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2 Orte und Kontexte des Hebräischunterrichts in der Bundesrepublik

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Es ergab sich aus dem theologischen Interesse am Hebräischen, das in der Spätrenaissance und der Neuzeit bei der Beschäftigung mit dieser Sprache leitend war, dass der Sprachunterricht an den theologischen Einrichtungen stattfand. Man könnte meinen, diese Lage habe sich zu Beginn des 21. Jh.s wenig verändert. Allerdings kommt es bei der Beschreibung des Standes der Hebraistik in Deutschland auf den Blickwinkel an. Je nachdem, ob wir nach Hebräischlernenden innerhalb der Theologie oder in anderen Fächern und dementsprechend an anderen Fakultäten Ausschau halten, werden Ergebnisse der Standortanalyse unterschiedlich ausfallen. Eine andere Perspektive wäre, nicht vom Angebot, sondern von der Nachfrage her den Stand der Sprache und des Faches zu eruieren. Des Weiteren sollten wir bedenken, dass die hebräische Sprache sich in den letzten hundert Jahren stark gewandelt hat. Diese Wandlung wird gemeinhin metaphorisch als ‚Wiederbelebung des Hebräischen‘ bezeichnet, und sie rief eine neue Situation hervor, sowohl in Bezug auf die Forschung, als auch hinsichtlich der Nachfrage und des Angebots. Aus diesen Gründen scheint es angebracht, zuerst Personenkreise zu benennen, die sich für diese Sprache interessieren und sie erlernen.

Die Interessengruppen könnten nach fachlicher Ausrichtung oder nach Berufen genannt werden, aber auch eine altersabhängige Aufzählung ist möglich. Versuchen wir die letztere, dann wird es vielleicht für einige Leser dieser Zeilen neu sein, dass die jüngsten Hebräischschüler in Deutschland Kinder in jüdischen Kindergärten und Grundschulen sind.1 In diesen Einrichtungen wird modernes Hebräisch unterrichtet.

Die nächste Altersgruppe der Hebräischschülerinnen und -schüler sind Gymnasiasten. Auf dieser Stufe findet eine Angebotserweiterung statt, denn an Gymnasien wird sowohl biblisches, als auch modernes Hebräisch unterrichtet. Der Unterricht des Biblisch-Hebräischen wird an einigen Gymnasien, vor allem an humanistischen, als Teil des philologischen Fächerkanons Griechisch-Latein-Hebräisch im Rahmen eines Wahlfaches oder einer Arbeitsgemeinschaft ab der Mittelstufe angeboten.2 Am Ende des Sprachkurses kann eine Hebraicumsprüfung abgelegt werden. An manchen Gymnasien in Nordrhein-Westfalen kann auch modernes Hebräisch als Prüfungsfach gewählt werden. Iwrit wird auch an jüdischen Gymnasien in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München als ein eigenes Fach unterrichtet.3 Gewisse Hebräischkenntnisse werden des Weiteren innerhalb des jüdischen Religionsunterrichtes vermittelt, der an öffentlichen Schulen von staatlich geprüften Lehrerinnen und Lehrern und in jüdischen Gemeinden abgehalten wird.

Alt- und Neuhebräischkenntnisse, die an Grundschulen und Gymnasien erworben wurden, können im Studium der Judaistik/Jüdischen Studien, der Semitistik, der Orientalistik, der Religionswissenschaft, der Theologie und anderer geisteswissenschaftlicher Fächer vertieft werden. In Fächern wie Judaistik, Semitistik und Theologie sind Kenntnisse des Biblisch-Hebräischen im Umfang des Hebraicums obligatorisch. Unterricht des Biblisch-Hebräischen findet an Universitäten und Hochschulen in staatlicher und privater/kirchlicher Trägerschaft sowie an theologischen Seminaren statt, während rabbinisches bzw. mittelalterliches sowie modernes Hebräisch nur ins Curriculum der judaistischen Institute gehört. So umfasst das Hebraicum an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg Prüfungen in zwei Bereichen des Hebräischen – im biblischen und modernen.

