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Otto Toeplitz Das Verhältnis von Mathematik und Ideenlehre bei Plato1

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Die Größe der Rolle, die Plato für die Mathematik gespielt hat, ist stets empfunden, oft gerühmt worden. Auch die Größe der Rolle, die die Mathematik für Plato und seine Ideenlehre gespielt hat, ist nie geleugnet worden. Man hat diejenigen Stellen seiner Werke, in denen die aus dem Euklid geläufigen Fachausdrücke vorkommen, sorgsam zusammengetragen2. Und doch ist das schwerste Stück der Arbeit bisher nicht getan worden. Die Historiker der Mathematik auf der einen Seite haben einen guten Teil ihrer Kraft darauf verbraucht, in die „Zahlenmystik“ der Hochzeitszahl, in die Hypothesisstelle aus dem Menon mathematische Klarheit zu bringen und sind im übrigen über die unbestimmte Formel von der methodischen Einwirkung Platos auf die Mathematiker seiner Zeit und von der Propaganda Platos für ihren didaktischen, logisch schulenden Wert im Prinzip nicht weit hinausgegangen. Die Philologen auf der anderen Seite scheuten bis vor kurzem in der Mehrzahl vor der Sachinterpretation der mathematischen Stellen zurück und bemerkten an vielen Stellen, die von der allgemeinen Ideenlehre handeln, gar nicht die mathematischen Anklänge und Bezüge, die oft viel tiefere Aufschlüsse enthalten, als die sogenannten „mathematischen Stellen“. Und in der Tat: weder besitzt der Philologe von heute denjenigen Einblick in die Grundprinzipien und das Getriebe der mathematischen Dinge, den Plato zu seiner Zeit besessen hat, noch kann der Mathematiker, selbst wenn sein Griechisch zur unmittelbaren Interpretation eines mathematischen Textes ausreicht, das Ganze der Ideenlehre und Dialektik und die in den Aristoteleskommentatoren gegebenen Hilfsmittel so übersehen, um eine Antwort auf die vielen Rätsel wagen zu können, die ihm vom Standpunkt seines Faches die Lektüre des Euklid, des Hippokratesfragments, der mathematischen Anzüglichkeiten bei Plato und Aristoteles aufgibt.

Die Forschung ist hier vor den Toren des Baues, als den wir die griechische Mathematik vorstellen wollen, stehen geblieben. Sie war dazu gezwungen, solange sie an ihrer bisherigen Arbeitsweise festhielt. Nur ein neues System der Zusammenarbeit von Philologe und Mathematiker kann diese Tore öffnen. Solche Zusammenarbeit ist weitgehend Glücksache; sie erfordert Temperamente, die zueinander passen, die gewillt sind, dem anderen zuzuhören, in seine Vorstellungsweise ernstlich einzudringen. Und doch ist sie nicht in dem Maße Glücksache, wie man vielfach annimmt. Denn nicht die einzelne Leistung, der einzelne Gedanke braucht gemeinschaftlich vollzogen zu werden; nur die gesamte Orientierung und Einstellung, auf deren Grunde dann vom einzelnen ein Versuch gewagt werden kann, muß gemeinsam gewonnen werden.

Die folgenden Seiten wollen eine Probe eines solchen Versuchs darstellen oder genauer den Ansatzpunkt und den Arbeitsplan dazu verlegen. Sie sind gewachsen auf jahrelanger Vorarbeit des Verfassers mit Julius Stenzel, mit Heinrich Scholz, auf manchem Gespräch mit Eva Sachs, die ihrer Zeit als Philologin mit einem kühnen Vorstoß ins mathematische Gebiet vorangeeilt war.

