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5. Konsequenzen für die kommunikative Kompetenz

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Fachdidaktisch relevante Fragestellungen sind einerseits, ob die Vorgaben der Lehrpläne und die Verfahren der Lehrwerke den Schülern zu den Grundlagen von Aussprache und Intonation des Französischen verhelfen, die für die mündliche Kommunikation wesentlich sind, und andererseits, welche grundsätzlichen Aspekte – unabhängig von Lehrplänen und Lehrwerken – für eine angemessene Ausspracheschulung im Rahmen der Spracherwerbsphase zweckmäßig und zielführend sind.

Dazu werden i.F. zehn Grundsatzbemerkungen zur Diskussion gestellt.

1: Aussprachenorm

Anders als im Lehrplan von Rheinland-Pfalz gefordert, ist ein Verzicht auf das Ideal des locuteur natif mindestens für die Spracherwerbsphase gerechtfertigt. Dieses Ziel ist durch den zeitlich begrenzten Schulunterricht nicht erreichbar. Auch wenn Französischunterricht möglichst frühzeitig über Minimalforderungen wie das Erkennen an der Intonation, ob der Gesprächspartner beispielsweise eine Frage stellt oder ob er eine Aussage trifft (cf. Découvertes 1; Beutter et al. 1994, 72), um durch eine entsprechende Reaktion die Kommunikation aufrecht zu erhalten, hinausgehen sollte, ist eine in allen Bereichen perfekte Aussprache und Intonation auf Lernerniveau für die erfolgreiche Verständigung nicht von Anfang an notwendig, sondern kann sukzessive aufgebaut werden (cf. Grundsatzbemerkung 5).

Trotz dieser Einschränkung muss die Lehrkraft sich bewusst sein und entsprechend die Lerner nachdrücklich und unmissverständlich darauf hinweisen, dass Mängel bei grundlegenden Ausspracheprinzipien und Aussprachedefizite die Kommunikation zum Scheitern bringen können (cf. Grundsatzbemerkung 5).

2: Zusammenspiel der Ausspracheregeln

Aussprache ist ein komplexes Konstrukt. Sie ist von zahlreichen, voneinander unabhängigen Regeln geprägt. Erst deren erfolgreiches Zusammenspiel lässt eine korrekte Aussprache zustande kommen. Daraus folgt, dass das Insistieren auf Einzelphänomenen zwar mindestens am unmittelbaren Anfang unumgänglich und berechtigt ist, dass die theoretischen Ausspracheregeln und isoliert eingeübten Laute aber verknüpft und in die flüssige Sprechpraxis überführt werden müssen. In dieser Aufgabe wird die Lehrkraft von den Lehrwerken zu wenig unterstützt, da dort eine explizite Gesamtschau vernachlässigt wird. Es bleibt zu oft dem Unterrichtenden überlassen, wie und ob er die Komplexität der Aussprache vermittelt.

3: Verknüpfung von Diskrimination und Produktion

Diskrimination und Produktion von Segmentalia, Suprasegmentalia und Lauten sind entscheidende Faktoren für das Gelingen der Kommunikation. Können die Schüler beispielsweise nicht zwischen dem stimmhaften und stimmlosen s-Laut oder dem a- und o-Nasal unterscheiden, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Probleme bei der Produktion haben. Daraus folgt, dass von Beginn des Lehrgangs an systematische Übungen sowohl zur Diskrimination als auch zur Produktion in den Unterricht integriert werden müssen, denn eine Ausspracheschulung en passant reicht normalerweise nicht aus, um diese Kompetenz zu entwickeln. Allzu leicht setzen sich ohne gründliches Training v.a. im Anfangsunterricht Fehler fest, die später nur schwer wieder ausgeräumt werden können. Gezieltes Üben ist also notwendig, und auch im weiteren Verlauf des Lehrgangs muss die Aussprache immer wieder verbessert und trainiert werden.

4: Koordination von Aussprache und Orthographie

Da man das Französische „nicht schreibt, wie man es spricht“, ist von Beginn an eine enge Abstimmung bei der Schulung von Aussprache und Orthographie angebracht. Die Schüler müssen sich dessen bewusst werden, dass das Französische keine 1:1-Phonem:Graphem-Entsprechung hat. Dieses Bewusstsein der Lernenden können für das Lernerniveau passend ausgewählte aussagekräftige Beispiele für Graphie-Phonie-Verhältnisse im Französischen schärfen (z.B. leurs cousins étaient jeunes, d.h. 25 Grapheme vs. 13 Laute [løʁkuzẽzetɛʒœn]; qu’est-ce que c’est, d.h. 14 Grapheme vs. 7 Laute [kɛskəsɛ]). Die Lernenden erkennen so, dass es im Französischen durchaus phonetisch irrelevante Grapheme und eine redundante Graphie gibt. Die Bedeutung eines gesprochenen isolierten französischen Satzes kann überdies nicht völlig eindeutig sein und wird manchmal erst durch den Kontext bzw. das Schriftbild offenkundig (z.B. il vient à sept / cette heure(s) – [ilvjɛ̃tasɛtœr].

