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1) Erlaß Oberkommando des Heeres vom 28.4.1941: Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verbande des Heeres

Oberkommando des Heeres H.Qu. OKH., den 28.4.1941
Gen.St.d.H./Gen.Qu.
Az. Abt. Kriegsverwaltung
Nr. II/2101/41 geh.

Geheim!

Betr.: Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verbande des Heeres1 Die Durchführung besonderer sicherheitspolizeilicher Aufgaben außerhalb der Truppe macht den Einsatz von Sonderkommandos der Sicherheitspolizei (SD) im Operationsgebiet erforderlich. Mit Zustimmung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD wird der Einsatz der Sicherheitspolizei und des SD im Operationsgebiet wie folgt geregelt:

1. Aufgaben:

a) Im rückwärtigen Armeegebiet: Sicherstellung vor Beginn von Operationen festgelegter Objekte (Material, Archive, Karteien von reichs- und staatsfeindlichen Organisationen, Verbänden, Gruppen usw.) sowie besonders wichtiger Einzelpersonen (führende Emigranten, Saboteure, Terroristen usw.). Der Oberbefehlshaber der Armee kann den Einsatz der Sonderkommandos in Teilen des Armeegebiets ausschließen, in denen durch den Einsatz Störungen der Operationen eintreten können.

b) Im rückwärtigen Heeresgebiet: Erforschung und Bekämpfung der staats- und reichsfeindlichen Bestrebungen, soweit sie nicht der feindlichen Wehrmacht eingegliedert sind, sowie allgemeine Unterrichtung der Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete über die politische Lage. Für die Zusammenarbeit mit den Abwehroffizieren bzw. Abwehrstellen gelten sinngemäß die mit der Abwehrabteilung RWM2 am 1.1.1937 gemeinsam aufgestellten „Grundsätze für die Zusammenarbeit zwischen der Geheimen Staatspolizei und den Abwehrstellen der Wehrmacht“.3

2. Zusammenarbeit zwischen den Sonderkommandos und den militärischen Kommandobehörden im rückwärtigen Armeegebiet (zu 1.a):

Die Sonderkommandos der Sicherheitspolizei und des SD führen ihre Aufgaben in eigener Verantwortlichkeit durch. Sie sind den Armeen hinsichtlich Marsch, Versorgung und Unterbringung unterstellt. Disziplinäre und gerichtliche Unterstellung unter den Chef der Sicherheitspolizei und des SD werden hierdurch nicht berührt. Sie erhalten ihre fachlichen Weisungen vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD und sind hinsichtlich ihrer Tätigkeit gegebenenfalls einschränkenden Anordnungen der Armee (s. Ziffer 1.a) unterworfen. Für die zentrale Steuerung dieser Kommandos wird im Bereich jeder Armee ein Beauftragter des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD eingesetzt. Dieser ist verpflichtet, die ihm vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD zugegangen Weisungen dem Oberbefehlshaber der Armee rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen. Der militärische Befehlshaber ist berechtigt, an den Beauftragten Weisungen zu geben, die zur Vermeidung von Störungen der Operationen erforderlich sind; sie gehen allen übrigen Weisungen vor. Die Beauftragten sind auf ständige enge Zusammenarbeit mit dem Ic4 angewiesen. Abstellung eines Verbindungsbeamten des Beauftragten zum Ic kann von den Kommandobehörden gefordert werden. Der Ic hat die Aufgaben der Sonderkommandos mit der militärischen Abwehr, der Tätigkeit der Geheimen Feldpolizei und den Notwendigkeiten der Operationen in Einklang zu bringen. Die Sonderkommandos sind berechtigt, im Rahmen ihres Auftrages in eigener Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung Exekutivmaßnahmen zu treffen. Sie sind hierbei zu engster Zusammenarbeit mit der Abwehr verpflichtet. Maßnahmen, die sich auf die Operation hin auswirken können, bedürfen der Genehmigung des Oberbefehlshabers der Armee.

3. Zusammenarbeit zwischen den Einsatzgruppen bzw. -kommandos der Sicherheitspolizei und des SD und dem Befehlshaber im rückwärtigen Heeresgebiet (zu 1.b):

Im rückw. Heeresgebiet werden Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der SP (SD) eingesetzt. Sie unterstehen dem Beauftragten des Chefs der SP und des SD beim Befehlshaber des rückw. Heeresgebietes und sind letzterem hinsichtlich Marsch, Unterkunft und Versorgung unterstellt. Sie erhalten ihre fachlichen Weisungen vom Chef der SP und SD. Zur Befehlsübermittlung bedienen sie sich, falls keine anderen Nachrichtenmittel verfügbar sind, des Funkweges mit eigenen Geräten und besonderen Schlüsselmitteln. Die Frequenzenzuteilung regelt Chef HNW.5 Der Beauftragte und gegebenenfalls die Kommandoführer der Einsatzkommandos bei den Sicherheitsdivisionen sind verpflichtet, die ihnen zugegangenen Weisungen den militärischen Befehlshabern rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen. Bei Gefahr im Verzuge ist der Befehlshaber im rückw. Heeresgebiet berechtigt, einschränkende Weisungen zu erteilen, die allen übrigen Weisungen vorgehen. Die Einsatzgruppen bzw. -kommandos sind berechtigt, im Rahmen ihres Auftrages in eigener Verantwortung Exekutivmaßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung zu treffen. Sie sind zu engster Zusammenarbeit mit der Abwehr verpflichtet.

4. Abgrenzung der Befugnisse zwischen Sonderkommandos, Einsatzkdos. und Einsatzgruppen und GFP6: Die abwehrpolizeilichen Aufgaben innerhalb der Truppe und der unmittelbare Schutz der Truppe bleiben alleinige Aufgaben der GFP. Alle Angelegenheiten dieser Art sind von den Sonderkommandos bzw. Einsatzgruppen und -kommandos sofort an die Geheime Feldpolizei abzugeben, wie umgekehrt diese alle Vorgänge aus dem Aufgabenbereich der Sonderkommandos ungesäumt an die Sonderkommandos bzw. Einsatzgruppen und Einsatzkommandos abzugeben hat. Im übrigen gilt auch hierfür das Abkommen vom 1.1.1937 (s. Ziff. 1).

von Brauchitsch7

BA-MA, RH 22/155

1 Am 26.3.1941 lag ein Übereinkommenstext vor, der in weiten Teilen dem hier wiedergegebenen Dokument entsprach u. gewissermaßen als Matrize anzusehen ist. Er wurde am 4.4. zur „Mitprüfung u. Einverständniserklärung“ an das RSHA übersandt; OKH/GenStdH/Gen.Qu. an CdS v. 26.3.1941: Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei u. des SD im Verbande des Heeres, IfZ, Nbg.Dok. NOKW-256.

2 Reichswehrministerium.

3 Die sogenannten 10 Gebote, die zwischen Heydrich u. Canaris ausgehandelt worden waren, BA-MA, RW 5/194.

4 Feindlage-/Abwehroffizier der Armee bzw. nachgeordneter Wehrmachtseinheiten.

5 Heeresnachrichtenwesen.

6 Geheime Feldpolizei; vgl. Nachdruck der 1986 in der DDR erschienenen Studie von Klaus Geßner: Geheime Feldpolizei. Die Gestapo der Wehrmacht, Berlin 2010.

7 Walther von Brauchitsch, geb. 1881, 1936 General der Artillerie, nach der sog. Blomberg-Fritsch-Affäre 1938 zum Chef des OKH ernannt, bis Dez. 1941 als Generalfeldmarschall OBdH, gest. 1948; Samuel W. Mitcham/Gene Mueller: Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch, in: Ueberschär: Hitlers militärische Elite, Bd. 1, S. 45–52.

2) Erlaß Reichsführer-SS vom 21.5.1941: Sonderauftrag des Führers

Der Reichsführer-SS Berlin, den 21. Mai 1941
Tgb. Nr. 114/41 g.Kdos. 40 Nebenabdrucke, 19. Nebenabdruck
11 Ausfertigungen
Pr.Nr. 10

Betr.: Sonderauftrag des Führers

Im Einvernehmen mit dem Oberbefehlshaber des Heeres habe ich zur Durchführung der mir vom Führer gegebenen Sonderbefehle für das Gebiet der politischen Verwaltung Höhere SS- und Polizeiführer vorgesehen.1 Für die Dauer des Einsatzes der Höheren SS- und Polizeiführer im rückwärtigen Heeresgebiet lege ich mit Zustimmung des Oberbefehlshabers des Heeres folgendes fest:

1) Der Höhere SS- und Polizeiführer mit Befehlsstab wird dem Befehlshaber des jeweiligen rückwärtigen Heeresgebietes hinsichtlich Marsch, Versorgung und Unterbringung unterstellt. Dem Höheren SS- und Polizeiführer sind zur Durchführung der ihm von mir unmittelbar gegebenen Aufgaben SS- und Polizeitruppen und Einsatzkräfte der Sicherheitspolizei unterstellt. Der Höhere SS- und Polizeiführer unterrichtet den Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes jeweils über die ihm von mir gegebenen Aufgaben. Der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes ist berechtigt, dem Höheren SS- und Polizeiführer Weisungen zu geben, die zur Vermeidung von Störungen der Operationen und Aufgaben des Heeres erforderlich sind. Sie gehen allen übrigen Weisungen vor.

2) Die eingesetzten SS- und Polizeikräfte sind dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes hinsichtlich Marsch, Versorgung und Unterbringung unterstellt. Alle gerichtlichen und disziplinären Angelegenheiten werden in eigener Zuständigkeit erledigt. Soweit zur Befehls- und Nachrichtenübermittlung das eigene Funk- und Nachrichtengerät der SS- und Polizeitruppen nicht ausreicht, stellt der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes, soweit dienstlich möglich, die entsprechenden Nachrichtenmittel des Heeres zur Verfügung.

3) Die Aufgaben der unter den Höheren SS- und Polizeiführern eingesetzten SS- und Polizeikräfte sind

a) Bezüglich der Sicherheitspolizei (SD): Die Aufgaben der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei (SD) sind durch das Schreiben des OKH vom 26.3.1941 bereits festgelegt.2

b) Bezüglich der Ordnungspolizei: Die eingesetzten Truppen der Ordnungspolizei, mit Ausnahme der den Kommandeuren der Sicherungsdivisionen taktisch unterstellten 9 motorisierten Polizei-Batle., erfüllen ihre Aufgaben nach meinen grundlegenden Weisungen. Soweit die Erfüllung dieser Aufgaben es zuläßt, kann der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes die Truppen der Ordnungspolizei im Einvernehmen mit dem Höheren SS- und Polizeiführer zu militärischen Aufgaben einsetzen.

4) Die Truppen der Waffen-SS haben im allgemeinen ähnliche Aufgaben wie die Truppen der Ordnungspolizei und Sonderaufgaben, die sie jeweils von mir erhalten.3

5) Der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes verfügt über alle SS- und Polizeitruppen bei einem dringenden Kampfeinsatz in eigener Befehlszuständigkeit.

Der Reichsführer-SS

gez. H. Himmler4

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Die Zustimmung des OBdH ist in folgender Vortragsnotiz unter „vollziehende Gewalt im Operationsgebiet“ festgehalten: „b) größere Aktionen im rückwärtigen Heeresgebiet. Bekämpfung politischer Bestrebungen p.p. soweit sie Staats- u. Reichsfeinde sind. Schwerpunkt abseits der Rollbahnen. Hierzu werden folgende Kräfte einem höheren Polizei-Führer, der dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes unterstellt ist, unterstellt: Einsatzgruppen, 1 Polizei Rgt., Verbände der Waffen-SS, Totenkopfverbände. Bei Kampfeinsatz verfügt Befehlshaber im rückwärtigen Heeresgebiet über alle Polizei- und SS-Verbände. Echte Unterstellung aller dieser Verbände, u. damit Durchführung politischer Aufträge, wird von ObdH. abgelehnt“, AOK 11/Ic, Vortragsnotiz über die Besprechung am 16.5. bei Gen.Qu. in Wünsdorf v. 19.5.1941, BA-MA, RH 20–11/334; zu den HSSPF: Ruth Bettina Birn: Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Stellvertreter im Reich und in den besetzten Gebieten, Düsseldorf 1986.

2 Zu den Verhandlungen zwischen RSHA und OKH: Ogorreck: Die Einsatzgruppen und die „Genesis der Endlösung“, S. 19–46.

3 Damit sind die Verbände des im April 1941 aufgestellten Kommandostabes RFSS gemeint, die vornehmlich zum Massenmord an der jüdischen Bevölkerung sowie zu Antipartisanenaktionen eingesetzt wurden; zur Aufstellung: Befehl SS-Führungs-HA I Org. v. 24.4.1941: Aufstellung eines Einsatzstabes, BAB, NS 19/3508; dto. v. 6.5.1941: Umbenennung des Einsatzstabes RFSS, ebd.; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 62–73.

4 Heinrich Himmler (1900–1945); grundlegend: Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie, München 2008; vgl. Richard Breitman: Der Architekt der „Endlösung“: Himmler und die Vernichtung der europäischen Juden, Paderborn u.a. 1996.

3) Runderlaß Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 14.6.1941: Behandlung der Eingänge und Schriftsachen in der Zentralinstanz

Reichssicherheitshauptamt Berlin, den 14. Juni 1941
II HB. Nr. 11/41 g.Rs. 58 Ausfertigungen, 47. Ausfertigung
An die Amtschefs und Gruppenleiter, die Adjutantur des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, das Hauptbüro, die Geschäftsstellen I, II, III, IV, V, VI, VII, die Referate I A 1, II A 1, II D 1, II D 2, III B 5, IVA 1, IV B 4, IV D 3, IV E 5, VI C 1Nachrichtlich: die Adjutantur des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei

Betrifft: Unternehmen Barbarossa – hier: Behandlung der Eingänge und Schriftsachen in der Zentralinstanz

1. Für sämtliche mit dem Einsatz für das Unternehmen Barbarossa zusammenhängenden Eingänge (Schreiben, Fernschreiben, Funksprüche, Telegramme) wird beim Hauptbüro eine besondere Eingangsstelle errichtet.

2. Die Eingangsstelle ist der VS-Eingangsstelle angeschlossen. Sie befindet sich im Hauptdienstgebäude, Prinz-Albrecht-Straße 8, Zimmer 133, Hausapparat 377 und ist täglich bis auf weiteres bis 20,30 Uhr besetzt. An Wochentagen in der Zeit ab 16,30 Uhr, an Sonnabenden ab 14,00 Uhr und an Sonntagen ab 08,00 Uhr ist sie im Zimmer 135/36 (Fernsprecher Post 84, Haus 302) untergebracht.

3. Vom Hauptbüro sind die Eingänge auf die Sachreferate bezw. Gruppen auszuzeichnen. Ihre Zuleitung erfolgt durch besondere Boten (Ordonnanzen) oder bei Anforderungen durch Abstellen eines Angehörigen der Sachdienststelle.

4. Für die sich aus dem Unternehmen Barbarossa ergebenden Ein- und Ausgänge ist bis zur Überleitung in einen normalen Geschäftsverkehr ein besonderes Brieftagebuch oder eine besondere Kartei anzulegen. Das Brieftagebuch ist zentral entweder in der Gruppenoder Amtsregistratur zu führen. Eine Verlagerung auf Einzelreferate ist nur bei örtlicher Zerrissenheit gestattet. Die von den Geschäftsstellen im Benehmen mit den Gruppenleitern besonders zu beauftragenden Tagebuchführer sind für schnellmöglichste Abwicklung des Geschäftsverkehrs mit verantwortlich. Insbesondere haben sie unerledigte Eingänge, Mitzeichnungssachen u.a. m. spätestens am übernächsten Tage anzumahnen. Bis auf Widerruf stellen die betreffenden Tagebuchführer jeden Dienstag für die vorausgegangene Woche ein Restverzeichnis auf. Das Verzeichnis ist unmittelbar den Adjutanturen der Amtschefs einzureichen.

5. Alle politisch, wirtschaftlich, kulturell oder personell wichtigen Eingänge sind mir vom Leiter des Hauptbüros über meine Adjutantur vorzulegen.

gez. Heydrich1

RGVA, 500–4–36 u. USHMMA, RG11.001M

1 Reinhard Heydrich (1904–1942); vgl. Edouard Calic: Reinhard Heydrich. Schlüsselfigur des Dritten Reichs, Düsseldorf 1982; Günther Deschner: Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht, Frankfurt/M.-Berlin 1987; Mario R. Dederichs: Heydrich. Das Gesicht des Bösen, München 2005; Edouard Husson: Heydrich et la Solution Finale, Paris 2008; Robert Gerwarth: Reinhard Heydrich. Biographie, München 2011.

4) Merkblatt für die Führer der Einsatzgruppen und -kommandos der Sicherheitspolizei und des SD für den Einsatz „Barbarossa“ (undat./vor 22.6.1941)

75 Ausfertigungen

28. Ausfertigung

Merkblatt für die Führer der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD für den Einsatz „Barbarossa“

1. Aufgabe und Unterstellung:

Nach dem Befehl des OKH vom 26.3.1941 haben die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD folgende Aufgaben:

a) Im rückw. Armeegebiet: Sicherstellung vor Beginn der Operationen festgelegter Objekte (Material, Archive, Parteien von reichs- oder staatsfeindlichen Organisationen, Verbänden, Gruppen usw.) sowie besonders wichtiger Einzelpersonen (führende Emigranten, Saboteure, Terroristen usw.). Der Oberbefehlshaber der Armee kann den Einsatz der Sonderkommandos in Teilen des Armeegebietes ausschließen, in denen durch den Einsatz Störungen der Operationen eintreten können.

b) Im rückw. Heeresgebiet1: Erforschung und Bekämpfung der staats- und reichsfeindlichen Bestrebungen, soweit sie nicht der feindlichen Wehrmacht eingegliedert sind, sowie allgemeine Unterrichtung der Befehlshaber der rückw. Heeresgebiete über die politische Lage. Die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos sind den Höheren SS- und Polizeiführern unterstellt. Die Aufgaben der Höheren SS- und Polizeiführer, der Ordnungspolizei und der Waffen-SS sind in besonderem Befehl festgelegt.

2. Verhältnis zur Wehrmacht:

Für das Verhältnis zur Wehrmacht gilt der Befehl des OKH vom 26.3.1941, der genau zu beachten ist. Auf Grund dieses Befehls ist loyalste Zusammenarbeit mit der Wehrmacht sicherzustellen. Die im Rahmen dieses Befehls erteilten Weisungen der Wehrmacht sind genau zu beachten.

3. Zusammenarbeit mit der Ordnungspolizei:

Für die Zusammenarbeit mit der Ordnungspolizei gilt die Dienstanweisung vom 30.1.1940 für die Zusammenarbeit der Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei beim Einsatz außerhalb des Reichsgebietes.

4. Zusammenarbeit mit der Waffen-SS:

Für die Zusammenarbeit mit der Waffen-SS sind die unter Ziffer 3. genannten Vorschriften über die Zusammenarbeit mit der Ordnungspolizei sinngemäß anzuwenden.

5. Einheitliche Führung:

Die Einsatzkräfte der Sicherheitspolizei und des SD stehen unter einheitlicher Führung. Die Führer der einzelnen Einsatzgruppen und Einsatzkommandos entscheiden über den Einsatz aller Kräfte (Geheime Staatspolizei, Kriminalpolizei und SD).

6. Wirtschaftlicher Dienst:

Der wirtschaftliche Dienst ist geregelt durch die Vorschrift über den Wirtschaftsverwaltungsdienst beim auswärtigen Einsatz der Geheimen Staatspolizei in besonderen Fällen vom 14.5.1940–I E 1 Nr. 579/40–Befehlsbl. S. 21. Diese Vorschrift gilt gleichermaßen für die Angehörigen der Geheimen Staatspolizei, der Kriminalpolizei und des Sicherheitsdienstes.

7. Dienststrafgewalt:

Die Führer der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos sind berechtigt, die Dienststrafgewalt auszuüben.2 Sie können insbesondere bei schweren, das Ansehen oder die Schlagkraft der Sicherheitspolizei und des SD schädigenden Dienstverfehlungen sofortige Maßnahmen ergreifen und in diesem Rahmen Schutzhaft verhängen. Im Falle der Verhängung von Schutzhaft ist dem Reichssicherheitshauptamt unverzüglich zu berichten.

8. Festnahmen, Durchsuchungen und Beschlagnahmen:

Bei jeder Festnahme ist ein Formular der ausgegebenen Formularbücher „Festnahmen“ mit 2 Durchschriften auszufüllen. Die Urschrift und die 1. Durchschrift sind auf schnellstem Wege dem Führer des Einsatzkommandos zuzuleiten; dieser hat die Urschrift auf schnellstem Wege der Einsatzgruppe zuzuleiten. Die Durchschrift bleibt beim Einsatzkommando, die 2. Durchschrift bleibt im Formularbuch, das nach Verbrauch an den Führer des Einsatzkommandos abzugeben ist. Bei jeder Beschlagnahme, Sicherstellung, Durchsuchung usw. ist ein Formular der ausgegebenen Formularbücher „Durchsuchungen“ mit 2 Durchschriften auszufüllen, im übrigen ist wie oben bei Festnahme zu verfahren. Die Ablieferung beschlagnahmter Gegenstände ist von der empfangenden Stelle auf der 2. Durchschrift des Durchsuchungsberichtes zu bescheinigen. Auf die ordnungsmäßige Aufbewahrung und Sicherung beschlagnahmter Gegenstände ist besondere Sorgfalt zu verwenden.

9. Einstellung von Hilfspolizeibeamten:

Im Bedarfsfalle können zuverlässige Personen als Hilfspolizeibeamte eingestellt werden. Die Bestellung hat durch die Führer der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos zu erfolgen, die auch für die Zuverlässigkeit und die Tätigkeit der Hilfspolizeibeamten verantwortlich sind. Das Anstellungsverhältnis und die Vergütung richtet sich nach Abschnitt XVI der Vorschrift über den Wirtschaftsverwaltungsdienst beim auswärtigen Einsatz der Geheimen Staatspolizei in besonderen Fällen.

10. Nachrichtenverbindungen:

Die Nachrichtenverbindung mit dem Reichssicherheitshauptamt ist mit größter Beschleunigung herzustellen und dauernd aufrecht zu erhalten. Dem Reichssicherheitshauptamt sind täglich Standort- und Lagemeldungen zu erstatten unter Angabe des für den nächsten Tag beabsichtigten Zieles.

11. Besondere Fragen, die durch den Einsatzführer mit der Wehrmacht bzw. Waffen-SS zu regeln sind:

a) Verpflegung: Verpflegung aus Feldküchen der Wehrmacht wird kaum möglich sein. Voraussichtlich muß die Verpflegung bei den Heeresverpflegungsstellen gefaßt und selbst zubereitet werden. Die Beschaffung der Verpflegung muß mit der Wehrmacht bzw. der Waffen-SS sichergestellt werden.

b) Kraftfahrzeuge: Reparaturen, Entnahme von Betriebsstoff, Reifenersatz muß rechtzeitig mit der Wehrmacht geregelt werden. Evtl. kommt die Ausstellung von Ausweisen durch die Wehrmacht über die Berechtigung zur Entnahme von Betriebsstoff in Frage.

c) Munitionsersatz, Waffenersatzteile vgl. Ziffer b).

d) Nachrichtenverbindungswesen: Nach dem Befehl des OKH vom 26.3.1941 bedienen sich die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos, falls keine anderen Nachrichtenmittel verfügbar sind, des Funkweges mit eigenen Geräten und besonderen Schlüsselmitteln. Die Frequenzzuleitung regelt Chef HNW.3 Mit den zuständigen Wehrmachtstellen ist alsbald Verbindung aufzunehmen wegen der Benutzung militärischer Nachrichtenmittel und der Aufnahme des eigenen Funkbetriebes. e) Ausstellung von Sonderausweisen für die Angehörigen der Sicherheitspolizei und des SD durch die Wehrmacht (Heeresgruppe oder Armee) zur Legitimation gegenüber allen Wehrmachtstellen.4 f) Materialerfassung: Die Führer der Einsatzgruppen haben sich mit den Ic-Offizieren der Heeresgruppen in Verbindung zu setzen wegen der Mitteilung der Objekte des feindlichen Nachrichtendienstes, die zur Sicherung durch die Abwehrtrupps der Wehrmacht vorgesehen sind. Es ist zwar selbstverständlich, aber mit den Ic-Offizieren der Heeresgruppen noch ausdrücklich zu vereinbaren, daß von dem erfaßten Material alle Dinge, welche die Wehrmacht bzw. die Sicherheitspolizei interessieren, jeweils beschleunigt gegenseitig mitgeteilt werden. So sind z.B. Unterlagen mit operativer Bedeutung sofort dem Ic zu übermitteln, während die Wehrmacht Material, das zur Erfassung politischer Personen oder politischer Vorgänge dient, sofort der Sicherheitspolizei übermittelt.

12. Allgemeines Verhalten:

Alle Angehörigen der Sicherheitspolizei und des SD sind wiederholt eindringlichst unter Androhung schwerster Strafen auf tadelloses, diszipliniertes, kriegsmäßiges Verhalten hinzuweisen. Der Einsatz erfordert von Führern und Männern strengste Disziplin sowohl im Dienst als auch außerhalb des Dienstes. Zu den Dienstpflichten gehört auch die Erhaltung der Gesundheit und der Arbeitskraft. Übermäßiger Alkoholgenuß ist strengstens untersagt. Gegen alle Alkoholexzesse und Vernachlässigung des Dienstes unter Alkoholwirkung ist sofort einzuschreiten. Persönliche Beziehungen zur nichtdeutschen Bevölkerung sind verboten, insbesondere ist jeder Umgang mit fremdrassigen Frauen ein schwerer Verstoß gegen die Disziplin und die deutsche Ehre.

