekamen ein Außenskelett, dann ein Innenskelett. Schließlich wagten sich mit den Insekten die ersten Tiere an Land. Amphibien folgten, doch so ganz trauten sie dem trockenen Ufer nicht. Ihren Nachwuchs vertrauten sie weiterhin dem Wasser an. Genau so, wie es heute noch Frösche oder Molche tun.


Meteoriten stürzen vor vier Milliarden Jahren auf die junge Erde und ihre Vulkane; im Hintergrund der Mond

Der Rest der Eroberung festen Bodens ist bekannt. Das Land wurde besiedelt, irgendwann bestimmten die Dinosaurier das Geschehen auf der Weltbühne, bis ein Asteroid ihnen den Garaus machte. Das war die große Chance für Säugetiere wie uns.


Der Tyrannosaurus rex war ein fleischfressender Saurier

Und nun sind wir hier. Obschon wir über Land gehen und Luft atmen, tragen wir immer noch das Meer in uns. Wir sind Wasserwesen geblieben, die pro Jahr das Fünffache ihres eigenen Gewichts an Wasser zu sich nehmen. Unser Körper besteht zum größten Teil aus Wasser.

Wenn ein Mensch geboren wird, verlässt er eine Wasserhülle. Die Fruchtblase ist nichts anderes als ein mitwachsender Miniozean, in dem der Embryo reifen kann. Wasser ist perfekt, um den wachsenden, neuen Menschen zu schützen und zu versorgen. Ein Baby besteht noch zu 75 Prozent aus Wasser. Erst mit dem Alter trocknet der Mensch aus. 65 Prozent beträgt der Anteil bei einem Erwachsenen und beim Greis ist nur mehr die Hälfte des Körpers Wasser. Der Mensch wird mit dem Alter quasi zur Rosine. Frauen bestehen übrigens zu einem geringeren Anteil aus Wasser als Männer. Das liegt daran, dass sie mehr Körperfett haben und Fett weniger Wasser enthält. Männer sind muskulöser und im Muskelgewebe ist mehr Wasser gespeichert.

Dabei ist das Wasser selbstverständlich nicht gleichmäßig verteilt. Knochen haben 22 Prozent, Blut einen Wasseranteil bis zu 95 Prozent. Auch das Gehirn ist sehr wasserhaltig, unser Geist schwimmt sozusagen.

Besonders spannend ist aber das Blut. Dazu muss man noch einmal zu den einfachen Organismen, den Einzellern, zurückkehren. Sie hatten den Vorteil, dass sie direkt mit dem Meer in Kontakt waren: Nährstoffe konnten rein in das Wesen, Abfallstoffe raus, ziemlich direkt über die Zellwand. Unser Körper kann sich gar nicht so rege mit der Umgebung austauschen. Aber wir haben das Blut, das unsere Zellen mit Nährstoffen versorgt und Abfallstoffe abtransportiert. Interessanterweise spiegelt Blut das Wasser wider. Im Ozean ist das Verhältnis der wichtigsten geladenen Teilchen, der Ionen, nahezu identisch zum Blut. Natrium, Kalium, Kalzium und Chlorid sind fast im selben Verhältnis im Blut zu finden wie im Meer. Wir tragen die See in uns.

Deswegen ist Wasser so wichtig für unser Überleben. Je nach Körpermaß und Lebensweise muss ein Mensch jeden Tag trinken. Ein durchschnittlicher Mensch nimmt im Zuge seines Lebens 60.000 Liter zu sich. Das entspricht 250 Badewannen.

Unser Problem ist, dass wir Wasser nicht speichern können. Unser Organismus muss ständig aufgefüllt werden. Wird er das nicht, stirbt der Mensch. Aus Mangel an Wasser hinzuscheiden, zu verdursten, gilt als sehr grausamer Tod.

Wenn der Organismus Nachschub an Wasser braucht, meldet er Durst ans Gehirn. Das Verlangen nach Trinkwasser beschäftigt den Geist und verdrängt schließlich alle anderen Gedanken. Durst ist eine Qual. Und nichts, was man von sich wegschieben könnte.

Der Körper beginnt sich zu verändern. Die Haut verliert ihre Elastizität und Falten bleiben. Die Zunge schwillt an. Das Blut wird zäh. Sein Salzgehalt steigt. Weil das Volumen des Blutes ohne Wasser geringer wird, sinkt der Blutdruck. Im Gehirn kommt nicht mehr die nötige Menge Blut an. Der Durstige wird fahrig, trifft falsche Entscheidungen. Man findet Verdurstete, die sich ausgezogen haben, trotz sengender Sonne. Sie sind vor Durst verrückt geworden.


