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4.2.4 Design Research oder Educational Design Research
ОглавлениеIm englischsprachigen Kontext wird mit Blick auf Unterrichtsforschung von Educational Design Research oder Design Research in Education gesprochen. Damit wird eine Unterscheidung zu anderen designbezogenen Disziplinen wie Architektur, Informatik usw. angestrebt. In den allermeisten Publikationen wird aber für den Fall, dass der Kontext eindeutig ist, der Bezug zum educational context weggelassen. Daher ist im Folgenden von Design Research (DR) die Rede. Der im deutschsprachigen Raum häufig verwendete Begriff Design-Based-Research soll die Verflechtung der beiden Begriffe „design“ und „research“ veranschaulichen: Das Design wird forschungs- bzw. theoriebasiert entwickelt, die Forschung wiederum wird designbasiert durchgeführt.
Eine der ersten, die den Designbegriff in die Lehr-Lernforschung eingeführt hat, war Brown mit der Idee des „design experiments“ (Brown 1992), später wurde dann von „design studies“ oder „design research“ gesprochen (zur Geschichte des Designbegriffs vgl. Grünewald et al. 2014a, zur Historie des DR-Ansatzes vgl. Bakker 2019: 23–34.). Zugrunde lag das Bedürfnis nach einem Forschungsansatz, der Lernphänomene nicht in Labors, sondern in realen Unterrichtssituationen untersucht. Die Entwicklung eines Designs im DR-Ansatz kann z.B. der systematisch dokumentierten Entwicklung eines Lehr-/Lern-Arrangements entsprechen, bei der Materialien, Werkzeuge, Aufgaben, methodische Entscheidungen und alle anderen dazugehörigen Aktivitäten und Dokumente gegenstandsbezogen so zusammengestellt werden, dass das Ensemble geeignet ist, einen Lernprozess zu initiieren oder einer konkreten Herausforderung aus der Praxis zu begegnen. Schließlich finden sich zahlreiche weitere Bezeichnungen dieses Forschungsansatzes (z.B. fachdidaktische Entwicklungsforschung). Ihnen allen gemein sind die folgenden Chrakteristika (vgl. van den Akker/Gravemeijer/McKenney/Nieveen 2006; Cobb et al. 2003):
Interventionsorientierung: Design Research hat zum Ziel, unterrichtspraktische Fragestellungen unter realen Bedingungen weiterzuentwickeln, daher sind Interventionen im Forschungsfeld notwendig und wünschenswert.
Theorieorientierung: Nicht nur die Entwicklung des Designs erfolgt theoriebasiert; auch mit der Umsetzung und Beforschung des Designs wird das Ziel verfolgt (lokale) Theorien über Lernprozesse und Designelemente zu generieren.
Praxisorientierung: Der Startpunkt eines DR-Projektes kann entweder eine theoretisch begründete Annahme oder eine konkrete, von den Akteur*innen der schulischen Praxis wahrgenommene Problemlage sein. In beiden Fällen zielt DR auf der Basis eines theoretischen Konzepts auf die (Weiter-)Entwicklung von Lehr- und Lernarrangements in der Unterrichtspraxis und die Generierung bzw. Weiterentwicklung eines theoretischen Beitrags. Dieser muss sich in der Praxis bewährt haben (ökologische ValiditätValiditätökologische).
IterativitätIterativität und Zyklusgebundenheit: Die Design-Konzeption, die Design-Erprobung und die retrospektive Analyse sowie Reflexion erfolgen in iterativen Zyklen.
Prospektivität und Reflexivität: Dem auf theoretischer Grundlage entwickelten Design liegen Annahmen über den Einfluss des Designs auf den Lernprozess zugrunde. Mit der Analyse und Reflexion der Design-Erprobung werden retrospektiv Abweichungen zwischen den Annahmen und den tatsächlich beobachteten Lernprozessen erkannt; diese können zur Optimierung des Designs beitragen.