Die Verbindung von Aussprache- und Rechtschreibschulung hilft zudem bei der Kognitivierung und fördert die Lernerautonomie, da so, obwohl es keine klaren Regeln zur Verteilung der Grapheme gibt, geplante Transfers ermöglicht werden und der Lernende durch das Schriftbild geleitet ihm unbekannte Wörter richtig und „in einer Weise aussprechen kann, die von Frankophonen nicht als systematisch fehlerhaft angesehen“ wird (Abel 1982, 291). Von Anfang an sollen die Schüler das Bewusstsein entwickeln, dass Grapheme je nach orthographischer Umgebung für verschiedene Laute stehen können (z.B. ca als [ka], ce als [s]: cahier – cela), dass umgekehrt ein Phonem graphisch auf verschiedene Weise wiedergegeben werden kann (z.B. o als -eau, -au, -o), und dass schon geringe phonetische bzw. orthographische Varianten Bedeutungsunterschiede bewirken können (z.B. beauté vs. bonté; vont vs. font; Louis vs. lui, vert vs. verre).

5: Hierarchisierung der Lerninhalte

Eine Hierarchisierung der phonetischen Lerninhalte ist angebracht, denn man kann von einer gestaffelten Bedeutung für die Kommunikation ausgehen.3 Es ist also nicht nötig, die Schüler gleich zu Beginn des Lehrgangs – wie in Cours Intensif (Hornung et al. 1989) – mit allen Lauten und Intonationsmustern des Französischen zu konfrontieren. Aspiriert beispielsweise ein deutscher Schüler am Anfang im Französischen die Plosive, wird er verstanden werden, denn die Aspirierung hat keine distinktive Funktion. Allerdings gibt sich der Sprecher sofort als Ausländer, speziell als Deutscher zu erkennen.

Vorrangig im Unterricht zu behandeln und einzuüben sind die für die Produktion und Rezeption der fremden Sprache notwendigen Phänomene und wegen des einsichtsfördernden Kontrastivitätsprinzips v.a. diejenigen Einheiten bzw. Regeln, die im System des Deutschen nicht existieren (Nasale, Halbvokale, Liaison), die in Fremd- und Muttersprache unterschiedlich realisiert werden (z.B. auslautendes r; vgl. Grundsatzbemerkung 6) oder in der Fremdsprache distinktiven Charakter haben können (z.B. Oppositionen wie ils sont – ils ont, Louis – lui, gens – champ).

Die nachlässige Aussprache von phonetischen Gegebenheiten, z.B. die uneindeutige Artikulation oder gar Verwechslung des a- und o- Nasals (son – sans) oder der Verzicht auf die Unterscheidung zwischen stimmhaftem und stimmlosem s (désert – dessert) beeinträchtigen die Verständlichkeit und führen im schlimmsten Fall zu Missverständnissen, auch wenn diese häufig durch den Kontext der Äußerung abgemildert oder durch „Hilfen“ wie den Artikel bei Substantiven oder die Subjektpronomen bei Verben aufgefangen werden.

6: Besondere Schwierigkeiten für deutsche Schüler

Die Anzahl der Inhalte, die einem deutschen Schüler besondere Schwierigkeiten bereiten, ist überschaubar und kann konsequent in den Unterricht eingebracht werden. Auch in diesem Fall sind Initiative und Sachverstand der Lehrkraft gefordert, denn selbst in häufig verwendeten Lehrwerken wie beispielsweise Découvertes série jaune (Bruckmayer et al. 2012) werden nicht alle entsprechenden Phänomene in ausreichendem Maß abgedeckt (z.B. nicht e-caduc oder Prinzipien des mot phonétique; cf. Punkt 4).

