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Das Große Abendländische Schisma und die folgenden Konzilien

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Mehr als zwei Jahrzehnte vor der Geburt des Nikolaus von Kues wird 1378 erstmals nach dem Ende des Avignoneser Papsttums wieder ein Papst in Rom gewählt. Das Kardinalskollegium war indes noch immer französisch geprägt und insgesamt zerstritten. Das römische Volk, das einen römischen Pontifex verlangte, übte immensen Druck aus, schreckte auch vor gewaltsamem Eingreifen nicht zurück. Und so wählte das Kollegium in aller Eile Bartolomeo Prignano, den Erzbischof von Bari, zum neuen Papst: Urban VI. Es sprach nichts dagegen, dass die Wahl formal gültig war, doch das Verhalten des neuen Kirchenoberhauptes ließ manch einen im Kardinalskollegium, vor allem unter den Franzosen, daran zweifeln, ob Urban für dieses Amt wirklich geeignet war. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand die Frage nach einem Konzil, das über diese Probleme beraten und entscheiden möge, im Raum. Die Anhänger dieser Idee konnten sich damals nicht durchsetzen. Und so kam es zum Bruch der französischen Kardinäle mit Urban VI. Das abtrünnige Kollegium wählte in Fondi, im Königreich Neapel, welches zu dieser Zeit noch vom Hause Anjou regiert wurde, Robert von Genf zum neuen Papst, bekannt unter dem Namen Clemens VII. Dessen Versuche, Rom einzunehmen und Urban VI. von dort zu vertreiben, erwiesen sich als erfolglos. So blieb Clemens und einem Großteil der Kurie, den er für sich gewinnen konnte, 1381 schließlich nur der Rückzug nach Avignon (Tüchle 1980, 29; Schatz 1997, 123f.).

Dieses Schisma führte in der Folge nicht nur zu einer Spaltung der abendländischen Christenheit, sondern hatte ebenfalls Auswirkungen auf die politische Landkarte. Denn die Länder mussten sich zwischen zwei Obödienzen entscheiden: Das Deutsche Reich (unter König Wenzel), England, Ungarn, Portugal und die nord- und osteuropäischen Reiche folgten Urban VI. in Rom, wohingegen sich Schottland, Frankreich und dessen Anhänger, Aragon sowie Kastilien Clemens VII. in Avignon anschlossen. Frühere Schismen konnten ohne die Entscheidung eines Konzils gelöst werden. Ende des 14. Jahrhunderts zeigten die unterschiedlichen Parteien allerdings wenig Einsehen. Weder Benedikt XIII., Nachfolger Clemens’ VII., noch Bonifatius IX., der nach Urban VI. in Rom residierte, waren zu Kompromissen, wie einer freiwilligen Abdankung („via cessionis“), bereit. Auch die direkten Verhandlungen („via conventionis“) schlugen fehl. Nachdem es zu Problemen zwischen Benedikt und seinen Kardinälen sowie Frankreich kam, unternahm er neuerliche Versuche, sich mit dem römischen Pontifex, erst Innozenz VII., dann Gregor XII., zu einigen. Erst Letzterer war, mehr oder minder freiwillig (dazu Frenken 1989, 1674f.), zu direkten Verhandlungen, d.h. zu einem Treffen bereit. Die Zusammenkunft kam letzten Endes nicht zustande und so scheiterte auch dieser Lösungsversuch. Da schrieb man das Jahr 1407 und die Spaltung der Kirche währte nunmehr schon an die 30 Jahre (Tüchle 1980, 20f.; Schatz 1997, 125f.).

In dieser Zeit kam die Idee einer Klärung des Konflikts durch die Einberufung eines Konzils („via concilii“) erneut auf und ihre Anhänger setzen sich in der Folgezeit durch. Eine Kardinalsmajorität beider Obödienzen berief für das Jahr 1408 ein allgemeines Konzil in Pisa ein – die beiden Päpste planten ihrerseits Versammlungen. Rückendeckung erhielt die Konzilsgemeinschaft in Pisa u.a. von Frankreich, wogegen es beispielsweise von Aragon, Kastilien und dem Deutschen Reich (unter der Herrschaft König Ruprechts) abgelehnt wurde. Das Kardinalskollegium setzte Benedikt XIII. und Gregor XII. ab und wählte aus seinen Reihen einen neuen Papst, Alexander V., vormals Petrus von Candia bzw. Petros Philargis, Erzbischof von Mailand. Doch es kam, wie es vermutlich kommen musste: Benedikt und Gregor erkannten ihre Absetzung nicht an und so hatte die abendländische Christenheit nicht zwei, sondern drei Päpste und die Einheit der Kirche schien in weite Ferne gerückt. Denn Alexander V. blieb nicht der erste und letzte Papst von Pisa. Nach seinem Tod, ein Jahr nach der Wahl, folgte ihm 1410 Johannes XXIII. (Baldassare Cossa) nach (Tüchle 1980, 21; Schatz 1997, 131).

