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|98|III. Der Praxischarakter des Rechts

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Forciert man das pragmatistisch-produktive Moment der Konzeption (i)[388], so tritt die aktive Rolle der Akteure bei der Entstehung von Recht zu Tage: es sind die Akteure, die durch wechselseitige Bewertungen die Normen der Gemeinschaft schöpfen. BrandomBrandom, Roberts Idee der Praxisvorgängigkeit wirkt sich insbesondere auf die Rechtsanwendung aus: die Aussage einer Norm lässt sich – gegenläufig zur Neigung der Juristen – nicht als ein vorpraktischer Maßstab fixieren, die Annäherung an eine Norm liegt vielmehr in der von den Akteuren wechselseitig unterstellten »perspektivische[n] Form«[389]. Insofern vermag auch nicht ein Versuch des Auffindens, sondern nur der praktische Streit diejenige Kluft zu überbrücken, die zwischen der Existenz der Norm und ihrem Inhalt klafft. Dadurch bringt BrandomsBrandom, Robert Modell der deontischen Kontoführungdeontische Kontoführung nach Ralph Christensen und Michael Sokolowski die »Grundparadoxie« der Rechtstheorie zum Vorschein, indem es die Frage aufwirft, wie es möglich ist, dass wir an Normen gebunden sind, die wir im selben Akt erst instituieren. Das ParadoxParadoxie lasse sich auflösen, indem man den Praxischarakter des Rechts herausstellt, also Rechtsfindung als einen Vorgang der Suche nach der Lesart mit den besten Argumenten[390]Auslegung begreift, wobei die Maßstäbe der Suche aus einer »fortlaufende[n] Präzisierung der Selbstbeschreibung der Praxis« herrühren[391].

Besonders virulent wird diese Spannung zwischen Gebundenheit und gleichzeitiger Schöpfungskompetenz in der Tätigkeit des Rechtsprechens. Die Richterin begibt sich mit den bisher entschiedenen Fällen in eine »normative Unterhandlung«[392]. Sieht man sie ausschließlich verantwortlich gegenüber der entstandenen Tradition, die durch faktische Anwendung den Gehalt der anzuwendenden Begriffe konstituiert hat[393], so scheint die Entscheidungsgewalt – aufgrund der |99|Vielstimmigkeit der Tradition – wesentlich bei der gegenwärtig Richtenden zu liegen. Doch verkürzt diese Sicht: Denn berücksichtigt man den Fortgang, wird deutlich, dass die gegenwärtig Richtende auch deswegen gebunden ist, weil ihre Lesart »als Autorität für die Zukunft gelten will«[394]. Und diese Zuerkennung von Autorität kann nur gelingen, wenn die Performanz von künftig Richtenden wiederum als Teil der Tradition begriffen wird[395]. Die Verflochtenheit in das geschichtliche Netz von als richtig anerkannten Inferenzen schafft also Bindung, während es zugleich die produktive und souveräne Entscheidung der gegenwärtig bewertenden Praxisteilnehmerin anerkennt.

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