Eine Welle bricht sich am Strand von Tahiti, Französisch-Polynesien

Der Tod tritt schließlich durch Vergiftung und Kreislaufversagen ein. Zentral sind die Nieren. Denn sie haben die Aufgabe, Abfall- und Giftstoffe aus dem Körper zu schwemmen. Das können sie nur bei ausreichender Wasserzufuhr. Fehlt Wasser, senken auch sie den Blutdruck, um den Körper auf Sparflamme zu setzen. Sie versuchen, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Doch irgendwann schalten sich die Nieren einfach ab. Dann bleibt der Müll im Körper und vergiftet Muskeln, Nerven, das Gehirn. Schließlich verliert das Herz seinen Rhythmus. Ende.

Hierzulande muss niemand unter normalen Umständen verdursten, wir sind gesegnet mit Wasser. 188 Milliarden Kubikmeter stehen den Deutschen im Jahr zur Verfügung. Kein Mensch ist in Deutschland weit von Wasser entfernt. Überall gibt es einen See, einen Fluss, einen Bach – auch wenn nur 2,3 Prozent des Landes Wasserfläche ist. Sie prägen die Landschaft. So beträgt die Fließstrecke aller Bäche und Flüsse in Deutschland gut 400.000 Kilometer. Und das mit eigenem Charakter und eigenen, mitunter äußerst seltenen Lebensgemeinschaften. Experten unterscheiden allein 25 Typen von Fließgewässern, zum Beispiel „kleine Flüsse der Jungmoräne des Alpenvorlandes“ oder „silikatische, fein- bis grobmaterialreiche Mittelgebirgsflüsse“.

Wasser hat eine tiefe spirituelle Bedeutung und hat einen festen Platz in unserer Kultur. Im antiken Griechenland flossen in der Unterwelt der Lethe und der Mnemosyne. Während ein Trunk aus dem Fluss Lethe das Vergessen brachte, bedeutete ein Schluck aus dem Mnemosyne, dass man sich an alles erinnert. Was ist der schlimmere Fluch?

Wasser gilt in allen Religionen als Geschenk der Götter oder auch des einen Gottes. Heilige Quellen und heilige Flüsse versprechen Erlösung. Gerade bei den semitischen Religionen aus dem Nahen Osten ist das kein Wunder. In der Wüste ist Wasser gleichsam Synonym für das Leben. Schon in der Schöpfungsgeschichte war die Erde zunächst von Wasser bedeckt. Gott trennte die Elemente am zweiten Tag. Im Paradies gehörte klares, sauberes Wasser zum unverzichtbaren Inventar, genau wie später in den Gärten islamischer Paläste von Persien bis zur Alhambra in Andalusien.

In der Sintflut wird Wasser zwar zum Werkzeug der Strafe, doch in erster Linie kommt es auf eine Reinigung der Gläubigen an. Moses wird aus dem Wasser gezogen. Später schlägt er Wasser aus einem Fels. Die rituelle Waschung gehört zum Judentum wie zum Islam. Schon Aaron und seine Söhne sollten sich Füße und Hände waschen, bevor sie vor den Altar treten. In fast jeder jüdischen Gemeinde findet sich eine Mikwe für ein rituelles Tauchbad. Muslime führen vor jedem Gebet eine bestimmte Abfolge von Waschungen durch. Sie sollen gereinigt zu Gott beten.

Und natürlich sind auch Christen tief mit Wasser verbunden. Sie werden mit Wasser getauft. Ursprünglich war es ein Untertauchen. Das steht für das Sterben, das Wiederauftauchen für die Auferstehung. Geweihtes, gesegnetes Wasser hat eine große Bedeutung und gehört zum Standard jeder katholischen Kirche.

Auch die Religionen aus dem ferneren Osten haben ihre besondere Beziehung zum Nass. Hindus beispielsweise glauben, dass Wasser als einziges Element unsterblich ist. Wasser spült die Seelen der Toten fort zum ewigen Leben. Bäder in heiligem Wasser waschen die Sünden ab. Dass ein Bad im heiligen Ganges einen säubert, ist für Menschen anderer Glaubensrichtungen allerdings schwer vorstellbar.

Schließlich kennen die Völker Südamerikas oder Afrikas in ihrem animistischen Glauben eine besondere Rolle des Wassers. Gottheiten, Dämonen und Geister wohnen in Quellen, Flüssen, Seen. An der Seite des Schöpfergottes der Bambara in Mali etwa steht der Wassergott Faro. Sein Widersacher ist Teliko, der Geist des Wüstenwindes. Die beiden rangeln ständig miteinander. Aber natürlich besiegt Faro Teliko immer wieder.