An den meisten Universitäten – auch in Österreich und in der Schweiz – werden Hebraicumskurse an theologischen Fakultäten angeboten. Diese Lage ist durch regelmäßigen Bedarf an diesen Kursen für angehende Theologinnen und Theologen und somit kulturell und historisch bedingt.4 Studierende anderer Fächer belegen die Kurse und lassen danach die erworbenen Qualifikationen ‚bei den Theologen‘ prüfen. Die Sprach- und Lektürekurse zum Biblisch-Hebräischen werden – je nach dem Schwerpunkt des jeweiligen (alttestamentlichen) Lehrstuhls sowie den Forschungsinteressen der Dozierenden – durch Leseübungen zum inschriftlichen sowie Qumran-Hebräischen ergänzt. Lektüreübungen zum Qumran- und rabbinischen Hebräisch werden zudem an einigen neutestamentlichen Lehrstühlen angeboten. Ebenfalls an theologischen Fakultäten einiger Universitäten – z.B. in Heidelberg, Marburg und Münster – kann ein Studium des Biblisch-Hebräischen als Lehramtsfach für Gymnasien abgeschlossen werden.5

Modernes Hebräisch ist an deutschen Hochschulen unterrepräsentiert – nur an wenigen Instituten wird die Sprache regelmäßig unterrichtet. Sie wird vor allem an Instituten für Judaistik oder jüdische Geschichte,6 vereinzelt auch an theologischen Fakultäten angeboten, wie z.B. in Göttingen. Gleichzeitig zeigt die Erfahrung, die an der Hochschule für Jüdische Studien gemacht wird, dass sich Iwrit als eine moderne nichteuropäische Sprache bei Studierenden eines breiten Fächerspektrums einer steten Nachfrage erfreut. Studierende folgender Disziplinen nehmen dort an Iwritkursen teil: Semitistik, Assyriologie, Theologie, Philosophie, Religions-, Islam- und Politikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte, Soziologie, Ethnologie, Mittelalterstudien, Slawistik, Mathematik, Physik, Biologie, Medizin und Pharmazie.

Das Sprachangebot an den Instituten für Judaistik bzw. Jüdische Studien wird mit Kursen zu jüdischen aramäischen Dialekten wie biblisches, jüdisch-palästinisches und jüdisch-babylonisches Aramäisch ergänzt, denn das Aramäische stellt die zweitwichtigste Sprache für jüdische Kultur und Religion dar. An den Rabbinerseminaren, die dem Studiengegenstand entsprechend nicht nur jüdische, sondern auch judaistische Einrichtungen sind, wird dagegen weder Hebräisch noch Aramäisch unterrichtet, da anscheinend davon ausgegangen wird, dass angehende Rabbinerinnen und Rabbiner entsprechende Qualifikationen in beiden Sprachen mitbringen.7

Neben ‚Ganztagsangeboten‘ für den Unterricht in verschiedenen Bereichen des Hebräischen, gibt es auch ‚Teilzeitangebote‘. Wer sich für Iwrit interessiert, aus beruflichen Gründen jedoch nur abends über Lernzeit verfügt, kann Sprachkurse an einer der vielen Volkshochschulen besuchen.

Wer als staatlich geprüfte/r bzw. vereidigte/r Übersetzerin und/oder Dolmetscher arbeiten möchte, kann nach seinem Studium Iwritkenntnisse durch die zuständigen Landesbehörden gemäß dem jeweiligen Landesrecht prüfen lassen und eine entsprechende Eignung nachweisen.

Diese Übersicht über die Angebote an Hebräischunterricht in unterschiedlichen Lehrinstitutionen und in mehreren Sprachstufen verdeutlicht, dass es in der Bundesrepublik viele Menschen gibt, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen über Kenntnisse in verschiedenen Sprachstufen des Hebräischen verfügen bzw. als Nichtmuttersprachler/in Iwrit sprechen. Hierzu kommt, dass manche in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr in Israel gearbeitet, und andere während ihres Studiums eine Zeitlang in Israel gelebt haben – z.B. innerhalb eines akademischen Austauschprogramms wie Studium in Israel – und Iwrit im Rahmen von Ulpan-Kursen der sechs angebotenen Stufen lernten. Wer als Auslandsmitarbeiter in Israel tätig ist – sei es in der Wirtschaft, Wissenschaft oder bei Stiftungen – kann sich auch leicht Alltagshebräisch aneignen. Ebenfalls sprechen einige ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Initiativen des christlich-jüdischen Dialogs Iwrit. Iwritbeherrschung ist selbstverständlich conditio sine qua non für Politik- und Sozialwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Nahost,8 auch wenn Israel-Studien im Lande an diesem Punkt noch schlecht aufgestellt sind.

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