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4 Qualitative Befragung von Studierenden und Alumni

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Studien- und Prüfungsordnungen sowie Modulbeschreibungen sind zwar rechtsverbindliche Texte, sie geben aber dennoch nur einen Teil der Lehr-/Lern-Wirklichkeit im Fach Bibelkunde wieder. Deswegen sollen als empirischer Gegenhorizont zu dem Bild, das diese Texte von der Lehre in Bibelkunde entwerfen, die Ergebnisse einer qualitativen Befragung von Studierenden, Examinierten und Vikarinnen herangezogen werden. In einer 90-minütigen Diskussion haben unter der Leitung einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin eine Vikarin, eine examinierte Theologin und vier Studierende in Marburg sowie ein Hochschullehrer, der Autor dieses Beitrags, zu vorbereiteten Fragen ein Gespräch geführt.1 Dieses wurde von einer studentischen Hilfskraft protokolliert. Im Folgenden werden die Inhalte des Gesprächs vorläufig ausgewertet. Es wird jedoch nicht der Anspruch erhoben, dass die Ergebnisse repräsentativ sind. Die Lehrveranstaltungen zur Bibelkunde, die die Gesprächsteilnehmer belegt hatten, fanden an den Universitäten Erlangen, Göttingen, Marburg und Neuendettelsau statt. Es waren sowohl Gesprächsteilnehmer mit einer positiven Haltung zur Bibelkunde, als auch Studierende mit eher negativen Erfahrungen wie z.B. der Wiederholung der Bibelkundeprüfung vertreten. Insgesamt spiegelten sich in den Anschauungen der Teilnehmer eine hohe Vielfalt und kontroverse Diversität der Sichtweisen wider. Die Vielfalt der Positionen und Erfahrungen unterstreicht jedenfalls, so viel sei vorweggenommen, die hohe Individualität von Lehr-/Lern-Prozessen und insbesondere die Bedeutung des subjektorientierten und selbstgesteuerten Lernens in der Ev. Theologie.2 Dem Gespräch wurden acht Fragen, die vom Team des Lehrstuhls für Neues Testament in Marburg formuliert wurden, zugrunde gelegt. Im Folgenden wird eine strukturierte Zusammenfassung der verschiedenen Aussagen unter vier Aspekten geboten.

1 Studienvoraussetzungen und Erfahrungen mit Bibelkunde: Die Gesprächsteilnehmer wiesen mehrfach auf die Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung der eigenen Vorkenntnisse und dem im Studium geforderten bibelkundlichen Wissen hin. Die Vorkenntnisse beruhten nicht auf persönlicher Bibellese. Ebenso wenig habe die Institution Familie, Eltern oder Großeltern, eine Rolle gespielt. Als Vermittler bibelkundlichen Wissens wurden mehrfach Kindergottesdienst, Jugendarbeit und Religionsunterricht angeführt. Diese hätten das Gefühl vermittelt, dass man recht gut wisse, was in der Bibel stehe. Die universitäre Auseinandersetzung mit der Bibel sei allerdings so andersartig gewesen, dass sowohl Erwartungen geweckt, als auch Widerstände aufgebaut worden seien. Unter den Erwartungen werden vor allem die Einführung in die Exegese und Kompetenzgewinn in der Auseinandersetzung mit schwierigen Texten genannt, in denen z.B. Frauenfeindlichkeit verbreitet und Gewalt verherrlicht werde. Widerstände rief die Forderung hervor, im eigenständigen Lernen die Verbindung von Textinhalt mit stichwortartigen Inhaltsbeschreibungen sowie mit den Zahlen für Kapitel und Versgruppen herzustellen und auswendig zu lernen. Insbesondere das Auswendiglernen von zahlenorientierten Gliederungen der biblischen Bücher wurde als problematisch und wenig effektiv empfunden.