13. Sanitäre Maßnahmen:

Höchstmögliche Reinlichkeit und Sauberkeit in der eigenen Körperpflege und in den Unterkünften, Vermeidung jeder engeren Berührung mit der einheimischen Bevölkerung schützen vor Ansteckungen. Größte Vorsicht beim Essen und Trinken! Ungeprüftes Trinkwasser muß abgekocht werden; für diesen Zweck sind Benzinkocher beschafft worden. Soweit eigene Ärzte und Sanitäter nicht zur Verfügung stehen, ist die ärztliche Betreuung jeweils mit den Wehrmachtstellen zu vereinbaren.

14. Führerdienstgradabzeichen:

Bei der Wehrmacht ist angeordnet, daß sämtliche Offiziere in ihrer Uniformierung nur auf allernächste Entfernung von den Mannschaften als Offiziere zu erkennen sind. Es ist festzustellen, auf welche Weise diese Anordnung bei der Wehrmacht durchgeführt wird. Im Falle der Durchführung durch die Wehrmacht haben die im rückwärtigen Armeegebiet eingesetzten SS-Führer der Sicherheitspolizei und des SD sowie alle übrigen Kräfte der Sicherheitspolizei und des SD ihre Schulterstücke abzulegen.

15. Kriegstagebuch:

Die Führer der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos haben vom Beginn des Einsatzes an laufend ein Kriegstagebuch zu führen, in welchem chronologisch alle wesentlichen und für spätere Zeiten wissenswerten Vorkommnisse und Feststellungen zu verzeichnen sind. Für sichere Aufbewahrung der Kriegstagebücher ist Sorge zu tragen.

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Zu Einrichtung u. Besatzungsverwaltung in den rückwärtigen Heeresgebieten vgl. Jörn Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion. Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941–1943, Paderborn u.a. 2010.

2 Dies ist gerade im Vergleich zur Verwendung der EG im Polenfeldzug von Bedeutung, da beim Unternehmen „Barbarossa“ diese nunmehr ihrer eigenen SS- u. Polizeigerichtsbarkeit – gemäß der Verordnung des Ministerrates für die Reichsverteidigung über eine Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz v. 17.10.1939 – unterstanden u. somit im Regelfall der Wehrmachtsgerichtsbarkeit entzogen waren; vgl. Bianca Vieregge: Die Gerichtsbarkeit einer „Elite“. Nationalsozialistische Rechtsprechung am Beispiel der SS- und Polizeigerichtsbarkeit, Baden-Baden 2002, S. 6–10, 30–35.

3 Heeresnachrichtenwesen.

4 Der Ausweis hatte folgenden Text: „Der Inhaber dieses Ausweises ist als Angehöriger eines Sonderkommandos der Sicherheitspolizei u. des SD zur Durchführung besonderer sicherheitspolizeilicher Aufgaben außerhalb der Truppe verpflichtet. Die Truppenbefehlshaber u. sämtliche Dienststellen werden ersucht, ihn bei der Durchführung seines Auftrages zu unterstützen“, Ausweismuster BA-MA, RH 22/12.

5) Brief Reichsführer-SS an Reichsminister für die besetzten Ostgebiete vom 24.6.1941

Tgb.-Nr. 989/41 g.Rs.RF/V. 24.6.1941

1.) Lieber Parteigenosse Rosenberg1!

In Beantwortung Ihrer beiden Briefe und unter Bezugnahme auf unser heutiges Gespräch darf ich Ihnen zunächst die Namen der vier Höheren SS- und Polizeiführer mitteilen:

1.) Für das Baltikum SS-Gruppenführer Prützmann,2 2.) für Moskau SS-Gruppenführer von dem Bach,3 3.) für die Ukraine SS-Obergruppenführer Jeckeln,4 4.) für den Kaukasus SS-Oberführer Korsemann.5 Sollte nach Moskau Gauleiter Koch6 als Reichskommissar kommen, so müßte selbstverständlich in der Besetzung der Stelle des Höheren SS- und Polizeiführers ein Tausch vorgenommen werden.7

Heil Hitler!

Ihr Himmler

2.) SS-Gruppenführer Heydrich, Berlin, durchschriftlich mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt.

BAB, NS 19/2803

1 Der in der Parteihierarchie zurückgefallene Ideologe Alfred Rosenberg, geb. 1893, hingerichtet 1946, war – offiziell erst am 17.7.1941 – zum RMO ernannt worden u. somit wieder zurück im politischen Geschäft. Diese Quelle dokumentiert also eine erste Abstimmung zwischen dem SS- u. Polizeiapparat u. dem neu geschaffenen Ministerium; vgl. Reinhard Bollmus: Alfred Rosenberg – ‚Chefideologe‘ des Nationalsozialismus, in: Smelser/Zitelmann: Die braune Elite, S. 223–235; Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München 2005; zum angesprochenen Sachverhalt: Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion, München 2006, S. 78–90; Rebentisch: Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg, S. 309–317.

2 Hans Adolf Prützmann, geb. 1901, Freikorps 1918–1921, Grenzschutz Oberschlesien 1923/24, Agrarstudium, landwirtschaftlicher Beamter, 1929 NSDAP u. SA, 1930 SS, 1932 Staf. u. MdR, 1934 Gruf. u. Fhr. SS-OA Südwest, 1937 dto. SS-OA Nordwest, 1938 HSSPF Nordwest, Mai 1941 HSSPF Nordost u. Rußland-Nord, Okt. 1941 HSSPF Russland-Süd, Nov. 1941 Ogruf., Okt. 1943 Höchster SS- u. Polizeiführer Ukraine, Nov. 1944 Bevollmächtigter Deutscher General in Kroatien u. als Generalinspekteur der Spezialabwehr zuständig für Werwolf, 1945 Selbstmord in britischer Haft; BAB, BDC, SSO Hans Adolf Prützmann; BAL, ZK: Hans Adolf Prützmann.

3 Erich von dem Bach-Zelewski, geb. 1899, 1914 Kriegsfreiwilliger, zuletzt als Lt., 1919–1924 Grenzschutz Oberschlesien, Landwirt, 1939 NSDAP, 1931 SS, 1932 MdR, 1933 Brif., 1934 Gruf., Fhr. SS-OA Nordost u. Chef Stapo-Leitstelle Königsberg, 1936 Fhr. SS-OA Südost, 1938 HSSPF Südost., 1941 Ogruf. u. HSSPF Rußland-Mitte, 1943 Chef der Bandenkampfverbände, Sommer 1944 mit der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes beauftragt, 1962 zu lebenslanger Haft verurteilt, gest. 1972; BAB, BDC, SSO Erich von dem Bach-Zelewski; BAL, ZK: Erich von dem Bach-Zelewski; Andrej Angrick: Erich von dem Bach-Zelewski – Himmlers Mann für alle Fälle, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 28–44.

4 Friedrich Jeckeln, geb. 1895, Soldat 1914–1918, zuletzt als Lt., Ingenieur, 1929 NSDAP, 1930 SS, 1931 Oberf., 1932 MdR, Jan.–Juli 1933 Fhr. SS-Gruppe Süd, August 1933 Fhr. OA Nordwest u. Gruf., 1936 Fhr. OA Mitte u. Ogruf., Juli 1940–Mai 1941 Fhr. OA West, danach HSSPF Rußland-Süd, Okt. 1941–1945 HSSPF Ostland u. Rußland-Nord, 1945 in Riga zum Tod verurteilt, 1946 hingerichtet; BAB, BDC, SSO Friedrich Jeckeln; BAL, ZK: Friedrich Jeckeln; Richard Breitman: Friedrich Jeckeln. Spezialist für die „Endlösung“ im Osten, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 267–275.

5 Gerret Korsemann, geb. 1895, Soldat 1914–1918, zuletzt als Lt., 1918/19 Freikorps Grodno, 1926 NSDAP u. SA, 1937 als Hptm. zur Polizei, 1938 ins HA Orpo, 1939 SS als Oberf., 1940/41 Kdr. Polizeirgt. Lublin, Aug. 1941 Brif., als HSSPF z.b.V. zum HSSPF Rußland-Süd abgestellt, verantwortlich für das Massaker von Rowno am 6./7.11.1941, Aug. 1942 als künftiger HSSPF Kaukasus zur HGr. A, Mai 1943 kommissarisch HSSPF Rußland-Mitte u. Weißruthenien, Juli 1943 Waffen-SS, 1946 an Polen ausgeliefert, zu 11 ½ Jahren Gefängnis verurteilt, 1949 entlassen, gest. 1958; BAB, BDC, SSO Gerret Korsemann; BA-ZA, ZM 215/3 u. ZC 10.888; GVP HSSPF Kaukasus (Stand: Sept. 1942), RGVA, 1323–1–52; BAL, ZK: Gerret Korsemann; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 566–570, 605ff., 635–640, 671, 717.

6 Gemeint ist der Gauleiter für Ostpreußen, Erich Koch, geb. 1896, gest. 1986; zu den Überlegungen, in welcher Region er als Reichskommissar verwendet werden könne: Ralf Meindl: Ostpreußens Gauleiter. Erich Koch – eine politische Biographie, Osnabrück 2007, S. 326–332.

7 Spielt an auf den Konflikt zwischen Koch u. von dem Bach seit dessen Königsberger Zeit; vgl. Andrej Angrick: Erich von dem Bach-Zelewski – Himmlers Mann für alle Fälle, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 28–44.

6) Runderlaß Reichssicherheitshauptamt Amtschef IV vom 28.6.1941

Reichssicherheitshauptamt Berlin, den 28. Juni 1941
Amt IV – B.Nr. 1 B/41 g.Rs. – IV A 1
An alle Gruppen des Amtes IV
Nachrichtlich an die Ämter I–VII

Als zentrale Dienststelle für den Einsatz Rußland wird das Referat IV A 1 bestimmt. Es wird ersucht, alle Sachvorgänge des Amtes IV, die diesen Einsatz betreffen, diesem Referat umgehend zuzustellen. Mit dem Beginn des Einsatzes ist beim Referat IV A 1–Zimmer 320 – Anruf int. 318–Post 54 ein ständiger Bereitschaftsdienst errichtet.1

In Vertretung: gez. Müller2

RGVA, 500–4–36 u. USHMMA, RG11.001M

1 Im gleichen Referat entstanden seit dem 23.6.1941 auch die „Ereignismeldungen UdSSR“; zur Entstehung: Mallmann/Angrick/Matthäus/Cüppers: Die „Ereignismeldungen UdSSR“ 1941, S. 9–31.

2 Heinrich Müller, geb. 1900, 1917 Kriegsfreiwilliger, seit April 1918 Pilot Westfront, 1919 entlassen als Unteroffizier, seitdem Polizeidirektion München, 1929 Polizeisekretär, 1933 Kriminalinspektor Bayerische Politische Polizei, April 1934 SS, seitdem Gestapa, Juni 1934 als Stubaf. Leiter Abt. II (Innerpolitische Angelegenheiten), 1937 Staf., Juni 1939 Reichskriminaldirektor, seit Sept. 1939 Amtschef IV des RSHA, 1941 Gruf. u. Generalleutnant der Polizei, Anfang Mai 1945 wahrscheinlich in Berlin gefallen; Erlaß Gestapa v. 30.6.1936, BAB, R 58/239; BAB, BDC, SSO Heinrich Müller; BA-ZA, ZR 759/14; zu seinem Tod: BAL, B 162/3233–3237; Andreas Seeger: „Gestapo-Müller“. Die Karriere eines Schreibtischtäters, Berlin 1996.

7) Fernschreiben Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 29.6.1941: Einsatzbefehl Nr. 1

Amtschef IVFernschreiben (Befördert am 29.6.41 NÜ-Nr. 101.294) Berlin, den 29.6.1941

An den Einsatzgruppenchef der SPSD1 SS-Brif. Nebe2, an den Einsatzgruppenchef der SPSD SS-Staf. Ohlendorf3, an den Einsatzgruppenchef der SPSD SS-Brif. Dr. Rasch4, an den Einsatzgruppenchef der SPSD SS-Brif. Stahlecker5

Unter Bezug auf meine bereits am 17. VI. in Berlin gemachten mündlichen Ausführungen6 bringe ich in Erinnerung: 1) Den Selbstreinigungsbestrebungen antikommunistischer oder antijüdischer Kreise in den neu zu besetzenden Gebieten ist kein Hindernis zu bereiten. Sie sind im Gegenteil, allerdings spurenlos auszulösen, zu intensivieren wenn erforderlich und in die richtigen Bahnen zu lenken, ohne daß sich diese örtlichen „Selbstschutzkreise“ später auf Anordnungen oder auf gegebene politische Zusicherungen berufen können. Da ein solches Vorgehen nur innerhalb der ersten Zeit der militärischen Besetzung aus naheliegenden Gründen möglich ist, haben die Einsatzgruppen und -kommandos der SP und des SD im Benehmen mit den militärischen Dienststellen möglichst bestrebt zu sein, raschestens in die neubesetzten Gebiete wenigstens mit einem Vorkommando einzurücken, damit sie das Erforderliche veranlassen können.7 Zu Leitern solcher Vorkommandos sind nur solche Angehörige der SP und des SD auszusuchen, die über das erforderliche politische Fingerspitzengefühl verfügen. Die Bildung ständiger Selbstschutzverbände mit zentraler Führung ist zunächst zu vermeiden; an ihrer Stelle sind zweckmäßig örtliche Volkspogrome, wie oben dargelegt, auszulösen.

2) In diesem Zusammenhang mache ich erneut auf die Berichterstattungspflicht aufmerksam. Ich vermisse bereits jetzt einen regelmäßigen Eingang dieser Berichte. Sämtliche Berichte haben an mich persönlich zu gehen. Ich habe zu diesem Zweck eine mir persönlich unmittelbar unterstehende zentrale Nachrichtenübermittlungsstelle eingerichtet, welcher u.a. auch die Verteilung der Berichte an die sachlich beteiligten Ämter des RSHA obliegt. Die zusammenfassende Berichterstattung an den RFSS und Chef der Deutschen Polizei behalte ich mir persönlich vor. Eine unmittelbare Berichterstattung der Einsatzgruppen der SP und des SD an den RFSS hat dieser nur auf ausdrücklichen Einzelbefehl erlaubt.

Chef der Sipo u.d. SD

gez. Heydrich

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Sicherheitspolizei u. Sicherheitsdienst.

2 Arthur Nebe, geb. 1894, 1914 Kriegsfreiwilliger, 1920 Freikorps, danach KK Polizeipräsidium Berlin, 1931 NSDAP, 1932 Mitbegründer NS-Beamtenarbeitsgemeinschaft der Berliner Kripo, 1933 KR im Gestapa, Leiter des Außendienstes u. der Bewegungsabt., 1936 SS u. Chef des Reichskriminalpolizeiamtes, 1939 zeitweilig Chef EG IV in Polen, dann Amtschef V des RSHA, Jan. 1941 Brif., Chef EG C bzw. B bis 1.11.1941, Nov. 1941 Gruf., am 2.3.1945 wegen Beteiligung am 20. Juli vom VGH zum Tod verurteilt u. hingerichtet; BAB, BDC, SSO Arthur Nebe; Peter Black: Arthur Nebe – Nationalsozialist im Zwielicht, in: Smelser/Syring: Die SS: Elite unter dem Totenkopf, S. 364–378; Ronald Rathert: Verbrechen und Verschwörung: Arthur Nebe. Der Kripochef des Dritten Reiches, Münster 2001; unwissenschaftlich: Walter Kiess: Der Doppelspieler. Reichskriminaldirektor Arthur Nebe zwischen Kriegsverbrechen und Opposition, Stuttgart 2011.

3 Otto Ohlendorf, geb. 1907, Jurastudium, 1925 NSDAP u. SA, 1927 SS, 1933 Assistent am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, 1935 Abt.leiter am Institut für angewandte Wirtschaftswissenschaften in Berlin, 1936 SD-HA, 1937 als Stubaf. Stabsfhr. II 2 u. Leiter Hauptabt. II 23 (Wirtschaft), 1938 Ostubaf., 1939 Amtschef III im RSHA, 1940 Staf., 1941 Oberf., Kdr. EG D bis Juli 1942, dann zurück ins RSHA, 1942 Brif., Nov. 1943 zusätzlich Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, 1944 Gruf., 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1951 hingerichtet; BAB, BDC, SSO Otto Ohlendorf; GVP RSHA Stand 1.3.1941, BAB, R 58/240; Affidavit Otto Ohlendorf v. 5.11.1945, IfZ, Nbg.Dok. PS-2620; dto. v. 24.4.1947, ebd., NO-2890; BAL, ZK: Otto Ohlendorf; Hanno Sowade: Otto Ohlendorf – Nonkonformist, SS-Führer und Wirtschaftsfunktionär, in: Smelser/Zitelmann: Die braune Elite, S. 188–200; wenig überzeugend: Jason Weber: Normalität und Massenmord. Das Beispiel des Einsatzgruppenleiters Otto Ohlendorf, in: Joachim Perels/Rolf Pohl (Hrsg.): NS-Täter in der deutschen Gesellschaft, Hannover 2002, S. 41–68.

4 Dr. Dr. Emil Otto Rasch, geb. 1891, 1911–1919 Kriegsmarine, danach DSTB, 1920 Freikorps Loewenfeld, Studium der Rechts- u. Wirtschaftswissenschaften, 1922 Dr.rer.pol., 1923 Dr.jur., danach Syndikus in der Industrie, 1931 NSDAP, 1933 SS u. Bürgermeister in Radeberg, 1935 Oberbürgermeister in Wittenberg, 1936 Ustuf. u. Stabsfhr. SD-OA Ost, Okt. 1937 Leiter Stapo-Stelle Frankfurt/M., März 1938 dto. Linz, Febr. 1939 IdS Kassel, März 1939 Chef EG I Prag, Sept. 1939 Chef des Sipo-Kdos. der EG z.b.V. in Polen, Nov. 1939 IdS Königsberg, 1940 Brif., Chef EG B bzw. C bis Sept. 1941, danach Direktor der Kontinental Petroleum AG in Hamburg, Angeklagter im Nürnberger EG-Prozeß, Okt. 1948 krank aus der Haft entlassen, gest. 1.11.1948; BAB, BDC, SSO Dr.Dr. Otto Rasch; Affidavit dess. v. 13.8.1947, BAL, B 162/Vorl. Dok.Slg. Verschiedenes 301 Bt (O.153); BAL, ZK: Dr.Dr. Otto Rasch.

5 Dr. Franz Walther Stahlecker, geb. 1900, Jurastudium, 1919/20 als Angehöriger des Tübinger Studentenbtl. u.a. im Ruhrkampf im Einsatz, danach Organisation Escherich, Organisation Consul u. DSTB, 1923 NSDAP bis zum Verbot, 1924 Referendarexamen, 1927 Dr.jur. u. Assessorexamen, danach im württembergischen Landesdienst, 1930 Arbeitsamtsdirektor in Nagold, 1932 SS, 1933 erneut NSDAP, zurückdatiert auf 1932, Mai 1933 stellv. Leiter des Württembergischen Politischen Landespolizeiamtes, Mai 1934 dessen Leiter, Okt. 1936 Chef Stapo-Leitstelle Stuttgart, Mai 1937 dto. Stapo-Leitstelle Breslau, 1938 SD-Fhr. im SS-OA Donau, März 1939 als Staf. Kdr. EG II Brünn, anschließend BdS Böhmen u. Mähren, Mai 1940 als Oberf. BdS Norwegen, Nov. 1940 zur informatorischen Beschäftigung ins AA, Febr. 1941 Brif., Sommer 1941 Kdr. EG A, Dez. 1941 BdS Ostland, am 23.3.1942 Tod als Folge eines Partisanenangriffs; Personalakte, HStAS, E 130c, Bü 112; Hans-Joachim Lang: Die mörderische Karriere des Walter Stahlecker, in: Erinnern gegen den Schlußstrich. Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus, Freiburg 1997, S. 147–156; Heinz-Ludger Borgert: Stahlecker, Walter, in: Maria Magdalena Rückert (Hrsg.): Württembergische Biographien, Bd. 1, Stuttgart 2006, S. 267–269; Sigrid Brüggemann: Walter Stahlecker. Chef der Gestapo in Stuttgart und Massenmörder, in: Hermann G. Abmayr (Hrsg.): Stuttgarter NS-Täter. Vom Mitläufer bis zum Massenmörder, Stuttgart 2009, S. 126–133.

6 Zum Treffen der EG- u. EK-Kdr. mit Heydrich am 17.6.1941 vgl. Ogorreck: Die Einsatzgruppen und die „Genesis der Endlösung“, S. 48f.

7 Zu den von einheimischen Nationalisten u. Antisemiten teils mit Unterstützung der EG während der ersten Kriegswochen organisierten Pogromen: Browning/Matthäus: Die Entfesselung der „Endlösung“, S. 391–398.

8) Situations- und Lagebericht Sonderkommando 1b vom 1.7.1941

Sicherheitspolizei Kowno, den 1. Juli 1941
Einsatzkommando 1b

1. An das Reichssicherheitshauptamt – Eingangsstelle – Berlin, 2. an die Einsatzgruppe I1

Betrifft: Situations- und Lagebericht

Vorgang: ohne/Br. Nr.

Die Stimmung der litauischen Bevölkerung in Kowno steht nach wie vor unter dem Eindruck der Befreiung vom bolschewistischen Joch durch die deutschen Truppen;2 sie ist im allgemeinen gut und prodeutsch.3 Während die jüngere Generation zu einer positiven Zusammenarbeit mit deutschen Stellen bereit ist, legt die ältere Generation der litauischen Bevölkerung in ihrer Einstellung zum Deutschtum eine gewisse Zurückhaltung an den Tag und scheint noch den weiteren Verlauf der militärischen Operationen abwarten zu wollen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beurteilung der politischen Lage durch einen litauischen führenden Wirtschaftler. Dieser gab in einer Unterhaltung zu verstehen, dass die litauische Bevölkerung mit der eigenmächtig gebildeten litauischen Regierung unter Oberst Skirpa4 nicht einverstanden sei. Lediglich der Wunsch, wieder ein freies Litauen zu schaffen, halte sie von Maßnahmen gegen diese Regierung ab; aus diesem Grunde unterbleibe auch gegenwärtig eine litauische öffentliche Kritik an dieser zeitweiligen Regierung. Die Regierung wird als eine Interessengemeinschaft bezeichnet, die in erster Linie unter Ausnutzung der angeblich unklaren Verhältnisse nur materielle Vorteile zu erhalten versuche. Die ehemaligen litauischen Parteien beginnen bereits im Volk mit ihrer Propaganda und versuchen, neue Anhänger zu gewinnen. Es ist noch keine eigentliche Propagandatätigkeit, sondern vorerst nur der Versuch einer Fühlungnahme zu sehen. Es ist hierbei das christlich-demokratische Lager, das am aktivsten zu werden scheint. Diese Kreise werden in geeigneter Weise überwacht. Es ist gelungen, den römisch-katholischen Bischof Brizgys5, der eine maßgebliche Stellung im litauischen Klerus einnimmt, zur Mitarbeit zu gewinnen. Bischof Brizgys ist deutschfreundlich eingestellt und steht in enger Fühlungnahme mit General Rastikis6, den er auch von kirchlicher Seite her als Mittler zwischen dem litauischen Volk und Deutschland anerkennt. Brizgys will sogar so weit gehen, in einer öffentlichen Erklärung, evtl. sogar von der Kanzel herab, die katholischen Litauer zu einer loyalen Haltung und zur Mitarbeit mit Deutschland aufzufordern. Auch die Woldemaras-Anhänger7 beginnen bereits rührig zu werden. Sie lehnen General Rastikis grundsätzlich ab, weil dieser christlich-demokratischen Kreisen nahesteht. Sie erstreben für Litauen nur eine begrenzte Unabhängigkeit, d.h. sie wollen zwar politische, kulturelle und wirtschaftliche Freiheit, verzichten aber auf eine eigene Aussenpolitik. Diese Aussenpolitik wollen sie dem grossdeutschen Reich überlassen; sie versprechen sich davon nur Vorteile. Um eine sofortige Klärung der politischen Verhältnisse in Kowno im Interesse der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung herbeizuführen, wird General Rastikis umgehend die zeitweilige litauische Regierung auflösen. Lediglich zu seiner persönlichen Information bildet er einen litauischen Arbeitskreis. Die Auswahl der Mitglieder bleibt ihm überlassen.

Die Partisanen8 in Kowno und Umgebung sind am 28.6. durch Befehl der deutschen Feldkommandantur entwaffnet worden.9 Um sich aber trotzdem ihrer Mitarbeit zu vergewissern, ist vom Feldkommandanten aus den Reihen der zuverlässigen Partisanen eine Hilfspolizeitruppe in Stärke von 5 Kompanien geschaffen worden. 2 Kompanien davon sind dem Einsatzkommando unterstellt worden. Davon bewacht eine Kompanie das inzwischen in Kowno – Fort 7 – eingerichtete Judenkonzentrationslager und führt die Exekutionen durch, während die andere Kompanie im Einverständnis mit dem Feldkommandanten vom Einsatzkommando zu ordnungspolizeilichen Aufgaben verwendet werden soll. Ausserdem werden von den Kompanien noch die in Kowno befindlichen Gefängnisse bewacht.10 Die Entwaffnung der Partisanen hat im Augenblick in der Entwicklung der Lage in Kowno einen neuen Unruhenherd geschaffen. Die Partisanen waren bisher gemeinsam untergebracht und erhielten aus erbeuteten Beständen Verpflegung und zum Teil auch für ihre Familien Unterstützung. Seit der durchgeführten Entwaffnung stehen sie nun vollkommen mittellos, zum Teil auch obdachlos da, ohne Aussicht, vor endgültiger Klärung der Verhältnisse in den Arbeitsprozess eingeschaltet zu werden. Um daher auch weiterhin die Partisanen in ihrer positiven Einstellung zum Deutschtum zu erhalten, ist der Feldkommandantur vorgeschlagen worden, die Partisanen bevorzugt in Arbeit und Brot zu bringen. Die wirtschaftliche Lage der Stadt Kowno ist im Augenblick noch ungeklärt. Die Vorräte an Fleisch und Mehl reichen schätzungsweise nur noch 6 Wochen. Um deren Rationierung zu erreichen, ist beabsichtigt, bereits in Kürze Karten für Brot und Fleisch einzuführen, um damit eine einheitliche Belieferung der Bevölkerung zu gewährleisten.