Sie nahmen ihren Ausgangspunkt davon, daß Werner Jaeger dem Verfasser vor zehn Jahren von der Alterslehre Platos erzählte, von seinen Ideenzahlen, die Aristoteles so hart bekämpft hat, die Aristoteles ihn noch selber hatte in seiner Vorlesung „Über das Gute (πε τἀγαθο)“ vortragen hören und die schon den antiken Kommentatoren ein Mysterium waren3. Von vornherein konnte kein Zweifel darüber bestehen, daß Plato das Problem vom Verhaltnis der Arithmetik zur Geometrie ernstlich angegriffen hat. Wenn man den mathematischen Bestand des Euklid sich vergegenwärtigt, so bleibt eine unüberbrückbare Kluft zwischen der Lehre von den ganzen Zahlen einerseits und der von den Strecken, Flächen u.s.w. andererseits; am fühlbarsten ist diese Kluft da, wo die Lehre von den Proportionen zweimal entwickelt wird, einmal für Proportionen von ganzen Zahlen im VII. Buch und außerdem noch einmal ohne jeden Bezug auf die andere Stelle für μεγέθη (d.h. Größen irgendwelcher Art, als da sind Strecken, Flächen, Volumina, Zeiten, Gewichte u.a.m.) im V. Buch. „ἕν und ἀόιστος δυάς sind die beiden Grundprinzipien des Seienden.“4 Wenn Plato mit diesen Worten seine neue Lehre von den Ideenzahlen einleitete, kann kein Zweifel sein, daß er aus dem Scheitern des Pythagoreisch-Parmenideischen Versuchs, auf das ἕν, auf die sich daraus ableitende ganze Zahl die gesamte Welt der Gedankendinge aufzubauen, die Konsequenz gezogen hat, daß er versucht hat, das Prinzip des ἕν in ein neues, größeres einzubauen, das das ganze Gebiet der ὄντα zusammen mit dem ἕν zu tragen imstande war. J. Stenzel hat in seinem Buche „Zahl und Gestalt bei Plato und Aristoteles“5 als erster versucht, an den mathematischen Inhalt dieses Mysteriums ernstlich heranzutreten und hat damit die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Gegenstand gelenkt.

Auch A.E. Taylor6 ist von der dargelegten Vorstellung ausgegangen und hat zu zeigen versucht, daß Plato die genannte Kluft in der Weise hat überbrücken wollen, wie die moderne Mathematik es tut, daß er mit der ἀόιστος δυάς dasjenige gemeint hat, was wir etwa als die Einführung der Irrationalzahlen durch Georg Cantor kennen. Auf diesen Versuch Taylors, der in der Hauptsache auf der schon von Stenzel in die Debatte gezogenen Epinomisstelle (990c) fußt, werde ich im Schlußparagraphen dieser Arbeit genauer eingehen. So sehr ich mit Taylor in der gesamten Grundabsicht übereinstimme, so wenig kann ich aus den Worten der Epinomisstelle das herauserkennen, was ausreichen sollte, um eine so ganz moderne und der griechischen Rede- und Denkweise fremde mathematische Konzeption herauszuinterpretieren. Das Gefühl des Mathematikers will sich bei solche Gelegenheit nicht nur die blanken Begriffe vorstellen, sondern die ganze Art, wie mit ihnen operiert wird, das ganze Getriebe einer zusammenhängenden Theorie und viele Imponderabilien, die der Mathematiker von Beruf zur Hand hat. Dieses Gefühl des Mathematikers könnte hier nur dann mitgehen, wenn der Wortlaut explizite übersetzt wird, Wort fur Wort. Das hat Taylor bisher nicht getan, und soweit es mir gelungen ist, diese Worte zu übersetzen, geben sie zwar einen Sinn von ausgezeichnetem mathematischen Niveau, enthalten aber von dem, was Taylor herausliest, keinen Anklang.

Das Folgende will einen Weg aufweisen, auf dem man aus dem Milieu der griechischen Mathematik heraus, wie man sie für die Zeit des späteren Plato voraussetzen darf, zu einer Vorstellung von diesen geheimnisvollen Ideenzahlen gelangen kann. Nur um einen Weg, um ein Arbeitsprogramm soll es sich handeln. Allerdings nicht um irgendeinen Weg. Sondern ich glaube, daß dieser hier mit dem Kerngehalt der griechischen Mathematik eng verknüpft ist und daß man nicht wird umhin können, ihn entweder als Irrweg zu erweisen oder bis zum letzten Ende zu gehen.

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