Читать книгу Englisch ab Klasse 1 - Grundlage für kontinuierliches Fremdsprachenlernen - Группа авторов - Страница 18
2.3.4 Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen
ОглавлениеVertrauen ist eine entscheidende Bedingung empirischer fremdsprachendidaktischer Forschung, denn es berührt alle Phasen des Forschungsprozesses, den Zugang zum Feld, die Gewinnung und Analyse der Daten, die Präsentation der Ergebnisse und den Rückzug aus dem Feld. Vertrauen ist nicht automatisch gegeben, sondern muss erarbeitet werden und braucht Entwicklungszeit. Ferner ist es höchst anfällig für Störungen: “[It is] always a fragile and momentary accomplishment, subject often to rapid shifts within encounters and over time, and always vulnerable to exigencies“ (Candlin / Chrichton 2013: 5). Aus diesem Grund verlangt es nach kontinuierlicher Pflege und erfordert die Bereitschaft und Fähigkeit der Beteiligten, mit Vertrauenskrisen umzugehen.
Die Herausforderung, vertrauensvolle Beziehungen zu schaffen und zu erhalten, begleitete das PROJEKT bis zu seinem Ende. Lehrer*innen artikulierten anfangs Enttäuschungen und Frustration über Wissenschaftler*innen, die im schulischen Kontext Daten erheben und danach nicht mehr gesehen werden: Denn fast alle hatten im Laufe ihrer Karrieren an Studien teilgenommen, ohne über Ergebnisse informiert oder in einen Diskurs über die Untersuchungen einbezogen worden zu sein. Immer wieder würden an sie Anfragen gerichtet, an einer Studie teilzunehmen:
Stimme 3
Anna: Oft sind die Umfragen ziemlich lang. Ich verstehe, warum nicht viele Lehrer antworten. Und dann machst du es und dann gibt es oft keinerlei Rückmeldung oder es dauert Jahre und dann hast du schon längst wieder vergessen, um was es in der Umfrage ging.
Anna vermisst die direkte Rückmeldung, auf die Forschung mit Praktiker*innen gerade in Hinblick auf den Erhalt vertrauensvoller Beziehungen nicht verzichten darf. Direkte Rückmeldung, hot feeedback (Sarangi / Candlin 2003: 277), etwa nach Phasen der Datenerhebung, ist jedoch nicht immer leicht zu realisieren. Trotz großer Anstrengungen gelang es dem Forschungsteam nur teilweise, (Zwischen)Ergebnisse zeitnah in die Gesamtgruppe zurückzugeben.
Besonders vertrauensbildend wirkte die Vereinbarung, dass Mitglieder des Forschungsteams Klassenzimmer grundsätzlich nur auf Einladung der Lehrer*innen betreten würden. Videoaufnahmen würden nur auf Wunsch und mit Zustimmung der Lehrkraft erfolgen, wenn gemäß den rechtlichen Bedingungen auch Schulleitungen, Schulkonferenzen und Eltern zustimmten. Die Vereinbarung betonte außerdem die Freiwilligkeit der Teilnahme an den einzelnen Forschungsaktivitäten.
Als deutliches Zeichen des langsam gewachsenen Vertrauens darf der Umstand gelten, dass nach etwa zweieinhalb Jahren Projektarbeit Videodokumente, die im Unterricht einzelner PROJEKT-Schulen entstanden, Gegenstand des professionellen Austausches in der Gesamtgruppe wurden. Nachdem das Eis einmal gebrochen war, wurden die monatlichen Treffen zunehmend vom Austausch über den dokumentierten Unterricht bestimmt. Lehrer*innen wählten aus den Videodokumenten des eigenen Unterrichts, die ihnen das Forschungsteam zur Verfügung stellte, kurze Sequenzen aus und brachten den Dialog in Gang, indem sie die Auswahl begründeten und Fragen an die Gesamtgruppe formulierten.
Vertrauensbildend war zudem, dass Mitglieder des Forscherteams geplante Vorträge und Seminare zum PROJEKT für nationale wie internationalen Kongresse mit den Lehrer*innen besprachen, sich Korrekturen und Anregungen erbaten und vor allem die Erlaubnis einholten, Videodaten zeigen zu dürfen.1 Da Lehrer*innen nur in wenigen Ausnahmen selbst an solchen Kongressen teilnehmen konnten, wurde ihnen durch die Vorbesprechungen und die Zurverfügungstellung von Präsentationen eine vermittelte Teilnahme ermöglicht. Für letzteres eigneten sich besonders die jährlichen Blockseminare. Dass das lokale PROJEKT auf der internationalen Bühne erörtert wurde, erfüllte die Gruppe sichtbar mit Stolz.
Ferner müssen in diesem Zusammenhang Publikationen zu Lernaufgaben und zum Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe erwähnt werden, die während des Projektverlaufs entstanden.2 Auch wenn von Lehrer*innen nicht erwartet wurde, dass sie solche verfassten, waren sie an ihrer Entstehung und Fertigstellung maßgeblich beteiligt, denn sie lieferten nicht nur Materialien, die im Unterricht entstanden und erprobt wurden, sondern auch Rückmeldungen und Korrekturen, bevor Texte in Druck gingen.
Aufbau und Pflege vertrauensvoller Beziehungen wurden schließlich von einer erfahrenen und unter den Kolleg*innen sehr geschätzten Lehrkraft entscheidend befördert, die eine Doppelrolle wahrnahm. Sie unterrichtete wie ihre Kolleg*innen und gehörte zugleich mit der Hälfte ihres Stundendeputats zum Forschungsteam. Sie lud zu den monatlichen Sitzungen und Jahrestagungen ein, die sie protokollierte, und nahm an den wöchentlichen strategischen Sitzungen teil. Als Begleiterin und Türöffnerin bei den ersten Unterrichtsbesuchen bestätigte sie, dass die Wissenschaftler*innen das Vertrauen der Praktiker*innen verdienten (Fetterman 2010). Was diese Lehrkraft ferner auszeichnete, war ihre Bereitschaft, Vertretungsunterricht zu übernehmen, damit die Kolleg*innen sich gegenseitig besuchen konnten.