Dem Einsatzkommando ist jetzt auch Näheres über die augenblickliche Situation in der Stadt Wilna11 bekannt geworden. Hauptbevollmächtigter von Wilna ist der litauische Oberstleutnant Spokevicius, Kommandant der litauische Major Vertelis, dessen Vertreter ein Oberstleutnant Vitkus. Die deutschen Militärstellen in Wilna lassen die Litauer vollkommen eigenmächtig arbeiten und unterstützen sie sogar in ihrer Arbeit. In Wilna befinden sich zur Zeit etwa 3000 litauische Soldaten – darunter 200 Offiziere –, die bereits nach ehemaligem litauischen Reglement ausgebildet werden und auch bewaffnet sind. Es sind zum grössten Teil Litauer, die im russischen Heer gestanden haben und bei Ausbruch des Russenkrieges desertierten. Für die Zivilverwaltung in Wilna ist von litauischer Seite ein Ausschuss gegründet worden, der von den Professoren Zakevicius und Jazgutis geleitet wird.12 Auch dieser Ausschuss hat von den deutschen Militärbehörden weitgehendste Handlungsfreiheit erhalten. Ausserdem ist in Wilna unter Führung von Iskauskas13 eine Polizeitruppe aufgestellt worden, die litauische Uniformen trägt und mit Pistolen ausgerüstet ist. Sicherheitspolizeiliche Belange werden von ehemaligen litauischen Staatssicherheitspolizei-Beamten wahrgenommen. Die Entwicklung der politischen Verhältnisse in Wilna steht ganz im Gegensatz zu der augenblicklichen Situation in Kowno. Dieses ist dadurch bedingt, dass Kowno und Wilna zu verschiedenen deutschen Armeebereichen gehören. Beide Armeen verfolgen aber nicht einheitliche Richtlinien und bringen dadurch die ganze Regelung der litauischen Frage in Gefahr. Es ist dadurch zu befürchten, dass litauische Elemente, die mit der hiesigen Regelung nicht zufrieden sind, einfach nach Wilna gehen, um von dort aus den Widerstandsgedanken auch in das hiesige Gebiet zu tragen, zumal sie in Wilna ungestört arbeiten können. Im Interesse der deutschen Ostraumpolitik ist es aber unbedingt notwendig, dass die litauische Frage nach einheitlichen Richtlinien gelöst wird. Die wirtschaftliche Lage in Wilna ist augenblicklich auch noch ungeklärt. Es sind lediglich die Lebensmittelgeschäfte geöffnet, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. In den nächsten Tagen wird weiteres Material über die Verhältnisse in Wilna verfügbar sein.

gez.: Ehrlinger14 Obersturmbannführer

RGVA, 500–1–756 u. USHMMA, RG11.001M

1 Gemeint ist die EG A.

2 Vgl. Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen, Bd. 1, S. 299–337.

3 Zum deutschen Litauenbild und den Kontakten unmittelbar zu Beginn des Angriffs vgl. ebd., Bd. 1, S. 242–266.

4 Oberst Kazys Škirpa, ehemals Gesandter Litauens in Berlin. Verblieb nach der Annexion seines Landes durch die Sowjetunion 1940 im Reich, um dort als Funktionär der Litauischen Aktivistenfront (LAF) seine Kontakte zu einflußreichen Behörden militärischer, geheimpolizeilicher oder politischer Zuordnung auf- bzw. auszubauen. Nach dem deutschen Einmarsch wurde jedoch eine Einreise Škirpas in seine Heimat verweigert u. somit der ‚Anschluß‘ an die Politik eines unabhängigen Litauens unterbunden; vgl. Myllyniemi: Die baltische Krise 1938–1941, S. 146–152; ADAP, Serie D, Bd. XIII/1, Dok. 3–6, 18; Škirpas eigene Aufzeichnungen: IfZ, Ms 289/1: Litauens Aufstand gegen die Sowjets im Juni 1941.

5 Gemeint ist Bischof Vincentas Brizgys von Kaunas, geb. 1903, gest. 1992, der zugestimmt haben soll, im Sinne der Deutschen zu arbeiten u. die litauische Priesterschaft auf politische Enthaltsamkeit einzuschwören. Allerdings soll er ab 1942 zunehmend kritischer geworden sein u. – gerade wegen der Judenmorde – gegen das Regime gepredigt haben; vgl. Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen, Bd. 1, S. 15, 332f., 433–436.

6 General Stasys Rastikis war bis zum 24.4.1940 OB der litauischen Armee gewesen u. hatte in dieser Funktion beste Kontakte nach Deutschland – bis hin zu persönlichen Treffen mit Hitler, Ribbentrop u. Halder – aufgebaut. Er selbst vertrat die Politik einer baltischen Entente. Die Sowjets akzeptierten im Juni 1940 den litauischen Vorschlag nicht, Rastikis als neuen Kabinettschef einzusetzen, obwohl sich dieser für die Annahme des sowjetischen Ultimatums ausgesprochen hatte. Daraufhin setzte er sich mit seiner Familie nach Deutschland ab. Bei seiner Rückkehr nach Litauen war er nur kurz im deutschen Sinne tätig u. zog sich dann aus familiären Gründen – die Sowjets hatten Angehörige von ihm in Haft – aus dem politischen Tagesgeschäft zurück; vgl. Myllyniemi: Die baltische Krise 1938–1941, S. 46f., 99f., 123.

7 Bezieht sich auf Augustinas Voldemaras, geb. 1883, der nach dem Militärputsch 1926 als Ministerpräsident u. Außenminister zum starken Mann Litauens aufstieg. Er stand der proto-faschistischen Organisation Geležinis Vilkas (Eiserner Wolf) vor. Seine regionale Machtbasis, wo er vor allem mit den Sympathien der Militärs rechnen konnte, lag in Kowno. Im Konflikt mit dem ebenfalls am Putsch beteiligten Staatspräsidenten Smetona wurde er jedoch 1929 verhaftet, in die Provinz abgeschoben u. dort unter Arrest gestellt. Der Einmarsch der Sowjets bedeutete für ihn die Deportation ins Innere Rußlands, wo er 1944 verstarb; vgl. Leonas Sabaliūnas: Lithuania in Crisis. Nationalism to Communism, 1939–1940, Bloomington-London 1972; Alfonsas Eidintas/Vytautas Žalys/Alfred Erich Senn: Lithuania in European Politics. The Years of the First Republic, 1918–1940, New York 1999. Zu den weiteren Aktivitäten des „Eisernen Wolfs“ nach der Ausschaltung ihres Führers: Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen, Bd. 1, S. 90f.

8 Vgl. Siegfried Gasparaitis: „Verrätern wird nur dann vergeben, wenn sie wirklich beweisen können, daß sie mindestens einen Juden liquidiert haben“. Die „Front Litauischer Aktivisten“ (LAF) und die antisowjetischen Aufstände 1941, in: ZfG 49(2001), 886–904.

9 Während der vorherigen Tage hatte in der litauischen Hauptstadt Kaunas (Kowno/Kauen) ein Pogrom stattgefunden, dem laut Gesamtbericht EG A aus dem Herbst 1941 3800 der etwa 50.000 Juden zum Opfer fielen; vgl. Dok. 70. Nachdem die Rote Armee bis zum 23.6. ihren fluchtartigen Rückzug aus der Stadt mit ihren 154.000 Einwohnern beendet hatte, begannen litauische Banden – sog. Partisanen – noch am gleichen Tag mit Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung; vgl. Harry Gordon: The Shadow of Death. The Holocaust in Lithuania, Lexington 1992; Renata Yesner: Jeder Tag war JomKippur. Eine Kindheit im Ghetto und KZ, Frankfurt/M. 1995; Solly Ganor: Das andere Leben. Kindheit im Holocaust, Frankfurt/M. 1997; Raya Kruk: Lautlose Schreie. Bericht aus dunklen Zeiten, Frankfurt/M. 1999; „Dies Kind soll leben“. Die Aufzeichnungen der Helene Holzman 1941–1944, hrsg. v. Reinhard Kaiser/Margarete Holzman, Frankfurt/M. 2000; ähnlich: Zusammenfassung der Kämpfe um Kowno (undat./1941), BA-MA, RH 20–16/45; Sich.Div. 281 an Berück Nord v. 10.7.1941, ebd., RH 26–281/25a. „Aktivisten in Kowno haben anscheinend die Herrschaft an sich gerissen“, teilte das II. AK am 23.6. um 14 Uhr der Vorausabt. Holm mit, ebd., RH 24–2/81. Erst am späten Nachmittag des 24.6. drangen die ersten Wehrmachtsverbände in die Stadt ein. „18:45 Kowno in deutscher Hand, Hakenkreuzflagge weht“, vermerkte das KTB des II. AK am Abend, ebd., RH 24–2/80. Als Überblick: Jürgen Matthäus: Kaunas 1941–1944, in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 2003, S. 83–91.

10 Vgl. Knut Stang: Kollaboration und Massenmord. Die litauische Hilfspolizei, das Rollkommando Hamann und die Ermordung der litauischen Juden, Frankfurt/M. u.a. 1996; ders.: Kollaboration und Völkermord. Das Rollkommando Hamann und die Vernichtung der litauischen Juden, in: Paul/Mallmann: Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, S. 464–480; Dieckmann: Besatzungspolitik in Litauen, Bd. 1, S. 508–518.

11 Wilna (Vilnius/Wilno) – von 1920 bis 1939 unter polnischer Herrschaft, am 19.9.1939 von der Roten Armee erobert u. im Okt. den Litauern übergeben – wurde von diesen als Hauptstadt reklamiert, obwohl sie dort nur eine Minderheit neben Polen u. Juden stellten. Am Abend des 23.6. übernahm dort ein litauisches Bürgerkomitee nach dem Abzug der Roten Armee die Macht. Am Morgen des 24.6. eroberte die 7. Pz.Div. der Wehrmacht Wilna. Am 25.6. notierte das KTB Sich.Div. 403/Ia: „Eintreffen des Sonderkommandos der Sicherheitspolizei–Einsatz in Grodno, Lida und Wilna“, BA-MA, RH 26–403/2. Dabei handelte es sich zunächst um das SK 7a.

12 Prof. Stasys Zakevicius, zeitweise Vorsitzender des prodeutschen „Litauischen Komitees, das in Wilna u.a. für die ersten antijüdischen Ausschreitungen verantwortlich gemacht wurde; vgl. Karen Sutton: The Massacre of the Jews of Lithuania, Jerusalem-New York 2008, S. 135ff., 148; Mendel Balberyszski: Stronger than Iron. The destruction of Vilna Jewry 1941–1945. An eyewitness account, Jerusalem-New York 2010, S. 22f.

13 Gemeint ist Anastas Iskauskas, der einer 430 Mann starken, auf 7 Stadtbezirke verteilten Polizeitruppe in Wilna vorstand. Seine Einheit fand v.a. bei der Jagd nach Kommunisten Verwendung u. war auch für das Ghetto zuständig; Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen, Bd. 1, S. 298, 343, 350, 530–534.

14 Erich Ehrlinger, geb. 1910, Jurastudium, 1935 SD-HA, 1939 Ostubaf. u. SD-Führer EG IV in Polen, 1941 Kdr. SK 1b, Dez. 1941 KdS Kiew, Sept. 1943 BdS Minsk u. Chef EG B, April 1944 Amtschef I im RSHA, 1963 zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, 1965 Haftentlassung, Dez. 1969 Verfahrenseinstellung, gest. 2004; Michael Wildt: Erich Ehrlinger – ein Vertreter „kämpfender Verwaltung“, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 76–85.

9) Bericht Staatspolizeistelle Tilsit vom 1.7.1941: Säuberungsaktionen jenseits der ehemaligen sowjet-litauischen Grenze

Geheime StaatspolizeiStaatspolizeistelle Tilsit–L– Tilsit, den 1. Juli 1941SA-Strasse 67Einschreiben

An das Reichssicherheitshauptamt – IV A 1 – z.Hd. v. SS-Brigadeführer Müller in Berlin, an SS-Brif. Dr. Stahlecker – zur Kurierpost bei Stapo Tilsit, an den Inspekteur der Sicherheitspolizei u. des SD z.Hd. v. SS-Brif. Dr.Dr. Rasch in Königsberg/Pr., an das EK 1a z.Hd. v. SS-Sturmbannführer Sandberger – zur Kurierpost bei GPK Memel – in Memel

Betrifft: Säuberungsaktionen jenseits der ehemaligen sowjet-litauischen Grenze

Vorgang: a) FS v. 23.6.1941 – Nr. 7430 – und dort. FS-Erlass Nr. 97.745 v. 24.6.1941, b) Blitz-FS v. 23.6.1941 – Nr. 7442 – und dort. FS-Erlass Nr. 97.571 v. 23.6.41 – IVA 1, c) FS Nr. 4775 v. 24.6.41 und dort. FS-Erlass Nr. 97.865 v. 24.6.41 – IV A 1.

Im Zusammenwirken mit dem SD-Abschnitt in Tilsit wurden drei Grossäuberungsaktionen durchgeführt und zwar wurden am 24. Juni 1941 in Garsden 201 Personen (einschl. 1 Frau), am 25. Juni 1941 in Krottingen 214 Personen (einschl. 1 Frau), am 27. Juni 1941 in Polangen 111 Personen erschossen.1 In Garsden unterstützte die jüdische Bevölkerung die russische Grenzwacht bei der Abwehr der deutschen Angriffe. In Krottingen wurden in der Nacht nach der Besetzung 1 Offizier und 2 Quartiermacher von der Bevölkerung heimtückisch erschossen. In Polangen wurde 1 Offizier am Tage nach der Besetzung ebenfalls von der Bevölkerung hinterhältig erschossen. Es wurden bei allen drei Grosseinsätzen vorwiegend Juden liquidiert. Es befanden sich darunter jedoch auch bolschewistische Funktionäre und Heckenschützen, die zum Teil als solche von der Wehrmacht der Sicherheitspolizei übergeben waren. Am Tage nach der Aktion am 25. Juni 1941 wurde Krottingen vermutlich von der dort verbliebenen jüdischen Bevölkerung niedergebrannt. Nähere Anhaltspunkte waren nicht festzustellen. Von einer erneuten Aktion wurde bisher Abstand genommen, da in Krottingen nur jüdische Frauen und Kinder verblieben sind, die in der Umgebung Krottingens sich zurzeit noch im Gewahrsam des litauischen Ordnungsdienstes befinden. Die Bewachung hat am 27. Juni 1941 eine in Krottingen neu einrückende Truppenabteilung übernommen. Für die Erschiessung wurden durch den Polizeidirektor in Memel 1 Schutzpolizeioffizier und 30 Mann gestellt. In Krottingen und Polangen wurden durch die jeweiligen Ortskommandanten zusätzlich weitere Exekutionskommandos in Stärke von 20 bezw. 22 Mann gestellt. Die Zusammenarbeit mit der deutschen Wehrmacht wurde in Krottingen und Polangen durch die Ortskommandanten herbeigeführt, die zu den geplanten Aktionen freiwillig ihre Mithilfe zur Verfügung stellten. Die Durchführung der Aktion wurde am 24. Juni mit SS-Brigadeführer Stahlecker durchgesprochen, der grundsätzlich sein Einverständnis zu den Säuberungsaktionen in der Nähe der deutschen Grenze erklärte. Am 25. Juni 1941 wurde in Memel mit dem Führer des EK 1a, SS-Sturmbannführer Sandberger2, Fühlung aufgenommen, mit dem vereinbart wurde, dass längs der ehemaligen sowjetischen Grenze in einem Raume 25 km von der Grenze entfernt alle notwendig werdenden Aktionen in der bisherigen Form durchgeführt werden sollen.3

Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung wurde in Krottingen der ehemalige Chef der litauischen Staatssicherheitspolizei, Pranas Jackys, geb. am 30.7.1900 in Lydavenen, der als Agent für den SD-Abschnitt Tilsit tätig war, eingesetzt. Die notwendige Unterstützung wird ihm durch das Grenzpolizeikommissariat in Memel zuteil. In Polangen wurde Verbindung mit dem derzeitigen neu eingesetzten Bürgermeister aufgenommen, der über die Aussenstelle des SD-Abschnitts Tilsit in Memel die notwendige Verbindung mit der Sicherheitspolizei aufrecht erhält. Der in Krottingen festgenommene sowjetrussische Spionage-Agent Boleslawas Uszpalies, geb. am 24.1.1892 in Platellai, zuletzt wohnhaft in Kretinga, wurde zwecks eingehender Vernehmung über seine Beziehungen in Deutschland nach Tilsit überführt. Als vermutliche Täterin bei der hinterhältigen Erschiessung eines Offiziers in Polangen kommt die flüchtige jüdische Funktionärin Libe Chaja Benjaminaviciute, geb. 1920, (Lichtbild vorhanden) in Betracht [Vorstehender Absatz handschriftlich gestrichen].

Weitere Strafaktionen fanden durch Beamte des Grenzpolizeikommissariats Suwalki in Augustowo statt.4 Dort wurde u.a. auch ein Kindererholungsheim sichergestellt. Der Reichsführer-SS und der Gruppenführer, die dort zufällig anwesend waren, liessen sich über die von der Staatspolizeistelle Tilsit eingeleiteten Maßnahmen unterrichten und billigten diese in vollem Umfange.5 [Folgende Sätze handschriftlich gestrichen:] Der Gruppenführer ordnete an, dass das sichergestellte Gebäude unbedingt für den Reichsführer-SS gehalten werden sollte, bis weitere Weisung ergeht. Die Bewachung ist durch Kräfte des Grenzpolizeikommissariats Suwalki sichergestellt worden.6 Zu bemerken wäre noch, dass von seiten des Regierungspräsidenten geplant ist, längst der an den Regierungsbezirk Gumbinnen verlaufenden ehemaligen sowjetrassischen Grenze einen Schutzstreifen zu errichten zwecks polizeilicher Betreuung. Darüber hinaus werden Vorschläge ausgearbeitet für eine Übernahme verschiedener sowjetrussischer Grenzkreise und deren Eingliederung in den Regierungsbezirk Gumbinnen. Diese Vorschläge werden in kürzester Zeit dem Oberpräsidenten und Gauleiter in Königsberg unterbreitet.

gez.: Unterschrift7

RGVA, 500–1–758 u. USHMMA, RG11.001M

1 Vgl. Jürgen Matthäus: Jenseits der Grenze: Die ersten Massenerschießungen von Juden in Litauen (Juni–August 1941), in: ZfG 44(1996), S. 101–117; Joachim Tauber: Garsden, 24. Juni 1941, in: Annaberger Annalen 5(1997), S. 117–134; Konrad Kwiet: Rehearsing for Murder: The Beginning of the Final Solution in Lithuania in June 1941, in: HGS 12(1998), S. 3–26; Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen, Bd. 1, S. 379–391.

2 Dr. Martin Sandberger, geb. 1911, Jurastudium, 1931 NSDAP u. SA, 1932/33 Studentenschaftsführer Tübingen, 1933 Referendarexamen u. Dr.jur., 1934/35 hauptamtlich beim Chef des SA-Ausbildungswesens, Mai 1935 SS, Jan. 1936 Referent u. Abt.leiter SD-OA Südwest, 1936 Assessorexamen, 1938 Stubaf., 1939–1941 Leiter Einwandererzentralstelle Nordost des CdS in Lodsch/Litzmannstadt, Febr. 1940 zudem Referent I B 3 (Lehrplangestaltung der Schulen) im RSHA, Sommer 1941 Kdr. SK 1a, Dez. 1941 KdS Reval, 1942 Ostubaf., Sept. 1943 Leiter III beim BdS Italien, Jan. 1944 Gruppenleiter VI A im RSHA, 1945 Staf., 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, später zu lebenslanger Haft begnadigt, 1958 entlassen, gest. 2010; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Dr. Martin Sandberger; GVP RSHA v. 1.3.1941, BAB, R 58/840; Affidavit dess. v. 23.4.1947, IfZ, Nbg. Dok. NO-2891; BAL, ZK: Dr. Martin Sandberger.

3 Zur Einordnung der ersten Judenmorde jenseits der deutsch-litauischen Grenze und zu ihrer Bedeutung für die Dynamisierung deutscher Gewaltmaßnahmen vgl. Browning/Matthäus: Die Entfesselung der „Endlösung“, S. 372–376.

4 Vgl. Urteil LG Köln v. 4.5.1957, BAL, B 162/2596.

5 Vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 181.

6 In den Kellern des Erholungsheims hatten Einheiten des dem Kdo.Stab RFSS unterstellten SS-Inf.Rgt. 10 der 1. SS-Brigade damals etwa 100 Menschen eingesperrt, darunter zahlreiche Juden. Ein Großteil der Gefangenen wurde nach Absprache mit der Stapo-Stelle Tilsit am 26.6.1941 von Angehörigen des SS-Inf.Rgt. 10 erschossen. Danach übernahm das Grenzpolizeikommissariat Suwalki das Gebäude von der Waffen-SS; vgl. Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 126f.

7 Unterzeichner war Hans-Joachim Böhme, geb. 1909, Jurastudium, 1933 NSDAP u. SS sowie Referendarexamen, 1936 Assessorexamen, 1938 zur Stapo-Stelle Kiel, 1940 Hstuf. u. Leiter Stapo-Stelle Tilsit, 1941 Stubaf., Okt. 1943 KdS Shitomir, Mai 1944 KdS Kauen, danach zur EG B, Dez. 1944 zum RSHA Amt V, 1958 zu 15 Jahren Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Hans-Joachim Böhme; Urteil LG Ulm v. 29.8.1958, BAL, B 162/2615; BAL, ZK: Hans-Joachim Böhme.

10) Fernschreiben Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 1.7.1941: Einsatzbefehl Nr. 2

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SDCdS – B.Nr. 7235/41Fernschreiben: (Befördert am 1.7.41 NÜ-Nr. 101.990) Berlin, den 1. Juli 1941Geheime Reichssache!

An den Einsatzgruppenchef SS-Brif. Nebe, an den Einsatzgruppenchef SS-Staf. Ohlendorf, an den Einsatzgruppenchef SS-Brif. Dr. Dr. Rasch, an den Einsatzgruppenchef SS-Brif. Stahlecker

1) Ab sofort werden sämtliche Weisungen, die ich an die Einsatzgruppen gebe, numeriert. Der am 30.6.41 durchgegebene Befehl, betr. die Nichtverhinderung der Selbstreinigungsbestrebungen antikommunistischer und antijüdischer Kreise und die Berichterstattung allgemein, trägt die Nummer 1).

2) Einsatzbefehl Nr. 2: Die in den neubesetzten, insbesondere ehemals polnischen Gebieten wohnhaften Polen werden sich auf Grund ihrer Erfahrungen sowohl antikommunistisch als auch antijüdisch zeigen. Es ist selbstverständlich, daß die Reinigungsaktionen sich primär auf die Bolschewisten und Juden zu erstrecken haben. Hinsichtlich der polnischen Intelligenz usw. kann, wenn nicht im Einzelfall wegen Gefahr im Verzuge sofort Maßnahmen unbedingt geboten sind, später das Wort gesprochen werden. Es ist daher selbstverständlich, daß in die Reinigungsaktionen primär nicht derart eingestellte Polen einbezogen zu werden brauchen, zumal sie als Initiativelement (allerdings nach den örtlich bedingten Verhältnissen entsprechend begrenzt) sowohl für Pogrome als auch als Auskunftspersonen von besonderer Wichtigkeit sind. Diese einzuschlagende Taktik gilt selbstverständlich auch für alle ähnlich gelagerten Fälle. Empfangsbestätigung dieser Weisung mit Datum und Uhrzeit anher.

Zusatz für die Einsatzgruppe B–SS-Brif. Dr. Rasch: Ich bitte, sofort das in Lemberg befindliche EK 4b entsprechend zu verständigen, da sich für diesen Bereich das AOK anher gewandt hat.1 Vollzugsnachricht anher.

Der Chef d. Sipo u. d.

SD gez. Heydrich

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Bezieht sich auf die Anregung des OB AOK 17, Karl-Heinrich von Stülpnagel, antijüdisch und antikommunistisch eingestellte Polen zu „Selbstreinigungsaktionen“ zu benutzen, EM 10 v. 2.7.1941, BAB, R 58/214.

11) Funkspruch Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 1.7.1941: Einsatzbefehl Nr. 3

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SDCdS – B.Nr. 7234/41FT. (Befördert am 1.7.41–NÜ-Nr. 101.992) Berlin, den 1. Juli 1941Geheime Reichsache!

An den Einsatzgruppenchef der SPSD SS-Brif. Nebe, an den Einsatzgruppenchef der SPSD SS-Staf. Ohlendorf, an den Einsatzgruppenchef der SPSD SS-Brif. Dr. Rasch, an den Einsatzgruppenchef der SPSD SS-Brif. Dr. Stahlecker

Befehl Nr. 3

Ich habe festgestellt, daß die Trupps der militärischen Abwehr in vielen Fällen, da sie mit der kämpfenden Truppe vorgehen, bereits wichtigstes Material in Besitz genommen haben, bevor ein EK angekommen ist. Zum Beispiel war ich als Begleiter des RFSS am 1.7.41 in Grodno, das bereits 4 Tage von den deutschen Truppen besetzt war.1 Trotzdem befand sich an diesem Tage noch kein Angehöriger der SP und des SD an diesem Ort. Wenn ich auch die Schwierigkeiten eines schnellsten Einsatzes nicht verkenne, so bin ich doch überzeugt, daß es bei entsprechender Überlegung, Initiative, taktischer Führung und insbesondere bei geschicktem Vorgehen nicht schwerfallen wird, mit der militärischen Entwicklung Schritt zu halten. Ich erwarte größte Beweglichkeit in der taktischen Einsatzgestaltung. Es wird und muß möglich sein, wenigstens Vorauskommandos an besonders wichtige Einsatzpunkte zur rechten Zeit zu bringen. Wichtig ist, ständig gute Beziehungen zu der GFP zu unterhalten, da auf diese Weise ebenfalls Material zu erreichen ist.

