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2. Werk

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Bucers erster Wirkungsbereich war die Gestaltung und Sicherung der Reformation in Straßburg. Schnell erwies er sich als der wortgewaltigste unter den Straßburger Reformatoren und wurde zu ihrem unbestrittenen Führer. Neben der reformatorischen Predigt sorgte er für die Einführung entsprechender Kirchenordnungen (BDS 5, 15–41). Dabei betonte er stets die Verantwortung der städtischen Obrigkeiten für die rechte Gottesverehrung in der Reichsstadt und eine entsprechende sittliche Zucht. Die Straßburger Herren setzten die geforderten Zuchtmaßnahmen aber nur zögernd um. So sah Bucer schließlich keine andere Möglichkeit, als dem Amt der Kirchspielpfleger, das 1531 im Rahmen der Bemühungen von Kirche und Magistrat um sittliche Besserung geschaffen wurde, eine besondere gemeindliche |67|Zucht zur Seite zu stellen. Christliche Gemeinschaften innerhalb der Kirche sollten gegenseitige brüderliche Zucht üben und die „Gemeinschaft der Heiligen“ im Rahmen des christlichen Stadtstaates zu verwirklichen suchen (vgl. BDS 17, 153–345). Neben einer Liturgiereform schuf Bucer mehrere Katechismen, um die reformatorische Lehre im Volk zu befestigen (BDS 6/III).

Von Anfang an war Bucer an den Bestrebungen beteiligt, in Straßburg eine Akademie zu schaffen, welche die höhere Bildung und Ausbildung von Theologen, Juristen und Medizinern leisten sollte. Bereits in den zwanziger Jahren legte er zusammen mit dem Bürgermeister Jakob Sturm die entscheidenden Grundlagen. Mit der Ankunft des Humanisten Johann Sturm in Straßburg im Jahre 1537 nahm die Akademie einen raschen Aufschwung, und Bucer selbst wirkte dort als Lehrer. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Bibelkommentare wurden zum großen Teil mehrfach nachgedruckt und breit rezipiert.

Straßburg entwickelte sich rasch zum Zentrum der oberdeutschen Reformation. Bucer hatte durch seine rastlose Tätigkeit in zahlreichen Reichsstädten des Südwestens einen maßgeblichen Anteil an der Einführung und der Etablierung der Reformation. Das geschah durch persönliche Anwesenheit, durch Entsendung von geeigneten Predigern, durch Gutachten bei theologischen Streitfragen oder durch die Erstellung von Kirchenordnungen.

Nicht zuletzt durch die räumliche Lage Straßburgs bedingt, aber auch infolge seiner humanistischen Prägungen hat Bucer schon früh Einflüsse der Züricher Reformation aufgenommen. Im Abendmahlsstreit zwischen Luther und Huldrych Zwingli seit 1525 suchte er zu vermitteln, wurde aber von Luther und anderen Wittenbergern als zur zwinglianischen Partei zugehörig angesehen. Entsprechend trat er bei dem von Landgraf Philipp von Hessen Anfang Oktober 1529 nach Marburg einberufenen Religionsgespräch zusammen mit Zwingli und dem Basler Reformator Johannes Oekolampad auf. Auch auf dem Augsburger Reichstag von 1530 konnte er sich nicht der „lutherischen“ Confessio Augustana mit ihrer Betonung der leiblichen Realpräsenz Christi im Abendmahl anschließen und brachte ein eigenes Bekenntnis ein, die Confessio Tetrapolitana (BDS 3, 13–85). Jedoch reiste er noch vor dem Abschluss des Augsburger Reichstags im Herbst 1530 zu Luther auf die Veste Coburg, um Verständigungsmöglichkeiten auszuloten – nicht zuletzt auch in Anbetracht der für die Protestanten bedrohlichen politischen Lage. Schließlich erzielte Bucer mit der maßgeblich von ihm – unter Beteiligung Melanchthons – in die Wege geleiteten Wittenberger Konkordie (BDS 6/I, 114–134) 1536 doch noch einen Teilerfolg. Wenigstens die oberdeutschen Städte und die Wittenberger Reformatoren einigten sich auf eben der Linie, die Bucer 1528 in einer Schrift mit dem Titel Vergleichung D. Luthers und seins gegentheyls (BDS 2, 305–383) vorgegeben hatte.