In Bezug auf die kontroverse Diskussion um Theorie und Praxis in der Fremdsprachendidaktik ist als besonders wichtiges Merkmal von DR hervorzuheben, dass der Forschungsansatz nicht von der Praxis losgelöst ist, sondern die enge Verzahnung von Theorie und Praxis zum tragenden Merkmal der Methodologie deklariert. Das Ziel ist es, unterrichtspraktische Designlösungen für real existierende Herausforderungen zu schaffen, diese Lösungen einer sorgfältigen Analyse, Reflexion und Überarbeitung zu unterziehen und wesentliche Beiträge zur Lerntheorie zu leisten. Theorie und Praxis werden nicht als getrennte und sequentiell zu bearbeitende Entitäten betrachtet. Vielmehr wird die Umsetzung des Designs in der Praxis als unabdingbar für Theorieentwicklung im Bereich des Lehrens und Lernens gesehen (Lehmann-Wermser/Konrad 2016).
Der iterative Verlauf einer Design Research-Studie nach dem Bremer Modell (Peters/Roviró 2017), das explizit auch eine fremdsprachendidaktische Ausrichtung von DR beschreibt, verläuft in wiedererkennbaren Strukturen (s. Abb. 1): Der dem iterativen Design-Zyklus vorgelagerte Design-Kontext wird definiert als eine Herausforderung in der Unterrichtspraxis, die auf theoretischer Grundlage bestimmt wird, oder als eine aus der unterrichtlichen Praxis beschriebene Problemstellung. Der Design-Kontext definiert also den Lehr-Lern-Kontext und beschreibt diesen unter Heranziehung theoretischer Grundlagen und fachdidaktischer Theorien. Auf dieser Basis erfolgt der Einstieg in den iterativen ProzessProzessiterativer durch die Bestimmung des Design-Gegenstands. Die fortlaufende Strukturierung und Spezifizierung des Design-Gegenstandes enthält alle für die Entwicklung des Lehr-Lern-Arrangements wichtigen Merkmale, die unter Rückbezug auf Theorien ebenso festgelegt werden, wie die Zielsetzung der Studie.
Den nächsten Schritt bildet die Design-Konzeption. Basierend auf dem Design-Kontext und der Spezifizierung des Design-Gegenstands werden Hypothesen zur Wirkung von Design-Elementen auf den Lernprozess formuliert und Design-Prinzipien entwickelt. Diese sind Teil der Theorie zu Lehr-Lernprozessen und bilden wichtige Orientierungen für das entwickelte Design (vgl. Prediger et al. 2012: 454), weisen aber über das spezifische Design hinaus. Die Design-Prinzipien im Sinne von Erkenntnis- und Handlungsprinzipien bilden den Ausgangspunkt für die Übertragbarkeit des Designs auf andere unterrichtliche Siuationen (lokale Theorie). Im ersten Zyklus werden sie meist aus der Theorie abgeleitet, mit fortschreitendem Forschungsprozess werden sie aus den Ergebnissen der Analyse und Reflexion der Design-Erprobung spezifiziert. In weiteren Zyklen erfolgt die schrittweise Optimierung und Ausdifferenzierung des Lehr-Lern-Arrangements. Im letzten Schritt des Zyklus wird die Umsetzung des Designs in Form eines Lehr-Lern-Arrangements vollzogen. Das Design und dessen Umsetzung werden analysiert und reflektiert. Die Ergebnisse dieses Prozesses sind die Grundlage für das erneute Durchlaufen des Zyklus, so lange, bis eine mehr oder wenige gesättigte Datenlage eintritt und die Design-Prinzipien in immer wieder anderen Lernsituationen funktionieren. Auf dieser Grundlage können dann ein Referenzdesign und eine lokale Theorie (Design-TheorieDesign-Theorie) beschrieben werden, die als Modell in der Praxis umsetzbar sind.
Abbildung 1:
Bremer Modell zum Design Research-Prozess, Bearbeitung Andreas Grünewald