Der Chef der Sipo u.d. SD

gez. Heydrich

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Vgl. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42, S. 181.

12) Rundschreiben Chef der Sicherheitspolizei und des SD an die Höheren SS- und Polizeiführer im Osten vom 2.7.1941

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SDB.Nr. IV–1100/41 geh. Rs. Berlin, den 2. Juli 41Als Geheime Reichssache, 20 Ausfertigungen

a) An den Höheren SS- und Polizeiführer SS-Obergruppenführer Jeckeln (über BdS Krakau zur sofortigen Weiterleitung), b) an den Höheren SS- und Polizeiführer SS-Gruppenführer v. d. Bach (über Kommandeur der SPSD in Warschau zur sofortigen Weiterleitung), c) an den Höheren SS- und Polizeiführer SS-Gruppenführer Prützmann (über Stapostelle Tilsit zur sofortigen Weiterleitung), d) an den Höheren SS- und Polizeiführer SS-Oberführer Korsemann (über SS-Staf. Ohlendorf)

Nachdem der Chef der Ordnungspolizei die zum Einsatz Barbarossa befohlenen Höheren SS- und Polizeiführer zu Besprechungen nach Berlin eingeladen hatte, ohne mich hiervon rechtzeitig zu unterrichten, war ich leider nicht in der Lage, Sie ebenfalls mit grundsätzlichen Weisungen für den Geschäftsbereich der Sicherheitspolizei und des SD zu versehen. Im Nachstehenden gebe ich in gedrängter Form Kenntnis von den von mir den Einsatzgruppen und -kommandos der Sicherheitspolizei und des SD gegebenen wichtigsten Weisungen mit der Bitte, sich dieselben zu eigen zu machen.

Vorbemerkung:

Nahziel des Gesamteinsatzes ist die politische, d.h. im wesentlichsten die sicherheitspolizeiliche Befriedung der neu zu besetzenden Gebiete. Endziel ist die wirtschaftliche Befriedung. Wenn auch alle zu treffenden Maßnahmen schliesslich auf das Endziel, auf welchem das Schwergewicht zu liegen hat, abzustellen sind, so sind sie doch im Hinblick auf die jahrzehntelang anhaltende bolschewistische Gestaltung des Landes mit rücksichtsloser Schärfe auf umfassendstem Gebiet durchzuführen. Dabei sind selbstverständlich die Unterschiede zwischen den einzelnen Völkerstämmen (insbesondere Balten, Ruthenen, Ukrainer, Georgier, Armenier, Asserbeidschaner usw.) zugrunde zu legen und wo irgendmöglich für die Zielsetzung auszunützen. Die politische Befriedung ist die erste Voraussetzung für die wirtschaftliche Befriedung.

1.) Verhältnis zur Wehrmacht:

Zur Vermeidung möglicher Unklarheiten im Hinblick auf den organisatorischen Einsatz und den sachlichen Aufgabenbereich der Einsatzgruppen und -kommandos der SP (SD) im Rahmen des gesamten Osteinsatzes verweise ich nochmals auf die Befehle des OKH vom 26.3.41.

2.) Berichterstattung:

Der RFSS und Chef der Deutschen Polizei muss laufend über alle Einsatzergebnisse der Sicherheitspolizei und des SD unterrichtet sein. Auf Befehl des RFSS habe ich, um diese ständige Berichterstattung zu gewährleisten, für den Geschäftsbereich der Sicherheitspolizei und des SD im Rahmen des Reichssicherheitshauptamtes eine zentrale Nachrichtenübermittlungsstelle (ZNÜ) eingerichtet, die mir unmittelbar untersteht. An diese ZNÜ sind im Verfolg des ausdrücklichen Befehls des RFSS alle Berichte, Anfragen und Meldungen usw. durchzugeben. Hiervon hat der RFSS lediglich solche Berichte oder Meldungen ausgenommen, die vom RFSS persönlich und unmittelbar angefordert werden. Aber auch diese unmittelbaren Berichte und Meldungen sind, da für den Gesamtüberblick erforderlich, gleichzeitig sofort an die ZNÜ durchzugeben. Auf die besondere Wichtigkeit der absoluten Einhaltung dieses Befehls des RFSS ist im Hinblick auf die noch bevorstehenden Raumerweiterungen von vorneherein ganz besonders Wert zu legen.

3.) Fahndungsmaßnahmen:

An Hand der vom Reichssicherheitshauptamt herausgegebenen Sonderfahndungsliste Ost haben die EK der Sicherheitspolizei und des SD die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen zu treffen. Da es naturgemäß nicht möglich war, alle gefährlichen Personen in der SU zu erfassen, sind über diese Fahndungslisten hinaus alle diejenigen Fahndungs- und Exekutivmaßnahmen zu treffen, die zur politischen Befriedung der besetzten Gebiete erforderlich sind.

4.) Exekutionen1: Zu exekutieren sind alle Funktionäre der Komintern (wie überhaupt die kommunistischen Berufspolitiker schlechthin), die höheren, mittleren und radikalen unteren Funktionäre der Partei, der Zentralkomitees, der Gau- und Gebietskomitees, Volkskommissare, Juden in Partei- und Staatsstellungen, sonstigen radikalen Elemente (Saboteure, Propagandeure, Heckenschützen, Attentäter, Hetzer usw.) soweit sie nicht im Einzelfall nicht oder nicht mehr benötigt werden, um Auskünfte in politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht zu geben, die für die weiteren sicherheitspolizeilichen Maßnahmen oder für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der besetzten Gebiete besonders wichtig sind. Insbesondere ist Bedacht zu nehmen, dass Wirtschafts-, Gewerkschafts- und Handelsgremien nicht restlos liquidiert werden, sodass keine geeigneten Auskunftspersonen mehr vorhanden sind. Den Selbstreinigungsversuchen antikommunistischer oder antijüdischer Kreise in den neu zu besetzenden Gebieten sind keine Hindernisse zu bereiten. Sie sind im Gegenteil, allerdings spurenlos, zu fördern, ohne dass sich diese örtlichen „Selbstschutz“-Kreise später auf Anordnungen oder gegebene politische Zusicherungen berufen können. Da aus naheliegenden Gründen ein solches Vorgehen nur innerhalb der ersten Zeit der militärischen Besetzung möglich ist, haben die Einsatzgruppen der SP (SD) möglichst im Benehmen mit den militärischen Dienststellen bestrebt zu sein, in den betreffenden neu besetzten Gebieten raschestens, wenigstens mit einem Vorkommando, einzurücken. Besonders sorgfältig ist bei Erschiessungen von Ärzten und sonstigen in der Heilkunde tätigen Personen vorzugehen. Da auf dem Lande auf etwa 10.000 Einwohner an sich nur ein Arzt fällt, würde bei etwa auftretenden Epidemien durch die Erschiessung von zahlreichen Ärzten ein kaum auszufüllendes Vakuum entstehen. Wenn im Einzelfalle eine Exekution erforderlich ist, ist sie selbstverständlich durchzuführen, doch muss eine genaue Überprüfung des Falles vorausgehen.

5.) Nachrichtendienst:

Sofort nach dem Einrücken ist mit dem Auf- und Ausbau eines möglichst lückenlosen Nachrichtennetzes zu beginnen, sodass alle illegalen Neuformierungen nicht unentdeckt bleiben können. Insbesondere gilt es, verborgene Waffen-, Munitions-, Sprengstoff- und Materiallager zu entdecken.

6.) Sicherstellung von Material:

Alles politisch wertvolle Material ist sicherzustellen und – sobald möglich – sicher an die als Auffangstellen bestimmten Stapostellen Tilsit, Allenstein, Ploch, an die Kommandeurstellen Warschau, Radom und Lublin bzw. an deren Grenz- und Aussendienststellen abzuliefern. Als politisch wertvolles Material ist insbesondere anzusehen alles Komintern-, Partei-, Gewerkschafts-, Juden- und Funktionärmaterial.

7.) Zusammenarbeit mit Ordnungspolizei:

Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der Ordnungspolizei nehme ich Bezug auf den Befehl des RFSS und Chef der Deutschen Polizei vom 30.1.40 Nr. I V 1–658 IV/39–151: Dienstanweisung für die Zusammenarbeit der Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei beim Einsatz ausserhalb des Reichsgebietes. Ziffer 1 lautet: „Die Sicherheitspolizei hat die Aufgabe der Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente rückwärts der fechtenden Truppe.“ Ziffer 2: „Soweit zur Durchführung dieser sicherheitspolizeilichen Aufgaben der Einsatz von Ordnungspolizei erforderlich ist, erfolgt dieser nach den Weisungen der Führer der Einsatzgruppen bezw. Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei. Für die Durchführung der nach diesen Weisungen notwendigen Maßnahmen sind die Führer der eingesetzten Kräfte der Ordnungspolizei allein verantwortlich.“ Ziffer 3: „Die Führer der Einsatzgruppen bezw. Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei haben den Einsatz von Kräften der Ordnungspolizei bei dem zuständigen Führer der Ordnungspolizei zu erbitten. Dieser Bitte ist zu entsprechen, wenn die Bereitstellung der geforderten Kräfte ohne anderweitige Gefährdung der öffentlichen Ordnung möglich ist.“ Ziffer 4: „Die Ordnungspolizei nimmt Festnahmen, Beschlagnahmen, Durchsuchungen usw. nur auf Ersuchen der Sicherheitspolizei vor, ausser bei Gefahr im Verzuge und soweit sie nicht den Führern der Ordnungspolizei im Rahmen der ersten Befriedungsaktion zur selbständigen Erledigung übertragen worden sind. Auch in diesen Fällen ist möglichst enge Fühlungnahme mit der Sicherheitspolizei zu wahren. Nach Beendigung der ersten Befriedungsaktion sind Personen, die bei Gefahr im Verzuge von der Ordnungspolizei selbständig festgenommen worden sind, der Sicherheitspolizei zu übergeben.“ Ich bitte, im sachlichen Interesse, besorgt zu sein, dass diese klare Zuständigkeitsregelung gewahrt bleibt.

8.) Kirche:

Gegen die Bestrebungen der orthodoxen Kirche, Einfluss auf die Massen zu nehmen, ist nichts zu unternehmen. Sie sind im Gegenteil möglichst zu fördern, wobei von vorneherein auf dem Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat zu bestehen und eine Einheitskirche zu vermeiden ist. Auch gegen die Bildung religiöser Sekten ist nichts einzuwenden.

9.) Sprachenregelung:

Die roten Truppen sind nur in russischer Sprache anzusprechen, die Zivilbevölkerung hingegen in ihrer eigenen Sprache. Man spricht nicht von der russischen Armee, sondern nur von der roten Armee. Man spricht nur von Russen (nicht Grossrussen), von Ukrainern (nicht Kleinrussen), Weissruthenen (nicht Weissrussen), von der Sowjetunion (nicht Russland schlechthin). Russland ist nur das eigentliche Siedlungsgebiet der Russen.

Es ist psychologisch falsch, alles Bestehende einfach zu negieren. Es darf nicht gesagt werden, dass der Sozialismus in der SU vernichtet werden muss, sondern: Der wirkliche, wahre Sozialismus, d.h. eine staatlich gesicherte soziale Gerechtigkeit für alle Schaffenden, wird geschaffen. Die nationale Frage ist mit äusserster Zurückhaltung zu behandeln (im Hinblick auf die spätere Gesamtregelung). Ein Zerschlagen der Kollektive kommt vorerst aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht. Der Bauer muß daher, da seine Erwartungen auf Zuteilung eigenen Besitzes zunächst nicht erfüllt werden können, ganz besonders geschickt propagandistisch behandelt werden.2

gez. Heydrich

BAB, R 58/241

1 Zur Interpretation: Klaus-Michael Mallmann: Die Türöffner der „Endlösung“. Zur Genesis des Genozids, in: Paul/Mallmann: Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, S. 437–463.

2 Bezieht sich auf die Überlegungen zur Einführung der „Neuen Agrarordnung“, da die aus propagandistischen Gründen angestrebte Privatisierung der Kolchosen aus wehrwirtschaftlichen Gründen nicht durchzuführen war, da die Produktion während des Krieges ohne Störung weiterlaufen mußte; vgl. Christian Gerlach: Die deutsche Agrarreform und die Besatzungspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten, in: ders./Joachim Drews/Thomas M. Bohn (Hrsg.): Besatzung und Bündnis. Deutsche Herrschaftsstrategien in Ost- und Südosteuropa, Göttingen 1995, S. 9–60; rückblickend aus Sicht der Akteure: Die deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941–1943. Der Abschlußbericht des Wirtschaftsstabes Ost und Aufzeichnungen eines Angehörigen des Wirtschaftskommandos Kiew, hrsg. v. Rolf-Dieter Müller, Boppard 1991, S. 108–115.

13) Fernschreiben/Funkspruch Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 2.7.1941: Einsatzbefehl Nr. 5

Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SDFernschreiben: (Befördert am 3.7.1941 NÜ-Nr. 103.370) Berlin, den 2.7.1941Geheime Reichssache!
An die Einsatzgruppenchefs A, B und CFT. (Befördert am 3.7.41 Nr. 5510)An den Einsatzgruppenchef D SS-Staf. Ohlendorf

Befehl Nr. 5

Es ist festgestellt worden, daß die Sowjetrussen 1) unter der Zivilbevölkerung Agenten zurücklassen. Diese haben nicht nur den Auftrag, Nachrichtendienst zu betreiben, sondern auch die wichtigsten Gebäude (z.B. NKWD-Sitz1 usw.) nochmals genauestens zu überholen, um sie schließlich in Brand zu setzen, 2) flüchtende Zivilbevölkerung zurückweisen mit der Auflage, erst dann wiederzukommen, wenn sie brauchbare militärische Nachrichten mitbringen. Zur Beachtung.

Der Chef der Sipo u.d.

SD gez. Heydrich

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Das Narodnyj kommissariat vnutrennich del (NKVD–Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) war im Juli 1934 durch die Fusion aller Staatssicherheitsorgane geschaffen worden u. setzte die terroristische Tradition von Tscheka u. GPU fort; zur Entwicklung der sowjetischen Geheimdienste: Robert W. Stephan: Stalin’s Secret War. Soviet Counterintelligence against the Nazis, 1941–1945, Lawrence 2004, S. 201ff.; vgl. Robert Conquest: Inside Stalin’s Secret Police. NKVD Politics 1936–39, London 1985; George Leggett: The Cheka. Lenin’s Secret Police, Oxford 1986; Amy Knight: Beria. Stalin’s First Lieutenant, Princeton 1993; Michael Parish: The Lesser Terror. Soviet State Security 1939–1953, Westport 1996; J. Otto Pohl: The Stalinist Penal System. A Statistical History of Soviet Repression and Terror, 1930–1953, Jefferson 1997; Marc Jansen/Nikita Petrov: Stalin’s Loyal Executioner. People’s Commissar Nikolai Ezhov 1895–1940, Stanford 2002; Paul Gregory: Terror by Quota. State Security from Lenin to Stalin, New Haven 2009; Paul Hagenloh: Stalin’s Police. Public Order and Mass Repression in the USSR, 1926–1941, Baltimore 2009.

14) Schnellbrief Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 2.7.1941

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD Berlin SW 11, den 2. Juli 1941
B.Nr. IV 539/41 geheim Prinz-Albrecht-Straße 8
Schnellbrief Fernsprecher 120.046
Als Geheim an alle Einsatzgruppenchefs (A, B, C und D)

Auf Anregung des Einsatzgruppenchefs C, SS-Brif. Nebe, hat die Heeresgruppe Mitte am 30. VI. 41 folgenden Befehl erlassen: „In einem Gefängnis in Brest sollen die dort befindlichen Zivilgefangenen von der Truppe befreit sein. Angeblich handelt es sich – wenigstens zum Teil – um politische Gefangene der Sowjets. Aus einem anderen Gefängnis sollen sich die Gefangenen – meist krimineller Art – selbst befreit haben. Es wird gebeten, die Truppe darauf hinzuweisen, daß eine Befreiung von Gefangenen nicht erfolgen darf. Die Gefängnisse sind im Gegenteil durch die Truppe solange zu sichern, bis sie von den Organen der Sicherheitspolizei übernommen werden können. Eine Selbstbefreiung der Gefangenen ist unter allen Umständen zu verhindern.“ Ich gebe hiervon Kenntnis.

Müller

BAL, B 162/Vorl. Dok.Slg. UdSSR 403

15) Runderlaß Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 3.7.1941: Kommandostab und Einsetzung eines Einsatznachrichtenführers des Reichssicherheitshauptamtes

Reichssicherheitshauptamt Berlin, den 3. Juli 1941
II HB. Nr. 11 II/41 g.Rs. 58 Ausfertigungen, 7. Ausfertigung

An die Amtschefs und Gruppenleiter, die Adjutantur des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, das Hauptbüro, die Geschäftsstellen I, II, III, IV, V, VI, VII, die Referate I A 1, II A 1, II D 1, II D 2, III B 5, IVA 1, IV B 4, IV D 3, IV E 5, VI C 1

Nachrichtlich: die Adjutantur des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei

Betrifft: Unternehmen Barbarossa – hier: Kommandostab und Einsetzung eines Einsatznachrichtenführers des Reichssicherheitshauptamtes

1. In Ergänzung meines Erlasses vom 14. Juni 1941 ist ab sofort beim Amt II ein Einsatznachrichtenführer des Reichssicherheitshauptamtes (Lagezimmer) aufzustellen.

2. Der Einsatznachrichtenführer des Reichssicherheitshauptamtes (Lagezimmer) hat die Aufgabe, alle Standorte, Marschziele und Richtungen der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos, alle technischen Nachrichtenverbindungen (Funk, Fernschreib- und Fernsprechverbindungen), Kurier- und Nachschubmöglichkeiten, Feldpostnummern usw. zu erfassen und auf den jeweilig zutreffenden Stand zu bringen. Darüber hinaus hat er die Aufgabe, die Eingliederung der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos in die jeweiligen Heeres- und Armeegruppen festzustellen und laufend Verbindungen zu vermerken. Seine Tätigkeit entspricht dem Nachrichtenoffizier der Wehrmachtsteile. Ihm obliegt die sichere und reibungslose Steuerung des Nachrichtenverkehrs vom Reichssicherheitshauptamt zu den Einsatzgruppen und Einsatzkommandos und anderen im Einsatz „Barbarossa“ befindlichen Dienststellen und umgekehrt.

3. Dem Einsatznachrichtenführer des Reichssicherheitshauptamtes (Lagezimmer) – im Hauptdienstgebäude Prinz-Albrecht-Str. 8, Zimmer 26, Fernsprecher Post 191, intern 678 – sind vom Hauptbüro (besondere Eingangsstelle) ausnahmslos alle von den Einsatzgruppen A bis D einschließlich deren Kommandos eingehenden Meldungen und Schriftsachen nach vorausgegangener sachlicher Auszeichnung und Erfassung ohne Verzug zuzuleiten. Seine Dienststelle ist Tag und Nacht besetzt. Nach 20.30 Uhr eingehende Fernschreiben oder Funksprüche u.a. m. sind ihm unmittelbar ohne jede Verzögerung zuzustellen. Aus den Eingängen entnimmt der Einsatznachrichtenführer des Reichssicherheitshauptamtes alle für seine vorgenannten Aufgaben wesentlichen Punkte und wertet sie berichts- und kartenmäßig aus. Eine sachliche Auswertung findet nicht statt.

4. Zu 09.30 Uhr ist täglich der zusammengestellte Bericht nach persönlicher Vorlage bei SS-Brigadeführer Müller ohne Verzögerung bei diesem als Leiter des Kommandostabes folgenden Stellen zu übergeben: a) Chef der Sicherheitspolizei und des SD = 1 Stück, b) Adjutantur des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD = 1 Stück, c) Kommandostab beim Amt IV = 2 Stück, d) Amtschef I, II, III, IV, V, VI, VII = 7 Stück, e) Hauptbüro = 1 Stück, f) II D, II D 1, II D 2, II D 3 = 4 Stück, g) Reserve = 5 Stück, Sa. 21 Stück.

5. Nach vorgenannter technischer Auswertung ist das Material laufend an den beim Amt IV im Hauptdienstgebäude Prinz-Albrecht-Str. 8, Zimmer 320, Fernsprecher Post 54, intern 318, bestehenden Kommandostab über den Amtschef IV ohne Verzögerung abzugeben, in der Nacht eingegangene Berichte mit Dienstbeginn des folgenden Tages.

6. Vom Amtschef IV sind nach meiner Weisung die für die Gesamtlage erforderlichen Dispositionen zu treffen. Soweit jedoch Sachgebiete der anderen Ämter berührt werden, liegt die Federführung unter Beteiligung des Kommandostabes bei diesen. Zu diesem Zwecke leitet der Kommandostab alle sachlich nicht in seine Bearbeitung fallenden Eingänge nach Kenntnisnahme schnellstens den betreffenden Amtschefs oder Gruppenleitern zu.

7. Als Einsatznachrichtenführer des Reichssicherheitshauptamtes wird der SS-Hauptsturmführer Regierungsrat Dr. Paeffgen unter Enthebung seiner Dienstgeschäfte beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Metz beauftragt.1 Er gehört in seiner neuen Diensteigenschaft zur Gruppe II D und ist dem Gruppenleiter II D unterstellt. Der Amtschef IV als Leiter des Kommandostabes hat Weisungsrecht.

gez. Heydrich

RGVA, 500–4–36 u. USHMMA, RG11.001M

1 Dr. Theodor Paeffgen, geb. 1910, Jurastudium, 1933 SA, 1934 Dr.jur., 1936 Assessorprüfung, 1937 NSDAP, Mai 1938 SD-HA, Nov. 1938 Übernahme in Gestapo, 1939 SS, Juni 1940–Juni 1941 SD-Referent BdS Metz, dann RSHA als Einsatznachrichtenführer „Barbarossa“, 1941 Stubaf., Nov. 1941 zur Stapo-Stelle Tilsit, April–Sept. 1942 stellv. Leiter Stapo-Stelle Allenstein u. amtierender KdS Bialystok, dann RSHA als Gruppenleiter VI D (England, USA) bis 1945, gest. 1969; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Dr. Theodor Paeffgen; Vern. dess. v. 6.4.1967, BAL, B 162/5403; BAL, ZK: Dr. Theodor Paeffgen.

16) Fernschreiben/Funkspruch Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 4.7.1941: Einsatzbefehl Nr. 6

Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD Berlin, den 4.7.1941
Fernschreiben: (Befördert am 4.7.41 NÜ-Nr. 105.093) Geheim!
An alle Einsatzgruppenchefs (A, B, C), D durch FT.

Befehl Nr. 6

Die bisherigen Erfahrungen machen folgende Weisungen erforderlich:

1) Allen Meldungen der Einsatzgruppen und der EK’s ist bis zur stationären Eingliederung jeweils der Standort vorauszusetzen. Zum Beispiel: EK 4a (Lemberg). Auf die Weisung, daß sich die Gruppen mit Großbuchstaben A (SS-Brif. Dr. Stahlecker), B (SS-Brif. Dr.Dr. Rasch), C (SS-Brif. Nebe) und D (SS-Staf. Ohlendorf) zu bezeichnen haben, nehme ich Bezug.1

2) Ich habe den im Osten liegenden Kommandeuren der SPSD sowie den Staatspolizeistellen die Genehmigung erteilt, in den ihren Grenzabschnitten gegenüber liegenden neu besetzten Gebieten zur Entlastung der Einsatzgruppen und -kommandos, vor allem um deren Bewegungsfreiheit möglichst zu sichern, Reinigungsaktionen vorzunehmen. Sie sind jedoch gehalten, sich mit dem zuständigen Einsatzgruppenchef in Verbindung zu setzen zwecks einheitlicher Ausrichtung der zu ergreifenden Maßnahmen.2 Ich werde aber diese Genehmigung sofort zurückziehen, wenn ich feststelle, daß seitens der Einsatzgruppen und EK’s diesen zusätzlichen Einsatztrupps Personal entzogen werden sollte oder daß seitens dieser Einsatztrupps ein weiteres Vorgehen beabsichtigt wird. Jede anderweitige Verwendung dieser zusätzlichen Einsatztrupps bedarf meiner ausdrücklichen Genehmigung.

3) Ich habe festgestellt, daß bereits jetzt verschiedene EK’s Personalanforderungen stellen, obwohl erst ein Prozentsatz des zu besetzenden Gebietes zu bearbeiten ist. Andererseits befassen sich die EK’s mit Aufgaben (wie z.B. Absicherung der Linie gegen zurückflutende Flüchtlinge usw.), für die sie nicht zuständig sind. Personalanforderungen sind grundsätzlich über den Einsatzgruppenchef zu leiten. Von vornherein weise ich darauf hin, daß sie nur im seltensten Fall erfüllt werden können.

4) Wie bereits mitgeteilt, werden alle von mir ergehenden Weisungen an die Einsatzgruppen numeriert. Jede Einsatzgruppe hat sofort nach Eingang solcher Weisung grundsätzlich anher zu melden Datum und Uhrzeit des Empfanges.

5) Bei den Meldungen der Einsatzgruppen vermisse ich eine jeweilige Angabe der besten Verbindungsmöglichkeiten. EK’s, welche keine FT-Einrichtung besitzen, müssen jeweils mit angeben, wie sie am besten durch Kurier erreicht werden können.

6) Verbindungsaufnahme mit GFP-Gruppen dringend geboten, da Möglichkeit, auf diese Weise weiteres sichergestelltes Material zu erhalten.

7) Vorausabteilungen der Einsatzgruppen und EK’s so rechtzeitig in Marsch setzen, daß sie an besonders wichtigen Orten rechtzeitig eintreffen und Sicherstellung von Gebäuden und Material einleiten können. NKWD-Gebäude gehören grundsätzlich vor Eintreffen der Abwehr-Trupps in unsere Zuständigkeit. Dies insbesondere beachten vor dem Fall der Stadt Moskau. Erstes Vorauskommando in Moskau ist mir mit sämtlichen Namen zu nennen.3

Empfangsbestätigung mit Datum anher.

