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Toleranz und Zweites Vatikanisches Konzil

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Die katholische Kirche tat sich mit dem Toleranzprinzip, wie es vor dem Hintergrund der europäischen Aufklärung in den bürgerlichen Gesellschaften der Neuzeit zur Anwendung kam, lange Zeit schwer. Da der Wahrheit gegenüber der Freiheit der Primat eingeräumt und das Heil exklusiv mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht wurde, kam es in der Vergangenheit nicht selten zu intoleranten Auseinandersetzungen mit anderen Religionen sowie zur eklatanten Missachtung der Religions- und Gewissensfreiheit. Noch im 19. Jahrhundert wurde das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit entschieden bestritten und abgelehnt.

Doch die zur Religionsfreiheit weiterentwickelte religiöse Toleranz erfreute sich in der modernen Gesellschaft einer zunehmenden Wertschätzung und wurde Bestandteil der Europäischen Menschenrechtskonvention (4. November 1950). Das zwang die Kirche sich darauf zu besinnen, dass auch sie von der jesuanischen Botschaft her zu religiöser Toleranz verpflichtet ist, möchte doch das Freiheits- und Liebesevangelium von den Menschen in Freiheit beantwortet werden. Als weiterer Grund kam das Erschrecken über die Schoa hinzu. Es mussten die Hintergründe und theologischen Voraussetzungen, die solche Gewalt geistig legitimiert hatten, ausfindig gemacht und überwunden werden.

Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) wurde über die Religions- und Gewissensfreiheit mit am heftigsten debattiert. Am Ende wurden in der Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, die den Untertitel „Das Recht der Person und der Gemeinschaften auf gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit in religiösen Dingen“ trägt, eindeutige Aussagen zur Religions- und Gewissensfreiheit des Menschen getroffen. Die Erklärung beginnt mit einem Bekenntnis zur katholischen, apostolischen Kirche als der „einzige[n] wahre[n] Religion“ (DiH 1). Zugleich wird die grundsätzliche moralische Verpflichtung ausgesprochen, die Wahrheit zu suchen. So wird bereits zu Beginn deutlich, dass es bei der Frage der Religionsfreiheit nicht um eine Gleichberechtigung auf der sachlich-inhaltlichen Ebene geht; nicht um eine Relativierung der Wahrheitsfrage, sondern um die gesellschaftlich-rechtliche Gleichberechtigung aller religiösen und weltanschaulichen Positionen. Das Recht der menschlichen Person auf religiöse Freiheit ist auf der gesellschaftlichen Ebene angesiedelt. Der Akt der religiösen Ausübung ist ein rein innerlicher und kann von außen weder befohlen noch verhindert werden. Das Recht auf religiöse Freiheit wird mit der Würde der menschlichen Person begründet. Darum fordert das Konzil, dass die menschliche Gesellschaft die Religionsfreiheit als ein Recht respektiert, das jedem Menschen bzw. allen religiösen Gemeinschaften ohne Unterschied zuzugestehen sei, sofern „die gerechte öffentliche Ordnung gewahrt bleibt“ (DiH 2,3,4).

Der Respekt gegenüber Andersglaubenden lässt sich christologisch fundieren: Das Bekenntnis zu Christus impliziert das Bekenntnis zur Einmaligkeit des Menschen als Abbild Gottes, um dessentwillen sich der göttliche Logos inkarnierte (GS 22). Darum kann das einzigartige Christusereignis nur glaubwürdig bekennen, wer den Anderen aufgrund seiner ihm von Christus zukommenden Würde akzeptiert und wertschätzt. Der christliche Glaube rechtfertigt aber nicht nur eine formale Toleranz, sondern in bestimmter Hinsicht auch eine inhaltliche; das impliziert eine gewisse Relativierung des christlichen Absolutheitsanspruchs. Denn zum einen schließt die Offenbarung Gottes in Jesus Christus Spuren von Heil und Wahrheit in anderen Religionen nicht aus (NA 2), und zum anderen muss eingeräumt werden, dass Gott auch für Christen ein Mysterium bleibt.

Interreligiöse Toleranz

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