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Ausblick
ОглавлениеToleranz, Gewissens- und Religionsfreiheit sind zentrale Bestandteile der allgemeinen Menschenrechte. Zwar handelt es sich bei ihnen um Säkulariate christlicher Ideen wie etwa der universalen Gleichheit aller Menschen aufgrund ihrer Gottebenbildlichkeit, der Gottunmittelbarkeit oder Personalität eines jeden Menschen, doch konnten die positiven Momente der Aufklärung (Toleranz, Menschenrechte, Religions- und Gewissensfreiheit etc.) von der Kirche zunächst nicht gewürdigt, geschweige denn fruchtbar darauf Bezug genommen werden. Erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gelang es der Kirche, sich positiv zur Gewissens- und Religionsfreiheit zu positionieren, ohne den christlichen Wahrheitsanspruch preiszugeben. Dies provoziert angesichts einer „verbreitete[n] Pluralismuseuphorie“13, und doch ist es genau betrachtet die unabdingbare Voraussetzung für die Toleranz gegenüber anderen Religionen. Denn erst der Absolutheitsanspruch, den die Religionen erheben, nötigt zu einer interreligiösen Toleranz. Würden keine religiösen Überzeugungen miteinander konkurrieren, würde sich die Tugend der Toleranz erübrigen. Außerdem gefährdet das Bekenntnis zur Einzigkeit und Unvergleichlichkeit des Christusereignisses die christliche Toleranz nicht, sofern damit ernst gemacht wird, dass die Wahrheit nicht dem christlichen Religionssystem zukommt, sondern dem Christusereignis, das „die Fassungskraft des menschlichen Geistes schlechthin übersteigt“ (DV 5), sich die Offenbarung Gottes nicht exklusiv auf das Christentum bezieht und die Wahrheit nicht statisch ist, sondern dynamisch, kein Besitz, sondern eine Person und darum nur im Tun zu erlangen ist (Joh 3,21).
Der Weg der Kirche zum Bekenntnis der Gewissens- und Religionsfreiheit war lang, schmerzlich und konfliktreich. Im Grunde aber war er bereits biblisch vorgezeichnet, sofern das Hauptgebot der Gottes- und Nächstenliebe einschließlich der Feindesliebe ernst genommen wird. Wie sehr die Religionsfreiheit heute das Bewusstsein der katholischen Kirche prägt, belegt u.a. das Abschlussdokument der Bischofssynode zum Nahen Osten (14. September 2012), in welchem die Religionsfreiheit nicht nur als „Gipfel aller Freiheiten“ bezeichnet wird, sondern darüber hinaus als ein „heiliges und unveräußerliches Recht.“14 Das Dokument betont außerdem, dass die Muslime mit den Christen die Überzeugung teilen würden, „dass in religiösen Dingen kein Zwang und erst recht keine Gewaltanwendung erlaubt sind“, ermutigt aber, von der religiösen Toleranz zur Religionsfreiheit fortzuschreiten.15 Gerade was eine Religionsfreiheit anbelangt, die auch das Recht auf Abwendung vom Islam mit einschließt, besteht in der islamischen Welt noch Diskussionsbedarf, hat doch die Debatte über Sinn, Inhalte und Grenzen der Menschenrechte, die in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts lebhaft geführt wurde, bislang zu keinem gesamtislamischen Konsens geführt.