Der Chef der Sipo u.d. SD

gez. Heydrich

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Die Bezeichnungen EG B u. C wurden kurze Zeit später ausgetauscht, EM 19 v. 11.7.1941, BAB, R 58/214.

2 Als Verstärkung der EG operierte einerseits das aus dem Personal der Stapo-Stelle Tilsit gebildete EK Tilsit, das in den grenznahen Gebieten Litauens eine Vielzahl von Erschießungen durchführte; vgl. Browning/Matthäus: Die Entfesselung der „Endlösung“, S. 370–374. Andererseits wurde von Eberhard Schöngarth, dem BdS Krakau, aus Angehörigen der KdS-Dienststellen Krakau, Warschau u. Lublin die aus etwa 230 Mann bestehende EG z.b.V. gebildet, die in Weißrußland sowie in der westlichen Ukraine operierte u. ebenfalls Massenmorde beging; vgl. Dok. 19; Thomas Sandkühler: „Endlösung“ in Galizien. Der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsinitiativen von Berthold Beitz 1941–1944, Bonn 1996, S. 114–122.

3 Eine Folge dieses Befehls war die Bildung des VKM bei der EG B.

17) Bericht Sonderkommando 10b an Heeresgruppe Süd/Ic vom 9.7.1941

Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Czernowitz, den 9. Juli 1941
Einsatzgruppe D bei der Heeresgruppe Süd
Einsatzkommando 10b
An Ic der Heeresgruppe Süd a. d. D.

Das Kommando 10b erreichte am Sonntag, dem 6. Juli 1941, Czernowitz um 18.15 Uhr, nachdem bereits eine Vorausabteilung am Tage zuvor in der Stadt die ersten Verbindungen zu rum. Stellen hergestellt und für Quartier gesorgt hatte. Sofort nach Ankunft wurde mit dem zuständigen Kommandanten – Gendarmeriemajor Dluschanski – sowie mit den anderen hier anwesenden rum. Stellen Verbindung aufgenommen und mit der Überholung der Stadt begonnen – politisch verdächtige Elemente –. Nach den vorhandenen Fahndungslisten und neu zusammengestellten Aufzeichnungen begann am 7. d.Mts. die Verhaftung der Kommunisten und Juden. Am 8. d.Mts. wurde eine Grossaktion durchgeführt, in deren Verlauf die jüdische Führungsschicht ziemlich lückenlos zusammengefangen werden konnte. Am folgenden Tage wurden ca. 100 jüdische Kommunisten vom Kommando erschossen. Zusammen mit den Judenhinrichtungen durch die rum. Wehrmacht und Polizei sind insgesamt mehr als 500 Juden im Laufe des 8. und 9. d.Mts. erschossen worden.1 Ein Kommando wurde zur Überholung nach Hodin2 geschickt. Bericht liegt noch nicht vor.

Der Führer des EK 10b

gez. Unterschrift3 SS-Sturmbannführer

BA-MA, RH 20–11/488

1 Zu den Opfern des SK 10b gehörten weniger „jüdische Kommunisten“ als die geistliche Führung der jüdischen Gemeinde von Czernowitz. Die weiteren Opfer gehörten der Intelligenz – Rechtsanwälte oder Lehrer – an, während die Rumänen v.a. zugezogene Juden – die Neuankömmlinge galten als von den Sowjets nach Czernowitz kommandiert u. somit als Kommunisten – töteten; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 149–155.

2 Zu den Morden in Hodin/Chotin, denen v.a. jüdische Männer im wehrfähigen Alter bzw. aus der geistigen Elite zum Opfer fielen, vgl. ebd., S. 159ff.

3 Unterzeichner war Alois Persterer, geb. 1909, Automechaniker, 1930 NSDAP u. SS, 1933 strafweise aus dem österreichischen Heer entlassen, illegale Tätigkeit für NSDAP, 18 Monate Haft, 1938 als Ustuf. Fhr. SD-UA Salzburg, 1939 Stubaf., Kdr. SK 10b bis Jan. 1943, danach KdS Veldes u. Fhr. SD-Abschnitt Klagenfurt, 1945 unter ungeklärten Umständen gest.; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Alois Persterer; BB CdS Nr. 12 v. 13.3.1943, BAB, RD 19/2; BAL, ZK: Alois Persterer.

18) Bericht Sonderkommando 10a an Einsatzgruppe D vom 10.7.1941

Sonderkommando 10a O.U. den 10.7.1941

Meldung

Kommando ist mit Vorausabteilung gestern Morgen, mit der Masse gestern Mittag in Belzy (Balti) eingerückt. Geschäftszimmer befinden sich in dem an der Hauptzugangsstraße gelegenen Gebäude der früheren Rayonverwaltung, Quartier in den angrenzenden Gebäuden. Die Stadt weist starke Zerstörungen auf; von den etwa 60.000 Einwohnern ist ein ganz erheblicher Teil abgezogen. Seit gestern keine Feindeinwirkung mehr, außer verschiedenen Einflügen der roten Luftwaffe.

Bisherige Tätigkeit: a) Staat und Partei: Sämtliche Dienstgebäude, insbesondere NKWD, Rayonverwaltung, Partei, Klub, Gericht, Gefängnisse, Rathaus untersucht. Ergebnis gering, da auch hier wieder fast sämtliche Akten beiseitegeschafft. Gefängnisse leer, Spuren von Bluttaten bisher nicht feststellbar. Staatliche und parteiamtliche Funktionäre offenbar restlos geflüchtet. Alle Amtsstellen sollen schon vier Tage vor der Besetzung Belzys ihre Tätigkeit eingestellt haben. Zur Zeit werden unter Heranziehung zurückgebliebener Rumänen und Ukrainer Ermittlungen nach eventuell sich noch verborgen haltenden Bolschewisten angestellt. b) Juden: Nach auseinandergehenden Angaben 50 bis 80 % der Bevölkerung Juden; letzte Zahl aber wahrscheinlich zu hoch gegriffen. Von diesen die zionistisch eingestellten Elemente russischerseits nicht besonders wohlwollend behandelt. Die anderen, dem Vernehmen nach Anhänger des Rätesystems, zum Teil in einflußreichen Stellungen. Dieser Personenkreis – dazu auch viele reiche Juden – ebenfalls geflohen. Bei einer Streife wurden gestern Abend in einem Zimmer 15 Juden verschiedenen Alters und Geschlechts aufgefunden, die von rumänischen Soldaten erschossen waren, zum Teil aber noch lebten; die Streife gab ihnen den Fangschuß. Möglicherweise noch weitere Handlungen dieser Art vom rumänischen Militär begangen, während darüber hinaus vom Kommando Exekutionen nicht durchzuführen waren, zumal auf Grund der rumänischen Aktionen die restlichen Juden aus ihren Wohnungen aufs Feld geflüchtet sind. Eine gleich gestern Mittag von mir durchgeführte Besichtigung des jüdischen Krankenhauses bot keine Möglichkeit (offenbar aber auch keine Notwendigkeit!) zu weiteren Maßnahmen, weil dort bereits ein rumänisches Feldlazarett eingerichtet worden war. Zwei bei der Beschießung unbeschädigt gebliebene Synagogen wurden von Streifen des Kommandos in ihrem Zustand dem der übrigen zerstörten angeglichen.1 c) Volkstumsfragen: Rumänischer Bevölkerungsteil atmet auf über die Befreiung. Zwei zur Zeit in der Vernehmung befindliche griech.-kath. Geistliche sind außerordentlich begeistert über das Erscheinen der deutschen Truppen und gebrauchen ständig den Deutschen Gruß. Angeblich 1000 Rumänen verschleppt. d) Wirtschaftsfragen: Verschiedene Fabriken zerstört. Elektrizitäts- und Wasserversorgung außer Betrieb. Weitere Feststellungen wegen anderer vordringlicher Arbeiten erst seit heute Morgen im Gange.

Beute: 1. Ein Weinlager mit zirka 6000 Liter Inhalt, der laufend an vorbeimarschierende Truppen abgegeben wurde. Als der Andrang zu stark wurde, übergab das Kommando den Bestand nach Entnehmen einer kleinen Menge für Eigenbedarf an Wehrmachtsverwaltung. 2. Ein Lager von vielleicht einigen tausend Persianerfellen, das sichergestellt wurde, um es dem Zugriff unbefugter (insbesondere auch Zivilisten, die mitnehmen, was sie kriegen können) zu entziehen. Da es sich um wertvolle Bestände handeln soll, bitte ich um Abholung durch einen Lkw der Gruppe bezw. um andere Verfügung. 3. Ein Waffenlager mit etwa 500 Gewehren, Munition und anderen Waffen. Bestände werden an Wehrmacht übergeben.

XXX.A.K. liegt zur Zeit in Parlitu westlich Balti. Verbindung dorthin schwierig. Weitere Operationspläne noch nicht bekannt, daher Dauer des Aufenthalts meines Kommandos in Belzy noch nicht zu bestimmen.

An Gruppe D

gez. Seetzen2 SS-Obersturmbannführer

BA-MA, RH 20–11/48

1 Zu den Verfolgungsmaßnahmen in Belzy, wo die Morde v.a. als „Repressalmaßnahmen“ begründet wurden, vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 163–167.

2 Heinz Seetzen, geb. 1906, Jurastudium, 1929 Referendarexamen, 1933 Assessorexamen, NSDAP u. SA, Sept. 1933 Leiter Stapo-Stelle Eutin im oldenburgischen Landesteil Lübeck, 1935 Gestapa, SS u. als Ustuf. Leiter Stapo-Stelle Aachen, 1938 Stubaf. u. Leiter I Stapo-Leitstelle Wien, 1939 Chef Stapo-Leitstelle Stettin, 1940 dto. Stapo-Leitstelle Hamburg u. Ostubaf., Kdr. SK 10a bis Juli 1942, danach Staf. u. IdS Kassel, Mai 1943 IdS Breslau, April 1944 BdS Minsk u. Chef EG B, Sept. 1945 Selbstmord bei der Festnahme durch die Briten; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Heinz Seetzen; BB CdS Nr. 23 v. 15.5.1943, BAB, RD 19/2; BAL, ZK: Heinz Seetzen; Lawrence D. Stokes: Heinz Seetzen – Chef des Sonderkommandos 10a, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 196–206.

19) Tätigkeitsbericht Einsatzgruppe B vom 14.7.1941 für die Zeit vom 23.6.–13.7.1941

Einsatzgruppe B O.U., den 14. Juli 1941

Tätigkeitsbericht für die Zeit vom 23.6.1941 bis 13.7.1941

I. Allgemeine Ausführungen über Marsch und Einsatz

1.) Vorbereitungen zum Einsatz

Nach dem Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 1.6.41 hatte die Einsatzgruppe bis zum 25.6.41 ihren Aufstellungsraum in Gegend Posen einzunehmen und dort auch das Eintreffen der zugeteilten 2. Kompanie des Res.Pol.Batl. 9 abzuwarten. Die Gruppe rückte am 23.6.41 um 7.45 Uhr in 2 Kolonnen aus Düben ab und traf abends in Posen-Treskau ein. Infolge des Fortschritts der militärischen Operationen schien es notwendig, die Kommandos möglichst rasch zum Einsatz zu bringen. Der Gruppenstab und die Kommandos 7a, 7b und 8 rückten deshalb bereits am 24.6.41 nach Warschau vor, um von hier aus befehlsgemäß Verbindung mit dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes 102 und dem Höheren SS- und Polizeiführer aufzunehmen. Das Einsatzkommando 9 verblieb zunächst in Posen-Treskau, um dort die zugeteilte Schutzpolizeikompanie aufzunehmen, die erst am 26.6.41 um 12.30 Uhr eintraf. EK 9 und Schutzpolizei-Kompanie unter Führung von Hptm. d. Sch. Gantz wurden am 27.6.41 nach Warschau nachgezogen. Von Warschau aus wurde außerdem Verbindung mit der Heeresgruppe Mitte aufgenommen. Durch Verhandlungen mit der Heeresgruppe und dem Befehlshaber des rückw. Heeresgebietes wurde erreicht, daß bereits am 26.6.41 die Sonderkommandos 7a und 7b zu den beiden Armeen 9 und 4 abrücken konnten. Damit war die sicherheitspolizeiliche Tätigkeit im Operationsgebiet aufgenommen. Die Einsatzkommandos 8 und 9 mußten zunächst noch verhalten, da sie möglichst nur im rückwärtigen Heeresgebiet operieren sollten. Die zwangsläufige Wartezeit in Warschau wurde dazu benutzt, Führer und Männer fortlaufend zu schulen und mit ihren fachlichen, aber auch den etwa notwendig werdenden militärischen Aufgaben vertraut zu machen. Das EK 9 rückte am 29.6.41 zur nördlichen Sicherungsdivision 403 ab; das EK 8 wurde am 1.7.41 bei der im Raum von Bialystok operierenden Sicherungsdivision eingesetzt. Beiden EKs wurde je 1 Zug Schutzpolizei zugeteilt. Der Gruppenstab begab sich mit dem 3. Zug Schutzpolizei ebenfalls nach Bialystok.

2.) Vormarsch

Das Vorrücken der Einsatzgruppe war bei der zuweilen etwas verworrenen Gefechtslage in erster Linie von den militärischen Operationen abhängig. Die große Zangenbewegung, die im Raum zwischen der ehemals deutsch-sowjetrussischen Interessengrenze und Minsk durchgeführt und in der Hauptsache von den schnell vorrückenden beiden Panzergruppen 2 und 3 getragen wurde, hatte zur Folge, daß bei dem sehr starken sowjetischen Gegendruck auch noch nach der Einnahme von Minsk die nach dort führenden Rollbahnen, insbesondere die südliche, im Bereich der Feindwirkung lagen. Trotzdem wurde Minsk, die Hauptstadt der BSSR, bereits erreicht, bevor es überhaupt zum rückwärtigen Armeegebiet gehörig erklärt wurde. Auch jetzt befinden sich noch größere Teile versprengter sowjetischer Divisionen in dem Sumpf- und Waldgebiet westlich Minsk. Das Vorrücken der einzelnen Kommandos war nur unter größten Schwierigkeiten und Strapazen möglich. Die Kommandos 7a und 9 mußten z.B. über Ostpreußen in das ihnen zugewiesene Gebiet einrücken. In fast allen Fällen waren die Kommandos an den ihnen befohlenen Marschzielen, bevor diese als rückwärtiges Heeresgebiet bezw. rückwärtiges Armeegebiet erklärt wurden. Die Standorte und Marschziele der Kommandos sind aus der als Anlage beigefügten Karte ersichtlich und sind im einzelnen folgendermaßen erreicht worden:

a) Sonderkommando 7a: Das Sonderkommando 7a (Führer: SS-Obersturmbannführer Dr. Blume1) führte vom 27.6. bis 2.7.41 in Wilna sicherheitspolizeiliche Aufgaben durch. Am 3.7. rückte das Kommando nach Krewo, etwa 100 km nordwestlich Minsk, vor und traf am 4.7.41 in Minsk ein. Um möglichst schnell ein Kommando in Minsk zu haben, befahl ich dem Sonderkommando 7a, sich vorübergehend von seinem AOK zu lösen, weil ein Vordringen nach Minsk von NW her weit geringere Schwierigkeiten bereitete und ich außerdem möglichst viel Kräfte für die ersten sicherheitspolizeilichen Maßnahmen in Minsk zur Verfügung haben wollte. Nach Durchführung dieser Aufgaben rückte das Sonderkommando am 9.7.41 wieder in seinen AOK-Bereich ab, durchkämmte die Orte Wilejka und Molodetschno und stand am 14.7.41 in Witebsk.

b) Sonderkommando 7b: Das Sonderkommando 7b (Führer: SS-Sturmbannführer Rausch2) führte am 26. und 27.6.41 sicherheitspolizeiliche Maßnahmen in Brest durch und marschierte am 28.7.41 nach Chachec, Lager Slobotka, ca. 5 km südlich Pruzana, ab. Von hier aus wurde in der Zeit vom 29.6. bis 2.7.41 eine größere Fahndungsaktion in Pruzana, Rozana, Kobryn und Bielsk durchgeführt. Am 3. und 4.7.41 stand das Kommando in Slonim und Baranowicze und erreichte am 4.7.41 mit einem Vorauskommando Minsk. Am 6.7.41 befand sich das Sonderkommando 7b vollzählig in Minsk, wo es gemeinsam mit den übrigen Einheiten der Gruppe umfangreiche sicherheitspolizeiliche Aufgaben erledigte. Teiltrupps des Sonderkommandos stehen ab 11.7.41 in Sluzk, Borissow und Bobruisk. Am 13.7.41 erhielt das Kommando Marschbefehl nach Krupka.

c) Einsatzkommando 8: Das Einsatzkommando 8 (Führer: SS-Sturmbannführer Dr. Bradfisch3) operierte vom 1.7. bis 4.7. in Bialystok und Umgebung (Bereich der Sicherungsdivision 221). Am 3.7.41 wurde auf meinen Befehl ein Vorauskommando nach Wolkowysk und Nowogrodek entsandt. Ab 5.7.41 löste sich das EK 8 zunächst von der Sich.Div. 221, rückte über Slonim, Baranowicze und Stolpce vor und erreichte am 8.7.41 mit seiner Spitze Minsk. Zwecks Durchführung umfangreicher sicherheitspolizeilicher Maßnahmen im Bereich der Sicherungsdivisionen 221 und 252 operiert das EK 8 seit 8.7.41 in Baranowicze und Umgebung, Slonim und Umgebung sowie in Stolpce und Umgebung.

d) Einsatzkommando 9: Das Einsatzkommando 9 (Führer: SS-Obersturmbannführer Dr. Filbert4) operiert seit 29.6.41 im Bereich der Sich.Div. 403. Am 1.7.41 erreicht es Wilna und übernimmt dort die sicherheitspolizeilichen Aufgaben vom Sonderkommando 7a. Für den 30.6.41 war ein Trupp für die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen nach Grodno in Marsch gesetzt worden, der am 4.7.41 nach Lida weiterrückte, um nach Erledigung der ihm dort gestellten Aufgaben am 7.7.41 nach Wilna zurückzukehren. Wegen der umfangreichen Aufgaben, die das EK 9 in Wilna zu bewältigen hat, wurde der ihm erteilt gewesene Marschbefehl nach Minsk zunächst zurückgezogen, auch schon im Hinblick darauf, daß Minsk nicht mehr zum nördlichen Sicherungsgebiet gehört. Am 13.7.41 erhielt das EK 9 von mir Befehl, ein Vorauskommando nach Wilejka zu entsenden.

e) Gruppenstab: Der Gruppenstab befand sich am 3.7.41 in Bialystok und steht seit 5.7.41 in Minsk.

3.) Einsatz von Unterstützungstrupps

In Warschau besprach ich mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau den Einsatz sachkundiger Kräfte der Kommandeure der Sicherheitspolizei und des SD in Warschau und Lublin im Rahmen meiner Einsatzgruppe. Um eine Befriedigung [sic] des weißruthenischen Raumes zu erreichen, erschien mir diese Unterstützung wünschenswert, zumal in dem großen Raum und bei der Eigenart der militärischen Taktik die Kräfte meiner Einsatzgruppe hierfür nicht ausreichten. Die von Warschau und Lublin einzusetzenden Unterstützungstrupps sollen bis zur beabsichtigten Übernahme durch die Einsatzgruppe A in dem weißruthenischen Raum verbleiben und dadurch ein sofortiges Vorrücken meiner gesamten Kräfte ermöglichen. Dieser Anregung wurde auch durch Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD stattgegeben.

a) Am 3.7.41 wurden vom Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Warschau 4 Unterstützungstrupps unter Führung des SS-Sturmbannführers Wenzel5 nach Bialystok in Marsch gesetzt. Der unter Führung des SS-HStuf. Böhm6 stehende Trupp – 2 Führer, 24 Unterführer und Männer – marschierte noch am gleichen Tage nach Grodno, um dort den Trupp des EK 9 abzulösen. Der Trupp Böhm hat in der Folgezeit die sicherheitspolizeilichen Aufgaben in Grodno und Umgebung durchgeführt7 und wird nach Weitermarsch des EK 9 für das Gebiet Wilna eingesetzt. Der unter Führung von SS-Sturmbannführer Bonifer8 stehende Trupp – 5 Führer, 26 Unterführer und Männer – hat am 3.7.41 seine Tätigkeit in Bielsk aufgenommen und steht seit 8.7.41 in Minsk. Der unter Führung von SS-Hauptsturmführer Engels9 stehende Trupp – 2 Führer, 25 Unterführer und Männer – erhielt sofort Marschbefehl nach Nowogrodek und führt dort seit 4.7.41 sicherheitspolizeiliche Aufgaben durch. Nach Abrücken des Teiltrupps vom EK 9 wird Lida vom Trupp Engels mitbetreut. Nach Vorrücken des EK 8 wird der Trupp Engels die Orte Baranowicze, Slonim, Stolpce, Nowogrodek und Lida mit Umgebung weiterbearbeiten. Der unter Führung des SS-Hauptsturmführers Birkner10 stehende Trupp – 6 Führer, 22 Unterführer und Männer – blieb in Bialystok. Von ihm wird noch Bielsk und später Grodno mitbetreut.

b) Vom Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Lublin wurden am 2.7.41 2 Unterstützungstrupps für Brest und Pinsk in Marsch gesetzt. Die sicherheitspolizeilichen Aufgaben in Brest und dem ehemaligen sowjetischen Gebiet hat der Trupp unter Führung von SS-Untersturmführer Schmidt (Stärke 1:14) übernommen, von dem sich ein Teil bereits seit 24.6.41 in Brest befand. In Pinsk steht seit 3.7.41 der 2. Unterstützungstrupp aus Lublin in Stärke von 1:17 unter Führung des SS-Hauptsturmführers Hess.11 Ein dritter Trupp steht für einen späteren Einsatz in Gomel bereit.

Der Einsatz der Unterstützungstrupps aus Warschau und Lublin hat mit dazu beigetragen, daß die sicherheitspolizeilichen und SD-mäßigen Aufgaben im weißruthenischen Raum auf breitester Grundlage durchgeführt werden konnten. Das gesamte von der Einsatzgruppe durchschrittene Gebiet ist am 14.7.41 bis zur Linie Witebsk–Borissow–Bobruisk von einem sicherheitspolizeilichen Netz überspannt. Sämtliche von Warschau und Lublin eingesetzten Führer, Unterführer und Männer haben sich bestens bewährt.

4.) Zusammenarbeit mit dem Höheren SS- und Polizeiführer und der Wehrmacht

Die Zusammenarbeit mit dem Höheren SS- und Polizeiführer, SS-Gruppenführer v.d. Bach, erfolgt im besten Einvernehmen. Der Höhere SS- und Polizeiführer befindet sich beim Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes und wird laufend über alle im Bereich der Heeresgruppe Mitte durchgeführten sicherheitspolizeilichen Maßnahmen durch den SS-Stubaf. Schröder12 unterrichtet, der von der Einsatzgruppe zu seinem Stabe getreten ist und gleichzeitig als Verbindungsführer zum Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes fungiert. Durch persönliche Fühlungnahme und sachliche Arbeitsleistungen habe ich erreicht, daß die Tätigkeit meiner Einsatzgruppe von sämtlichen Wehrmachtsstellen in jeder Weise anerkannt und gefördert wird. Ich war von Anfang an bemüht zu erreichen, daß zumindest die Sonderkommandos Anschluß an die kämpfende Truppe fanden, um rechtzeitig eine umfangreiche und vollständige Objektsicherung vornehmen zu können. Hierbei ließ ich mich allein durch sicherheitspolizeilich-taktische Überlegungen leiten. So habe ich z.B. auch das Sonderkommando 7a vorübergehend aus dem Bereich des AOK 9 herausgezogen, um die für Minsk vorbereiteten Aktionen schlagkräftiger gestalten zu können. Bei der Heeresgruppe Mitte (Oberbefehlshaber: Generalfeldmarschall von Bock13, Chef des Generalstabes: Generalmajor von Greiffenberg14, Ic: Major i.G. von Gersdorf15), der für sämtliche Operationen maßgeblichen und ausschlaggebenden Führung, wurde meinen Maßnahmen das vollste Verständnis entgegengebracht. Ein schnelles Vorgehen meiner Kommandos muß aber ab und zu zu Beschwerden über Nichteinhaltung der mit dem OKH getroffenen Vereinbarungen führen, die jedoch auch nach Auffassung der Heeresgruppe nur formelle Bedeutung haben. Die zwischen dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD und dem OKH getroffenen Vereinbarungen wirken sich insofern sehr hemmend aus, als hiernach bereits die Sonderkommandos nur im rückwärtigen Armeegebiet operieren dürfen. Hier hat unser Vertreter in Berlin sicherlich nicht die Situation ganz übersehen können, jedenfalls im Hinblick auf die in meinem Bereich zur Durchführung gelangenden Operationen. Weit vor den AOKs operieren die Panzergruppen 2 und 3 die neuerdings zum Pz.-AOK 4 (Befehlshaber: Generalfeldmarschall von Kluge16) zusammengefaßt wurden und den Stoß auf Moskau auszuführen haben. Die AOKs 2 (im Süden) und 9 (im Norden) folgen in Abständen. Durch meine persönlichen Vorstellungen bei der Heeresgruppe und dem Pz.-AOK 4 habe ich wenigstens erreicht, obwohl der Ic des Pz.-AOK 4, Major i.G. Helmdach, zunächst nicht sehr einverstanden zu sein schien, daß ich ein Vorauskommando unter Führung von SS-Standartenführer Dr. Six17 mit den Panzerkorps nach Moskau entsende und daß die Sonderkommandos mit Teiltrupps, möglichst im Verbande der kämpfenden Truppe, an die für uns wichtigen Objekte herankommen. Ich selbst kann mit meinem Stab nach eigenem taktischen Ermessen freizügig im Bereich der Heeresgruppe operieren und habe mich deshalb vom Befehlshaber des rückw. Heeresgebietes leicht gelöst, um die notwendigen Verbindungen nach vorn aufrechterhalten zu können. Es war mir dabei auch leichter möglich, größere sicherheitspolizeiliche Maßnahmen auslösen zu lassen. Diese Methode hat sich besonders bei den Liquidierungs-Aktionen in Bialystok und Minsk18 gut bewährt und ihre Wirkung auf die übrigen Kommandos nicht verfehlt. Die Einsatzkommandos finden naturgemäß ihre Hauptaufgabe im rückwärtigen Heeresgebiet. Ich hatte zunächst bedauert, daß die EKs nur im rückw. Heeresgebiet tätig werden sollen, habe mich aber davon überzeugen lassen, daß gerade dort die wichtigste exekutivische sicherheitspolizeiliche Aufgabe liegt. Die Durchkämmung der rückwärtigen Räume, Liquidierungen größeren Ausmaßes und restlose Erfassung von Funktionären, politischen Kommissaren, Saboteuren, Hetzern, Heckenschützen usw., die sich erst längere Zeit nach Abschluß der militärischen Operationen bemerkbar machen, Erforschung der politischen und insbesondere wirtschaftspolitischen Probleme verbieten ein schnelles Vorziehen der Einsatzkommandos außerhalb ihres Sicherungsdivisionsbereiches. Die Zusammenarbeit der EKs mit den Sicherheits-Divisionen, den Feld- und Ortskommandanturen ist ausgezeichnet. Irrige politische Ansichten dieser Stellen, die mitunter auftauchten, konnten schnell durch persönliche Fühlungnahme und Aufklärung ausgeräumt werden. Wertvolle Hinweise wurden insbesondere dem Kriegsverwaltungschef beim rückwärtigen Heeresgebiet, Dr. Tesmer19, und den einzelnen Wirtschaftskommandos gegeben. Die Zusammenarbeit mit der GFP und den Abw. III-Trupps, die im Bereich der Heeresgruppe Mitte unter Führung von Major Tarbuk stehen, ist die denkbar beste. Das von diesen Stellen sichergestellte politische Material wird loyal und in vollem Umfange an die Einsatzgruppe abgeliefert. Die GFP stellt sogar Trupps zur Unterstützung bei unseren Liquidierungen ab.

