Читать книгу Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen - Группа авторов - Страница 17
2.2.3 Die Wertschätzung der alltäglichen pädagogischen Praxis und die Suche nach Schätzen
ОглавлениеSelbstvertrauen in die eigene Professionalität hängt nicht zuletzt davon ab, welche Wertschätzung Lehrer*innen ihrer alltäglichen Praxis zukommen lassen und welche sie von anderen erfahren. Von Anfang an dienten die monatlichen Treffen der PROJEKT-Gruppe deshalb dazu, Aspekte der Alltagspraxis unter unterschiedlichen Perspektiven zum Gegenstand des kollegialen Austausches zu machen, mit dem Ziel, solche Wertschätzung zu befördern und zu praktizieren (vgl. Allwright 2003). Orientierung bot Goffmans Konzept der Erfahrungsschemata, das davon ausgeht, dass eine alltägliche Situation, current situation (Goffman 1974: 9) im Diskurs unterschiedlich definiert und interpretiert wird. Diese unterschiedlichen Interpretationen galt es zugänglich und besprechbar zu machen. Ausgangspunkt war die Suche nach „Schätzen“ in der eigenen Praxis. Lehrer*innen wurden gebeten, einen oder mehrere solcher Schätze mitzubringen, zu erklären, warum es sich um einen Schatz handelt und warum sie glauben, dass die Beschäftigung mit ihm das Wissen der Gruppe zum frühen Englischunterricht erweitern könnte. Die Besprechung der Schätze in Kleingruppen und im Plenum zu Beginn der Projektarbeit bot nicht nur die Möglichkeit, individuelle Vorstelllungen zum kommunikativen Englischunterricht zu thematisieren, sondern auch Perspektiven für die Weiterarbeit zu entwickeln. So kristallisierte sich schon früh die systematische Beschäftigung mit Lernaufgaben als Arbeitsschwerpunkt heraus, denn manche der Schätze konnten als Beispiele komplexer Lernaufgaben (Legutke / Thomas 1999, Hallet 2011) gelten, auch wenn die Lehrer*innen sie nicht so bezeichneten.
Die alltägliche Praxis erfuhr ferner eine deutliche Aufwertung durch eine Intensivierung von Unterrichtsbeobachtungen. Sie erfolgten grundsätzlich nur auf Einladung der Lehrer*innen und schlossen die Beobachtungen durch Peers ein. Beobachtungen waren zunächst eher sporadisch und weniger fokussiert. Je deutlicher sich allerdings konkrete Fragen ergaben, etwa wie Schreib- und Leseaufgaben anzuleiten, wie Präsentationsaufgaben zu orchestrieren oder wie Rückmeldungen zu geben waren, nahmen die Beobachtungen und anschließenden Gespräche an Häufigkeit und Intensität zu.
Unterrichtsbeobachtungen und später im PROJEKT auch videografierte Sequenzen, die die Lehrer*innen aus dem eigenen Unterricht für die Gruppenarbeit zur Verfügung stellten, verstärkten die Wertschätzung. Denn sie machten deutlich erfahrbar, mit welchem Einsatz und welcher Energie die Lehrkräfte den Englischunterricht inszenieren, wie Kopf, Herz, Hand und Fuß in dem Prozess doing a lesson (Bloome et al. 1989) zusammenwirken.
Zu Beginn des PROJEKTS war eine deutliche Zurückhaltung, ja Skepsis der Lehrer*innen wahrnehmbar, Mitglieder des Forschungsteams in den Unterricht einzuladen. Denn mit dem Besuch verband sich die Vorstellung, eine ganz besondere Stunde zeigen zu müssen. Dies mögen Folgen der Ausbildung sein, denn die Mehrzahl der Lehrer*innen berichtete über negative Erfahrungen mit Unterrichtsbeobachtungen im Zusammenhang der zweiten Ausbildungsphase, dem Referendariat. Der kontinuierliche Rekurs in den monatlichen Projektsitzungen auf den Alltag und die täglichen Routinen sowie die Art und Weise, wie das Team die Besuche realisierte, haben im Laufe der Zeit ohne Frage dazu beigetragen, die Beobachtungssituationen zu entspannen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass selbst Lehrer*innen, die sich regelmäßig vom Team beobachten und videografieren ließen, immer wieder auf den Aspekt „Schaustunde“ zurückkommen, wie die folgende Äußerung zeigt:
Stimme 2
Anna: I weiß noch nicht, was ich morgen machen werde. Ich muss da später darüber nachdenken. Ich dachte, dass ich dir zeigen könnte, was ich mir vorgestellt habe. Es ist nichts Besonderes. Aber ich dachte, dass das jetzt reichen muss. Ich habe dieses Mal keine Zeit etwas Besonderes vorzubereiten. Ich muss schon früher als normaler Weise da sein um diese Frau zu treffen, damit sie die Filmausrüstung aufbauen kann.
Annas Anmerkung steht stellvertretend für andere, denn sie drückt die Sorge der Lehrer*innen aus, für die Beobachtung durch die professionellen Forscher*innen und vor allem bei geplanten Videoaufnahmen etwas Besonderes bieten zu müssen. Die Wertschätzung der alltäglichen Praxis und ihrer Routinen war deshalb eine permanente Aufgabe für das Forscher*innenteam und eine der Voraussetzungen für den Aufbau von Vertrauen.