Auf einem weiteren, eintägigen Konzil 1413 in Rom wurden lediglich die Lehren des John Wyclif verdammt, die Aufhebung des Schismas sowie die Probleme mit den Hussiten in Böhmen und die allgemeine Kirchenreform wurden dort nicht thematisiert. Dafür begann der deutsche König Sigismund, sich in der Kirchenfrage zu engagieren. Er konnte schließlich Johannes XXIII., den er als Papst anerkannte, von einem allgemeinen Konzil überzeugen und auf einer Konferenz Ende des Jahres in Lodi berief dieser eine Kirchenversammlung für das folgende Jahr in Konstanz ein. Sie wurde am 5. November 1414 eröffnet (Tüchle 1980, 21f.; Brandmüller 1991, 1402).

Johannes’ Hoffnung, durch das Konzil allgemeine Anerkennung zu finden, erfüllte sich nicht, da es zu einer Erweiterung des Stimmrechts und einem neuen Abstimmungsmodus kam: Statt wie bislang „per capite“ wurde nach Nationen votiert, somit war die Übermacht der Italiener gebrochen (Brandmüller 1991, 1402; Schatz 1997, 133–137). Die fehlende Anerkennung war nicht allein ein Problem Johannes’ XXIII. Allgemein vertrat man die Ansicht, keiner der drei Päpste sei legitim. Die Situation spitzte sich weiter zu, da vorerst keiner der Päpste abdanken wollte. Johannes sah seine Position in Gefahr und verließ das Konzil fluchtartig. Während seiner Abwesenheit erließ ebendieses im Mai 1415 das Dekret Haec sancta. Dieses sei, so Brandmüller, „keine konziliare Lehrentscheidung zugunsten einer Oberhoheit des Konzils über den Papst“ (Brandmüller 1991, 1403) gewesen. Diese Form der Autorität des Konzils sei nur für die konkrete Situation in Konstanz wirksam gewesen (ebd.).

Nachdem Johannes gefangen genommen wurde, machte man ihm den Prozess und setzte ihn ab. Gregor XII. dankte wenig später ab. Benedikt konnte erst zwei Jahre später abgesetzt werden, nachdem er seine Anhänger verloren hatte.

Noch in das Jahr 1415 gehörte die Auseinandersetzung mit der „causa fidei“, also den Fragen nach der kirchlichen Verkündigung und Sakramentenlehre. An dieser Stelle sei lediglich auf die erneute Verurteilung der Lehren John Wyclifs, das Verbot des Laienkelchs (also die Kommunion unter beiderlei Gestalt für Laien) und den Prozess, die Verurteilung und Verbrennung des böhmischen Theologen und Reformators Johannes Hus und seines Anhängers Hieronymus von Prag verwiesen. Vor allem die Verurteilung von Johannes Hus führte nicht zu der erhofften Lösung der „causa fidei“ in Böhmen, im Gegenteil. Dort kam es in der Folge zu Jahrzehnte währenden und verheerenden Kämpfen (ebd.; Schatz 1997, 141). Jahre später, während des Konzils von Basel, wurde auch Nikolaus von Kues mit der Hussitenfrage konfrontiert und widmete ihr eine seiner frühen Schriften, De usu communionis (1433), später kamen noch weitere hinzu.