5.) Stärkenachweis

a) Mannschaft: Die Einsatzgruppe verfügt z.Zt. über insgesamt 64 Führer, 190 Unterführer, 92 Männer und 175 Kraftfahrer, die sich wie folgt verteilen:


Hierzu kommt die 2. Komp. des Ers.Pol.Btl. 9 mit 3 Offizieren, 51 Unterführern (dienstgradmäßig) und 80 Männern. Ausfälle und Disziplinarfälle sind mit Ausnahme eines bereits gemeldeten kleineren disziplinlosen Verhaltens nicht zu verzeichnen.

b) Kraftfahrzeuge: Die Einsatzgruppe verfügt z.Zt. über 122 Pkw, 1 Streifenwagen, 28 Lkw, 6 Sonderfahrzeuge, 11 Kräder und 1 Krad m. Bwg. (einschließlich der Fahrzeuge der Ordnungspolizei), die sich wie folgt verteilen (in Klammern Orpo):


6.) Gesundheitszustand

Die Einsatzgruppe ist in gesundheitlicher Hinsicht nach wie vor voll einsatzfähig. An den in malariaverseuchten Sumpfgebieten eingesetzten Kommandos wird laufend Malariaprophylaxe durch Atibringaben betrieben. Um Mangelerscheinungen durch zu geringe Mengen an C-Vitaminen in der Nahrung zu vermeiden, wird regelmäßig Cebion ausgegeben. Durch diese Maßnahmen traten bis jetzt noch keine Infektionskrankheiten und keine wesentlichen Störungen durch Vitaminmangel auf. Der Genuß von unentseuchtem Wasser wurde grundsätzlich streng verboten. Die Verpflegung der Truppe und insbesondere die Versorgung mit einwandfreien Getränken gestaltete sich seit dem Einsatz weniger befriedigend. Durch die Schwierigkeiten des Nachschubes und dadurch, daß in diesem Raum eine vollständig darniederliegende und verwahrloste Landwirtschaft vorgefunden wurde, war es zunächst nicht möglich, eine kalorisch und den notwendigen Vitamingehalt enthaltende Nahrung zu verabreichen. Als erschwerendes Moment kommt noch hinzu, daß eine größere Menge von Konservenbüchsen ungenießbar wurde. Sogar Kartoffeln zählen zu einer großen Seltenheit. Fast sämtliche Städte im weißrussischen Raum sind vollständig zerstört. Die Unterkunftsverhältnisse sind äußerst primitiv. Vor allem wurde von der Mannschaft der Mangel an einwandfreien Getränken in diesem streng kontinentalen Klima (35 bis 40 Grad im Schatten) als sehr unangenehm empfunden. Durch den Wassermangel steht der Truppe auch wenig Wasser zu Reinigungszwecken zur Verfügung, was besonders deshalb schwer ins Gewicht fällt, weil die Mannschaft von den täglichen Fahrten auf den hoch mit Staub bedeckten und verstopften Straßen schmutzverkrustet in die Unterkunft zurückkehrt. Die Folge davon sind Schmutzinfektionen der Haut (Impetigo, Bartflechte usw.) und, trotz Schutzbrille, Bindehautentzündungen der Augen. Von allen Männern wurde wirklich Unglaubliches an körperlichen Strapazen geleistet. Allein der in Kolonne fahrende Teil des Gruppenstabes benötigte für die Fahrt von Bialystok nach Minsk 66 Stunden, davon 56 Stunden reine Fahrzeit. Vor allem die in dem fast völlig zerstörten Minsk liegenden Einheiten haben mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Wasserversorgung ist für die ganze Stadt nur auf eine geringe Zahl von Brunnen beschränkt. Es muß angenommen werden, daß unter den Trümmern der Stadt noch viele Leichen ungeborgen liegen, die das Grundwasser, aus dem sich die Brunnen nachfüllen, verseuchen. Die gesamte Bevölkerung sowie die in Minsk liegenden und durchziehenden Truppen müssen ihren Wasserbedarf an den wenigen vorhandenen Brunnen eindecken. Durch den Mangel an Spülwasser können auch die Aborte, die in einem unbeschreiblichen Zustand vorgefunden wurden, nicht benutzt werden. Sie wurden mit Karbol desinfiziert und abgeschlossen. Außer den erwähnten Erkrankungen ist nur eine geringe Anzahl von ungefährlichen, durch Diät und Stopfmittel leicht zu behebenden Diarrhöen und eine Erkrankung an Erythema multiforme exudativum (infektiöser Hautausschlag) erwähnenswert. Ein Mann mußte wegen Zuckerkrankheit in die Heimat entlassen werden. An Verletzungen trat bisher lediglich eine durch einen Motorradunfall verursachte Prellung und Fleischwunde auf. Verwundungen durch Feindberührungen traten bisher nicht ein. Seelische Höchstanstrengungen wurden von der Truppe in Verfolg mit der großen Anzahl der Liquidierungen verlangt. Durch persönliche Ansprachen nach Abschluß dieser Aktionen unter Hinweis auf die politische Notwendigkeit habe ich die völlige Bereitwilligkeit der Führer sowohl als der Männer wach erhalten. Der Geist und die Haltung der Truppe ist bis jetzt in jeder Beziehung lobenswert.

7.) Erfahrungen

Gewisse Sorgen bereitete mir die verschiedentlich in meinen Berichten erwähnte unvollkommene Ausrüstung der Truppe. Lediglich im Vertrauen darauf, daß möglichst schnell eine Ergänzung durch Beutestücke erfolgen könne, gab mir die Hoffnung, in den ersten Tagen des Einsatzes bereits die Gruppe so auszurüsten, daß sie einigermaßen in der Lage sein würde durchzuhalten. Dies war auch mit ein Grund, weshalb ich die Kommandos schnell vorrücken und Anschluß an die kämpfende Truppe finden ließ. Auch in dieser Richtung waren unsere Bemühungen nicht ohne Erfolg. Einmal reichten die der Gruppe zur Verfügung gestellten Küchenwagen für den Bedarf bei weitem nicht aus. Dieser Mangel wurde durch erbeutete feindliche Feldküchen behoben. Es besteht aber nach wie vor ein Mangel an geübten Köchen. Bei den besonders gelagerten Verhältnissen hätten die Männer mit Zeltbahnen und leichten Uniformen ausgerüstet werden müssen. Es gelang bisher, einige Zeltbahnen zu erbeuten und hiermit in erster Linie die Sonderkommandos und das Vorauskommando Moskau auszurüsten. Die Bewaffnung war an sich ausreichend. Es fehlen aber Maschinenpistolen in genügender Anzahl. Dieser Bedarf konnte teilweise durch Beutestücke ergänzt werden. Schon bei der Zuteilung der Kraftfahrzeuge in Pretzsch konnte festgestellt werden, daß der größte Teil der Fahrzeuge entsprechend dem zu erwartenden Einsatz nur mangelhaft ausgerüstet war. Fehlbestände an Werkzeug, Luftpumpen, Luftdruckprüfern, z.T. auch Fettpressen sind hierbei zu erwähnen. Die Bereifung der Kraftfahrzeuge war z.T. derart schlecht, daß schon in Pretzsch eine große Zahl der mitgeführten Reservedecken gewechselt werden mußte. Obwohl auf dem Vormarsch ein Teil der Wagen mit Bereifung aus Beutebeständen ausgerüstet werden konnte, besteht z.Zt. ein dringender Bedarf an Bereifung der Größe 5,25 × 16 und 5,50 × 16. Auf den sogenannten Kanisterwagen fehlten vor allen Dingen Benzinpumpen, die bei der Auffüllung der Kanister unentbehrlich sind. Die Dreieckskanister haben sich insofern nicht bewährt, als sie durch die starken Erschütterungen auf den schlechten Wegen leck wurden, wodurch Kraftstoff auslief. Es wäre zweckmäßiger gewesen, wenn jedem Kommando ein Tankwagen gestellt worden wäre. Der mitgeführte Werkstattwagen war völlig unzureichend mit den notwendigsten Ersatzteilen ausgestattet, obwohl die Fahrzeugtypen der vorhandenen Kraftfahrzeuge bekannt waren. Störend machte sich der Mangel an Lkws bemerkbar, der durch Beutefahrzeuge einigermaßen behoben werden konnte. Es fehlen ferner geländegängige Kraftfahrzeuge in ausreichendem Maße. In den letzten Tagen liefen verschiedene Anzeigen ein, nach denen versprengte sowjetische Truppenreste unter Führung politischer Kommissare und roter Offiziere die Landbevölkerung zu terrorisieren versuchen und Raubüberfälle ausführen. Da in den vorderen Gebieten die dem Höheren SS- und Polizeiführer zur Verfügung stehenden Polizeitruppen noch nicht eingesetzt sind, müssen wir selbst versuchen, solche Versprengten zu fassen, was bei den kaum passierbaren Landwegen und dem Fehlen geländegängiger Wagen erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Für solche während der Nachtzeit durchgeführten Aktionen macht sich vor allem das Fehlen von Scheinwerfern unangenehm bemerkbar. Hier hätte sich auch der von der Kriminalpolizei benutzte Mordwagen, auf dessen Einsatz ich in Berlin schon hingewiesen habe und der über die für solche Aktionen erforderlichen Geräte verfügt, gut bewähren können. Die Nachrichtenübermittlung funktionierte äußerst schlecht. Dadurch, daß am 12.7.41 zusätzlich 2 Amatusstationen eintrafen, kann jetzt wenigstens Verbindung mit den beiden Sonderkommandos und dem Einsatzkommando 9 gehalten werden. Das EK 8 verfügt über keine Funkverbindung. Der dem Gruppenstab zugeteilte kleine Funkzug ist aber zu schwach, um eine ständige Verbindung mit Warschau halten zu können und auch zu sehr von atmosphärischen Störungen abhängig. Die Nachrichtenübermittlung nach Berlin mußte daher fast ausschließlich durch Kuriere nach Warschau erfolgen, wodurch eine Verzögerung von mindestens zwei Tagen eintrat. Durch die in Aussicht gestellte Zuweisung eines Fieseler-Storch wird jedoch hierin ein grundlegender Wandel geschaffen werden. Gleichzeitig werde ich hierdurch auch in die Lage versetzt, weit besser als bisher persönlich mit meinen Kommandos, den Armeen, der Heeresgruppe und dem rückwärtigen Heeresgebiet Fühlung zu halten. Die Ausrüstung des Gruppenstabes mit einem Vervielfältigungsapparat hätte viel überflüssige Schreibarbeiten ersparen können. Auch das Vorhandensein eines Zeichners hat sich als dringend erforderlich herausgestellt. Der gesamten Einsatzgruppe steht zum Zwecke der Wasserentseuchung nur ein einziges Tornisterfiltergerät zur Verfügung. Mit einem solchen Gerät hätte jedes Kommando ausgerüstet werden müssen, da der zur Verfügung stehende Raum in den Feldküchen zum Abkochen und Bereiten von Tee bezw. Kaffee für den Trinkbedarf nicht ausreicht. Ich hätte es begrüßt, wenn die gesamte Mannschaft meiner Einsatzgruppe bereits vor dem Einsatz besser zusammengeschweißt worden wäre, was bei einem truppenmäßigen Einsatz von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Die Kraftfahrer standen mir z.B. erst von dem Tage des Abmarsches aus Düben ab zur Verfügung; die Schutzpolizei-Kompanie stieß erst im Bereitschaftsraum hinzu. Sehr hemmend hat sich ferner der Mangel an Dolmetschern ausgewirkt. Die Sichtung und oberflächliche Auswertung des umfangreichen Schriftmaterials bereitete vor allem erhebliche Schwierigkeiten. Soweit mir bekannt ist, sind die Abwehrtrupps und Propaganda-Kompanien der Wehrmacht in dieser Hinsicht weit besser bedacht worden und haben daher uns an Schnelligkeit etwas voraus. Ich kann mich leider des Eindrucks nicht erwehren, daß bei der Vorbereitung des Einsatzes „Barbarossa“ die Erfahrungen aus früheren Einsätzen, insbesondere dem Poleneinsatz, nicht genügend berücksichtigt worden sind. Ich schlage vor, daß in Zukunft für die Vorbereitung eines Einsatzes der Sicherheitspolizei rechtzeitig ein für die gesamte Ausbildung, Ausrüstung usw. allein verantwortlicher kleiner Stab eingesetzt wird und daß nicht die Ämter, jedes in eigener Verantwortung, nebeneinander Anordnungen treffen. Damit will ich hier keinen Vorwurf gegen irgendein Amt erheben, sondern es ist lediglich ein Vorschlag aus der Erfahrung heraus, der dem Interesse des Ganzen dienen soll.

Nebe

NARB, 655–1–3 u. USHMMA, RG53.002M

1 Dr. Walter Blume, geb. 1906, Jurastudium, 1929 Referendarexamen, 1932 Assessorexamen, 1933 Dr.jur., NSDAP u. SA, März 1933 Leiter der Politischen Abt. des Polizeipräsidiums Dortmund, dann der Stapo-Stelle Dortmund, Herbst 1934 Gestapa, 1935 SS, Frühjahr 1935 Leiter Stapo-Stelle Halle, Herbst 1937 dto. Stapo-Leitstelle Hannover, Dez. 1939 dto. Stapo-Leitstelle Berlin, 1940 Ostubaf., Chef SK 7a bis Sept. 1941, danach als Staf. Gruppenleiter I A (Personal) im RSHA, Juni 1942 BdS für die besetzten Gebiete Kärntens, Krains u. der Untersteiermark in Veldes, Spätsommer 1942 IdS Düsseldorf, Okt. 1943 BdS Griechenland, Ende 1944 wieder RSHA, 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zum Tod verurteilt, 1953 Haftentlassung, gest. 1974; BAB, BDC, SSO Dr. Walter Blume; Personalakte, BA-ZA, ZR 106; Affidavit dess. v. 29.6.1947, IfZ, Nbg.Dok. NO-4145; BAL, ZK: Dr. Walter Blume; Hermann-J. Rupieper/Alexander Sperk (Hrsg.): Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen 1933–1936. Bd. 2: Regierungsbezirk Merseburg, Halle 2004, S. 21f.

2 Günther Rausch, geb. 1909, Jurastudium ohne Abschluß, 1930 NSDAP, 1931 SS, 1933 Hilfspolizei, Okt. 1933 Referent SD-OA Ost, 1934 SS-Führerschule Tölz, Jan. 1936 Leiter Hauptabt. II 21 im SD-HA, danach Stabsfhr. SD-OA Nord, 1939 Stubaf., Nov. 1939–Febr. 1940 im Umsiedlungskdo. Galizien-Wolhynien, Chef SK 7b bis Febr. 1942, danach als Ostubaf. Fhr. SD-LA Königsberg, 1944 KdS Lille, 1945 KdS Stuttgart, gest. 1964; BAB, BDC, SSO u. RuSHA Günther Rausch; BAL, ZK: Günther Rausch.

3 Dr. Otto Bradfisch, geb. 1903, Jurastudium, 1926 Dr.jur., 1931 NSDAP, 1932 Referendarexamen, 1935 Assessorexamen, 1937 stellv. Leiter Stapo-Stelle Saarbrücken, 1938 SS als Ostuf. u. Leiter Stapo-Stelle Neustadt/Weinstraße, 1939 Stubaf., Kdr. EK 8 bis April 1942, dann Leiter Stapo-Stelle Litzmannstadt, 1943 Ostubaf. u. kommissarischer Oberbürgermeister, 1944 KdS Litzmannstadt, 1945 KdS Potsdam, 1961 vom LG München I zu 10 Jahren Haft u. 1963 vom LG Hannover zu 7 Jahren Haft verurteilt, zusammengezogen zu 13 Jahren Gesamtstrafe, entlassen 1969, gest. 1994; BAB, BDC, SSO Dr. Otto Bradfisch; Vern. dess. v. 9. u. 27.6.1958, BAL, B 162/5029, Bl. 2ff., 33ff.; dto. v. 2.2.1962, BAL, B 162/5032, Bl. 501ff.; Urteil LG München I v. 21.7.1961, BAL, B 162/14.193; dto. LG Hannover v. 18.11.1963, BAL, B 162/14.156; BAL, ZK: Dr. Otto Bradfisch; Peter Klein: Der Mordgehilfe. Schuld und Sühne des Dr. Otto Bradfisch, in: Mallmann/Angrick: Die Gestapo nach 1945, S. 221–234.

4 Dr. Alfred Filbert, geb. 1905, Banklehre, dann Jurastudium, 1932 NSDAP u. SS, 1933 Referendarexamen, 1934 Dr.jur., 1935 SD-HA, 1936 Ustuf. u. Leiter Hauptabt. III 22, 1938 Stubaf., 1939 Ostubaf., Gruppenleiter VI A (Allgemeine auslandsnachrichtendienstliche Aufgaben) u. stellv. Amtschef VI im RSHA, Kdr. EK 9 bis Okt. 1941, dann zurück zum RSHA, 1944 Gruppenleiter V Wi (Wirtschaftskriminalität), 1962 zu lebenslanger Haft verurteilt, 1975 wegen Haftunfähigkeit entlassen; BAB, BDC, SSO Dr. Alfred Filbert; Vern. dess. v. 25.2. u. 11.5.1959, BAL, B 162/2400, Bl. 1ff., 9ff.; Urteil LG Berlin v. 22.6.1962, BAL, B 162/14.138; BAL, ZK: Dr. Alfred Filbert.

5 Franz Wenzel, geb. 1896, KR Stapo-Stelle Schneidemühl, 1939 zur EG IV in Polen, dann zum KdS Warschau, 1941/42 Leiter KdS-Außendienststelle Drohobycz, 1962 Selbstmord; BAL, ZK: Franz Wenzel.

6 Johannes Böhm, geb. 1912, 1932 NSDAP, 1933 SS, 1936 zur Stapo-Leitstelle Magdeburg, dann KK Stapo-Leitstelle Prag, 1940 zum KdS Warschau; BAB, BDC, SSO Johannes Böhm; BAL, ZK: Johannes Böhm.

7 Zum Beginn der deutschen Herrschaft, zur Rolle der einheimischen Bevölkerung u. zu den ersten Judenmorden in Grodno vgl. Felix Ackermann: Palimpset Grodno. Nationalisierung, Nivellierung und Sowjetisierung einer mitteleuropäischen Stadt 1919–1991, Wiesbaden 2010, S. 143–159.

8 Adolf Bonifer, geb. 1908, Architekt, 1932 NSDAP u. SA, 1935 SS, dann Abt.leiter SD-UA Darmstadt, 1939 zur EG IV in Polen, dann beim KdS Warschau, 1941 Stubaf., seit 1945 vermißt; BAB, BDC, SSO Adolf Bonifer; BAL, ZK: Adolf Bonifer.

9 Erich Engels, geb. 1908, 1931 NSDAP, 1938 SS, 1939 KK KdS Warschau, dann Leiter IV beim KdS Lemberg, 1944 zur Stapo-Stelle Kassel, 1947 ausgeliefert an Polen, 1951 hingerichtet; BAB, BDC, SSO Erich Engels; BAL, ZK: Erich Engels.

10 Wolfgang Birkner, geb. 1913, 1934 SS, 1935 NSDAP, 1936 zur Gestapo, 1938 KK Stapo-Stelle Schneidemühl, 1939 zur EG IV in Polen, danach zum KdS Warschau, gefallen 1945; BAB, BDC, SSO Wolfgang Birkner; BAL, ZK: Wolfgang Birkner.

11 Walter Heß, geb. 1908, 1933 NSDAP u. SA, 1936 zur Gestapo, 1938 SS, 1939 KK Stapo-Stelle Würzburg, 1940 zum KdS Lublin, 1973 zu 4 Jahren Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Walter Heß; Urteil LG Wiesbaden v. 1.3.1973, BAL, B 162/14.513.

12 Rudolf Schröder, geb. 1903, Jurastudium, 1931 NSDAP u. SA, 1934 nach Assessorexamen zum Gestapa Dresden u. SS, 1935 Stabsfhr. SD-OA Elbe, 1936 zum SD-OA Süd, 1937 zur Stapo-Leitstelle Stuttgart, 1938 Stubaf., 1939/40 stellv. Leiter Stapo-Stellen Köslin u. Hildesheim, 1940 Leiter Stapo-Stelle Bielefeld, VO EG B bis Dez. 1941, dann Chef Stapo-Leitstelle Reichenberg, 1944 als Ostubaf. Leiter Stapo-Stelle Weimar, 1962 zu einem Jahr Haft verurteilt; BAB, BDC, SSO Rudolf Schröder; Vern. dess. v. 21.1.1960, BAL, B 162/21.014, Bl. 5ff.; Urteil LG Paderborn v. 13.11.1962, BAL, B 162/14.144; BAL, ZK: Rudolf Schröder.

13 Fedor von Bock, geb. 1880, 1940 Generalfeldmarschall, Juni–Dez. 1941 OB HGr. Mitte, Jan.–Juli 1942 OB HGr. Süd, gefallen 1945; vgl. Klaus Gerbert (Hrsg.): Generalfeldmarschall Fedor von Bock. Zwischen Pflicht und Verweigerung. Das Kriegstagebuch, München-Berlin 1995; Samuel W. Mitcham: Generalfeldmarschall Fedor von Bock, in: Ueberschär: Hitlers militärische Elite, Bd. 1, S. 37–44; Hürter: Hitlers Heerführer, S. 620f.

14 Hans von Greiffenberg, geb. 1898, Jan. 1941 als Generalmajor Chef des Generalstabes AOK 12, danach als strategischer Kopf u. jeweiliger Generalstabschef bei den bedeutendsten HGr. im Ostfeldzug – bei der HGr. Mitte 1941 u. HGr. A 1942, April 1944 Bevollmächtigter General in Ungarn, gest. 1951; vgl. Dermot Bradley: Die Generale des Heeres 1921–1945, Bd. 4, Osnabrück 1996, S. 412f.

15 Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff, geb. 1905, bekannt als einer der wenigen Überlebenden des militärischen Widerstandes gegen Hitler, April 1941 Versetzung als Ic zum Stab der HGr. Mitte, wo er unter Henning von Tresckow Dienst tat u. somit in fachlicher Hinsicht eng mit der EG B zusammenarbeiten mußte, gest. 1980; vgl. Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff: Soldat im Untergang, Frankfurt/M. u.a. 19774; Christian Gerlach: Männer des 20. Juli und der Krieg gegen die Sowjetunion, in: Hannes Heer/Klaus Naumann (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944, Hamburg 1995, S. 427–446; Johannes Hürter: Auf dem Weg zur Militäropposition. Tresckow, Gersdorff, der Vernichtungskrieg und der Judenmord. Neue Dokumente über das Verhältnis der Heeresgruppe Mitte zur Einsatzgruppe B im Jahr 1941, in: VfZ 52(2004), S. 527–562.

16 Günther von Kluge, geb. 1882, Dez. 1941–Okt. 1943 OB HGr. Mitte, 1944 OB West, Selbstmord 1944; vgl. Hürter: Hitlers Heerführer, S. 638f.

17 Dr. Franz Alfred Six, geb. 1909, Studium von Staats- u. Zeitungswissenschaft, Geschichte u. Volkswirtschaft, 1929 NS-Schülerbund, 1930 NSDAP, 1932 SA, 1934 Dr.phil. u. Hauptabt.leiter Presse, Buch u. Propaganda in der Reichsführung der Deutschen Studentenschaft, 1935 SS u. als Ustuf. ins SD-HA, 1936 Habilitation, 1938 Staf. u. Prof. für Zeitungswissenschaft an der Universität Königsberg, Leiter des SD-EK Österreich u. Amtschef II (Inland) im SD-HA, im RSHA 1939 zunächst Amtschef II (Gegnerforschung), 1940 dann Amtschef VII (Weltanschauliche Forschung u. Auswertung), Dekan der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Universität Berlin u. designierter EG-Kdr. für Großbritannien, Kdr. VKM bis Ende August 1941, dann zurück ins RSHA, Nov. 1941 Oberf., März 1943 als Leiter der Kulturpolitischen Abt. ins AA, 1945 Brif., 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1952 Haftentlassung, gest. 1975; BAB, BDC, SSO Dr. Franz Alfred Six; Affidavit dess. v. 29.7.1947, IfZ, Nbg.Dok. NO-4546; Lutz Hachmeister: Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München 1998.