|68|Diese in Gestalt eines fingierten Dialogs gehaltene Schrift nahm den von Luther zur Erläuterung der Art der Gegenwart Christi im Abendmahl herangezogenen Begriff der unio sacramentalis auf, um dadurch die Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Auch Luther lehne eine „lokale Einschließung“ des Leibes Christi im Brot ab und verstehe die Einheit von Brot und Leib Christi nicht natürlich, nicht personal („persönlich“) und auch nicht qua Vollzug der Abendmahlshandlung, sondern „sakramental“. Bucer überging Luthers Betonung der leiblichen Realpräsenz Christi und konnte so die Auffassung erläutern, dass beide Parteien „in der hauptsumm von der gegenwertigkeit Christi im Abentmal“ einig seien. Nach Bucers Auffassung war damit das Wesentliche gesagt und durch den Begriff der unio sacramentalis bleibe zu Recht das Geheimnis des „Wie“ der Gegenwart gewahrt. Die Wittenberger Konkordie schloss sich dem an.

Im Zuge der Ausgleichsbemühungen im innerprotestantischen Abendmahlsstreit trat Bucer als unermüdlich die Einheit suchender Theologe hervor. Das führte dazu, dass Landgraf Philipp von Hessen ihn in sein Territorium holte, um die drohende Separation der Täufer zu verhindern. Hier ging es maßgeblich um die Kritik der Täufer an der mangelnden Umsetzung der Kirchenzucht in der evangelischen Landeskirche. Man warf ihr vor, sie sei keine Kirche, da sie keinen Bann übe und sich von der Welt abgrenze. Bucer vermochte im November 1537 dadurch einen Kompromiss mit den Führern der Täufer zu erreichen, dass er in der Ziegenhainer Zuchtordnung eingehend Verständnis und Praxis der Kirchenzucht entfaltete (BDS 7, 247–278). Bucer wertete das Amt der Ältesten auf und sprach diesen zusammen mit den Predigern die Aufgabe zu, sich mit Fleiß darum zu bemühen, „das sie zuo volkommner gemeynschafft Christi in der leer, Sacramenten und Christlicher zucht durch freüntlichs und getrewes ermanen, bitten und flehen vermögen und bringen alle die, so sich noch von solcher gemeynschafft gantz oder zum theyl eusseren“ (BDS 7, 265).

Die Vermahnungen sollten allzeit mit aller christlichen Sanftmut und Freundlichkeit geschehen. Wenn das aber nichts nütze und jemand dies alles verachte, so solle man ihn aus der Gemeinschaft der Kirche ausschließen und nur noch den notwendigen weltlichen Umgang mit ihm pflegen.

Charakteristisch war sein Bemühen, nicht nur für eine Wiederherstellung der rechten Evangeliumspredigt und Sakramentsverwaltung zu sorgen, sondern ebenso die Durchführung der Kirchenzucht voranzutreiben. Neben der rechten Predigt und Sakramentsverwaltung hatte diese den Rang einer dritten nota ecclesiae. Ihre Praxis ist nach Bucers Auffassung konstitutiv für das Kirche-Sein. Inhalt einer Reformation der Kirche war demzufolge neben der Wiederherstellung der rechten Lehre auch die Sorge für das geistgewirkte Leben nach dem Willen Gottes. Dies drückte sich zuerst in dem Aufeinander-bezogen-Sein, der Gemeinschaft, in der |69|Kirche aus. Hier hat die Kirchenzucht als brüderliche Ermahnung und notfalls der Bann als (zeitweiliger) Ausschluss zum Schutz der Gemeinschaft ihren unaufgebbaren Platz.

