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a) Bedeutung und Zwecke

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Die Entwicklung des Verfahrensrechts für komplexe Verwaltungsentscheidungen wie der Bauleitplanung unterliegt gegenläufigen Strömungen. Traditionell weist das Verwaltungsrecht dem Verfahren eine dienende Funktion zu. Im Mittelpunkt steht die Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung. Das Verfahren wird demgemäß in vielen Bereichen darauf reduziert, zu dieser inhaltlichen Richtigkeit beizutragen[238]. Deutlichster Ausdruck dieser nach wie vor starken Tendenz ist die Regelung des § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB. Diese erklärt selbst das Auslassen ganzer Phasen des Bauleitplanverfahrens, insbesondere der frühzeitigen Beteiligungen nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BauGB, für unbeachtlich und schränkt die Geltendmachung von Verfahrensfehlern erheblich ein. Darüber hinaus können selbst beachtliche Verfahrensfehler gemäß § 214 Abs. 4 BauGB im Wege des ergänzenden Verfahrens behoben werden. Durch diese Einordnung wird jedoch das Potenzial von Verfahrenshandlungen verkannt. Gerade im Bereich komplexer, gesetzlich nicht umfassend programmierter Verwaltungsentscheidungen – die durch den planerischen Gestaltungsspielraum gekennzeichneten Entscheidungen in der Bauleitplanung können hier als exemplarisch gelten – kommt dem Verfahren bei der Formung der endgültigen Entscheidung eine zentrale Rolle zu[239]. Das Verwaltungsverfahren dient hier nicht der „Ermittlung“ der rechtlich einzig möglichen Entscheidung, sondern nähert sich einem Verhandlungsprozess mit einer gewissen Bandbreite möglicher Ergebnisse an[240]. Eine Position hat in diesem Prozess umso größere Chancen in die Entscheidung Eingang zu finden, je früher sie in das Verfahren eingebracht wird. Aber auch dieser Gedanke findet sich im Verfahrensrecht in zunehmender Weise manifestiert. Von großer Bedeutung sind hier vor allem europarechtliche Einflüsse[241], namentlich die UVP-Richtlinie und die für das Bauplanungsrecht besonders bedeutsame Plan-UP-Richtlinie. Die Rechtsentwicklung ist demgemäß einerseits von einer Beschleunigungsdiskussion geprägt, die in der Tendenz den Abbau von Verfahrensrechten fordert, und unterliegt andererseits jedenfalls im Hinblick auf die Umweltauswirkungen den Einflüssen des Europarechts, das sehr stark den Eigenwert des Verfahrens betont.

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Die sogenannte Verfahrensgrundnorm des § 2 Abs. 3 BauGB[242] bringt den zentralen Zweck des Bauleitplanverfahrens zum Ausdruck. Die für die Abwägung erheblichen Belange sind zu ermitteln und zu bewerten. § 4a Abs. 1 BauGB konkretisiert dies noch einmal für die Öffentlichkeits- und die Behördenbeteiligung. Das Verfahren dient also vor allem dem Zweck, die planende Behörde mit den relevanten Informationen zu versorgen[243]. Daneben ist anerkannt, dass die frühzeitige Geltendmachung von Rechtspositionen im Verfahren auch der Rechtswahrung dient[244]. Die Wahrung von Rechten oder Belangen erfordert Kenntnis von der möglichen Betroffenheit. Dementsprechend dient das Verfahren mit seinen Elementen zur Herstellung der Publizität auch der Information der Öffentlichkeit über die Planung, wie auch in § 4a Abs. 1 BauGB herausgestellt wird[245]. Die Öffnung des Bauleitplanverfahrens auch für die allgemeine Öffentlichkeit unabhängig von möglicher Betroffenheit weist darüber hinaus auf die Funktion des Verfahrens zur Aktivierung eines öffentlichen Diskurses und damit der Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit hin[246]. Schließlich zeigt die häufig kontroverse Debatte um städtebauliche Projekte, dass das Potenzial des Bauleitplanverfahrens zur Schaffung von Akzeptanz und zusätzlicher Legitimation nicht ungenutzt bleiben sollte.[247]

Besonderes Verwaltungsrecht

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