18 Vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 510–519; Bender: The Jews of Bialystok during World War II and the Holocaust, S. 9

19 Hans-Joachim Tesmer, geb. 1901, 1919 Grenzschutz Ost, Jurastudium, 1930 Staatsanwalt, 1932 NSDAP, 1934 Gestapa, Leiter II 1 D (Schutzhaft, Konzentrationslager), 1936 Leiter V 3 (Personal I), 1936 SS, 1939 Staf., Mai 1940 Wehrmacht, 1941 Kriegsverwaltungschef HGr. Mitte; BAB, BDC, SSO Hans-Joachim Tesmer; Vern. dess. v. 25.8.1967, BAL, B 162/5414.

20) Funkspruch Reichssicherheitshauptamt Amtschef IV an Einsatzgruppen vom 16.7.1941

Amtschef IV Berlin, 16.7.1941

FT. (verschlüsselt) (Bef. am 17.7.41 Nr. 5614) an die Einsatzgruppen A, B, C und D

Wesentliches Ergebnis einer erneuten Besprechung bei der Dienststelle Rosenberg: Entwicklung in Litauen und Lemberg1 entspricht keineswegs den deutschen Bestrebungen.

Eine ähnliche Entwicklung in anderen Gebieten ist daher künftighin unter allen Umständen zu unterbinden. Es ist vorgesehen, nunmehr bei dem General für die rückwärtigen Verbindungen „Volksgruppenstäbe“ einzusetzen, wobei fachlich geeignete Persönlichkeiten ohne Rücksicht auf ihre politischen Bindungen herangezogen werden. Diesen „Volksgruppenstäben“ fällt in Sonderheit die Aufgabe zu, die maßgeblichen deutschen Stellen zu beraten und die Verbindung mit den einheimischen Volksgruppen sicherzustellen. Eine selbständige Tätigkeit kommt ihnen nicht zu, insbesondere keinerlei Exekutive. In Litauen wird General Rastikis herangezogen, da er bei den Litauern großes Ansehen genießt.2

RSHA-Amt IV

gez. Müller, SS-Brif.

RGVA, 500–1–25 u. USHMMA, RG11.001M

1 Bezieht sich auf die Unabhängigkeitserklärung der OUN für die Ukraine durch Jaroslaw Stezko am 30.6.1941 in Lemberg; vgl. Bericht Hans Koch (undat./1941), BAB, R 6/150; Erklärung Stezkos v. 5.7.1941: Deklaration der ukrainischen Staatsregierung, BAB, R 43 II/1500; Bruder: „Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben!“, S. 132–145.

2 Bezieht sich auf die Autonomiebestrebungen in Litauen u. Ostgalizien im Kontext des deutschen Einmarschs; vgl. Dieckmann: Deutsche Besatzungspolitik in Litauen, Bd. 1, S. 416–448; Dieter Pohl: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien 1941–1944. Organisation und Durchführung eines staatlichen Massenverbrechens, München 1996, S. 47ff.

21) Bericht Einsatzgruppe D an Armeeoberkommando 11/Ic vom 16.7.1941

Der Beauftragte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SDbeim Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Süd O.U., den 16. Juli 1941Geheime Reichssache
Einsatzgruppe D 2 Ausfertigungen
An den Ic der 11. Armee 1. Ausfertigung

Mein VO1, Sturmbannführer Gmeiner2, teilt mir mit, dass beabsichtigt ist, von der Heeresgruppe Süd eine Anordnung über den Einsatz der Einsatzgruppe D im Raum der 11. Armee zu erwirken.3 Ich wäre dankbar, wenn dabei folgende Punkte berücksichtigt werden könnten:

1. Gemäß der Vereinbarung zwischen OKH und dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD bleibt der Einsatzraum der Einsatzgruppe D das Gebiet des Kaukasus.

2. Da die Einsatzgruppe B (Brigadeführer Dr. Rasch) mit ihren Einsatzkommandos für die vom Norden her in die Ukraine vorstossenden Armeen der Heeresgruppe Süd voll in Anspruch genommen ist, erscheint es sachlich zweckmäßig, Sonderkommandos der Einsatzgruppe D jeweils in den dem Operationsgebiet der 11. Armee zugehörigen Räumen einzusetzen. Dadurch erscheint allein die Erfüllung der Aufgaben, die gemäß der Vereinbarung zwischen OKH und dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD den bei den Armeen tätig werdenden Einsatzkommandos obliegen, in dem Operationsraum der 11. Armee gesichert. Gleichzeitig ist damit der Einsatzgruppe D die unmittelbare Einsatzbereitschaft für den Augenblick des Einmarsches in das Kaukasusgebiet gesichert.

3. Die Einsatzgruppe D stellt gemäß Ziffer 1–2 für den Raum der 11. Armee lediglich die notwendigen Sonderkommandos. Eine stationäre Bearbeitung sicherheitspolizeilicher Aufgaben ausserhalb des Kaukasusgebietes (im rückwärtigen Heeresgebiet der Ukraine) ist dagegen für die Einsatzgruppe D nicht vorzusehen. Die stationäre Arbeit muss von der Einsatzgruppe B (Brigadeführer Dr. Rasch) übernommen werden. Nach nochmaliger Klarstellung dieser Punkte durch die Heeresgruppe Süd ist der lediglich vorübergehende Einsatz von Sonderkommandos der Einsatzgruppe D im Operationsraum der 11. Armee eindeutig festgelegt. Unter Berücksichtigung der Punkte aus der Niederschrift über die Unterredung zwischen Sturmbannführer Gmeiner und Major [Ranck4] vom 16.7.41, deren Abschrift ich in der Anlage übersende, darf ich bitten, den Rest der Einsatzgruppe D jeweils so nahe wie möglich an den Sitz der Führungsabteilung der 11. Armee heranzuziehen. Die Sicherstellung eines zweckmäßigen Einsatzes der Sonderkommandos, die mir vom O.B.5 am 14.7.41 bestätigt worden ist, setzt die dauernde Möglichkeit einer Instruktion der Sonderkommandos durch mich und eine jeweilige Absprache mit dem Ic voraus. Darüber hinaus ergibt sich durch die schwierigen Unterbringungs-, Verpflegungs- und sonstigen Einsatzvoraussetzungen der Sonderkommandos die Notwendigkeit, elastisch arbeiten und Ablösungen vornehmen zu können. Unter Berücksichtigung der in der Unterredung vom 14.7.41 angeführten Punkte würde ich, um ein Beispiel zu gebrauchen, ein Vorrücken der Einsatzgruppe D nach Jassy in der nächsten Zeit für zweckentsprechend und erforderlich halten.

Ohlendorf

SS-Standartenführer

O.U., den 16. Juli 1941

Niederschrift über die Besprechung mit dem Ic der 11. Armee vom 16.7.1941

1. Die geheime Kommandosache vom 14.7.1941 ist durch ein Versehen des Büros des Ic nachrichtlich direkt an die EK’s zugestellt. Künftighin wird der gesamte Schriftwechsel selbstverständlich über die Einsatzgruppe geführt.

2. Die geheime Kommandosache vom 14.7.41 wurde nach Rücksprache mit dem Chef des Stabes entgegen der Abmachung mit dem O.B. abgefasst, weil sachliche und juristische Gründe ein jeweiliges Nachziehen der in Piatra liegenden Gruppe unmöglich machen. In sachlicher Beziehung wies der Ic darauf hin, dass in den nunmehr von den Truppen besetzten Gebieten an sich nur eine geringe Anzahl von Häusern und anderen Unterbringungsmöglichkeiten sei, dass aber diese durch die Kriegseinwirkungen auch fast restlos zerstört sind. Die wenigen noch vorhandenen Unterbringungsräume müssen unter allen Umständen für die Armeestäbe und die anderen für den laufenden Nachschub unbedingt notwendigen Einheiten sowie für die nachrückenden Ersatztruppen, welche vor ihrem unmittelbaren Einsatz stehen, freigehalten werden. Durch das Nachziehen der Gruppe würden solche Unterbringungsmöglichkeiten weggenommen und auf diese Weise die an sich schon äusserst schwierige Lage noch verschlechtert. Von Jassy aus muss nahezu der gesamte Nachschub an Truppen, Munition, Verpflegung usw. auf den Strassen erfolgen. Diese sind äusserst schlecht und vollständig überfüllt. Würde nun die Gruppe als zusätzlicher Benutzer der Strassen auftreten, so würden erneute, bisher noch nicht berücksichtigte Schwierigkeiten entstehen. Die Verpflegung kann nur für die unmittelbar an der Front eingesetzten Einheiten und die mit den Operationen direkt beauftragten Stäbe über Jassy hinaus gebracht werden. Für den Fall eines Nachziehens der Gruppe wäre zusätzliche Verpflegung notwendig, was augenblicklich unmöglich ist. Für die in Piatra liegenden Gruppenteile wäre beim Nachziehen auch im Operationsgebiet keine Arbeits- und Einsatzmöglichkeit vorhanden. Die bereits eingesetzten Sonderkommandos reichen zur Durchführung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen nach Ansicht des Ic zur Zeit voll aus, wobei zu berücksichtigen sei, dass sich innerhalb der nächsten Operationspläne ausser Kischinew, für das bereits das EK 11a vorgesehen ist, grössere Orte nicht befinden. Sollte sich bei weiterem Fortschreiten der Operationen die Entfernung zwischen Piatra und dem Sitz des Ic so vergrössern (beispielsweise auf 500 km), so wäre ein Nachziehen der Gruppe auf etwa die Hälfte des Weges in Erwägung zu ziehen. Rechtzeitige Unterrichtung durch den Ic ist zugesagt. Als juristische Begründung führte der Ic dann an, dass in der Besprechung zwischen Halder und dem Reichsführer bezw. dem Gruppenführer vereinbart wurde, dass der Einsatz der Einsatzkommandos nur im rückwärtigen Heeresgebiet erfolgt. Da für den Bereich der 11. Armee ein solches noch nicht gebildet ist, vielmehr dessen Bildung erst nach Überschreiten des Dnjestr evtl. ins Auge gefasst ist, wäre zur Zeit ein Einsatz auch aus diesen Gründen unmöglich.

3. Da die Einsatzgruppe D für den Kaukasus vorgesehen ist, das Gebiet der 11. Armee jedoch von der hierfür vorgesehenen Einsatzgruppe Rasch nicht bearbeitet werden kann, wird der Ic bei der Heeresgruppe Süd anregen, dass die Einsatzgruppe D anstelle der Einsatzgruppe Rasch solange das Gebiet der 11. Armee mit bearbeitet, als dieses Armeegebiet auf dem Marschweg der Einsatzgruppe D nach dem Kaukasus liegt.

4. Der künftige Einsatz der Einsatzkommandos ist dergestalt vereinbart, dass einige Tage vor Beginn der Operationen dem VO durch den Ic das nächste Operationsziel mitgeteilt wird. Der Chef der Einsatzgruppe macht sodann dem Ic Vorschläge über den Einsatz von Sonderkommandos. Sodann erfolgt durch den Ic die Zuteilung der Sonderkommandos zu den A.K.’s entsprechend den Wünschen der Einsatzgruppe.

5. Dem Ic wurden sodann als vom Chef der Sicherheitspolizei den Einsatzgruppen zugeteilte Aufgaben benannt: Zerschlagung des Kommunismus. Politische und wirtschaftliche Befriedung des Landes. Neben diesen Aufgaben wird, wie auch bisher von den Sonderkommandos durchgeführt, die Sicherung von Objekten gegen Plünderungen wahrgenommen werden. Der Ic ersuchte noch die Möglichkeit zu erwägen, ob gegen die von den Rumänen durchgeführten unsachgemäßen und sadistischen Exekutionen6 von den Sonderkommandos in geeigneter Form eingeschritten und diese verhindert werden könnten. Die Sicherung von Objekten und Warenlagern gegen Plünderungen wurde seitens des Ic besonders begrüsst.7

Gmeiner

SS-Sturmbannführer

BA-MA, RH 20–11/488

1 Verbindungsoffizier.

2 Josef Gmeiner, geb. 1904, 1923 Bund Oberland u. Teilnehmer am Hitler-Putsch, Jurastudium, danach Rechtsanwalt, 1934 SS, 1935 NSDAP, 1938 zu den Stapo-Stellen Neustadt/Weinstraße, dann Karlsbad, Dez. 1939 Leiter Stapo-Stelle Dessau, 1940 Stubaf., 1941 VO der EG D, Okt. 1941 Leiter Stapo-Stelle Karlsbad, 1943 Ostubaf., 1944/45 Chef Stapo-Leitstelle Karlsruhe, dann KdS Baden/Elsaß, 1947 vom Britischen Militärgerichtshof zum Tod verurteilt, 1948 hingerichtet; BAB, BdC, SSO Josef Gmeiner; BAL, ZK: Josef Gmeiner; Michael Stolle: Die Geheime Staatspolizei in Baden. Personal, Organisation, Wirkung und Nachwirken einer regionalen Verfolgungsbehörde im Dritten Reich, Konstanz 2001, S. 199f., 286f., 353f.

3 Den Hintergrund des Dokumentes bildet ein schwelender Konflikt zwischen der Armeeführung u. dem Stab der EG D, da die Militärs – bedingt durch die Erfahrungen im Polen-Feldzug – die EG zu steuern versuchten, ihnen Aufträge zukommen lassen wollten u. sie so zu einer Art Hilfstruppe umzuformen gedachten. Dem Stab der EG D war wiederum bekannt, daß an anderer Stelle bei den Schwesterverbänden, insbesondere der EG B, die Eigenständigkeit der mobilen Kommandos nicht behindert wurde. Dieses Dokument spiegelt somit die Positionen beider Seiten wider; vgl. Krausnick/Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges, S. 196–199; Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 146f.

4 Werner Ranck, geb. 1904, zu Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ Ic-Offizier des AOK 11.

5 Oberbefehlshaber.

6 Bezieht sich auf die Exzeßtaten rumänischer Einheiten in Belzy in der Zeit vom 9.–15.7.1941; vgl. Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 164–166.

7 Daher kam es erstaunlicherweise dazu, daß die Mannschaften der EG D u.a. Eierlager zu bewachen oder wegen unerlaubter Wehrmachtsrequirierungen Ermittlungen anzustellen hatten; vgl. ebd., S. 161f.

22) Runderlaß Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 17.7.1941: Einsatzbefehl Nr. 8

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD Berlin, den 17. Juli 1941
IV A 1 c – 21 B/41 g.Rs. 80 Ausfertigungen
Geheime Reichssache! 27. Ausfertigung

Einsatzbefehl Nr. 81

Betr.: Richtlinien für die in die Stalags und Dulags abzustellenden Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD

Anlg.: 2 geheftete Anlagen 1 und 2, 1 lose Anlage

In der Anlage übersende ich Richtlinien über die Säuberung der Gefangenenlager, in denen Sowjetrussen untergebracht sind. Diese Richtlinien sind im Einvernehmen mit dem OKW – Abteilung Kriegsgefangene – (s. Anl. 1) ausgearbeitet worden.2 Die Kommandeure der Kriegsgefangenen- und Durchgangslager (Stalags und Dulags) sind seitens des OKW verständigt worden. Ich ersuche, sofort ein Kommando in Stärke von einem SS-Führer und 4 bis 6 Mann für die im dortigen Bereich befindlichen Kriegsgefangenenlager abzustellen. Falls zur Durchführung der gestellten Aufgaben zusätzliche Kräfte benötigt werden, ist mir sofort Mitteilung zu machen. Ich mache jedoch darauf aufmerksam, daß die nicht davon betroffenen Staatspolizei-leit-stellen im Reiche derartig schwach besetzt sind, daß weitere Kräfte nicht abgegeben werden können.

Zur Erleichterung der Durchführung der Säuberung ist je ein Verbindungsführer zu dem Oberbefehlshaber der Kriegsgefangenenlager im Wehrkreis I, Ostpreußen – Generalmajor von Hindenburg3 – in Königsberg/Pr. und zum Oberbefehlshaber der Kriegsgefangenenlager im Generalgouvernement – Generalleutnant Herrgott4 – in Kielce zu entsenden. Als Verbindungsführer sind ab sofort abzuordnen: a) Kriminalrat Schiffer, Staatspolizeileitstelle Stettin, zu Generalmajor von Hindenburg in Königsberg/Pr. und b) Kriminalkommissar Raschwitz, beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau, zu Generalleutnant Herrgott in Kielce. Aufgabe dieser Verbindungsführer ist es, von Zeit zu Zeit, insbesondere zu Beginn des Einsatzes die Tätigkeit der Kommandos nach diesen Richtlinien einheitlich auszurichten und für einen reibungslosen Verkehr mit den Dienststellen der Wehrmacht zu sorgen. Für die Durchführung der den Kommandos in den Gefangenenlagern gestellten Aufgaben füge ich – als Anlage 2 – Richtlinien für die in die Stalags abzustellenden Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD bei, von denen gleichfalls das OKW und damit auch die Befehlshaber und Lagerkommandanten Kenntnis erhalten haben.

Vor Durchführung der Exekutionen haben sich die Führer der Einsatzkommandos wegen des Vollzuges jeweils mit den Leitern der in Frage kommenden Staatspolizei-leit-stellen bzw. mit den Kommandeuren des für ihr Lager zuständigen Gebietes in Verbindung zu setzen. Die Exekutionen dürfen nicht im Lager selbst, noch in unmittelbarer Nähe erfolgen; sie sind nicht öffentlich und müssen möglichst unauffällig durchgeführt werden. Hinsichtlich der Überprüfung der Durchgangslager in den neu besetzten Gebieten ergeht an die Chefs der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD gesonderte Weisung. Die im Bereiche der von den Kommandeuren der Sicherheitspolizei und des SD und den Staatspolizeistellen gestellten zusätzlichen Einsatzkommandos liegenden Durchgangslager sind von diesen selbst zu überprüfen. Ein Verzeichnis der bisher bestehenden Stammlager liegt als Anlage 3 bei. Zusatz: Ich bitte die Chefs der Einsatzgruppen, besorgt zu sein, daß möglichst mit eigenen Kräften die Durchgangslager entsprechend gesäubert werden. Zusatz für Stapoleitstelle Stettin: Die beigefügten Richtlinien sind Kriminalrat Schiffer zu übergeben, der sich sofort in Königsberg/Pr. bei Generalmajor von Hindenburg zu melden hat. Zusatz für Kommandeur der Sicherheitspolizei u.d. SD in Krakau: Die beigefügten Richtlinien sind dem Kriminalkommissar Raschwitz mitzugeben, der sich sofort bei Generalleutnant Herrgott zu melden hat.

Verteiler:

An den Kommandeur d. Sipo u.d. SD in Krakau, an den Kommandeur d. Sipo u.d. SD in Radom, an den Kommandeur d. Sipo u.d. SD in Warschau, an den Kommandeur d. Sipo u.d. SD in Lublin, an die Stapoleitstelle Königsberg/Pr., an die Stapoleitstelle Stettin, Stapostelle Tilsit, Stapostelle Zichenau-Schröttersburg, Stapostelle Allenstein

Nachrichtlich:

An den Reichsführer-SS u. Chef d. Dtsch. Pol., Chef der Sipo u.d. SD, an die Amtschefs I, II, III, IV und VI, an die Referate IV D 2 und IV D 3, an die HSSuPF Nord-Ost, Königsberg, Krakau, Inspekteur der Sipo u. d. SD Königsberg/Pr., Bfh. d. Sipo u. d. SD im GG, Krakau, an die Einsatzgruppen und -kommandos

gez. Heydrich

Abschrift!

Anlage 1

Richtlinien für die Aussonderung von Zivilpersonen und verdächtigen Kriegsgefangenen des Ostfeldzuges in den Kriegsgefangenenlagern im besetzten Gebiet, im Operationsgebiet, im GG und in den Lagern im Reichsgebiet

I. Absicht:

Die Wehrmacht muss sich umgehend von allen denjenigen Elementen unter den Kr.Gef. befreien, die als bolschewistische Triebkräfte anzusehen sind. Die besondere Lage des Ostfeldzuges verlangt daher besondere Maßnahmen, die frei von bürokratischen und verwaltungsmäßigen Einflüssen verantwortungsfreudig durchgeführt werden müssen. Während den bisherigen Vorschriften und Befehlen des Kriegsgefangenenwesens ausschl. militärische Überlegungen zu Grunde lagen, muss nunmehr der politische Zweck erreicht werden, das deutsche Volk vor bolschewistischen Hetzern zu schützen und das besetzte Gebiet alsbald fest in die Hand zu nehmen.

II. Weg zur Erreichung des gesteckten Zieles:

A. Die Insassen der Russen-Lager sind daher zunächst nach folgenden Gesichtspunkten innerhalb der Lager voneinander zu trennen: 1. Zivilpersonen; 2. Soldaten (auch solche, die zweifellos Zivilkleider angelegt haben); 3. politisch untragbare Elemente aus 1. und 2.; 4. Personen aus 1. und 2., die besonders vertrauenswürdig erscheinen und daher für den Einsatz zum Wiederaufbau der besetzten Gebiete verwendungsfähig sind;5. Volkstumsgruppen innerhalb der Zivilpersonen und Soldaten.

B. Während die grobe Trennung nach A.1. bis 5. durch die Lagerorgane selbst vorgenommen wird, stellt zur Aussonderung der Personen zu A.3. und 4. der Reichsführer-SS „Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes“ zur Verfügung. Sie sind dem Chef der Sipo u.d. SD unmittelbar unterstellt, für ihren Sonderauftrag besonders geschult und treffen ihre Maßnahmen und Ermittlungen im Rahmen der Lagerordnung nach Richtlinien, die sie vom Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes erhalten haben. Den Kommandanten, besonders deren Abwehr-Offizieren, wird engste Zusammenarbeit mit den Einsatzkommandos zur Pflicht gemacht.

III. Weitere Behandlung der ausgesonderten Gruppen:

A. Zivilpersonen, soweit unverdächtig, verbleiben abgesondert im Lager, bis ihre Rückführung ins besetzte Gebiet möglich erscheint. Den Zeitpunkt hierfür gibt der betreffende Wehrmacht-Befehlshaber (bzw. der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes) nach Zustimmung der zuständigen Dienststellen des Chefs der Sipo u.d. SD an. Grundlegend für die Rückführung ist der gesicherte Einsatz in Arbeit am Heimatort oder in besonders aufzustellenden Arbeitsformationen. Für die Bewachung während der Rückführung trägt der Wehrmacht-Befehlshaber (bzw. der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes) die Verantwortung. Nach Möglichkeit stellt das Lager Begleitkommandos. Wegen „Verdächtigen“ siehe II.A.3.

B. Militärpersonen: Wegen eventueller Verwendung im Reichsgebiet sind Asiaten von den europäisch aussehenden Soldaten zu trennen. Über den Abschub der Militärpersonen ergeht Sonderbefehl. Bereits hier sei betont, daß für den Einsatz in Deutschland keine Asiaten und Personen in Frage kommen, die der deutschen Sprache mächtig sind.

C. Über die als „Verdächtige“ (s. II.A.3.) Ausgesonderten entscheidet das Einsatzkommando der Sipo u. des SD. Sollten einzelne als verdächtig Angesehene sich später als unverdächtig herausstellen, so sind sie zu den übrigen Zivilpersonen oder Soldaten im Lager zurückzuführen. Dem Ersuchen des Einsatzkommandos auf Herausgabe weiterer Personen ist stattzugeben.

D. Vertrauenswürdige Personen sind zunächst zur Aussonderung der Verdächtigen (II.A.3.) und zu sonstigen Aufgaben der Lagererwaltung heranzuziehen. (Auf „Wolgadeutsche“ wird besonders hingewiesen). Erscheinen sie für den Einsatz zum Wiederaufbau im besetzten Gebiete besonders geeignet, so darf einem Freigabeersuchen des Einsatzkommandos der Sipo u.d. SD nur dann widersprochen werden, wenn abwehrmäßiges Interesse an einer bestimmten Person besteht.

E. Volkstumsgruppen, z.B. Ukrainer, Weissrussen, Litauer, Letten, Esten, Finnen, Georgier und Wolgadeutsche: Trennung bei Soldaten und Zivilisten, soweit diese nicht ohnehin alsbald in das besetzte Gebiet abgeschoben werden. Über die Verwendung der einzelnen Volkstumsgruppen ergeht Sonderbefehl.