Einige Chaco-Stämme in Südamerika stellen ein Gefäß mit Wasser neben einen frisch begrabenen Verwandten. Sie trauern so lange, bis das Wasser in dem Gefäß verdunstet ist. Der Geist des Toten verweilt noch und stillt seinen Durst mit dem Wasser.

Wie stark Wasser unser Dasein bestimmt, spiegelt sich nicht nur in Religion und Ritualen. Märchen und Musik handeln selbstverständlich auch vom Wasser. Und ist es ein Wunder? Das Sprudeln, Gluckern, Plätschern eines Bachs, das Rauschen eines Wasserfalls oder das leichte Klopfen von Regen in einem Wald haben einen eigenen Zauber, sind inspirierend.

Wasser begegnet uns als Quelle des ewigen Lebens, der Schönheit, als Jungbrunnen. Prinzen machen sich dutzendweise auf, solcherlei Wunderwasser herbeizuschaffen. Wahlweise um einen kranken Vater, eine kranke Mutter zu retten oder die Gunst einer Frau zu gewinnen.

Wie gefährlich Wasser und seine Bewohner zuweilen sind, davon konnte schon Odysseus ein Lied singen. Meerjungfrauen sollen ja einige Seefahrer zu sich geholt haben. Oder sie wurden Beute eines Meerungeheuers. Keine Frage, Wasser hat schon viele verschlungen.

Der Mensch ist untrennbar mit dem Wasser verbunden. Sei es als Lebens- oder als Transportmittel. Wasser ist die Ressource der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Wie wir mit ihr umgehen, wie wir sie einsetzen, sagt viel über unser Verständnis der Welt. Wir brauchen es. Und doch gehen wir sorglos mit Wasser um. Ökologen, Ökonomen, Philosophen fordern deswegen einen neuen Umgang mit Wasser.


Vom Sturm aufgewühlte Wellen des Atlantiks brechen sich an der Mole

Geschätzte 4370 Kubikkilometer Wasser braucht die Menschheit im Jahr. Nachhaltig wären nur rund 4.000 Kubikkilometer. Der Wasserverbrauch pro Kopf hat sich in den letzten 100 Jahren nahezu verdoppelt. In Deutschland fließen durch die Hände und Kehlen und Toilettenspülungen jedes Bürgers rund 120 Liter pro Tag. Besonders in den Industrienationen wird viel, sehr viel Wasser verbraucht. Unser Durst greift das Kapital des Planeten an, nicht nur die Zinsen.

Wasserknappheit gehört für viele Menschen zum Alltag. Jede zweite der größten Städte der Welt leidet darunter. Die Folgen sind nicht nur, dass große Gewässer wie der Aralsee schrumpfen oder ganz trocken fallen. Das Aussaugen von Grundwasser führt vielerorts dazu, dass der Boden sich senkt. Marschen und Sumpfgebiete trocknen aus und verlieren ihre Funktion als Filter und Lebensraum. Der Mangel an Nass erhöht die Gefahr für Krisen. Manche glauben, dass künftig Kriege ums Wasser geführt werden.

Sparen tut also Not. Manche Vorschläge zum klügeren Umgang mit der Ressource muten dabei skurril an. Vor ein paar Jahren tröpfelte die Empfehlung durch die sozialen Medien, nicht jedes Mal zu spülen, wenn man die Toilette besucht hat.

Manche der Vorschläge sind eben sehr praktisch. In Kalifornien rät man zum „Navy shower“: Ein schneller Strahl auf die Haut, gerne kalt, Dusche aus, einseifen und dann mit möglichst wenig Wasser abwaschen. 12 Liter sollen ausreichen. Ein wenig sparsamer ist das Astronauten-Bad. Muss ja, denn die Ressource Wasser ist auf einer Raumstation noch begrenzter. Weniger als ein Liter bedeutet das. Der Trick? Der gute alte Waschlappen. Wesentlich angenehmer scheint da der Tipp zu sein, doch zu zweit unter der Brause zu stehen, um auf diese Weise Wasser zu sparen.

Allerdings macht die Körperhygiene nur einen Teil unseres Verbrauchs aus. Für die Herstellung von Alltagsgütern und Lebensmitteln werden erstaunliche Mengen Wasser benötigt. Eine Jeans schlägt da mit 8.000 Litern zu Buche, ein Ei mit 135 Litern.