2 Vorschläge für die Lehre in Bibelkunde: Wichtiger als ein nach Kapitel- und Versgruppen geordnetes bibelkundliches Wissen sei es jedenfalls, neue Perspektiven im Umgang mit schwierigen Abschnitten der Bibel und in der Auseinandersetzung mit unbekannten biblischen Passagen zu gewinnen. Man erwarte sich eine Navigationsfähigkeit durch religiöse Traditionen und damit auch durch alt- und neutestamentliche Texte und Themen. Das könne durch eine Orientierung an inhaltlichem Wissen, am Erzählfaden und an narrativen Zusammenhängen erreicht werden. Die Frage nach dem Was sollte wichtiger sein als die nach dem Wo der biblischen Inhalte.Überraschend ausführlich wurde thematisiert, dass Mitstudierende, die an Bibelschulen bereits als sehr gut wahrgenommene Bibelkenntnisse erworben hätten, als Belastung erlebt würden. Universitäre Bibelkunde solle auch dazu befähigen, im Umgang mit vermeintlich bibelfesten und als theologisch konservativ wahrgenommenen Kommilitonen einen eigenen Standpunkt zu behaupten. Diese würden nicht selten als diskriminierend empfundene theologische Positionen vertreten, die einem historisch-kritischen Verständnis der Bibel nicht standhalten würden. Deswegen solle Bibelkunde nicht auf das Auswendiglernen ausgerichtet sein, sondern auf historisch-kritische Exegese. Die dadurch ermöglichten Verknüpfungen von Bibelkenntnis und wissenschaftlicher Exegese würden dann auch Erfolgserlebnisse vermitteln.

3 Zum Umfang der Lehrveranstaltung: Die meisten Teilnehmer hatten Bibelkunde in Lehrveranstaltungen mit je zwei Semesterwochenstunden für Altes und Neues Testament belegt. Positive sowie auch frustrierende Lehr-/Lern-Erfahrungen wurden gleichermaßen benannt. Da Bibelkunde sich als sehr relevant für das Studium erweise, wurden umfangreichere bzw. studienbegleitende Lehrformate diskutiert und es wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, bibelkundliches Wissen mit exegetischen Inhalten zu verknüpfen.

4 Relevanz für Studium und Beruf: Manche Teilnehmer brachten vor, dass bibelkundliches Wissen eigentlich nur in den exegetischen Lehrveranstaltungen anklinge. Die Praktische Theologie erfordere wenig bibelkundliches Wissen, erst in der Homiletik seien exegetische Kenntnisse wieder gefragt. In der Systematischen Theologie würde gelegentlich ‚über die Texte regelrecht hinübergebürstet‘, insgesamt seien bibelkundliche Bezüge dort selten. Selbst in den exegetischen Fächern wende man sich oft inhaltlich sehr spezifischen Themen zu, ohne dass der Makrokontext der intensiv behandelten ausgewählten Texte angemessen zur Sprache komme.Als ‚praktisch‘ besonders hilfreich werden bibelkundliche und exegetische Kenntnisse für die Diskussion mit streng bibelorientiert argumentierenden Menschen empfunden. Mit bibelkundlichem und exegetischem Wissen könne man dem Druck von Gesprächspartnern, die ihre konservativen Sichtweisen mit Bibelstellen begründeten, besser begegnen. Dies gelte auf ähnliche Weise auch für die Gemeindepraxis, in der bibelkundliche Kompetenz eingefordert werde und es im Gespräch oft wichtig sei, bibelkundliches Wissen spontan und passend einsetzen zu können.

Zusammenfassend sind unter den Ergebnissen der qualitativen Befragung folgende Gesichtspunkte hervorzuheben: Studierende möchten bibelkundliches Wissen in Beziehung zu einleitungswissenschaftlichen und hermeneutischen Fragen setzen. Im weiteren Studium spielt das bibelkundliche Wissen selbst in den exegetischen Fächern eher eine nachgeordnete Rolle. Die Beherrschung der Ordnung der biblischen Bücher nach Kapitel und Versgruppen wird in Studium und Beruf manchmal als hilfreich empfunden, bisweilen aber auch als eine Zahlenorientierung wahrgenommen, die schwer zugänglich und nicht bleibend erlernbar ist.

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