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1.2 Geschichtlicher Überblick über den Naturschutz in Deutschland

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„Wenn der Naturforscher sein Recht einer freien Beschauung und Betrachtung behaupten will, so mache er sich zur Pflicht, die Rechte der Natur zu sichern; nur da, wo sie frei ist, wird er frei sein, da, wo man sie mit Menschensatzungen bindet, wird auch er gefesselt werden.“

(GOETHE 1803, zitiert in LAUTENBACH 2004:746)

Das Bundesamt für Naturschutz feierte im Jahre 2006 „100 Jahre Naturschutz als Staatsaufgabe“. Damit wäre eigentlich der zeitliche Rahmen für den Naturschutz schon abgesteckt, gäbe es nicht den Zusatz „als Staatsaufgabe“. Das lässt erkennen, dass es Naturschutz schon früher gab, und das nicht nur in Form von Forderungen einiger Naturwissenschaftler, wie das Zitat von Goethe oben zeigt.

Naturschutz vor dem 20. Jahrhundert entstand oft aus Zwängen oder Egoismen. Viel zitiert wird das in Zürich 1335 ergangene Verbot Vögel zu fangen, damit diese Käfer und andere Insekten vertilgen können. Heute würde man das als eine frühe Form der biologischen Schädlingsbekämpfung bezeichnen. Vielfach wurden auch die Wälder vor Holz- und Waldfrevel geschützt, zumeist aber nur um sie als Jagdrevier des Adels zu erhalten. Aus anderem Antrieb wollte Hans Carl von Carlowitz die Wälder schützen. Es ging ihm dabei allerdings nicht um den Schutz des Naturwaldes, denn er prägte im Jahr 1713 den Begriff der „nachhaltigen Forstwirtschaft“. Dieses geschah unter dem Zwang einer starken Bevölkerungszunahme und einer zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung in Mitteleuropa. Holz wurde für verschiedenste Zwecke überall benötigt und war Mangelware. Von Carlowitz wollte dem entgegenwirken und schuf Regeln für eine nachhaltige Forstwirtschaft, die ca. 280 Jahre später zum Vorläufer des Nachhaltigkeitsbegriffes wurden. Dass von Carlowitz mit der Fichte in weiten Teilen des Landes keine standortgerechten Gehölze förderte, störte damals noch nicht.

Der Drachenfels wurde erstes Naturschutzgebiet in Deutschland

Als erstes Naturschutzgebiet Deutschlands gilt allgemein der Drachenfels bei Königswinter. Diese vulkanische Quellkuppe sollte als Steinbruch für den Weiterbau des Kölner Domes dienen, doch Friedrich Wilhelm III. ließ ihn 1836 für 10.000 Mark erwerben und das Gebiet schützen. Hintergrund war aber weniger der Schutz der Natur – der Drachenfels war damals ein romantisch aufgeladenes National-Symbol, welches dadurch erhalten werden sollte.

Aus den USA wurde das Denken durch die ersten beiden Nationalparke der Welt, Yellowstone (1872) und Yosemite (1890), zunehmend beeinflusst und in Richtung Naturschutz gelenkt, bis 1906 ein bedeutender staatlicher Anfang erfolgte. In Danzig wurde die „Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen“ gegründet. Diese dem Kultusministerium unterstellte Behörde wurde kurz darauf (1911) nach Berlin verlegt und sollte die Naturschätze des Landes dokumentieren, forschen und beraten.

Schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten vorbereitet, trat 1935 das Reichsnaturschutzgesetz (RNG) in Kraft. Das Gesetz erweiterte die bisher übliche Auslegung des Naturschutzes um die Landschaftspflege. Der Gesetzestext an sich war, von der Präambel einmal abgesehen, wenig ideologisch formuliert. Dem Naturschutz wurde dabei ein Mitspracherecht bei Planungen eingeräumt. In den Folgejahren trat die Anwendung des Gesetzes aber zunächst in den Hintergrund. Auch in den Aufbaujahren der Bundesrepublik nach deren Gründung im Jahr 1949 stand der Naturschutzgedanke nicht an erster Stelle.

1950 wurde der Deutsche Naturschutzring (DNR) als Dachverband von 15 Mitgliedsverbänden, die sich im Natur- und Umweltschutz engagierten, gegründet. 1961 gab der World Wildlife Fund (WWF; heute World Wide Fund for Nature) seine Gründung bekannt, die auch nach Deutschland ausstrahlte. Ein Jahr später wurden in Deutschland die Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege und die Bundesanstalt für Vegetationskartierung zur Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege (BAVNL) in Bad Godesberg zu einer Institution zusammengeführt.