Der Umgang mit Wasser ist auch in Deutschland immer wieder ein Thema. Denn die Bundesrepublik ist zwar gesegnet mit Wasser. Im Schnitt fallen hierzulande 820 Liter Niederschlag pro Quadratmeter jährlich. Dennoch kann es in einigen Regionen zu Dürren kommen. Das Jahr 2018 hat es eindrucksvoll bewiesen.

Jeder einzelne hat jeden Tag Gelegenheit, sich Wasser, das Element des Lebens, ins Bewusstsein zu rufen. Sei es beim Zähne putzen, dem ersten Kaffee, am Fluss, den sie oder er auf dem Weg zur Arbeit überquert. Oder wenn das Radio „Haus am See“ von Peter Fox, „Holy Water“ von Madonna oder „Singing in the Rain“ von Gene Kelly spielt. Alles ist im Fluss.


Wasserkristall aus einer Wasserprobe bei spielender Techno-Musik

Die Schwingung des Wassers

„Wasser ist mehr als seine Inhaltsstoffe“, ist Rasmus Gaupp-Berghausen vom Wasserlabor Hado-Life überzeugt und erklärt: „Wasser bildet Formen, egal welcher Schwingung es ausgesetzt wird – physikalisch oder elektromagnetisch –, sei es auf makroskopischer Ebene, wie zum Beispiel eine Welle, oder mikroskopisch.“ Das zeigt er mit der Wassereiskristallfotografie, entwickelt von Dr. Masaru Emoto: Gaupp-Berghausen friert Wasserproben ein und fotografiert sie bei 200-facher Vergrößerung im Auflichtmikroskop. Diese Untersuchungsmethode ist wissenschaftlich nicht anerkannt, weil sie sich nicht unabhängig vom Betrachter wiederholen lässt. „Dies bestätigt jedoch, dass Wasser auf alles reagiert – auch auf den Menschen, der es untersucht. Zudem ist es nicht möglich, jemals denselben Wassereiskristall zu bekommen“, so Gaupp-Berghausen weiter. Die Fotos zeigen einen Wasserkristall aus dem Bodensee (oben) im Vergleich zu einem Wasserkristall unter Einfluss von Techno-Musik (unten).


Wasserkristall aus einer Wasserprobe des Bodensees


Das Delta der Tiroler Ache am Chiemsee in Oberbayern

Paradies für die Artenvielfalt

Die Tiroler Ache mündet in den Chiemsee. Ihre Mündungszone gilt als eines der am besten ausgebildeten Binnendeltas in Mitteleuropa. Das etwa fünf Quadratkilometer große Gebiet, das nicht betreten werden darf, bildet mit dem südlich angrenzenden Auwald und dem Grabenstätter Moos ein 1.250 Hektar großes Naturschutzgebiet von internationaler Bedeutung. Das Delta fasziniert mit einer riesigen Biotopvielfalt: Rund um den Chiemsee wurden seit 1950 rund 300 Vogelarten registriert. Zu den Brutvögeln gehören etwa der Schwarzhalstaucher, der Wespenbussard, der Schwarzmilan und der Baumfalke. Auch die Fauna ist vielfältig: Der seltene Straußfarn ist genauso vertreten wie die unter Naturschutz stehende Sibirische Schwertlilie. Naturliebhaber haben durch kostenlose Fernrohre an zwei Beobachtungstürmen die beste Sicht auf das Delta: von Lachsgang/Übersee aus kann man die Westseite betrachten, von der Hirschauer Bucht die Ostseite. Darüber hinaus finden regelmäßig Erlebnisbootsfahrten statt.


Ein Siebenpunkt-Marienkäfer trinkt Wasser von einem Blatt

Lebenselixier für Groß – und Klein

Wasser ist das Lösungsmittel des Lebens. Ohne die Wasserstoff-Sauerstoff-Verbindung kann kein Leben auf der Erde funktionieren. Denn das Wasser in den Körpern und Pflanzen dient zum Transport von Nährstoffen und zur Abwehr von Krankheiten gleichermaßen. Kurz: Wasser ist die Infrastruktur des Lebens – auch für winziges Leben. Ein Glück also, dass es davon so viel auf der Erde gibt, denkt man jetzt vielleicht. Doch sind die nutzbaren Süßwasserressourcen relativ überschaubar. Denn der ganz überwiegende Teil des Wassers trägt entweder Salz in sich oder ist in Gletschern gebunden. Deswegen ist jeder Tropfen kostbar, wie auch der Marienkäfer auf dem Foto vermutlich weiß.

Das fremde Element

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