Geheime Reichssache
Anlage 2
Amt IV Berlin, den 17. Juli 1941

Richtlinien für die in die Stalags abzustellenden Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei u.d. SD

Die Abstellung der Kommandos erfolgt nach der Vereinbarung zwischen dem Chef der Sipo u.d. SD und dem OKW vom 16.7.41 (s. Anl. 1). Die Kommandos arbeiten aufgrund besonderer Ermächtigung und gemäß der ihnen erteilten allgemeinen Richtlinien im Rahmen der Lagerordnung selbständig. Es ist selbstverständlich, daß die Kommandos mit dem Lagerkommandanten und dem ihm zugeteilten Abwehroffizier engste Fühlung halten. Aufgabe der Kommandos ist die politische Überprüfung aller Lagerinsassen und die Aussonderung und weitere Behandlung a) der in politischer, krimineller oder in sonstiger Hinsicht untragbaren Elemente unter diesen, b) jener Personen, die für den Wiederaufbau der besetzten Gebiete verwendet werden können. Für die Durchführung ihrer Aufgabe können den Kommandos Hilfsmittel nicht zur Verfügung gestellt werden. Das „Deutsche Fahndungsbuch“, die „Aufenthaltsermittlungsliste“ und das „Sonderfahndungsbuch UdSSR“ werden sich in den wenigsten Fällen als verwertbar erweisen; das „Sonderfahndungsbuch UdSSR“ ist deshalb nicht ausreichend, weil nur ein geringer Teil der als gefährlich zu bezeichnenden Sowjetrussen darin aufgeführt ist.5 Die Kommandos müssen sich daher nach ihrem Fachwissen und Können auf eigene Feststellungen und selbsterarbeitete Kenntnisse stützen. Deshalb werden sie mit der Durchführung ihrer Aufgabe erst dann beginnen können, wenn sie entsprechendes Material zusammengetragen haben. Für ihre Arbeit haben die Kommandos, soweit als möglich, sich zunächst und auch in der Folge die Erfahrungen der Lagerkommandanten zunutze zu machen, die diese aus der Beobachtung der Gefangenen und aus Vernehmungen von Lagerinsassen inzwischen gesammelt haben. Weiter haben die Kommandos von Anfang an bemüht zu sein, unter den Gefangenen auch die zuverlässig erscheinenden Elemente, und zwar gleichgültig, ob es sich dabei um Kommunisten handelt oder nicht, herauszusuchen, um sie für ihre nachrichtendienstlichen Zwecke innerhalb des Lagers und, wenn vertretbar, später auch in den besetzten Gebieten dienstbar zu machen. Es muß gelingen, durch Einsatz solcher V-Personen und unter Ausnutzung aller sonst vorhandenen Möglichkeiten zunächst unter den Gefangenen alle auszuscheidenden Elemente Zug um Zug zu ermitteln. Durch kurze Befragung der Festgestellten und evtl. Befragung anderer Gefangener haben sich die Kommandos in jedem Fall endgültige Klarheit über die zu treffenden Maßnahmen zu verschaffen. Die Angabe eines V-Mannes genügt ohne weiteres nicht, einen Lagerinsassen als verdächtig zu bezeichnen. Vielmehr muß irgendwie nach Möglichkeit eine Bestätigung erreicht werden. Vor allem gilt es ausfindig zu machen: alle bedeutenden Funktionäre des Staates und der Partei, insbesondere Berufsrevolutionäre, die Funktionäre der Komintern, alle maßgebenden Parteifunktionäre der KPdSU und ihrer Nebenorganisationen in den Zentralkomitees, den Gau- und Gebietskomitees, alle Volkskommissare und ihre Stellvertreter, alle ehemaligen Polit-Kommissare in der Roten Armee, die leitenden Persönlichkeiten der Zentrale und Mittelinstanzen bei den staatlichen Behörden, die führenden Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens, die sowjetrussischen Intelligenzler, alle Juden, alle Personen, die als Aufwiegler oder fanatische Kommunisten festgestellt werden. Nicht minder wichtig sind, wie bereits erwähnt, die Feststellungen jener Personen, die für den Neuaufbau, die Verwaltung und Bewirtschaftung der eroberten russischen Gebiete Verwendung finden können. Schließlich müssen solche Personen, die zum Abschluß weiterer Ermittlungen, gleichgültig, ob polizeilicher oder sonstiger Art, und zur Klärung allgemein interessierender Fragen noch gebraucht werden, sichergestellt werden. Darunter fallen insbesondere alle die höheren Staats- und Parteifunktionäre, die auf Grund ihrer Stellung und ihrer Kenntnisse in der Lage sind, Auskunft über Maßnahmen und Arbeitsmethoden des sowjetrussischen Staates, der Kommunistischen Partei oder der Komintern zu geben. Bei den zu treffenden Entscheidungen ist schließlich auch auf die völkische Zugehörigkeit Bedacht zu nehmen. Jede Woche gibt der Leiter des EK mittels FS oder Schnellbrief an das RSHA einen Kurzbericht. Dieser hat zu enthalten: 1) Kurze Schilderung der Tätigkeit in der vergangenen Woche, 2) Zahl der endgültig als verdächtig anzusehenden Personen (Zahlenangabe genügt), 3) namentliche Benennung der als Funktionäre der Komintern, maßgebende Funktionäre der Partei, Volkskommissare, Pol-Kommissare, leitende Persönlichkeit festgestellten Personen mit kurzer Beschreibung ihrer Stellung, 4) Zahl der als unverdächtig zu bezeichnenden Personen, a) Kriegsgefangene, b) Zivilpersonen. Auf Grund dieser Tätigkeitsberichte werden sodann vom Reichssicherheitshauptamt die zu treffenden weiteren Maßnahmen umgehendst mitgeteilt. Für die auf Grund dieser Weisung sodann sukzessiv zu treffenden Maßnahmen haben die Kommandos bei der Lagerleitung die Herausgabe der betreffenden Gefangenen zu beantragen. Die Lagerkommandanturen sind vom OKW angewiesen, derartigen Anträgen stattzugeben (s. Anl. 1).

Exekutionen dürfen nicht im Lager oder in unmittelbarer Umgebung des Lagers durchgeführt werden. Befinden sich die Lager im GG in unmittelbarer Nähe der Grenze, so sind die Gefangenen zur Sonderbehandlung möglichst auf ehemals sowjetrussisches Gebiet zu bringen. Sollten aus Gründen der Lagerdisziplin Exekutionen erforderlich sein, so hat sich dieserhalb der Leiter des EK an den Lagerkommandanten zu wenden. Über die durchgeführten Sonderbehandlungen haben die Kommandos Listen zu führen; sie müssen enthalten: Lfd. Nummer, Familien- und Vorname, Geburtszeit und -ort, militärischer Dienstgrad, Beruf, letzter Wohnort, Grund der Sonderbehandlung, Tag und Ort der Sonderbehandlung (Zettelsammlung). Hinsichtlich der durchzuführenden Exekutionen, des möglichen Abtransportes von zuverlässigen Zivilpersonen und des Abschubes etwaiger V-Personen für die Einsatzgruppe in die besetzten Gebiete hat sich der Leiter des EK in Verbindung zu setzten mit dem Leiter der örtlich nächstgelegenen Stapo(leit)stelle bzw. mit dem Kommandeur der Sipo u.d. SD und über diesen mit dem Chef der betreffenden Einsatzgruppe in den besetzten Gebieten. Derartige Mitteilungen sind grundsätzlich nachrichtlich an das Reichssicherheitshauptamt, IV A 1, durchzugeben. Hervorragendes Auftreten in und außer Dienst, bestes Einvernehmen mit den Lagerkommandanten, sorgfältige Überprüfungsarbeit wird den Leitern der EK’s und allen Angehörigen zur besonderen Pflicht gemacht. Die Angehörigen der EK’s haben sich der besonderen Bedeutung der ihnen gestellten Aufgaben stets bewußt zu sein.

Abschrift!
Anlage 3
Amt IV Geheime Reichssache!

Verzeichnis der Kriegsgefangenenlager im Bereich des Wehrkreises I und des Generalgouvernements

Wehrkreis I: 1) Oflag 63 in Prökuls, 2) Oflag 53 in Heydekrug, 3) Oflag 60 in Schirwindt, 4) Oflag 52 in Schützenort (Ebenrode), 5) Oflag 56 in Prostken, 6) Oflag 68 in Suwalki, 7) Stalag 331 in Fischborn-Turosol, 8) Oflag 57 in Ostrolenka.

Generalgouvernement: 1) Stalag 324 in Ostrow-Mazowiecka, 2) Stalag 316 in Siedlce, 3) Stalag 307 in Biala-Podlaska, 4) Stalag 319 in Cholm, 5) Stalag 327 in Jaroslaw.

Die Oflags – Offizierslager – finden z.Zt. als Mannschaftsstammlager (Stalag) Verwendung. Die Durchgangslager befinden sich nach Mitteilung des OKW im Operationsgebiet und werden den örtlichen Erfordernissen entsprechend von Zeit zu Zeit näher an die Front herangelegt. Ihr derzeitiger Standort ist ggf. beim Generalquartiermeister – Abteilung Kriegsgefangenwesen Anruf: Anna 757 (Militärleitung) – Hauptmann Sohn, zu erfragen.

BAB, R 58/1027

1 Zur Genese, Modifizierung u. Anwendung dieses Schlüsseldokuments vgl. Streim: Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener im „Fall Barbarossa“, S. 69–72, 96–99, 127f.

2 Zum Mord an den sowjetischen Kriegsgefangenen vgl. Christian Streit: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945, Berlin 1991; Reinhard Otto: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42, München 1998; Rolf Keller/ders.: Das Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945 in deutschen und russischen Institutionen, in: MGM 57(1998), S. 149–180; Rüdiger Overmans/Andreas Hilger/Pavel Poljan (Hrsg.): Rotarmisten in deutscher Hand. Dokumente zu Gefangenschaft, Repatriierung und Rehabilitierung sowjetischer Soldaten des Zweiten Weltkrieges, Paderborn u.a. 2012.

3 Oskar von Beneckendorf und von Hindenburg, geb. 1883, Kdr. des Kriegsgefangenenlagerwesens im Wehrkreis I Okt. 1941–Dez. 1944; Streim: Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener im „Fall Barbarossa“, S. 15.

4 Adolf Herrgott, geb. 1872, Kdr. des Kriegsgefangenenlagerwesens im Generalgouvernement, dann im Wehrkreis V; ebd. S. 15.

5 Diese Analyse war absolut zutreffend – wie allein das ‚Fehlen‘ Lawrenti Berijas zeigt –, weshalb die Sachbearbeiter bei den EG auch angewiesen waren, das Sonderfahndungsbuch im Abschnitt „Notizen“ aufzufüllen. Es liegt faksimiliert vor u. ist ein eindrücklicher Beweis dafür, über wie wenige Informationen das RSHA (auch was die Topographie-, Städte- u. Wirtschaftsdaten angeht) vor dem Überfall verfügte u. wie sehr der Vormarsch in sicherheitspolizeilicher Hinsicht durch ein ‚learning by doing‘ konzipiert war; vgl. Werner Röder (Hrsg.): „Sonderfahndungsliste UdSSR“ des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD. Das Fahndungsbuch der deutschen Einsatzgruppen in Rußland 1941, Erlangen 1976.

23) Erlaß des Führers über die polizeiliche Sicherung der neu besetzten Ostgebiete vom 17.7.1941

Erlass des Führers über die neu besetzten Ostgebiete vom 17. Juli 19411

I. Die polizeiliche Sicherung der neu besetzten Ostgebiete ist Sache des Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei.

II. Nach Einführung der Zivilverwaltung in diesen Gebieten ist der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei berechtigt, den Reichskommissaren im Rahmen seiner unter I bezeichneten Aufgabe Weisungen zu erteilen. Sofern diese Weisungen allgemeiner Art oder von politisch grundlegender Bedeutung sind, sind sie über den Reichsminister für die besetzten Ostgebiete zu leiten, es sei denn, dass es sich um die Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr handelt.

III. Zur Durchführung der polizeilichen Sicherung tritt zu jedem Reichskommissar ein Höherer SS- und Polizeiführer, der dem Reichskommissar unmittelbar und persönlich unterstellt ist. Den Generalkommissaren, den Haupt- und Gebietskommissaren werden Führer der SS und der Polizei zugeteilt, die ihnen unmittelbar und persönlich unterstehen. Führer-Hauptquartier, den 17. Juli 19412

Der Führer gez. Adolf Hitler

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht gez. Keitel

Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei gez. Dr. Lammers3

BAB, R 58/241

1 Teil des „Erlasses des Führers über die Verwaltung der neu besetzten Ostgebiete“ v. 17.6.1941 (mit Bezugnahme auf die Erlasse „über die Ernennung von Wehrmachtbefehlshabern in den neu besetzten Ostgebieten“ v. 25.6.1941 u. „über die Wirtschaft in den neu besetzten Ostgebieten“ v. 29.6.1941) u. zeitgleich mit „Erlass des Führers über die Einführung der Zivilverwaltung in den neu besetzten Ostgebieten“; BAB, R 43 II/686 a; vgl. Rebentisch: Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg, S. 312–316.

2 Der Erlaß war ein Resultat der Besprechung, die am Vortag im Beisein von Hitler, Göring, Keitel, Lammers u. Bormann stattgefunden hatte. Bei dem Treffen wurde eine weitreichende Radikalisierung der NS-Besatzungspolitik ins Auge gefaßt; vgl. Browning/Matthäus: Die Entfesselung der „Endlösung“, S. 388–391; Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 133ff.

3 Hans-Heinrich Lammers (1879–1962).

24) Bericht Einsatzgruppe B/III vom 20.7.1941

Abt. III (Polizeiliche Angelegenheiten)

Nach weiteren Berichten aus Bialystok ist es wegen des starken Übergewichts der jüdischen Bevölkerung und wegen der Stumpfheit der Weißrussen nahezu unmöglich, Pogrome gegen die Juden zu veranlassen. Die dort befindlichen Unterstützungstrupps stellen jedoch ihre Arbeit auf die Provozierung derartiger Pogrome ein, um dadurch eine Entlastung auf dem eigenen Arbeitsgebiet herbeizuführen. Durch Ansetzen von V-Männern und infolge enger Zusammenarbeit mit der Wehrmacht und der GFP konnten in Bialystok weitere 37 Personen festgenommen und auf Grund des gegen sie erstellten Beweismaterials liquidiert werden. Es handelt sich um: 4 politische Kommissare der Roten Armee, 7 Russen wegen kommunistischer Agitation und begründeten Verdachts der feindseligen Betätigung im Rücken der deutschen Truppen, 3 Weißrussen (KP-Mitglieder) wegen kommunistischer Betätigung, 8 Polen wegen kommunistischer Betätigung und Plünderns, 12 Juden wegen kommunistischer Betätigung, deutschfeindlichen Verhaltens und Plünderns, 3 Polen – entsprungene Häftlinge – wegen Plünderns. Neben diesen Liquidierten erfolgten weitere 15 Exekutionen aus gleichgelagerten Gründen. Die Kennzeichnung der Juden ist in dem Gebiet von Bialystok nunmehr restlos durchgeführt. Der jüdischen Bevölkerung wurde eine Kontribution in Höhe von 1 Million Rubel, 5 kg Gold und 100 kg Silber auferlegt.1 Aus Nowogrodek wird von dem dortigen Unterstützungstrupp gemeldet, daß in der Nacht zum 8. und 9.7.41 irreguläres russisches Militär in Stärke von 60 bis 150 Mann den Ort passierte und sich in die ostwärts des Ortes gelegenen großen Waldungen begab, in denen sich noch starke russische Verbände aufhalten, die von Offizieren und roten Kommissaren geführt werden. Ein durch Nowogrodek ziehendes Kommando der Wehrmacht und ebenso die Feldkommandantur erhielten umgehend von dem Unterstützungstrupp die erforderlichen Mitteilungen, um gegen diese Partisanengruppe vorgehen zu können. Nach einer Meldung des z.Zt. in Wilna befindlichen EK fand auf das Dienstgebäude der Polizei in der Nacht vom 12. auf 13.7. ein Feuerüberfall statt, durch den jedoch niemand verletzt wurde. Als Vergeltungsmaßnahme wurden 408 Juden festgenommen und nach Beschlagnahme ihres Vermögens erschossen. Am 15.7. wurde in Zusammenarbeit mit dem litauischen Ordnungsdienst eine gleiche Maßnahme gegen weitere 219 Juden durchgeführt. 202 vom litauischen Selbstschutz vor dem Einrücken der deutschen Truppen festgenommene Personen wurden dem Einsatzkommando überstellt, das sie z.Zt. überprüft. 7 Kommunisten, die bereits vorher von den litauischen Gerichten wegen kommunistischer Agitation zum Tode verurteilt worden waren, wurden nach Übergabe an das EK liquidiert. Das gleiche geschah mit 6 von der GFP übergebenen russischen Gefangenen, die als bolschewistische Propaganda- und Schulungsleiter festgestellt werden konnten. In Podreczie, 24 km nördlich von Wilna, hatten Überfälle von Soldaten und Juden stattgefunden. Durch einen vom EK abgestellten Trupp wurden darauf am 14.7. die um den genannten Ort liegenden Waldungen durchkämmt. Es wurde ein verlassenes Lager von ca. 40 bis 60 Personen aufgefunden. Nach Aussagen von 3 im Verlauf dieser Aktion aufgegriffenen russischen Soldaten waren die Urheber des Überfalls in unbekannter Richtung abgezogen. Obgleich das Kommando oft beschossen worden ist, sind bisher keine Verluste eingetreten. In Minsk wurden in der Zeit vom 14. bis 16.7.41 349 Angehörige der jüdischen Intelligenz als Vergeltungsmaßnahme wegen der täglich von Juden in Minsk vorgenommenen Brandstiftungen liquidiert. Weiter liquidiert wurden in der gleichen Zeit Andrej Kazlowski, sowjetrussischer Gemeindevorsteher in Zazelka, der überführt wurde, Angehörige seiner Gemeinde nach Sibirien verschickt und sich deren Vermögen angeeignet zu haben; K. war Mitglied der KP; ferner die politischen Kommissare Sawarow Formas und Koslow Lew. Auf dem Gute Lachaza, Kreis Minsk, konnten der stellv. Güterdirektor Ilja Hawrylozyk (Weißrusse) und der jüdische Tierarzt Chaja Süßkind auf Grund von Angaben der Gutsangehörigen und eigener Geständnisse überführt werden, daß sie nach Abrücken der russischen Truppen sich 6 Gewehre beschafften und versuchten, eine Gruppe Heckenschützen zu organisieren. Das Unternehmen mißlang jedoch. H. und S. wurden gleichfalls am 16.7. liquidiert. Der sich noch im Minsker Zivilgefangenenlager befindliche Rest von 2500 Juden wird laufend weiter aussortiert. Jüdische Intelligenz ist nicht mehr darunter, jedoch ist es gelungen, durch jüdische V-Personen ungefähr 100 jüdische Mitglieder der KP, Spitzel usw. festzustellen, die heute exekutiert werden. Soweit die noch im Lager vorhandenen Juden nicht unbedingt zu dringenden wirtschaftlichen Arbeiten benötigt werden, erfolgt weiter eine laufende Liquidierung.2 Nach Berichten des in Baranowicze liegenden EK sind die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen durch die eingesetzten V-Männer erheblich gefördert worden. Die Fahndungen und Erhebungen leiden aber noch unter dem gänzlichen oder teilweisen Fehlen der Melderegister. Die Aufstellung von Einwohnermeldelisten ist bereits angeordnet worden. Hemmend wirkt sich bei der Personenfahndung noch die Ansicht der Bevölkerung aus, daß die z.Zt. von der deutschen Wehrmacht besetzten Orte wieder von den Sowjets zurückerobert werden könnten. Die Bevölkerung wird jedoch durch öffentliche Anschläge zur Mitarbeit aufgefordert und ihre Furcht vor der Rückkehr der Sowjets durch entsprechende Hinweise zu zerstreuen versucht. Die bereits einlaufenden Anzeigen beweisen, daß die Weißruthenen sich langsam an der Fahndung nach den Funktionären beteiligen. In Baranowizce, Slonim, Lachowicze, Stolpce und in der Umgebung dieser Städte wurden Razzien durchgeführt und 400 Festnahmen vorgenommen. Es wurden vorerst nach Überprüfung 39 Personen in Slonim und 21 in Baranowicze liquidiert. Es handelte sich vornehmlich um Angehörige der kommunistischen-jüdischen Intelligenz sowie um Personen, die noch nach dem Rückzug der Sowjettruppen nachweislich versucht haben, mit den Sowjets in Verbindung zu bleiben, Spitzeldienste zu leisten und die Bevölkerung durch Wucher und Drohungen zu terrorisieren. Die Exekution dieser Personen wurde zur Abschreckung durch öffentlichen Anschlag bekanntgegeben. Der Rest der Festgenommenen wird z.Zt. noch überprüft. Im Zuge dieser Aktion wurde ein Pole exekutiert, der zwei Einwohner Slonims fälschlich der Unterstützung sowjetrussischer Truppen beschuldigt hatte. Ein vom EK eingerichteter ziviler Ordnungsdienst unterstützt unsere Maßnahmen. Die Bildung eines abgeschlossenen jüdischen Wohnbezirks in den genannten Orten wurde in die Wege geleitet. Der nach Stolpce abgeordnete Sondertrupp konnte feststellen, daß sich in den Wäldern nördlich dieser Ortschaft Partisanengruppen befinden. Die Wehrmacht wurde sofort unterrichtet. In Grodno wurden von dem dortigen EK weitere 16 Juden festgenommen, die nachweislich während der Sowjetherrschaft für den NKWD gearbeitet haben und nach dem Einmarsch der deutschen Truppen die Bevölkerung zum Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht aufreizten. Sie wurden am 15.7.41 mit weiteren 7 Juden aus Indura (1 komm. Jugendfunktionär und 6 Angehörige einer Räuberbande) liquidiert. Der gleichen Verbrechen wird eine größere Anzahl anderer Juden aus Grodno beschuldigt. Ihre Überprüfung, Festnahme und Liquidierung erfolgt laufend. Ferner konnte das EK 4 NKWD-Dienststellen ermitteln. In mehrfach versiegelten Briefen wurden Aufmarschpläne der russischen Armee für den Mobfall vorgefunden, die unverzüglich dem Ic der 87. Division übergeben wurden.

NARB, 655–1–3 u. USHMMA, RG53.002M

1 Vgl. Bender: The Jews of Bialystok during World War II and the Holocaust, S. 97.

2 Zur „Aussonderung“ von Gefangenengruppen in den Zivilgefangenenlagern vgl. Gerlach: Kalkulierte Morde, S. 503–514.

25) Runderlaß Chef der Sicherheitspolizei und des SD vom 21.7.1941: Einsatzbefehl Nr. 9

Der Chef der Sicherheitspolizei u.d. SD Berlin, den 21. Juli 41
IV A I c – B.Nr. 21 B/41 g.Rs. 50 Ausfertigungen
Geheime Reichssache! 48. Ausfertigung

Einsatzbefehl Nr. 91

Betr.: Richtlinien für die in die Mannschaftsstammlager abzustellenden Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD

Anlg.: 1 Verzeichnis der Lager. Einsatzbefehl Nr. 8 (… Ausfertigung) mit Anlage 1, 2 und 3.

Nach Mitteilung des OKW sind bereits sieben Kriegsgefangenenlager im Reichsgebiet (s. anl. Verzeichnis) mit sowjetrussischen Kriegsgefangenen belegt worden bzw. wird dies in Kürze geschehen. Ich ersuche, sofort ein Kommando von 1 SS-Führer (Kriminalkommissar) und 3 bis 4 Beamten für das im dortigen Bereich befindliche Kriegsgefangenenlager zur Überprüfung der Gefangenen abzustellen. Es ist selbstverständlich, daß die für diese Aufgabe ausgewählten Beamten mit der Materie bestens vertraut sein müssen. Die Durchführung der Überprüfung hat nach den zum Einsatzbefehl Nr. 8 gegebenen Richtlinien (s. Anl. 2) zu erfolgen. Vor Durchführung der Exekutionen haben sich die Führer der Kommandos wegen des Vollzuges mit den Leitern ihrer Dienststellen in Verbindung zu setzen. Die Exekutionen sind nicht öffentlich und müssen unauffällig im nächstgelegenen Konzentrationslager durchgeführt werden. Ich ersuche, die in der Anlage 2 zum Einsatzbefehl Nr. 8 beigefügten Richtlinien zu beachten.

i.V. gez. Müller
Abschrift!
Amt IV Berlin, den 21. August 1941
Geheime Reichssache!

Verzeichnis der Lager im Reichsgebiet, in denen bereits sowjetrussische Kriegsgefangene untergebracht sind oder die demnächst belegt werden

1. Wehrkreis II: Truppenübungsplatz Hammerstein, Stalag Großborn-Rederitz, Kommandantur 323, Stalag Großborn-Bartenbrügge, Kommandantur 302 – Stapostelle Schneidemühl

2. Wehrkreis IV: Truppenübungsplatz Zeithain – Staatspolizeileitstelle Dresden, Stalag Mühlberg/Elbe – Stapostelle Halle/Sa.

3. Wehrkreis VI: Truppenübungsplatz Senne – Stapoleitstelle Münster

4. Wehrkreis VIII: Truppenübungsplatz Neuhammer – Stapoleitstelle Breslau, Truppenübungsplatz Lemsdorf – Stapostelle Oppeln

5. Wehrkreis X: Munsterlager, Stalag X D Wietzendorf – Stapoleitstelle Hamburg

6. Wehrkreis XI: Truppenübungsplatz Bergen, Stalag 311 Bergen-Belsen, Stalag 321 Fallingbostel – Stapoleitstelle Hamburg, Außendienststelle Lüneburg

7. Wehrkreis XIII: Oflag XIII A Nürnberg – Stapostelle Nürnberg-Fürth, Stalag Hammelburg – Stapostelle Nürnberg-Fürth, Außendienststelle Würzburg, Stalag XIII A Sulzbach-Rosenberg, Stalag XIII B Weiden – Stapostelle Regensburg, Stalag Falkenau/Eger – Stapostelle Karlsbad

8. Wehrkreis XX: Truppenübungsplatz Thorn – Stapostelle Bromberg, Außendienststelle Thorn

BAB, R 58/272

1 Diese Order ist als Erweiterung u. Fortführung des Einsatzbefehls Nr. 8 zu verstehen. Die hier vorgenommenen Ergänzungen waren notwendig geworden, nachdem sowjetische Kriegsgefangene über den Wehrkreis I u. das Generalgouvernement hinaus weiter ins Reichsgebiet abgeschoben worden waren, ohne vorher sicherheitspolizeilich überprüft worden zu sein. Insofern trug diese ‚Realpolitik‘ den Tatsachen Rechnung, daß der Blitzkrieg gegen die UdSSR gescheitert war u. sich die Kriegswirtschaft u. das Gefangenenwesen auf eine längere Auseinandersetzung umstellen mußte, was wiederum den eigentlich völlig unerwünschten Effekt der Abschiebung nach Westen verstärkte, da dort sogar neue Lager einzurichten waren u. die Stapo-Stellen im Reich die Insassen überprüfen bzw. selektieren mußten u. gegebenenfalls gemäß den Richtlinien zu exekutieren hatten; vgl. Streim: Die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener im „Fall Barbarossa“, S. 69–72, 96–119.

Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR 1941–45

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