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Einleitung

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Der Erste Weltkrieg war schon immer und wird auch noch auf unabsehbare Zeit eine Herausforderung für die Geschichtswissenschaft bleiben.1 Diese „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts (George F. Kennan) hat nicht nur, obwohl ihr Zentrum in Europa lag, die ganze Welt erfasst, sondern ihre Gesellschaften auch auf allen Ebenen, von der Wirtschaft über die soziale Ordnung und die politische Herrschaft bis hin zur Kultur, so tiefgehend durchdrungen und geprägt, dass kaum eine Entwicklung der folgenden Jahrzehnte ohne Bezug darauf erklärt werden kann. Nicht nur der Untergang der regierenden Monarchien und ihrer Imperien in Europa war eine unmittelbare Folge des Ersten Weltkrieges. Auch die totalitären Bewegungen, Ideologien und Herrschaftsordnungen des 20. Jahrhunderts nahmen hier ihren Ausgang, ebenso wie der moderne Wohlfahrtsstaat, die moderne Kunst und, mit der Russischen Revolution und dem Eintritt der USA in die Weltpolitik seit 1917, die Blockkonfrontation zwischen den Supermächten in der zweiten Jahrhunderthälfte. Dazwischen erscheint es schließlich kaum möglich, den Aufstieg des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg ohne die Folgen des ersten globalen Krieges auch nur ansatzweise zu verstehen und zu erklären.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Literatur über den Ersten Weltkrieg ungeheure Dimensionen angenommen hat und selbst für Experten kaum noch überschaubar ist. Die Wege der Forschung folgen jedoch Pfaden, die von den Konjunkturen allgemeinerer geschichtswissenschaftlicher wie öffentlicher Interessen, Fragestellungen, Konzepte und Schwerpunktsetzungen geprägt werden und so klarere Strukturen gewinnen. Auch die Forschung zum Ersten Weltkrieg spiegelt so eine Entwicklung wider, die von der gerade in Deutschland lange besonders deutlich ausgeprägten Dominanz der Politikgeschichte2 über den Ende der 1960er Jahre beginnenden Siegeszug der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte bis zum aktuellen Interesse an kulturgeschichtlichen Themen und Perspektiven führt. Die hier präsentierte Textauswahl hat sich vom Titel der Reihe leiten lassen und die neuen, sozial- und kulturgeschichtlich geprägten Wege der Forschung jenseits der traditionellen Politikgeschichte in den Mittelpunkt gerückt; allerdings, dem genuin politischen Charakter eines modernen, nationalstaatlichen Krieges entsprechend, jeweils doch unter politischen Vorzeichen. Im engeren Sinne politische Themen dagegen, nicht zuletzt die gerade wieder aufs Neue Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit beschäftigende Kriegsschuldfrage3, bleiben so ausgeschlossen. Ergänzend wurde dagegen mit den soldatischen Kriegserfahrungen ein spezifisch militärgeschichtliches Forschungsfeld aufgenommen, das sich in der letzten Zeit unter dem Einfluss der historischen Friedensforschung und in Verbindung mit sozial- und kulturgeschichtlichen Ansätzen von der lange anhaltenden Dominanz einer klassischen, an Schlachten und Kriegsstrategien orientierten Militärgeschichtsschreibung emanzipiert hat.4

Eine zweite, die hier präsentierte Auswahl wichtiger Forschungstexte anleitende Vorentscheidung liegt in der Konzentration auf Arbeiten zum Deutschen Reich, wobei einige Beiträge auch den europäischen Vergleich einbeziehen. Diese vielleicht etwas altmodisch erscheinende, nationalstaatliche Perspektive weist gleichwohl eine Reihe von Vorteilen auf: Sie vereinfacht nicht nur die Auswahl und macht es leichter, der Verlagsvorgabe entsprechend, nur deutschsprachige Texte abzudrucken. Vielmehr ist mit dieser Beschränkung auch die Hoffnung verbunden, durch das Ensemble der abgedruckten Texte zum durchaus zentralen deutschen Beispiel einen insgesamt stimmigeren Gesamteindruck des Ersten Weltkrieges im Lichte der neueren Forschung entwerfen zu können, als dies bei einer national übergreifenden Auswahl möglich gewesen wäre. Der Nachteil, dabei neben den vielen anderen nationalen Fällen und den immer noch eher wenigen Vergleichsstudien5 auch die neueren globalgeschichtlichen Perspektiven auf diesen ersten wahrhaft globalen Krieg der Weltgeschichte auszuschließen6, musste dafür in Kauf genommen werden.

Die einzelnen, im Folgenden kurz vorgestellten und eingeordneten Beiträge werden hier unverändert, teilweise allerdings mit kleinen Kürzungen und Ergänzungen in den Anmerkungen abgedruckt.

Der Erste Weltkrieg

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