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III. LoickLoick, Daniel: Exodus

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Ein weiterer Konkretisierungsschritt des Menk’schen Programmes finden wir auch in Loicks Entwurf eines post-juridischen Rechts[328]. Wie oben beschrieben, betont auch LoickLoick, Daniel, dass post-juridische Politiken – also eine Politik, die die Gesellschaft nicht länger juridisch konditioniert – nicht durch die Abschaffung des Rechts, sondern nur durch seine radikale TransformationTransformation erreicht werden können[329]. Als Ankerpunkt dient ihm dabei das Marx’sche Diktum, wonach »der Mensch nicht wegen des Gesetzes, sondern das Gesetz wegen des Menschen« da sei[330]. Was aber bedeutet »menschlich« als Maßstab zur Bewertung eines guten Rechts?

Wie oben erläutert, setzt LoickLoick, Daniel die Sozialität des Menschen voraus. Der Mensch sei ein zoon politicon. Gegen das liberale Menschenbild, wonach der Mensch der Gesellschaft voraus gehe und letztere erst durch einen Gesellschaftsvertrag zustande komme, wendet Loick ein, dass der Mensch ohne Gemeinschaft gar nicht überlebensfähig sei. Ein Recht, das Menschen-gerecht ist, muss daher garantieren, dass Menschen ihre sozialen Praktiken mitgestalten können, statt lediglich deren Gegenstand zu sein[331]. Das heißt für LoickLoick, Daniel insbesondere, dass ein gerechtes Recht sich gegen den Ausschluss von Menschen aus der politischen Gemeinschaft wenden muss.

LoickLoick, Daniel bemüht die Figur des Exodus, also dem Auszug der jüdischen Gemeinschaft aus Ägypten, um eine Übergangsform hin zu post-juridischen |81|Gemeinschaften zu denken. Seine zentrale These lautet, dass jüdische Rechtspraktiken – in der Diaspora und ohne staatliche Dursetzungsmacht entwickelt – Aufschluss darüber geben können, wie ein post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht aussehen könnte[332]. Denn das Jüdische Recht sei nicht nur irgendeine Quelle, sondern als das Andere des römisch-christlichen Rechts mit einer völlig anderen Rechtspraxis verbunden. Loick spielt dabei insbesondere auf zwei Aspekte des Jüdischen Rechts an, an denen sich ein post-juridisches Recht orientieren könne.

Erstens hebt er den rechtsinterpretativen Pluralismus des Jüdischen Rechts als Vorbild für ein menschliches Recht, das Sozialität und Differenz miteinander verbindet, hervor. Denn in der gemeinsamen Textinterpretation gelte es vor allem, unterschiedliche Lesarten einer Textstelle in den Dialog zu bringen. Gemeinschaft werde damit durch Dissens hergestellt, die Differenz – und nicht die Gleichheit der Individuen – wertgeschätzt[333]. Gleichzeitig, so LoickLoick, Daniel, sichere der notwendige Textbezug den Raum derer, die nicht an der Deliberation teilnähmen. Denn er verhindere, dass alleine die Standpunkte der Beteiligten zu einem Thema in die Entscheidungsfindung zu einer Rechtsfrage einfließen.

Das zweite Charakteristikum des jüdischen Rechts, das LoickLoick, Daniel für seinen Vorschlag eines post-juridischen fruchtbar machen möchte, ist, dass seine Exekution nicht auf einem staatlichen Durchsetzungsapparat, also auf Zwang, basiert. Nur ein solches Recht könne auf freiwillige Zustimmung, und damit auf Befolgung hoffen, das »ethisch attraktiv« sei.[334] Während das liberale Recht durch die Trennung von Recht und Moral dem Individuum eine private Moral zugestehe, dafür aber auf Zwang zur Durchsetzung der Rechtsordnung angewiesen sei, müsse ein post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht rationale oder affektive Gründe für das Befolgen bieten[335].

Indem LoickLoick, Daniel das neue, post-juridische Recht als Exodus aus dem Recht der Nationalstaaten denkt, will er das Problem der Frage der Hervorbringung der neuen Rechtsordnung aus der alten umgehen, mit dem die »Reform« oder »Revolution« als Formen sozialen Wandels konfrontiert sind:

Das Potential, den Übergang hin zu postjuridischen Gemeinschaften als Exodus zu denken … liegt dann in der Möglichkeit der Konstruktion transversaler Sozialitäten, die keine nationalen Grenzen kennen. Es sind plurale diasporische Gemeinschaften, die sich durch den Auszug aus den konventionellen Nationalstaaten mit ihren exkludierenden Gewaltapparaten konstituiert haben, welche eine aterritoriale Kohabitation auf dem geteilten Planeten antizipieren und auf diese Weise das fundamentale Recht der Sozialität ins Werk setzen[336].

Wird dieser Vorschlag so verstanden, dass ein Wandel durch die Errichtung paralleler, transnationaler Netzwerke hervorgerufen werden soll, stellt sich die Frage ob ein solches post-juridisches Rechtpostjuridisches Recht auf den Nationalstaat als sein konstitutives |82|Anderes angewiesen ist, oder ob sie diesen langfristig ersetzen sollen. Sofern es um die Eröffnung von Räumen neuer Formen der Sozialität geht, könnten schon existierende Praktiken, z.B. Kooperativen und Kollektive, die mit eigenen Regeln der Entscheidungsfindung versuchen der juridisierden Wirkung der Rechtsform entgegen zu wirken, als Beispiele einer post-juridischen Rechtspraxis gedacht werden. Soll das bürgerliche Recht langfristig vom post-juridischen Rechtpostjuridisches Recht abgelöst werden, so tauchen allerdings die Fragen wieder auf, die sich auch schon bei MenkeMenke, Christoph gestellt haben: Wie kann das von LoickLoick, Daniel anvisierte Recht eine Rechtspraxis informieren, die nicht nur parallel zum nationalen, bürgerlichen Recht existiert, sondern dieses langfristig transformiert?

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