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1.2.2 Wechselpräpositionen

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Wie Sie bereits gesehen haben, können Wechselpräpositionen je nach Satzkontext den Akkusativ oder den Dativ regieren. Der klassische Erklärungsansatz zur Kasuswahl bei den Wechselpräpositionen argumentiert mit der Bewegung des Verbs als Kriterium für die Verwendung des Akkusativs und mit der Statik für die Verwendung des Dativs. Trotz scheinbarer Plausibilität stößt dieser Ansatz an die Grenzen der Semantik selbst, und zwar können damit Fälle wie zum Beispiel ich fahre auf der Straße oder ich gehe im Flugzeug nicht zufriedenstellend erklärt werden. Mit dieser Problematik beschäftigte sich Scheller (2009; vergleiche auch Roche & Scheller 2008) und entwickelte auf der Basis kognitionslinguistischer Erkenntnisse einen Erklärungsansatz, der einerseits die Kategorien Figur-Grund nutzte, und andererseits mit dem Konzept des Suchbereichs (der aktivierte Teil der Zieldomäne, zum Beispiel der untere Teil des Betts bei der Präpositionalphrase unter dem Bett) bei lokativen Ausdrücken operiert (vergleiche Langacker 2008). Vor diesem Hintergrund begründete Scheller (2009) die Kasuswahl mit der Überschreitung beziehungsweise Nichtüberschreitung der imaginären Grenze des Suchbereichs (Grund) durch die Figur. Im ersten Fall wird Akkusativ verwendet und beim Nichtüberschreiten der imaginären Grenze, der landmark, wird hingegen der Dativ verwendet. Zur Überprüfung des Mehrwerts dieses Erklärungsansatzes für den Spracherwerb wurde dieses Prinzip in Form einer Animation umgesetzt und in einem Experiment mit Versuchsteilnehmern empirisch evaluiert. Die folgende Abbildung zeigt einen Screenshot von den Animationen:

Abbildung 1.3:

Grammatikanimationen zu Wechselpräpositionen (Scheller 2012: 7f)

Dabei bietet die Nutzung von animierten Bildsequenzen aus der Sicht der Text- und Bildverarbeitung viel mehr Vorteile als die Darbietung statischer Bilder (vergleiche Roche 2008a; Mayer 2009; Lowe & Schnotz 2014). Während statische Bilder erst in den Köpfen der Lerner durch Prozesse der mentalen Integration zusammengestellt werden, können die Lerner durch Animationen die räumlichen und dynamischen Aspekte der Grenzüberschreitung auf eine viel direktere Weise erfahren (vergleiche Scheller 2009). Außerdem lassen sich durch animierte Bildsequenzen die grammatischen Konzepte viel leichter mental simulieren und überhaupt die Unterschiede in der Form auf konkrete Bedeutungsnuancen zurückführen (vergleiche Roche & Suñer 2014). Bei der Erstellung wurden verschiedene Designprinzipien berücksichtigt, die im Rahmen der Theorien des multimedialen Lernens formuliert wurden und die die kognitionspsychologischen Verarbeitungsprozesse von Text und Bildern optimal unterstützen. Diese werden im Folgenden kurz skizziert:

 Die Verwendung von Bildern und animierten Objekten dient hier nicht Unterhaltungszwecken, sondern sie ist als integraler Bestandteil des Konzeptualisierungsprozesses begründet (vergleiche Multimediaprinzip nach Mayer 2009 in Lerneinheit 1.1).

 Bild und Text sind in der Animation kohärent aufeinander abgestimmt und fördern Prozesse der Organisation und Integration multimedialer Information (vergleiche Kohärenzprinzip nach Mayer 2009 in Lerneinheit 1.1).

 Der Lerner kann anhand der Abspielfunktionen der Animation über die Verarbeitungsgeschwindigkeit entscheiden (self-pacing-Prinzipself-pacing-Prinzip nach Mayer & Moreno 2003).

 Die wichtigsten Aspekte des präsentierten Materials werden auch als solche hervorgehoben, wie zum Beispiel durch die farbliche Markierung der imaginären Grenze als kognitives Prinzip für die Kasuswahl (vergleiche signaling-Prinzip nach Mayer 2009 in Lerneinheit 1.1).

Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Animationen von Scheller (2009) das Modalitätsprinzip bewusst nicht anwenden. Das heißt, die verbale Information wird hier genauso wie die piktoriale Information visuell dargeboten. Durch die Abspielfunktion der Animation werden aber eventuelle split-attention-Effekte und damit die unnötige Erhöhung der extrinsischen kognitiven Belastung vermieden.

Zur Überprüfung des Mehrwerts der Animationen zu den Wechselpräpositionen führte Scheller (2009) eine Interventionsstudie durch, in der die zwei Variablen Erklärungsansatz (traditionell versus kognitionslinguistisch) und Präsentationsmodus (statisch versus dynamisch) getestet wurden (siehe Tabelle 1.1). Insgesamt wurden also vier unterschiedliche Gruppen gebildet: Eine erste Gruppe (WS) lernte mit einer Standbildversion der Wo-wohin-Erklärung, in der die Dynamik durch Pfeile symbolisiert wurde; eine zweite Gruppe (WA) nutzte eine animierte Version der Wo-wohin-Erklärung; eine dritte Gruppe (GS) lernte mit einer Standbildversion des Erklärungsansatzes der Grenzüberschreitung, in der die Dynamik durch Pfeile symbolisiert wurde und sowohl die Grenze als auch der Zielbereich explizit markiert wurden; eine vierte Gruppe (GA) nutzte eine animierte Darstellung des Erklärungsansatzes der Grenzüberschreitung.

Präsentationsmodus/ Erklärungsansatz wo/wohin Grenzüberschreitung
statisch WS GS
animiert WA GA

Tabelle 1.1:

Untersuchungsdesign der Studie von Scheller (2009)

Insgesamt nahmen 89 weißrussische Deutschlerner am Experiment teil. Zuerst wurde ein Pre-Test durchgeführt, um das Vorwissen der Versuchsteilnehmer in Bezug auf die Wechselpräpositionen zu erheben. Danach lernten die Versuchsteilnehmer mit den Animationen und bearbeiteten Aufgaben (circa 45 Minuten). Unmittelbar nach der Lernphase wurde ein Nachtest durchgeführt (circa 20 Minuten) und zur Sicherstellung langfristiger Lerneffekte wurde eine Woche später ein weiterer Nachtest eingesetzt (circa sieben Minuten). Die Auswertung der Nachtests zeigt, dass die Gruppe GA am besten abschnitt und dass sie sich von allen anderen Gruppen signifikant unterschied. Zwischen den drei anderen Gruppen bestanden keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Lernleistung. Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass erst durch die Kombination von kognitionslinguistischen Erklärungsansätzen mit einer medial adäquaten Präsentation nachhaltige Lerneffekte im Grammatikerwerb erreicht werden können. Das heißt also, dass weder das reine Animieren traditioneller Regelerklärungen noch die Darbietung des kognitionslinguistischen Erklärungsansatzes in Form von Standbildern zum gewünschten Lernmehrwert führen.

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