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Fallstudien in der Fremdsprachendidaktik

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Auch in der deutschsprachigen Fremdsprachendidaktik erfreut sich der Einsatz von Fallstudien großer Beliebtheit. Neben den vielen Studien zum Zweit- und Fremdsprachenerwerb existiert eine Fülle von kleineren und größeren Untersuchungen, die 2021 in der Datenbank des ifs (Informationszentrum Fremdsprachenforschung) als „Fallstudie“ klassifiziert wurden. Diese Beliebtheit dürfte nicht nur daran liegen, dass dieses Design eine Möglichkeit darstellt, der Faktorenkomplexion des Lehrens und Lernens von Sprachen gerecht zu werden, sondern vor allem daran, dass „die Einzelfallstudie als elementarer Baustein jeder qualitativen Studie anzusehen ist, denn eine qualitative Befragung von dreißig Personen etwa besteht aus dreißig Einzelfallstudien, die sich der gleichen Erhebungstechnik bedienen und analytisch miteinander verbunden sind“ (Lamnek 2016: 298). Häufig werden auch einzelne Fälle aus einer umfangreicheren (Interview-)Studie vorab veröffentlicht.

Für die Auswahl der Beispiel aus der Fremdsprachendidaktik wurde ein engeres Verständnis von Fallstudie zugrunde gelegt: Kriterium ist die mehrmethodische Untersuchung unterschiedlicher Konstituenten eines oder mehrerer komplexer Fälle. Beispiele hierfür sind u.a. die Studien von Biebricher (2008, Referenzarbeit, s. Kap. 7), Freitag-Hild (2010), Gießler (2018), Grünewald (2006), Kocher (2019), Peuschel (2012), Prokopowicz (2017), Rauschert (2014), Schubert (2013) und Steininger (2014).

Grünewald (2006) konzipiert seine Untersuchung zur subjektiv wahrgenommenen Wirkung verschiedener Computeranwendungen im Anfangsunterricht Spanisch aufgrund der zugrunde gelegten konstruktivistischen Auffassung von Fremdsprachenlernen (ebd.: 21–53) als Fallstudie. Um den Motivationsverlauf und den selbst eingeschätzten Lernfortschritt von Schüler*innen aus drei neunten Klassen (n=60) zu erheben, verwendet er unterschiedliche Instrumente: Eingangsfragebogen, strukturiertes Lerntagebuch mit Motivationskurven, Abschlussfragebogen und Leitfadeninterviews mit 15 ausgewählten Schüler*innen. Grünewald versteht die Falldarstellung als „Methode“, die bereits mit der Datenaufbereitung und der Fallanalyse beginnt (vgl. ebd.: 167–168). Daher verfolgt die Auswertung der Daten mit Hilfe des Transkriptionsprogramms MAXQDA das Ziel, jeden einzelnen Fall möglichst individuell zu erfassen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurden die Kategorien aus dem Material entwickelt und es wurden zu jedem bzw. jeder Lerner*in zusätzlich zu den Daten aus den Interviews die Daten aus den anderen Untersuchungsinstrumenten mit kodiert. Ausgewählt wurden schließlich sechs Fälle (zu den Auswahlkriterien vgl. ebd.: 151–152), die auf jeweils gut 20 Seiten dargestellt und in einer vergleichenden Synopse zusammengestellt werden. Die in Form von „zusammenfassenden Thesen“ dargestellten Ergebnisse beruhen ausschließlich auf diesen sechs Fällen. In der abschließenden Reflexion kommt Grünewald zu dem Schluss „dass methodisch kontrollierte Einzelfalldarstellung[en] mehr können, als Theorien zu veranschaulichen oder zu überprüfen. Sie können auch mehr als nur Hypothesen für weitere […] Forschung generieren: Sie tragen zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und damit letztendlich zur Theoriebildung bei“ (ebd.: 316).

Die Studie von Rauschert (2014) ist ein Beispiel für ein Forschungsdesign, das Fallstudie und Aktionsforschung (s. Abschnitt 3) miteinander verknüpft. Ausgehend von dem zuvor nur in der Pädagogik bekannten Unterrichtsansatz des Service Learning setzt sich die Arbeit mit der Frage auseinander, wie im Englischunterricht in der gymnasialen Mittelstufe durch Projektarbeit, die fachspezifische Ziele und Inhalte mit sozialem Engagement verbindet, interkulturelle und kommunikative Kompetenzen gefördert werden können. Auf der Basis von Byrams Modell der interkulturellen kommunikativen Kompetenz (Byram 1997) und dem Leitgedanken des Service Learning gestaltet die Verfasserin ein Projekt in einer 10. Klasse, in dessen Rahmen die Schüler*innen in Zusammenarbeit mit indischen Schüler*innen ein Magazin zum Thema „Happiness in India and Germany“ erarbeiten und produzieren, dessen Erlös einer indischen Schule zugute kommt.

In dieser Studie stellt die deutsch-indische Projektgruppe den Einzelfall dar, der in den einzelnen Projektphasen mit unterschiedlichen Formen der Datenerhebung untersucht wird: erstens ein Fragebogen im Pretest-Posttest-Format zur Feststellung interkultureller Fähigkeiten, Kenntnisse sowie Einstellungen, zweitens drei Tests zur Feststellung der Interpretationsfähigkeit der deutschen Schüler*innen anhand von Videointerviews, drittens eine (simulierte) Pressekonferenz, viertens eine freie Textproduktion (Portfolio) und schließlich eine schriftliche Abschlussbefragung ein Jahr nach dem Projekt. Alle Formen der Datenerhebung werden im Hinblick auf die Gütekriterien empirischer Forschung genau analysiert. Der eingesetzte Fragebogen wurde sowohl mit einer großen Stichprobe pilotiert als auch einem Expertenrating unterworfen. Dadurch konnte das Projekt in seinen unterschiedlichen Zielsetzungen mit quantitativen und qualitativen Forschungsverfahren untersucht werden, wobei ein vielschichtiges Bild des Projektes und der an ihm Beteiligten entsteht, das an eine dichte Beschreibung im Sinne Geertz‘ (1987) erinnert.

Rauschert diskutiert den action research cycle anhand ihres eigenen Projekts (Rauschert 2014: 161–166). Dabei reflektiert sie ihre Rollen als Forscherin und Lehrerin und setzt sich mit kritischen Einschätzungen dieses Forschungsansatzes auseinander. Somit wird deutlich, dass die Wahl des forscherischen Vorgehens getragen ist von genauer Kenntnis des Ansatzes in seinen Schwächen und Stärken, von nachvollziehbaren Überlegungen zur Passung von Forschungsthema, Fragestellungen und Methode und von (selbst-)kritischer Reflexion der eigenen Rollen.

Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik

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