Doch zurück zum Konzil von Konstanz: Im Oktober 1417 erließ das Konzil das Dekret Frequens, in dem die Konzilien institutionalisiert wurden. Nachdem auch Benedikt XIII. abgedankt hatte, konnte sich die Versammlung der „causa unionis“, also der Einheit der Kirche, annehmen. Konkret schritt man zur Wahl eines neuen Papstes. Im November wurde Oddo Colonna als Martin V. zum neuen Kirchenoberhaupt gewählt. Im Frühjahr nach seiner Wahl berief er dem Dekret Frequens folgend ein neues Konzil in Pavia ein und schloss kurz darauf das Konzil von Konstanz (Brandmüller 1991, 1404; Schatz 1997, 144f.). Bei der Bewältigung der Fragen und Probleme der Zeit war man unterschiedlich erfolgreich gewesen. Die Lösung des Schismas und die Wiederherstellung der Einheit der Kirche war gewiss das bedeutendste Ergebnis dieser Kirchenversammlung. Die Hussitenfrage, die gemeinhin der „causa fidei“ zugeordnet wurde, aber durchaus auch die Einheit der Kirche betraf, wurde nicht zufriedenstellend geklärt. Die „causa reformationis“, die sogenannte Reform an Haupt und Gliedern, geriet angesichts der „causa unionis“ in den Hintergrund.

Als das Konstanzer Konzil geschlossen wurde, hielt sich Nikolaus von Kues bereits in Padua auf. Nach seinen juristischen Studien wurde er dort 1423 zum „doctor decretorum“ promoviert (AC I/1, n. 18; Müller 2013, 63). In eben diesem Jahr (1423) berief Papst Martin V. dann erneut ein Konzil in Pavia ein, welches aber recht bald nach Siena verlegt wurde. Zwischen den „nationes“ kam es zu politischen Differenzen, welche die Gespräche nicht gerade erleichterten. Thema derselben waren u.a. erneut die Hussiten, eine mögliche Union mit den Griechen und das noch immer bestehende Papsttum im spanischen Peñiscola, wo zu dieser Zeit noch Benedikt XIII. und dann sein Nachfolger Clemens VIII. residierten. Letzterer konnte erst 1429 zur Abdankung bewegt werden. Als auf dem Konzil überdies die Gegensätze zwischen der antipäpstlichen, konziliaristischen Partei und der des Papstes zunehmend zutage traten, ließ es Martin V. 1424 schließen und gemäß dem Konstanzer Dekret Frequens für 1431 eine neue Versammlung in Basel verkünden (Grohe 1993, 1837; Schatz 1997, 147f.).

Martin V. setzte Kardinal Giuliano Cesarini als Präsidenten dieses Konzils ein und beauftragte ihn mit dessen Eröffnung. Martin starb kurz darauf. Sein Nachfolger auf dem Stuhl Petri, Eugen IV. (Gabriele Condulmer), bestätigte diese Anordnungen. Gleichwohl wurde das Konzil im Juli des Jahres 1431 von Johannes von Ragusa und Juan de Palomar eröffnet, da sich Cesarini noch immer auf dem Kreuzzug gegen die Hussiten befand. Angesichts der geringen Teilnehmerzahl und der in Aussicht stehenden Verhandlungen mit den Griechen wollte Eugen IV. die Versammlung alsbald nach Bologna verlegen, konnte sich mit diesem Vorhaben jedoch nicht durchsetzen. 1433 musste er die Basler Versammlung wieder anerkennen. Hatte man bei den Konzilien in Konstanz und Pavia-Siena die Einteilung der Teilnehmer in Nationen bevorzugt, ging man in Basel zu einer Gliederung nach sogenannten Deputationen über, die mit verschiedenen Themenkomplexen betraut wurden: Glauben, Frieden, Kirchenreform und allgemeine Fragen. Auf der Agenda standen die Beschränkung des päpstlichen Fiskalismus, die Abschaffung der Annaten und Exspektanzen, die Papstwahl, die Wiederherstellung der freien Bischofswahlen und des synodalen Lebens der Kirchen sowie die Missstände im Klerus und in den Orden (Meuthen 1980b, 1517; Schatz 1997, 149, 151). 1433 kam es dann zu den Verhandlungen mit den gemäßigten Hussiten, an denen auch Nikolaus von Kues teilnahm, und aus denen die Basler bzw. Prager Kompaktaten hervorgingen. Zentraler Punkt dieses Abkommens zwischen dem Konzil und den böhmischen Ständen war das Zugeständnis des Laienkelchs. 1436 folgte eine vergleichbare Vereinbarung zwischen den Böhmen und König Sigismund, mit der die Hussitenkriege endeten.