Landgraf Philipp von Hessen, der Bucers Fähigkeit, in Konflikten zu vermitteln, schätzen gelernt hatte, bediente sich seiner bald auch als Berater in den Verhandlungen zwischen Altgläubigen und Protestanten auf Reichsebene. Der Kaiser hatte angesichts des mangelnden Reformwillens der Kurie das Heft selbst in die Hand genommen und Anfang der vierziger Jahre zu einer Reihe von Reichsreligionsgesprächen eingeladen. Das erste fand im Juni und Juli 1540 in Hagenau, das zweite von November 1540 bis Januar 1541 in Worms und das dritte im April/Mai 1541 in Regensburg statt. Bucer wurde hier zum führenden protestantischen Gesprächspartner des Kaisers, seines Kanzlers und der katholischen Reformtheologen. Der Erfolg der Reichsreligionsgespräche war sehr begrenzt; als ein Ergebnis blieb aber die Aufforderung des Regensburger Reichstagsabschieds vom 29. Juli 1541 an die Stände, bis zur endgültigen Klärung der Religionsfrage durch ein Konzil für eine angemessene Reformation der kirchlichen Missstände in den eigenen Territorien zu sorgen. Zudem kam es zu einer Konsensformulierung in der Rechtfertigungslehre. Bucer konnte sich im Dezember 1541 in den Wormser Verhandlungen mit dem katholischen Reformtheologen Johannes Gropper auf einen Kompromiss einigen, der von zweierlei „Gerechtmachung“ spricht. Neben der allein aus Gnade und durch den Glauben empfangenen gibt es danach eine Gerechtmachung, die „ist von wercken, so auß der wurtzel des glaubens vnd der liebe endtspringen vnd den glauben […] vollfueren“ (BDS 9/I, 354,19–21). Anders als die Wittenberger Reformatoren unterschied Bucer hier nicht klar zwischen Rechtfertigung und Erneuerung, auch wenn er besonders in seinem Römerbriefkommentar vielfach Formeln Melanchthons aufgenommen hatte. Luther sah in der Rede von einer doppelten Rechtfertigung eine Verunklarung der reformatorischen Entdeckung der Rechtfertigung sola fide und urteilte entsprechend kritisch über den in Worms erarbeiteten und in Regensburg verhandelten Kompromiss.

Unmittelbar nach den Reichsreligionsgesprächen 1540/1541 wurde Bucer vom Kölner Erzbischof Hermann von Wied in sein Kurfürstentum gerufen, um eine Reformation der kirchlichen Missstände in Angriff zu nehmen. Der Erzbischof hatte Bucer bei den Religionsgesprächen kennengelernt und erhoffte sich von ihm ein moderates, konsensorientiertes Vorgehen. Die Predigt- und Lehrtätigkeit, die Bucer daraufhin im Dezember 1542 in Bonn begann, führte jedoch bald zu heftigen Auseinandersetzungen mit altgläubigen Theologen, dem Rat der Reichsstadt Köln und Angehörigen der Universität Köln. Schnell wurde der Streit in aller Öffentlichkeit ausgetragen und weitete sich zu einer bis dahin nicht gekannten publizistischen Schlacht aus. Ungefähr 250 Schriften, Flugblätter und andere Texte |70|kamen in diesem Zusammenhang zum Druck. Auch wenn der Kölner Reformationsversuch letztlich scheiterte, gingen von der für den Kölner Erzbischof erstellten Reformationsordnung bleibende Wirkungen aus.

Martin Bucer hatte im Sommer 1543 zusammen mit Philipp Melanchthon einen Reformationsentwurf verfasst, in dem die Grundsätze der Neuordnung der Lehre und des Lebens der Kirche niedergelegt waren. Die Eigenart dieses Textes mit dem Titel Von Gottes genaden vnser Hermans Ertzbischoffs zu Cöln, vnnd Churfürsten etc. einfaltigs bedencken (BDS 11/I, 147–432) bestand darin, dass die Reformationsvorschläge recht moderat formuliert waren. Die Kirchenordnung versuchte, mit ihrer schonenden Behandlung der alten Gottesdienst- und Verfassungsformen und einer gewissen Zurückhaltung bei den dogmatischen Festlegungen die ernsthaft an einer Reform interessierten katholischen Christen zu gewinnen. Im Übrigen war der Text von der Überzeugung getragen, dass der Geist Gottes die Erneuerung der Kirche bewerkstelligen werde, wenn nur die rechte, schriftgemäße Predigt des Evangeliums wieder gegeben sei.

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