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Vermögensberatung beim Silvaner Die reiche Kundschaft der Castell-Bank in Mainfranken hat ein vorrangiges Ziel: Kapitalerhalt.
ОглавлениеDie Straße heißt "Kniebrecher". Sie führt hoch zur Fürstlich Castell’schen Bank Credit-Casse AG im Winzerdörfchen Castell. Es ist ein steiler Anstieg hin zum prächtigen, von einem Englischen Garten umgebenen Schloss in dem 556-Einwohner-Ort. An diesem Sommertag ist der Weiler an den Hängen des Steigerwalds wie ausgestorben, auch im Rest des Jahres ist hier wenig los.
Dabei hat die älteste Bank Bayerns hier ihren Ursprung und bis zum heutigen Tag eine Filiale. Das Geldinstitut wurde 1774 als unabhängige Privatbank mit dem umständlichen Namen "Gräflich Castell-Remlingen’sche Landes-Credit-Cassa" gegründet.
Gleich neben Kniebrecher und der historischen Bankfiliale residiert Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell, Chef des gleichnamigen Fürstenhauses in dem barocken Anwesen. Ein paar Kilometer weiter in Rüdenhausen lebt im burgähnlichen Schloss sein Vetter Johann-Friedrich Fürst zu Castell-Rüdenhausen. Beiden Familien gehört die Privatbank mit 281 Mitarbeitern, die heute im nahen Würzburg ihren Hauptsitz hat. Die Fürstliche Castell’sche Bank betreibt zwölf Filialen in Franken sowie fünf Niederlassungen, darunter in München und Mannheim. Mit einer Bilanzsumme von knapp über einer Milliarde Euro gehört sie zu den kleineren Privatbanken in Deutschland.
Castell ist für den neuen Vorstandschef der Castell-Bank, Sebastian Klein, und seinen Vorstandskollegen Klaus Vikuk der Dreh- und Angelpunkt ihres Berufslebens: Alle Entscheidungen werden hier gemeinsam mit den beiden Adelsgeschlechtern eng abgesprochen. Der Aufsichtsrat trifft sich alle paar Wochen in der fürstlichen Bibliothek des verwinkelten Schlosses. Umringt von Tausenden wissenschaftlichen Büchern besprechen die Manager mit den adeligen Inhabern die großen und kleinen Dinge der familiären Bank.
"Vertrauen spielt für die Kunden eine große Rolle. Eine so lange Unternehmensgeschichte zu haben wie wir, ist natürlich ein unschätzbarer Vorteil", sagt Erbgraf zu Castell-Castell selbstbewusst. Wichtige Kunden lädt er höchstpersönlich zum Essen in das Casteller Schloss ein, um sie kennenzulernen. Dann gibt es im Speisesalon ein feines fränkisches Essen, zu dem der hauseigene Silvaner - der Paradewein des fürstlichen Weinguts - kredenzt wird. "Sie sollen sehen, dass hinter unserer Bank keine anonymen Aktionäre stehen, sondern zwei Familien, die in langfristigen Kategorien planen und handeln", sagt der Erbgraf.
Gerade in einer Zeit, in der Bankenzusammenbrüche und Euro-Krise das Vertrauen von Anlegern erschüttert haben, steht der defensive Ansatz einer Privatbank hoch im Kurs. "Unsere Kunden haben vor allem ein Ziel, nämlich ihr Vermögen zu bewahren. Deshalb nehmen wir rigoros risikoreiche Anlagen aus dem Portfolio", sagt der 44-jährige Bankchef Klein. "Wir versprechen keine Renditen, die nicht am Markt zu erzielen sind", ergänzt sein Vorstandskollege Vikuk.
Mit ihrer vorsichtigen Strategie kam die Privatbank gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008. "Kunden suchen einen Finanzpartner, der nicht jeder Mode auf dem Finanzmarkt hinterherläuft, sondern langfristig denkt und handelt", sagt der 51-jährige Vikuk.
2012 hat sich der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr mit 6,1 Millionen Euro fast verdreifacht. Das Geld kann die Castell-Bank gut gebrauchen. "Unser Ziel ist es, die Basel-III-Regularien aus eigener Kraft, das heißt durch Gewinnthesaurierung zu erfüllen", formuliert Klein. Auf dem Weg zu diesem Ziel kommt die Bank gut voran. Zuletzt stieg die Eigenkapitalquote auf über zehn Prozent und lag damit deutlich über den internen Planungen. Der Gewinnverwendungsvorschlag für 2012 sah eine Thesaurierung von 4,4 Millionen Euro vor. Der verbleibende Betrag wurde an die beiden Adelshäuser ausgeschüttet.
Vor allem in der Vermögensverwaltung sieht der Manager noch Potenzial. Doch an schnellem Wachstum sind er und seine beiden adeligen Eigentümer nicht interessiert.
"Wir haben Kunden in der fünften und sechsten Generation, die sind nicht an schnellen Richtungswechseln interessiert", sagt Vorstand Klein. Er setzt ein glückliches Lächeln auf. Der Erbgraf zu Castell-Castell nickt zustimmend - und nimmt einen Schluck Silvaner.