Im Jahr darauf kam es endgültig zum Bruch zwischen dem Basler Konzil und Papst Eugen IV. Eine Minderheit folgte dem Papst, die Mehrheit verblieb in Basel. Eugen hatte sich bei den Verhandlungen mit den Griechen gegenüber den Konzilsvätern durchgesetzt. Denn zum einen war der Papst bereit, auf die griechische Forderung nach einem gut erreichbaren Ort einzugehen, und zum anderen sahen die Byzantiner Verhandlungen, an denen der Papst nicht beteiligt gewesen wäre, als wenig erfolgversprechend an. So verlegte Eugen IV. das Konzil nach Ferrara. Nikolaus von Kues reiste als Mitglied einer Delegation nach Konstantinopel und begleitete die byzantinischen Abgesandten nach Italien, nahm aber nicht lange am eigentlichen Konzil teil, da er vom Papst als Gesandter nach Deutschland geschickt wurde (Meuthen 1980b, 1518; Schatz 1997, 152f.; Dieten 1989, 390). Der Konflikt zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil verstärkte sich in der Folge zunehmend. 1439 erklärten die Konzilsväter im Dekret Tres veritates die Superiorität des Konzils über den Papst zum Glaubenssatz. Der Papst dürfe zudem ein Konzil weder verlegen, noch vertagen noch auflösen, und wer diesen Glaubenssätzen nicht zustimmte, wurde zum Häretiker erklärt. Im selben Jahr setzte man in Basel Papst Eugen IV. ab und wählte Amadeus VIII. von Savoyen (Felix V.) zum neuen (Gegen-)Papst. Diese Kirchenspaltung zwischen Papst Eugen IV. und dem Konzil von Basel bestand noch fast weitere zehn Jahre. Jede Seite hatte ihre Anhänger und es gab jene Parteien, die versuchten neutral zu bleiben. Der deutsche König Albrecht II. und die Fürsten nahmen 1439 einen Großteil der Basler Beschlüsse in der sogenannten Mainzer Akzeptation an. Mit der Zeit wendete sich das Blatt zugunsten Eugens IV., und nachdem Felix V. seinen Anspruch aufgegeben hatte, löste sich das Basler Konzil im April 1449 in Lausanne auf, wohin es 1448 verlegt worden war (Meuthen 1980b, 1518f.; Schatz 1997, 153, 158–160). Nikolaus von Kues war in diesem Jahr (1448) zum Kardinal erhoben worden.

Doch zurück nach Ferrara, wo Anfang des Jahres 1438 das neue Konzil eröffnet wurde. Die Byzantiner waren nicht allein an Verhandlungen über die Kirchenunion interessiert, sondern versprachen sich von denselben vor allem militärische Hilfe gegen die Bedrohung durch die Osmanen. Anfangs war das Konzil noch stark von den Konflikten mit Basel geprägt, und da Kaiser Sigismund Ende 1437 gestorben war, kam es nicht zu Verhandlungen über die erhoffte militärische Unterstützung. Erst im Herbst 1438 begannen die Gespräche über die zentralen Themen, allen voran das Filioque, einem Zusatz zum Glaubensbekenntnis bzw. Symbolum von Nicäa-Konstantinopel über den Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn (Position der Lateiner) oder aus dem Vater allein (Position der Griechen). Die Sitzungen waren schwierig, es war lange Zeit kein Kompromiss in Sicht, und zwischenzeitlich stand das Konzil wohl vor seinem frühzeitigen Ende. Anfang 1439 wurde das Konzil wahrscheinlich weniger wegen einer Seuche als vielmehr aus finanziellen Gründen nach Florenz verlegt. Im Frühjahr gelangte man in Bezug auf das Filioque, aber auch hinsichtlich der militärischen Hilfe zu einer Einigung. In den folgenden Monaten widmete sich das Konzil von Florenz anderen Fragen, dazu gehörten der Primat des Papstes, die Verwendung von gesäuertem oder ungesäuertem Brot bei der Eucharistie und das Purgatorium. Im Sommer wurde das Einigungsdekret Laetentur coeli unterzeichnet und veröffentlicht. Die griechische Delegation reiste bald darauf ab. Das Unionskonzil von Ferrara-Florenz war nicht nur von kirchenpolitischer Bedeutung. Westliche Gelehrte trafen dort mit denen aus Byzanz zusammen und konnten sich mit ihnen austauschen. Auf diesem Wege wurde das Interesse der westlichen Gelehrten, zu denen auch Nikolaus von Kues gehörte, z.B. an antiken Texten und den alten Sprachen gefördert (Schatz 1997, 153–157; Dieten 1989, 390).

Alexandra Geissler

Handbuch Nikolaus von Kues

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