Das Nachdenken über und das Bewusstsein für den Naturschutz entwickelte sich weiter. So wurde im Jahr 1970 das UNESCO-Programm „Der Mensch und die Biosphäre“ (MAB; Man and the Biosphere) gestartet, mit dem Schutz und Nutzung der Natur vereint werden sollten. Nahezu zeitgleich erfolgte mit dem Nationalpark Bayerischer Wald die Gründung des ersten deutschen Nationalparks.

Die Grenzen des Wachstums

Vordergründig nicht zwingend auf den Naturschutz ausgerichtet, aber doch für das Naturbewusstsein der Menschheit bedeutend, war die Veröffentlichung des Buches „Die Grenzen des Wachstums“ durch den Club of Rome. Ziel der Studie war es aufzuzeigen, dass das aktuelle lokale Handeln der Menschheit globale Auswirkungen hat. „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

United Nations Environment Programme

(MEADOWS et al. 1972:17). Ebenfalls im Jahr 1972 behandelten die Vereinten Nationen erstmals globale Umweltprobleme und gründeten daraufhin das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP; United Nations Environment Programme).

Besonders bedeutend für den Naturschutz in Deutschland war das Jahr 1976, in dem der Erlass des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) erfolgte. Es war und ist als Rahmengesetz ausgelegt und änderte das Reichsnaturschutzgesetz dahingehend, dass die Nutzung der Natur von nun an stärker im Fokus steht. Ein weiterer nationaler Meilenstein war die Gründung des deutschen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) im Jahr 1986.

World Commission on Environment and Development

1987 tagte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (WCED; World Commission on Environment and Development). Sie endete mit dem Bericht „Our Common Future“, der später als „Brundtland-Bericht“ (benannt nach der Leiterin der Kommission, Gro Harlem Brundtland) weltweit bekannt wurde.

Brundtland-Bericht

In dem Bericht wurde erstmalig der Begriff „Nachhaltige Entwicklung“ eindeutig definiert und zwar mit: Nachhaltig ist eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“. (HAUFF 1987:12). Wie bedeutend dieser Begriff auch für den Naturschutz ist, zeigte sich erst einige Jahre später.

United Nations Conference on Environment and Development

20 Jahre nach den „Grenzen des Wachstums“ fand in Rio de Janeiro ein Treffen statt, welches das Natur-Bewusstsein der Weltbevölkerung auf ganz besondere Weise veränderte. Vom 3. bis 14. Juni 1992 tagte in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED; United Nations Conference on Environment and Development) statt. Diese internationale Tagung mit 179 Teilnehmerstaaten, häufig auch als „Erdgipfel“ oder „Rio-Konferenz“ bezeichnet, gilt als Meilenstein für die Zusammenführung von Umwelt- und Entwicklungsbestrebungen und auch als Geburtsstunde der „Nachhaltigen Entwicklung“. Wichtige Ergebnisse des Gipfels sind in Kapitel 2 aufgelistet (vgl. dort Rio-Konventionen).

Im gleichen Jahr wurde das Natura 2000-Netzwerk gegründet. Damit soll innerhalb der Europäischen Union ein Netz von Schutzgebieten geschaffen werden. Das Ziel der Richtlinie (offiziell Richtlinie 92/43/EWG, aber zumeist Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie genannt) ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume. In das Natura 2000-Netzwerk wurden auch Vogelschutzgebiete integriert, die bereits 1979 über die Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG) ausgewiesenen waren.

Nach der Wiedervereinigung musste auch der Naturschutz in Deutschland neu organisiert werden und es entsteht im Jahr 1993 durch die Zusammenlegung der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege mit verschiedenen Einrichtungen des Naturschutzes in der früheren DDR das Bundesamt für Naturschutz (BfN).

Im Jahr 2000 wurde durch die Wasserrahmenrichtlinie der EU (offizieller Titel: Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik) das Wasser zum schützenswerten Naturerbe erklärt. Durch die Umsetzung der Richtlinie soll die Nutzung von Gewässern und Grundwasser europaweit geregelt werden.

Einige markante Punkte aus dem Naturschutzbereich werden noch in Kapitel 2 erläutert und sind hier nicht aufgeführt. Zudem gibt es vor und nach der wichtigen Gründung der „Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen“ im Jahr 1906 viele Daten und Ereignisse zum Naturschutz in der Bundesrepublik Deutschland, die hier den Rahmen sprengen würden. Wer tiefer in die Geschichte des Naturschutzes in Deutschland einsteigen möchte, findet wertvolle Informationen im Rahmen der Webpräsenz des Bundesamtes für Naturschutz (www.bfn.de) oder der „Stiftung Naturschutzgeschichte“ (www.naturschutzgeschichte.de), die ihren Sitz im Schloss Drachenburg auf dem Drachenfels bei Königswinter hat.

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