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Neue Militärgeschichte

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Während die klassische Form der politischen Sozialgeschichte sich in wesentlichen auf die „Heimatfront“ konzentrierte, entwickelten sich an ihren Rändern Versuche, auch die Kriegserfahrungen der Soldaten zu erforschen. Diese Erfahrungen hatten lange im Schatten einflussreicher Mythen und Deutungsmuster gestanden, wie sie im politischen Kontext der „Dolchstoßlegende“ mit ihrem Bild vom „im Felde unbesiegten“ Heer sowie im literarischen Kontext der vielfältigen Kriegsromane mit ihrer Beschwörung der „Schützengrabenfreundschaft“ und der Ausbildung moderner Männlichkeit in den „Stahlgewittern“ des industrialisierten Krieges propagiert worden waren.15 Die geschichtswissenschaftliche Erforschung der realen soldatischen Kriegserfahrungen des Ersten Weltkrieges führte zu ganz anderen Erkenntnissen, in denen Leid und Schrecken des modernen Krieges, schroffe soziale Gegensätze und Missstände in der Armee, Abstumpfung und Verzweiflung, aber auch Verweigerung und Aufbegehren immer deutlicher hervortraten.16 Dabei konnte teilweise auf Forschungsarbeiten aus den 1920er Jahren zurückgegriffen werden, die im Zusammenhang der politischen Auseinandersetzungen über die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs von 1918 entstanden waren.17 Der erste hier abgedruckte Beitrag aus dem Jahre 1992, veröffentlicht in einem einflussreichen Sammelband zum Programm einer „Militärgeschichte von unten“18, greift diese Fragestellungen erneut auf. Er stammt von dem ehemals leitenden Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr, Wilhelm Deist, der für den Sommer und Herbst 1918 einen „verdeckten Militärstreik“ unter den deutschen Soldaten an der Westfront feststellt und ihre Verweigerung in die allgemeineren Verhältnisse, Stimmungen und Zusammenhänge im deutschen Heer einordnet. Es handelt sich dabei um die gekürzte und überarbeitete Fassung eines ursprünglich bereits 1986 erschienenen Aufsatzes.19

An zweiter Stelle folgt ein Aufsatz des Berliner Historikers Bernd Ulrich, der in seiner Dissertation über die „Augenzeugen“ des Ersten Weltkrieges einen grundlegenden Beitrag zur methodischen und inhaltlichen Bearbeitung der zentralen Quellengattung für die Erforschung soldatischer Kriegserfahrungen geleistet hat: der Feldpostbriefe, die während des Ersten Weltkrieges zu Milliarden zwischen Front und Heimat hin und her geschickt wurden.20 Der hier abgedruckte Aufsatz aus dem Jahre 1996 versucht, die mit ihrer Erforschung verbundene „Perspektive von unten“ in ihren verschiedenen, politisch keineswegs eindeutigen Zusammenhängen zu verorten und, davon ausgehend, jenseits naiver Authentizitätserwartungen Wege zum kritischen Umgang mit den Feldpostbriefen als Grundlage einer soldatischen Erfahrungsgeschichte des Ersten Weltkrieges zu weisen. Zentral dafür war schließlich ein Thema, das lange von der historischen Forschung vernachlässigt worden ist, obwohl Millionen Soldaten davon existentiell betroffen waren: die Kriegsgefangenschaft.21 Bei dem hier abgedruckten Beitrag handelt es sich um die zusammenfassenden Schlussbemerkungen der 2006 veröffentlichten Düsseldorfer Dissertation von Uta Hinz über die kriegsgefangenen ausländischen Soldaten, die während des Ersten Weltkrieges und teilweise auch darüber hinaus zu Millionen in deutschem Gewahrsam waren. Aufgezeigt wird darin vor allem das Spannungsverhältnis zwischen dem Bemühen, trotz aller Überforderungen die völkerrechtlichen Bestimmungen einzuhalten auf der einen Seite, und den Entwicklungstendenzen und Zwängen des zunehmen totalen Krieges, die insbesondere im Bereich der Ernährung und des Arbeitszwangs immer deutlicher völkerrechtswidrige, ausbeuterische Züge annahmen, auf der anderen Seite.

Der Erste Weltkrieg

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