Bereits erwähnt wurden die Nasalvokale (un, bon, vin, français) und Halbvokale (moi, huit, fille), die für deutsche Schüler eine Herausforderung darstellen. Auch die schon genannte, im Französischen übliche liaison (z.B. il entre vs. ils entrent) ist deutschen Lernenden aus ihrer Muttersprache nicht geläufig. Konkret ist deshalb die liaison obligatoire (z.B. Artikel + Nomen) vs. liaison interdite (z.B. vor h consonne; Substantiv im Singular + Adjektiv) anzusprechen, während die liaisons facultatives im schulischen Französischunterricht vernachlässigt werden können. Als Unterschiede zum Deutschen sind weiter die schon mehrfach angeführte nicht realisierte Aspirierung der Plosive im Französischen und die im Deutschen häufige Vokalisierung des auslautenden –r, die im Französischen nicht gemacht wird (z.B. Vater [fa:tɐ] – père [pɛʀ]), zu erwähnen, sowie die Trennung zwischen [s] und [z], die nicht allen Schülern auf Anhieb leicht fällt (z.B. salade – zèle, rose – essai).

Weiter bereitet die Unterscheidung der e-Laute Schwierigkeiten. Diese Fähigkeit trägt indes wesentlich zur kommunikativen Kompetenz bei, da mit der Differenzierung in der Regel semantische Unterschiede einhergehen (z.B. fée [e] – fait [ɛ], épée [e] – épais [ɛ]). Auch die Aussprache des e-caduc, dessen Realisierung „je nach Sprechstil und/ oder geographischer Herkunft der SprecherInnen“ (Meisenburg/ Selig 1989, 81) variieren kann und z.B. bei la fenêtre [lafnɛtʁ] vs. une fenêtre [ynfənɛtʁ] (cf. Klein 41973, 91), bei il me dit [ilmədi] oder samedi [samdi] uneinheitlich ist, ist deshalb ins Bewusstsein der Schüler zu rücken und zu üben.

Ungewohnt ist das nie gesprochene H – auch nicht im Fall des oft als h aspiré bezeichneten h consonne (z.B. les hôtels – les haricots).

An die Differenzierung der Okklusive (don – ton; car – gare; beau – peau) sind die meisten deutschen Sprecher (Ausnahmen gibt es im fränkischen Sprachraum) gewöhnt (z.B. tanken – danken; Paar – Bar, Kunst – Gunst). Problematischer ist jedoch die Trennung zwischen stimmhaften und stimmlosen Frikativen (gens – cher), und insbesondere die Unterscheidung von v – f, denn im Deutschen werden ‚Fenster – Vogel’ gleich artikuliert, das Französische macht jedoch zwischen fer – ver oder défaut – dévot einen Unterschied. Übungen zu diesbezüglichen Minimalpaaren dienen der Kognitivierung und der Habitualisierung.

Nicht vertraut ist dem deutschen Sprecher das Fehlen von Diphthongen im Französischen (dt. Europa vs. frz. [øʀɔp]) und des coup de glotte.

In Bezug auf die Intonation ist das Phänomen des Sinn- bzw. Satzeinheiten zusammenfassenden mot phonétique hervorzuheben, das nicht selten das Verstehen authentischer Texte erschwert, denn deutsche Schülerinnen und Schüler kennen aus ihrer Muttersprache klare Wortgrenzen. Außerdem ist der generell oxytone Charakter des Französischen für deutsche Schüler eine Besonderheit. Sie sind vom Deutschen her keine einheitliche Betonung gewöhnt (Beispiel: Imperativ ‚gebet’ und Substantiv ‚Gebet’), so dass der stabile Wortakzent auf der letzten Silbe des mot phonétique (Tu as vu la maison? Tu as vu la maison rouge? Tu as vu la maison rouge de mon oncle? usw.) im Unterricht ausdrücklich hervorzuheben und einzuüben ist.

7: Ökonomie des Unterrichts

Die Ökonomie des Unterrichts bezieht sich zum einen auf Laute, die in Mutter- und Fremdsprache gleich sind. Sie müssen nicht ausdrücklicher Lerninhalt sein (cf. Abel 1982, 290). Zum anderen sind in den ersten Lernjahren vom Prinzip der Ökonomie – im Gegensatz zu Forderungen des GeR und der Bildungsstandards, die Kenntnisse von Aussprachevarietäten verlangen – Allophone betroffen, die als aktive Inhalte während der Spracherwerbsphase weitgehend unbeachtet bleiben können. Zum dritten können Laute im Unterricht vernachlässigt werden, die von französischen Sprechern nicht mehr bzw. nicht mehr abweichend realisiert werden (z.B. palatales vs. velares a wie bei pâte – patte; offenes vs. geschlossenes e, z.B. bei je donnerai – je donnerais; Zusammenfall von œ- und e-Nasal). In den Fällen, in denen die unterschiedliche Aussprache zu semantischer Differenz führt (z.B. brun – brin), kann die Aussprache thematisiert werden, wenn im Unterricht entsprechende Begriffe auftauchen.

8: Rezeptive Fähigkeiten

Rezeptive Fertigkeiten sind wie immer weiter gefasst als produktive. Ohne auf Details einzugehen, soll die Lehrkraft die Lerner darüber informieren, dass der Französischunterricht in Deutschland auf einer bestimmten Aussprachenorm beruht, dass sie im Land aber auch eine andere Aussprache hören können als die des français standard. Mit fortschreitendem Lernzuwachs sind die Lernenden dann mit entsprechenden Beispielen (z.B. zur phonetischen Realisierung der Nasale oder des r im Midi) zu konfrontieren (cf. Grundsatzbemerkung 7).

9: Methodische Vielfalt

Die Aussprache des Lehrers ist in der Regel primäres Modell und wird von den Schülern imitiert. Seine Aussprachekompetenz muss deshalb vorbildlich sein. Relikte von dialektalen Besonderheiten aus der Muttersprache, die ins Französische übertragen werden, sind sowohl in seiner eigenen Artikulation als auch bei den Schülern auszumerzen (z.B. der im fränkischen Sprachraum häufige Zusammenfall von [b] – [p], das gerollte r).

Da Imitation auch einer vorbildlichen Aussprache allein im Unterricht nicht ausreicht, sollte die Lehrkraft den Lernwillen der Schüler steigern und effektive Lernprozesse anstoßen, indem sie eine große Bandbreite von Übungen zum Einsatz bringt, deren Art vom Alter und Sprachniveau der Schüler abhängig gemacht werden muss. So ist das Chorsprechen in der Anfangsphase sicher ein probates Mittel, die Lernenden an die fremde Artikulationsbasis zu gewöhnen. Problematisch ist jedoch, dass Chorsprechen zwar Sprachhemmungen verringert, es aber auch zulässt, sich zu „verstecken“. Nicht möglich ist dies hingegen bei szenischen Spielen, die insbesondere der Anwendung von Ausspracheregeln in einem kommunikativen Zusammenhang zuträglich sind.

Kognitivierung wird durch andere methodische Mittel erreicht: Demonstration der Artikulation und ihre Beschreibung (z.B. anhand der Abbildung eines Kehlkopfes), Illustrationen (z.B. Intonationskurven) oder Einsatz von Ausspracheregeln und Lautschrift. Bewährt haben sich auf Phoneme oder Intonation ausgerichtete Hörverstehensübungen, z.B. das Ankreuzen des richtigen Nasalvokals (z.B. vin – vont – vent; bon – banc – bain) oder das Finden von Paaren (z.B. tout – doux; tes – des).

Für die Anfangsphase sind im weitesten Sinn spielerische Übungen unter Einbezug motorischer Elemente besonders geeignet. Wenn die Schüler beispielsweise vom Oralvokal ausgehend den Kopf in den Nacken legen, erleichtert dies die am Anfang ungewohnte Artikulation der französischen Nasale. Die Opposition stimmlos – stimmhaft ([s] vs [z], [ʒ] vs [ʃ]) kann mit der Hand am Kehlkopf eingeübt werden. Richtig ist die Aussprache, wenn bei den stimmhaften Varianten eine Vibration spürbar ist. Der Hinweis, dass man nur auf die stimmhaften Konsonanten summen kann, ist hilfreich und kann einzeln oder im Klassenverband umgesetzt werden. Spielerische Elemente enthält auch der Einsatz von Zungenbrechern oder von Comptines (z.B. Dans ta tente ta tante t’attend oder 1, 2, 3, nous avons un gros chat/ 4, 5, 6, il a de longues griffes/ usw.) oder von Videoclips (u.a. von Alain le Lait auf YouTube zu den Zahlen), die zum Nachsprechen bzw. rhythmischen Übungen anregen.

10: Sprachlernbewusstheit

Eine kognitivierende Schulung von Aussprache und Intonation sowie (rezeptive) Grundkenntnisse der Lautschrift (API) sind Voraussetzungen für Sprachlernbewusstheit, die ihrerseits dazu beiträgt, den Erwerb von Sprachkompetenz effizienter zu gestalten. Sie stärkt die gewünschte Autonomie der Lerner, nicht zuletzt auch in Hinblick auf die Selbstevaluation der Aussprache.

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